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Weltpostverein und Telegrafendienst
Nachdem
Japan 1877 als neues Mitglied im Weltpostverein (Union
Postale Universelle, kurz UPU) begrüßt wurde, bekam
es eine
Frist
gesetzt, innerhalb der es sein Postwesen an die Regeln der UPU
angleichen musste. Die ersten Regeln, dass die Briefmarken aller
Mitglieder außer Großbritannien (das als erstes
Land der Welt, das
Briefmarken verausgabte, Sonderrechte erhielt) ihren Landesnamen,
möglichst in
Lateinschrift, zeigen sollen, die Frankaturen aller
Mitgliedsländer gegenseitig anerkannt und die reibungslose
Postzustellung gesichert sein müsse, hatte Japan bereits
erfüllt. Nun arbeitete es sich an den weniger bekannten
Vorgaben
ab. So ist nicht Englisch, sondern Französisch die
internationale
Postsprache, und alle Dokumente, etwa Einlieferungsscheine für
Einschreibsendungen, Paketscheine und Quittungen, mussten jetzt
zweisprachig, auf
Japanisch UND Französisch, beschriftet werden.
Nachgebühr bei
internationalen Sendungen musste im Versendungsland markiert, durfte
aber im Empfängerland eingezogen werden. Und dann gab es noch
eine
Vorgabe, die zur Ausgabe neuer Briefmarken am 1.1.1883 führte.
Die UPU empfahl nämlich ihren Mitgliedern mit Nachdruck,
Dauermarken weltweit in
bestimmten Farben zu drucken, das heißt, die Standardwerte
für Postkarte Inland sollten grün, für Brief
Inland rot,
und für Auslandsbriefsendungen blau gedruckt werden. Manche
Leser
erinnern sich vielleicht an ihre Kindheit, als auch die westdeutsche
Bundespost bei den Nachkriegsdauermarken, vielen Sondermarken und
Wohlfahrtssätzen diesen Vorgaben mit deutscher
Gründlichkeit Folge
leistete (die DDR Post folgte bei einfarbig gedruckten Sonderausgaben
bis in die 60er Jahre hinein auch dieser UPU-Farbgebung, wenn auch
weniger konsequent).
Jedenfalls wurden die erst
1879 korrigierten
Farben der 1 sen
und 2 sen Marken
nunmehr in tiefgrün und sattrot
erneut abgeändert, während die 5 sen Marke in
Hellblau
erschien,
in genau dem gleichen Farbton wie die 10 sen Marke. Warum
diese
Farbgleichheit hingenommen und vorerst nicht korrigiert wurde, ist
eines der Rätsel, die uns die japanische Post aufzugeben
beliebte.
Die drei neuen Marken in den vom
Weltpostverein empfohlenen Farben nennt man in Japan U-Koban-Marken, U
wie UPU.
Der Telegrafendienst in Japan wurde zügig ausgebaut; in den
großen Postämtern konnte man Telegramme versenden
und die
Gebühren in bar begleichen. Der Beamte musste den kassierten
Betrag auf der Quittung durch das Aufkleben von Briefmarken
dokumentieren und mit einem neu eingeführten
Telegrafenstempel,
der sich von Poststempeln deutlich unterschied, entwerten. Dies war der
Beginn des Einsatzes von Briefmarken im fiskalischen Bereich, der in
Japan bis heute beibehalten wird. Mit "fiskalisch" ist
nicht "steuerlich" gemeint, sondern der Begriff soll
zusammenfassend für alle unpostalischen Entwertungen stehen.
Außer Telegrafie (und
später Telefon) weitete die Post ihre Dienstleistungen
nämlich auch
auf
den Banksektor (Postscheckdienst und Postsparkasse) aus,
wofür die
kassierten
Beträge stets mit aufgeklebten und
entwerteten Briefmarken
dokumentiert
werden mussten. Diese Dokumentation durch Wertmarken existierte schon
seit langem in den anderen Behörden; für
Ausweisangelegenheiten, das Einrichten von Telefonverbindungen,
juristische Dienstleistungen und Steuern wurden wie auch in Deutschland
Gebühren erhoben; um das Umleiten dieser Gebühren in
die
Tasche der Beamten zu verhindern, muss der Kunde, der die
Dienstleistung einer Behörde in Anspruch nimmt, bis
zum
heutigen Tag dafür Steuermarken im Nennwert der entsprechenden
Gebühr kaufen und auf den Antrag
aufkleben. Für die Dienstleistungen der Post wurden
logischerweise
Postwertzeichen verwendet. Der Sammler unterscheidet bei gestempelten
Marken zwischen postalischen und fiskalischen Stempeln, denn aus dem
Stempel kann man ablesen, ob die Marke im Postdienst oder als
Gebührenmarke verwendet wurde. Fiskalische Stempel werten oft
nur
einen Bruchteil der Summe, die man für
einen postalischen
Stempel aufwenden müsste. Gerade bei den Koban-Marken gibt es
Werte wie die 15 sen,
die mit Telegrafenstempel nur wenige cents, aber
eindeutig postalisch gebraucht gut 50 Euro oder mehr kosten kann. Die
Telegrafenstempel waren klein, kreisrund und trugen nur die Inschrift
"Telegrafenamt NN", aber kein Datum.
Die postalischen
Aktivitäten waren dank Telegrafen- und Bankdienste
mittlerweile derart umfänglich geworden, dass die
Postbehörde 1885
aus dem Innenministerium ausgegliedert und in den Rang eines eigenen
Ministeriums erhoben wurde, dessen offizielle Bezeichnung
"Kommunikationsministerium" lautete.
Telegrafenstempel
auf zwei 10 sen Marken mit extrem unterschiedlicher Zähnung
1885
brachte die Post eine aus zehn Wertstufen bestehende
Serie
spezieller Telegrafenmarken heraus, die anstelle der Briefmarken zur
Dokumentation entrichteter Telegrafengebühren verwendet werden
sollten. Auch diese Serie ist von Edoardo Chiossone entworfen worden
und, um Verwechslungen mit postalischen Briefmarken
auszuschließen, in quadratischem Kleinformat und ohne
Landesnamen
verausgabt worden. Stattdessen findet sich
in
Lateinschrift
nur das Wort TELEGRAPHS, und in Japanisch nur das Wort
"Telegrafenmarke" im Markenbild. Ungebrauchte Stücke wurden
nicht
verkauft, denn diese Marken dienten ausschließlich der
postinternen Abrechnung. Die wenigen heute ungebraucht auf dem Markt
befindlichen Stücke stammen entweder aus der Druckerei oder
sind
von Postbeamten illegal nach außen verbracht worden. Das
Kommunikationsministerium schaffte die
Telegrafenmarken 1888 wieder ab und verwendete erneut Briefmarken, denn
sowohl Post- als auch Telegrafendienste waren unter demselben Dach
vereinigt.
Briefmarkensammler interessieren sich für die Telegrafenmarken
nur
am Rande, denn mit dem Briefpostdienst hat dieses Phänomen
nichts
zu
tun. Ähnlich wie bei den Steuermarken gibt es jedoch Leute,
die
solche
Marken als eine Art Nebengebiet mitsammeln, aber generell werden die
Telegrafenmarken nicht zu den Briefmarken
gezählt, da sie
für
den Briefdienst nicht zugelassen waren und auch keinen Landesnamen
trugen.
Die
kleinen, quadratischen Telegrafenmarken wurden nur amtsintern
verwendet und ungebraucht nicht abgegeben.
Der Höchstwert zu 1 Yen sieht dreifarbig aus, aber das Schwarz
entstand durch die Kombination aus Blau und Rot.
Da
Japans Post bis dato kein Postsymbol hatte, wurde 1885 eine um ein
rotes Band ergänzte Nationalflagge zum offiziellen Postsymbol
ernannt. Ein zerschlissenes Original dieser alten Postflagge ist
erhalten und im Posthistorischen Museum ausgestellt.
Da hieraus kein Bezug auf die Dienstleistungen der Post ersichtlich
wird, verwarf das Kommunikationsministerium
dieses Symbol jedoch nur kurze Zeit später wieder und ersetzte
es
1887 durch ein neues, das bis heute das Logo der japanischen Post ist.
Im Prinzip
ist es eine grafische Variante des Silbenzeichens te
テ, Anfangslaut des Wortes teishin
(Kommunikation). Zugleich erinnert es an ein doppeltes T in
Lateinschrift, was für Telefon, Telegrafie, Telekommunikation
stehen soll, Aufgaben, für die ebenfalls die Post
zuständig
war. Die Farbe der japanischen Post ist Rot, die Postautos,
Briefkästen
und das Logo sind nach britischem Vorbild
einheitlich
mit dieser Farbe
gekennzeichnet.
22 Wada
Kotaro
Noch
lange dachte in Japan kein Mensch ans Briefmarkensammeln, aber im
Ausland wurde schon tüchtig gesammelt. Als
die ersten japanischen Briefmarken erschienen, hatten die ersten Marken
der
Welt, die britischen "1 penny black" und "2 pence blue", schon
über dreißig Jahre auf dem Buckel,
und die ersten Händlerkataloge für "Briefmarken aus
aller Welt" waren
auf dem Markt. Unter den zahlreichen Ausländern, die im Hafen
von Yokohama das Dampfschiff zur Heimreise bestiegen, waren nicht
wenige, die den Andenkenhändler Wada Kotaro, der in
Honjo eine Souvenirklitsche betrieb und
echte Glasperlen,
Billigkimonos sowie handkolorierte Ansichtskarten von Mt.Fuji
und allerlei weißgeschminkten Geishas
im Angebot hatte, fragten, ob er nicht auch
japanische Briefmarken als Mitbringsel für die Lieben daheim
anzubieten hätte. Nach zig verneinten Anfragen begann Wada
eine Geschäftslücke zu wittern, und mangels
verfügbarer Marken, die in Japan niemand ausschnitt und
abweichte, sondern allenfalls zusammen mit dem Brief aufhob, begann er
um 1885,
gebrauchte Briefmarken als Souvenirs selbst herzustellen.
Da
das Nachahmen
gültiger Postwertzeichen ebenso verboten war wie die
Herstellung falscher Geldscheine, gravierte er auf
seinen Kleinbögen zu 2 x 3 = 6, später 2 x 4 = 8
Marken mit
klitzekleinen Schriftzeichen die Worte "Imitation" oder
"Vergleichsstück" in die Marken ein, verkaufte nur
abgestempelte
Stücke und richtete es so ein, dass
seine
Falschstempel diese Zeichen möglichst überdeckten.
Und
begann dann zu
drucken, was das Zeug hielt. Seine "Tourist Sheets" mit
aufgepappten
Imitaten der alten japanischen Briefmarken waren der absolute Renner in
seinen Souvenirläden, von denen er flugs Zweigstellen an
touristischen Brennpunkten und in den Häfen vonYokohama
und Kobe eröffnete.
Auf den sogenannten
"tourist sheets" aus Wadas Souvenirhandel ist keine einzige echte Marke
zu finden
Wada
überließ den sonstigen Souvenirkitsch der Konkurrenz
und
produzierte nur noch Imitate
japanischer Briefmarken, genauso falsch wie seine "echten" Perlen, und
als die ersten Marken außer Kurs
kamen, ließ er auch die versteckten Schriftzeichen weg. Die
Bögen, die er gravieren ließ, waren
qualitativ denen
des Matsuda Atsutomo fast gleichwertig; auf den ersten Blick eines
Ausländers sind die
Imitationen von den Originalmarken kaum zu unterscheiden, und tausende
von Engländern und Amerikanern trugen stolz die "alten
japanischen Briefmarken" in ihre Heimat, wo sie von ihren heutigen
Nachfahren selbstverständlich als authentisch angesehen
werden, denn der Urahn hatte sie ja persönlich aus Japan
mitgebracht. Wada bestückte nicht nur seine japanischen
Outlets,
sondern lieferte auch an Souvenirläden in Shanghai, Saigon und
Batavia und offerierte auch den Versand nach Europa und Amerika, 100
tourist sheets für 30 US $. Bedenkt man, dass in Europa bis
zum
heutigen Tag ca. 90%
der alten Japanmarken in Sammlerbesitz Fälschungen
aus Souvenirläden und Versandhandel des
geschäftstüchtigen Herrn Wada stammen, kann man nur
bewundern,
welche Massen von Imitaten er in seiner aktiven Zeit produziert und
verkauft haben muss. Es sind mit Sicherheit Millionen-Auflagen, die zum
Teil die gedruckten Auflagen der Originalmarken übertreffen
und bis heute vielen Japansammlern das Sammeln klassischer Marken
verleiden
und arglosen Anfängern gutes Geld aus der Tasche
ziehen.
Zu
erkennen sind Wada-Fälschungen anhand etlicher Merkmale, die
man studieren und erlernen kann, aber dafür braucht es
Studienmaterial und echte Marken zum Vergleich. Generell kann man
sagen, dass es Wada ausschließlich um den schnellen Reibach
ging; er arbeitete mit verdünnten und billigen Druckfarben,
druckte auf billigem Papier und verwendete manche "Stempel" sehr
häufig. Schon an den typischen "Wada-Stempeln" lassen sich
viele Fälschungen erkennen, aber auch an den blassen, oft
graustichigen Farben (durch Beimengungen billiger schwarzer
Druckfarbe), und natürlich an den versteckten
Miniatur-Schriftzeichen "Imitation 造模"
oder "Referenzstück 考参"
- sofern man weiß, an welchen Stellen man danach suchen muss.
Außerdem imitierte er keine Geheimzeichen und machte
teilweise grobe Fehler im Design; einige Marken
aber
sind ihm dennoch so gut gelungen, dass auch fortgeschrittene Sammler
stets Vorsicht walten lassen sollten.
Echte
Drachenmarke (links) mit Unterscheidungsmerkmalen (gelbe Pfeile),
sauberer Druck, satte Farbe.
Wada-Imitation (rechts) mit
Design-Fehlern und eingefügten
"Vergleichsstück"-Schriftzeichen (blaue Pfeile):
Billiges, dünnes Papier, mangelhafte Zähnung,
verdünnte Farbe
Einige andere Händler machten es ihm nach; als
Fälscher sind die Namen Maeda Kihei (für die Firma
Kamigata), Hirose und Kasahara bekannt, und
außerhalb Japans, wo es kein Japanpapier gab, druckten neben zahllosen anderen Fälschern vor allem die
Brüder Spiro in Hamburg, die Raritäten aus aller Welt
imitierten, altjapanische Briefmarken-Faksimiles in größeren Mengen im Steindruck auf
Zigarettenpapier und stempelten sie mit Fantasiestempeln (z.B. JOKOHAMA
mit
J) ab. Alle diese Produkte sind von der Qualität echter
Briefmarken dermaßen weit entfernt, dass sich nur sehr
unerfahrene Anfänger davon täuschen lassen. Der wahre
Gegner aller Altjapan-Sammler bleibt Wada Kotaro, der bis um 1912
gemeinsam mit seinem Sohn Isaburo sein
lukratives Unwesen trieb und "Briefmarken" für heimkehrende
Ausländer produzierte, wobei ihm zuletzt das teure
Importpapier zu schaffen machte. Auch er musste nun auf
europäischem Papier drucken, wobei er allerdings die billigste
Sorte, ein gelbliches, stark gemaschtes Schreibmaschinenpapier
verwendete, das mit dem guten Papier der Reichsdruckerei nicht viel
gemein hatte. Die Koban-Serie setzte seinem Treiben ein Ende, denn mit
der modernen Drucktechnik der Reichsdruckerei konnte er nicht
mithalten. Seine ersten Koban-Imitate waren noch handgraviert, bis er
auf
minderwertige Lithografie-Technik umsattelte, aber seit der Kobanserie
war frankierte Post in Japan bereits so verbreitet, dass sich
gestempelte Originalmarken leicht auftreiben ließen und die
aufwendige Produktion von Imitaten sich nicht mehr rentierte.
Spiro-Fälschung auf Zigarettenpapier mit datumlosem
JOKOHAMA-"Stempel"
23
Die neue Koban-Serie
Da
die Idee mit den Killerstempeln in der Alltagspraxis der
Postämter gescheitert war, wurde nun eine grundlegende Reform
der
Poststempel in die Wege geleitet; auch die UPU verlangte,
dass Briefmarken mit Stempeln zu entwerten seien, die Ort und
Datum anzeigten. So kamen am 1.9.1888,
dem Tag, ab dem die Bota-Killer
nicht mehr eingesetzt werden durften, sofort in allen japanischen
Postämtern brandneue Stempel einheitlicher Gestalt zum
Einsatz,
die zuvor schon hergestellt und verteilt worden waren. Sie
waren
durch einen waagerechten Strich in ein kleineres oberes und ein
größeres unteres Segment unterteilt. Im oberen
Segment waren
Provinz und Ort, im unteren Segment in zwei Zeilen das Datum in
japanischer Schrift
sichtbar, und darunter war ein unabgeteilter Raum, der die Art des
Stempels kenntlich machte. Blieb der Raum leer, war es ein Stempel aus
dem Postscheckdienst, fanden sich darin die Schriftzeichen für
"Telegrafen"
信電 oder "Telefon" 話電,
so war der Stempel zur Entwertung von Marken
verwendet worden, die im Telegrafen- oder Telefonamt als
Gebührenquittung verwendet wurden.
Postalisch verwendete Stempel erhielten in diesem Segment die
Postnummer, welche die Frühpost, Vormittagspost,
Nachmittagspost
usw. bezeichnete, anstelle der Uhrzeit. Diese metallenen Stempel waren
durchaus handwerkliche Meisterwerke, denn Datum und Postnummer waren
durch bewegliche Lettern veränderbar, der Stempel selbst
ziemlich
haltbar und sah äußerlich im Prinzip bereits nicht
anders aus als die heute im
Postdienst üblichen Handstempel.
von links nach rechts:
Kyoto postalisch, Kyoto fiskalisch, Kobe telegrafisch, Tokyo
telefonisch
Auch die Nachgebühr-Stempel wurden in diesen Jahren
vereinheitlicht. Vom Empfänger wurde überdies eine Strafgebühr
für
unfrankierte oder unzureichend frankierte Sendungen kassiert. 1879 kam
ein kleiner Kastenstempel zur Verwendung, der nicht zwischen
unfrankierten und unterfrankierten
Sendungen unterschied. Ab
1882 wurde dieser undatierte Stempel ohne Ortsangabe durch zwei Stempel
ersetzt, und zwar einmal für unfrankierte Sendungen, deren
Gebühr der Empfänger bezahlen sollte, und einmal
für
Sendungen, die schlicht nicht ausreichend frankiert waren. Die
nachträglich entrichtete Gebühr wurde mit Briefmarken
dokumentiert und mit den genannten Stempeln entwertet.
Bei allen Versionen war die doppelte Briefgebühr
fällig,
weshalb sich diese Stempel bei dem seinerzeit gültigen
Portosatz
von 2 sen besonders häufig auf Marken zu 4 sen finden.
Verschiedene
Nachgebühr-Entwertungen auf der gleichen Marke, von links nach
rechts:
Die Pinselentwertung mit roter Tusche kam nur noch selten vor -
Kastenstempel von 1879, Inschrift "Gebühr bezahlt
Empfänger oder ungenügend frankiert" -
Stempeltypen von 1882, unter den Schriftzeichen "ungenügend
frankiert" ein Kästchen mit ...sen,
in das die Gebühr eingetragen werden konnte - ganz rechts:
"war nicht freigemacht".
Auch diese Marken in unterschiedlichen Zähnungen
Passend zu den neuen Schuhen gab es auch ein neues Kleid, oder anders
gesagt, zu den neuen Stempeln auch neue Briefmarken. Die Koban-Serie
wurde gründlich überarbeitet, und um der
womöglich noch
immer mosernden Killerstempel-Fraktion den Wind aus den Segeln zu
nehmen, waren die ab
März 1888 in Verkehr gelangenden neuen
Briefmarken allesamt in Pastelltönen gedruckt, damit man auch
auf
den Marken abgeschlagene Stempel gut entziffern konnte. Für
diese
Maßnahme sind die Markensammler bis heute sehr dankbar. Das
Kennzeichen dieser Ausgabe, die man Neukoban-Serie nennt, ist
außer den sanften
Farbtönen,
dass auch die Zähnung nunmehr professionell in nur noch
wenigen Varianten erfolgte, und auch beim Papier war endlich
eine Sorte westlichen Papiers, inzwischen made in Japan, gefunden, die
allen Ansprüchen genügte und
ein
weiteres Experimentieren überflüssig machte. Und eine
große Neuerung ist bei dieser Serie zu verzeichnen: Der
Höchstwert zu 1 yen, für
den ein neues
Design mit einem
riesigen Chrysanthemum (das runde kaiserliche Wappen) zum
Einsatz
kam, wurde in einer hochmodernen Technik angefertigt, bei der das
Chrysanthemum im Prägedruck erschien. Wie japanische Forscher
vermuten, stand als Vorbild hierfür die erste Freimarkenserie des
Deutschen Reichs, "Adler mit Brustschild" Pate. Dafür war die
rote
Druckfarbe der Marke leider ein sehr wasserscheues Anilinrot, das in
längerem Wasserbad zu einem blassen Rosa ausbleicht, aber man
darf
ja nicht zu viel verlangen.
Einige Werte aus der neuen
Koban-Serie, rechts unten die 1 yen Marke mit geprägtem
Chrysanthemum
Mit dieser neuen Koban-Serie, zu der sich 1892
noch ein Nachzüglerwert zu 3 sen in rosalila
gesellte, und
den neuen Stempeln hatte die japanische
Post schon das internationale Niveau erreicht;
das gleiche
wasserscheue
Anilinrot wie bei der 1 yen
Marke wurde beispielsweise
auch in
Großbritannien noch bis
1911
verwendet.
Unglücklicherweise
meinten Japans
Militärs und
Politiker, nicht alleine im Verwaltungs- und Postwesen, sondern auch
militärisch mit dem Westen gleichziehen zu
müssen. Die ersten militärischen
Abenteuer, die
Kriege gegen China und gegen Russland, gingen leider jeweils
erfolgreich für
Japan aus –
hätte Japan krachend verloren, wäre
Ostasien
und auch Japan selbst womöglich viel späteres Unheil
erspart geblieben.
24 Neue
und alte Lateinschriftstempel
Seit
der
Einführung der neuen Stempeltype war endlich auch die lange
strittige Stempelfrage gelöst, und im
Kommunikationsministerium hätte
eigentlich Ruhe einkehren können, aber die Stempelabteilung
suchte
nach neuen Aufgaben und fand diese im Bereich der Lateinschriftstempel.
Noch immer kamen mitunter stumme oder bota-ähnliche Killer zum
Einsatz, und
wo mit richtigen Poststempeln in Lateinschrift gearbeitet wurde, sahen
diese ziemlich schlicht und simpel aus im Vergleich zu den elaborierten
Wunderwerken, deren Abdrücke man auf hereinkommender Post aus
dem
Ausland fand. Es war sicher nicht schwer, die Chefs davon zu
überzeugen, dass in den großen Städten des
Reichs auch
repräsentative Stempel für Auslandspost
vonnöten seien,
zumal die Post plante, demnächst aus Anlass der bevorstehenden
Feiern der Silberhochzeit des Tenno eine
Sonderausgabe aufzulegen,
die erste vollkommen neue Briefmarkenausgabe seit Einführung
der Koban-Serie
1876 –
das war nun schon ziemlich lange her.
Als intern feststand, dass die geplante Sondermarkenausgabe in einem noch
nicht dagewesenen Großformat erscheinen würde,
legten
die Stempeldesigner ihre Entwürfe für einen neuen,
ansehnlichen
Stempel vor,
den sogenannten "Meiji-Zweikreisstempel"
für Auslandspost. Der ausgewählte Entwurf kam
1892 in den
acht Städten mit dem höchsten Anteil an
Auslandspost in Gebrauch und war so groß, dass er sich auch
auf
großformatigen Sondermarken bewähren
sollte.
Die
Grafiker hatten sich wahrhaftig mächtig ins Zeug gelegt und
gezeigt, was sie zu leisten imstande waren. Vier saubere Sternchen,
arabische und römische Ziffern, die Jahreszahl nach westlicher
Zählung und im Unterrand nach japanischer Zählung,
alles in
Lateinschrift, und dazu noch das Wort NIPPON 本
日 auf
Japanisch –
ein stattlicher Stempel, der fortan in TOKYO, YOKOHAMA, KOBE, NAGASAKI,
HAKODATE, KYOTO, OSAKA und NIIGATA zum Einsatz kam. Ab 1894 kam als
neunte Stadt noch MOJI auf Kyushu hinzu.
Außerdem wurde eine modifizierte Version (ohne
das 本日) in den japanischen
Auslandspostämtern von
SHANGHAI, TIENTSIN und
CHEFOO eingeführt.
Diese Stempel wurden nicht nur in Metall gegossen, sondern
kamen –eine
weitere Neuerung–
auch als Gummistempel zum Einsatz. Selten findet man nur die Stempel
von Niigata, Moji und Chefoo, alle anderen wurden in den
großen
Städten tatsächlich viel verwendet, wodurch freilich
auch
ihre Nachteile offenkundig wurden. Diese waren so gravierend, dass
diese wundervolle Stempeltype schon Ende 1894 wieder aus dem
Verkehr
gezogen wurde; nur aus Kobe ist der Gebrauch dieses Stempels noch bis
1899 nachzuweisen.
Es zeigte sich, dass die bisher verwendete schwarze Stempelfarbe sofort
den Gummi des Stempels angriff, verätzte und unbrauchbar
machte.
Für die Gummistempel musste eine neue Stempelfarbe gemischt
werden
und am Postschalter ein Stempelkissen mehr stehen, das
Abdrücke in
Dunkelblau bis Blauviolett lieferte. Ein Beamter, der das Datum
täglich neu einstellen sollte, musste erst ausgebildet werden;
mit
den fremdländischen Ziffern kannten sich einige Japaner ja
notfalls schon aus, aber die römischen Zahlen für die
Monatsangabe, das war für den normalen japanischen Postbeamten
allenfalls eine Schnapsidee, ein Buch mit sieben Siegeln, und
erforderte einen eigenen Lehrgang. 1894 wurde
auch festgelegt, dass künftige Sonderausgaben in kleinerem
Format
gedruckt werden sollten; die riesigen Schalterbögen zu 100
großformatigen Marken waren einfach zu unhandlich. Auf den
Gedanken, Bögen mit weniger als 50 Sondermarken zu drucken,
kam man erst 1934.
Jedenfalls waren die schönen Meiji-Zweikreisstempel
für
die Dauermarkenfrankatur der normalen Alltagspost viel zu
groß,
und schließlich führten sie zu Streitereien
über die
richtige Lateinschreibung japanischer Ortsnamen. Sollte man KIOTO
schreiben oder KIYOTO? CHEFOO oder CHEEFOO? Jeweils beide
Schreibweisen finden sich auf dieser
Stempeltype.
Im Laufe des Jahres 1894
kramte man in den Postämtern die früheren, schlichten
Lateinschriftstempel wieder
hervor,
und die
Stempeltüftler im Ministerium gingen nach der Schlappe mit
ihrem
schönen Superstempel erst einmal fünf Jahre lang in
Deckung.
Bemerkenswert ist allerdings, dass die Stempel für
Auslandspost
nun auch an Orte vergeben wurden, die wenig oder gar keine Auslandspost
abfertigten; bis zum Jahr 1900 führten 41 Postämter
schlichte Lateinschriftstempel, von denen fünf noch nie auf
einem Postbeleg
gefunden worden sind. Von anderen Ämtern sind nur sehr wenige
Abdrücke bekannt, und der einzige bisher bekannt gewordene
Lateinstempel des Ortes Tsu
wurde vom Verfasser
auf einer 1 yen Marke
der neuen Koban-Serie entdeckt.
|
|
Lateinstempeltype 1894 bis 1905,
unterschiedliche Form der Asteriske und Stellung der Jahreszahl.
Von
Nanao existiert nur 1 Abdruck auf Postkarte,
von Oita sind nur wenige Belege bekannt |
einziger je gefundener Abdruck
von Tsu
aus
der Sammlung des Verfassers |
25 Die
ersten Sondermarken Japans
Die erste japanische Sondermarkenserie erschien 1894 in
UPU-Farben anlässlich
der Silberhochzeit des Kaiserpaars. Zwei bildgleiche Marken, die im
Zentrum das kaiserliche Wappen, das Chrysanthemum, zeigen, umrahmt von
japanischem Design, das sich um ein Phönixpaar rankt. Der
Phönix gilt in der chinesischen Mythologie als König
der
Vögel und als Glückssymbol. Er wird immer im Paar
dargestellt, denn das Wort Fenghuang bezeichnet ursprünglich
den
männlichen (Feng) und den weiblichen (Huang) Phönix.
Wegen
dieser Dualität gilt er als Symbol der glücklichen
Ehe; in
Japan ziert er oft Hochzeitskimonos, weshalb dieses Symbol
auch zum Briefmarkenmotiv
für diesen Anlass gewählt worden ist.
Vielen Sammlern gilt diese im Buchdruckverfahren hergestellte Ausgabe
als eine der schönsten
altjapanischen Briefmarkenserien, die Würde und Tradition
ausstrahlt. Die Marke in Rot ist als Porto für Inlandsbriefe,
diejenige in Blau für Post ins Ausland gedacht, und die Marken
tragen nicht nur den Landesnamen, sondern auch den Anlass in Englisch
und Lateinschrift im Markenbild. Der japanische Landesname lautet auch
hier "Kaiserreich Großjapan".
Erste japanische Sonderserie,
verausgabt am 9. März 1894,
untere Reihe mit Ersttagsstempel (aus Gummi) von Kobe
Besonders
die in Japan ansässigen Ausländer, auf Andenken
für die
Lieben daheim begierig und mit dem Sammeln von Briefmarken vertraut,
stürzten sich auf diese Markenausgabe und standen in den
Postämtern der Städte mit hohem
Ausländeranteil
(Yokohama,
Kobe, Shanghai) Schlange, um diese Marken zu erwerben und mit einem
der neuen Stempel in
Lateinschrift am
Ausgabetag abstempeln zu lassen. Aus
der erhofften Rarität wurde freilich nichts; die
Sondermarken
wurden
in einer dermaßen hohen Auflage (2 sen: 4 Millionen, 5 sen: 1
Million Stück) gedruckt, dass sie noch lange an den
Schaltern vorrätig blieben und sogar fiskalisch aufgebraucht
wurden.
Beide Marken sind auch heute noch, selbst mit dem schönen
Ersttagsstempel, leicht und billig zu erwerben und zieren in
gewöhnlicher, gebrauchter Erhaltung auch die
meisten Anfängersammlungen.
Die Abbildung des Kaiserpaars war natürlich tabu, zumal der
Tenno sehr fotoscheu war. Für kaiserliche Prinzen (mit
Ausnahme des Kronprinzen) galt dies nicht,
weshalb die folgende, zwei Jahre später erschienene Serie
Sondermarken, in den gleichen Wertstufen und
Farben, die Prinzen Arisugawa und Kitashirakawa abbildete, die beim
Militär Karriere gemacht hatten und als
Repräsentanten des
Sieges im Feldzug gegen China (1894/95) galten. Als
Marineoffizier kommandierte Arisugawa die Schlachtschiffe Matsushima
und Hashidate,
die zur Vernichtung von Chinas Kriegsflotte beitrugen, und der in
Preußen militärisch ausgebildete Kitashirakawa nahm
als
Generalleutnant am Krieg gegen China teil. Anlass des Krieges waren die
japanischen Ambitionen auf Korea, das bis 1895 unter der Herrschaft des
Qing-Reiches stand. In einer Serie von Schlachten vertrieb die
japanische Armee die chinesischen Truppen aus Korea und drang bis zur
Mandschurei vor. Die veraltet organisierte und ausgerüstete
Armee des chinesischen
Kaiserreichs kapitulierte nach nur acht Monaten, und das Reich
unterzeichnete im April
1895 den Friedensvertrag von Shimonoseki, in
dem China die Liaodong-Halbinsel und Taiwan an Japan abtreten musste. Die
Liaodong-Halbinsel in der Mandschurei musste Japan auf Druck
Russlands an China
zurückgeben,
woraufhin Russlands Armee umgehend das Gebiet
besetzte
und China einen Pachtvertrag für die
gesamte Halbinsel mit der Hauptstadt Port Arthur aufzwang.
Korea wurde zwar
formell unabhängig, aber der
Einfluss
Japans und Russlands blieb stark
präsent.
Im
Reich
schritt der Ausbau der Infrastruktur voran: Die Eisenbahnstrecke der
Tokaido-Linie erreichte
1895 die Stadt Kobe, so dass längst keine Postreiter oder
Postkutschen
mehr zwischen Tokyo und dem Westen des Reichs unterwegs waren, sondern
die Eisenbahn die japanische Post- und Verkehrsrennstrecke beherrschte,
und 1899 gab es auch schon auf der Nordinsel Hokkaido Bahnstrecken.
Eine eigene Industrie entstand, Fabriken für Gebrauchswaren,
Werften, Spinnereien, Rüstungsgüter –
Japan modernisierte seine Armee und Marine in rasantem Tempo, von den
militärischen Erfolgen beflügelt.
Offizielle
Ankündigung der Gedenkmarken zum Sieg im Krieg gegen China,
Ausgabetag 1.August 1896.
Jeweils links Prinz Kitashirakawa, rechts Prinz Arisugawa.
Unter
den Mustermarken ist die Auflagenzahl angegeben: 2 sen je 5 Millionen,
5 sen je 2 Millionen.
Diese zweite Ausgabe von Sondermarken aus Anlass des
militärischen Sieges über China, im
neuartigen Stichtiefdruck hergestellt,
ist vom Format her nur wenig größer als die
Dauermarken,
aber es ist die erste japanische Markenausgabe, die Personen
porträtierte. Im Gegensatz zu den westlichen Ländern
mit
ihrer feudalen Tradition, die es als natürlich ansahen, ihre
Könige, Präsidenten und Fürsten auf
Briefmarken
abzubilden und auch Sondermarken mit den Porträts prominenter
Persönlichkeiten zu schmücken, ist Japan bis heute
sehr
zurückhaltend mit menschlichen Konterfeis auf Briefmarken. Ein
amtierender Tenno wurde bis dato noch nie, ein Kronprinz 1959 zum
ersten Mal auf einer Sonderausgabe abgebildet.
Persönlichkeiten
finden sich nur relativ selten auf japanischen Briefmarken.
Neu war auch die Bogenform dieser Ausgabe. Der Bogen enthält
zwar 100 Marken, die allerdings durch unbedruckte
Zwischenstege
in Einheiten à je 20 Marken zertrennbar sind, was
zweifellos, wie das verkleinerte Format, als Reaktion auf die
Unhandlichkeit der Bögen der ersten Sonderausgabe zu werten
ist.
Die Auflagen dieser Marken sind bei der Nominale zu 5 sen noch
höher als bei der ersten Ausgabe, aber die
ausländische
Kundschaft, die bemerkte, dass auch die vorige Ausgabe noch immer auf
der Post erhältlich war, ersparte sich nun ernüchtert
das
Schlangestehen, weshalb bei dieser Ausgabe
Gefälligkeitsstempel
vom Ersttag erheblich seltener sind als bei der Ausgabe zur
Silberhochzeit. Überdies stieß der Anlass dieser
Gedenkmarkenausgabe nicht bei allen Ausländern auf begeisterte
Zustimmung.
26
Kikumon-Serie
Eine
große Generalrevision und Erhöhung der
Portosätze im
Jahre 1899
war der Grund dafür, die Koban-Serie, die inzwischen
insgesamt 17 Jahre lang als Dauerserie in Japan gedient hatte, durch
eine neue Serie zu ersetzen. Den Grafikern wurde aufgetragen, das
kaiserliche Wappen als Symbol des Kaiserreichs ins Zentrum zu
rücken und in den vier Ecken Raum für die
Wertangabe vorzusehen. Die Entwürfe, welche die
Designkommission
ausgewählt hatte, wurden vom Kommunikationsministerium
abgelehnt und eine
neue, zusätzliche Bedingung formuliert:
"Einem Kaiserreich von der Bedeutung Großjapans
ist nicht
zuzumuten, fremdländische Schrift ins Markenbild aufzunehmen;
außer den Ziffern sollen nur japanische Schriftzeichen im
Markenbild erscheinen."
Vom
Kommunikationsministerium wegen Lateinschrift abgelehnte
Entwürfe
Hier deutete sich das gewachsene
Selbstbewusstsein Japans erstmals an, das sich mittlerweile
als
einziges Land Asiens auf Augenhöhe mit den USA und Europa
betrachtete, eine elitäre Einstellung, die bis zum 2.Weltkrieg
kontinuierlich und propagandistisch verstärkt wurde und auch
heute
noch das Bewusstsein der meisten Japaner prägt. Die Fokussierung auf
das
kaiserliche Wappen, das Chrysanthemum, im Zentrum
des Designs der neuen Briefmarkenserie, rückt ein Kaisertum in
den
Mittelpunkt des Selbstverständnisses, das der Mythologie
zufolge
direkt auf die Sonnengottheit
zurückgehen, niemals unterbrochen worden und etwa 2600 Jahre
alt sein soll – nichts
davon ist historisch zu begründen. Nach
der Einverleibung Taiwans begann Japan, seinen Einfluss auf die
Nachbarländer zu verstärken und begehrliche Blicke
auf die
Mandschurei und Korea zu richten; das
"Groß"
im Landesnamen "Großjapanisches Reich"
war
als Programm gedacht und entfiel
erst 1946 wieder, zusammen
mit dem Chrysanthemum,
auf Druck der amerikanischen Besatzungsmacht. Den Namen des Reichs
fügte Japan erst 1966 wieder in Lateinschrift in alle neuen
Briefmarken ein, als man sich in der Folgezeit der Olympiade Tokyo
einen internationalen Anstrich geben wollte, aber nicht etwa auf
Englisch "Japan", sondern in der japanischen Version NIPPON.
(Im Alltag nennt sich Japan NIHON, wohingegen
NIPPON die nationalstolze Variante
ist.)
An
den
Farbvorschlägen der UPU für die Standardwerte
traute man sich freilich nicht zu rütteln. Auch bei diesen
neuen
Dauermarken wurde die neue Wertstufe für Postkarte (2 sen) in
Grün, für
Briefe (3 sen) in Rot, und für Auslandspost (10 sen) in Blau
gedruckt. Eine
peinliche
Rüge wollte Japan offenbar nicht riskieren.
Die ersten Marken der Kikumon-Serie
(auf
Deutsch auch "Chrysanthemum-Serie") erschienen
am 1.Januar 1899;
sie blieb bis 1913 Japans Standard-Dauerserie.
Design
A
Design B
Design
C
Design D
Die
vier
unterschiedlichen Zeichnungen mit dem Chrysanthemum im Zentrum lassen
die
Serie einheitlich wirken; die niedrigen Wertstufen 5 rin bis 5 sen
erhielten das Design A, während Design B für die
Wertstufen 6
bis 20 sen vorbehalten war. Design C entfiel auf die hohen
Wertstufen 25 und 50 sen, und der Höchstwert von 1 yen
in Rot, wie
bei der vorigen Serie mit geprägtem Chrysanthemum,
wurde als einziger im Design D gedruckt.
Auffällig
ist bei den Design-Varianten A bis C, dass sie stellenweise wie
Geldscheine ein feines Netzmuster aufweisen; das
Kommunikationsministerium
befürchtete offenbar Fälschungsversuche. Mit Recht,
wie sich
noch herausstellen sollte, denn tatsächlich tauchten
Fälschungen der Wertstufen 10 und 20 sen zum Schaden der Post
auf,
aber erst um 1913, als die Technik im privaten Druckwesen es
allmählich mit
derjenigen der Reichsdruckerei aufnehmen konnte. Sehr groß
dürfte der Schaden für die Post nicht gewesen sein,
denn es
wurden nur sehr wenige Stücke gefunden, weshalb die
Fälschungen heute weit wertvoller sind als echte Marken.
Kikumon
20 sen - links Original,
rechts gefälscht (Detail)
Auch an der Kikumon-Serie wurden später einige
Änderungen
vorgenommen. So wurde die veraltete Wertbezeichnung der niedrigsten
Portostufe von 5 rin
in ½ sen,
und die Farbgebung der Nominalen 1½
sen und 3 sen von hellblau in purpur bzw. von braunrot in
hellrot abgeändert.
ursprünglich |
5
rin |
1
sen |
1½
sen |
2
sen |
3
sen |
4
sen |
5
sen |
6
sen |
8
sen |
10 sen |
15
sen |
20
sen |
25
sen |
50 sen |
1
yen |
Änderungen |
½
sen |
|
1½
sen |
|
3
sen |
|
|
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|
|
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|
|
Auch in Japan war es inzwischen üblich geworden, dass sich
Großkunden oder Firmen, die viel Post versandten, auf den
Postämtern mit Marken versorgten und die Post zuhause bzw. im
Büro vorfrankierten. Die Nachfrage nach Briefmarken in
größeren Einheiten führte zu der
Überlegung, auf
großen Ämtern die meistgefragten Wertstufen in
Sixpacks
vorrätig zu halten. Sechs Marken aus dem Bogen, vorne und
hinten
ein Pappedeckel dran, das Ganze mit Heftklammern vernietet, und fertig
waren die ersten Markenheftchen Japans. Das Design der Deckel zeigt
nicht nur, dass nun auch in Japan L'Art Nouveau, der Jugendstil, Einzug
zu halten begann, sondern gibt auch Hinweise auf den Sinn der
Maßnahme: Das Heftchen
mit Marken der Nominale für Postkarten ziert ein rosa
Schleifchen;
die Marken sollten auf Glückwunschkarten verklebt werden.
Hier soll noch einmal in Erinnerung gerufen werden, dass Postkarten
noch immer das Hauptkommunikationsmittel in den Städten waren,
in
denen private Telefone noch nicht existierten, und Japaner halten bis
heute fest
an ihrer uralten Tradition, zu Festtagen oder glücklichen
Anlässen Glückwünsche und Geschenke zu
versenden.
Die schmucklosen Postkarten mit eingedruckter Marke waren
für
solche Anlässe zu schlicht; nun boomten die Hersteller von
Glückwunsch- und Ansichtskarten, und manche Postkunden
bemalten
auch eigenhändig Karten mit Eifer, Pinsel und Wasserfarben,
und
zum Versand dieser privaten Erzeugnisse waren
Briefmarken erforderlich.
Heute
sind es Raritäten: Die ersten Markenheftchen Japans,
Deckel
und Inhalt: Marken im Nennwert für Postkarte und
Inlandsbrief
Weil die Marken für die Heftchen aus dem Oberrand des Bogens
herausgetrennt wurden, sind gebrauchte Einzelmarken von Bogenmarken
nicht zu unterscheiden. Ganze Heftchenblätter erkennt man an
den
meist rostigbraun umrahmten Heftlöchern am Oberrand, die
freilich
auch nachträglich angebracht werden können. Das Ideal
des
Sammlers ist daher ein komplettes Heftchen, aber davon sind nur so
wenige erhalten geblieben, dass man für das billigste schon
ein
Budget von ca. 3000 €
bereithalten sollte.
27
Japanische Postämter in Korea und China
So wie einst die Ausländer in Yokohama ihre eigenen
Postdienste
pflegten, um Briefe in die Heimat zu senden, so eröffnete auch
Japan in den Regionen, in denen Japaner Geschäfte abwickelten
oder
militärisch die Interessen ihres Landes vertraten, eigene
Postämter. Wie bereits der Krieg gegen China gezeigt hatte,
beschränkte sich das japanische Reich nicht darauf, die
eigenen
Inseln zu modernisieren, sondern schloss sich schon sehr bald dem
Kolonialisierungsdrang der europäischen Mächte an.
Das
Zeitalter des Imperialismus hatte Japan erreicht. Japan betrachtete
Korea und das desolate China, das auch von Briten, Franzosen und
Deutschen als leichte Beute angesehen wurde, als seine
Interessensphäre
und pachtete in der Hafen- und Handelsstadt Shanghai ebenso wie die
Europäer eine Konzession, in der es nach Gutdünken
schaltete
und waltete. Der Sieg im Krieg gegen China stärkte das
japanische Bewusstsein, die
bedeutendste Macht in Ostasien zu sein, und wenn nicht das zaristische
Russland ebenfalls starke Ambitionen auf Korea und die Mandschurei
gezeigt hätte, wären diese Gebiete schon wesentlich
früher
unter japanische Herrschaft geraten.
Korea wurde nach Japans Sieg zwar formal selbständig, aber
Japan
blieb dort auch gegen Koreas Wünsche aktiv und
eröffnete in
allen großen Städten nicht nur
Handelsniederlassungen und
Militärstützpunkte, sondern auch japanische
Postämter.
Und in China blieb es nicht bei Shanghai; je schwächer und
korrupter die chinesische Obrigkeit war, die hilflos mit ansehen
musste, wie Shanghai und Guangzhou (Canton) mit Rauschgift
überschwemmt wurden und im
Opiumrausch versanken, während die fremden Mächte
sich immer
dreister immer neue Stücke aus dem Reich herausrissen, desto
stärker mischte auch Japan im Spiel der imperialistischen
Mächte mit. Während die Deutschen in Qingdao
(Tsingtau) in
der Region Jiaozhou (Kiautschou) begannen, Bier
zu brauen, die Briten sich in Xianggang (Hongkong) und Jiulong
(Kowloon) breit machten und Portugiesen in Aomen (Macau) anfingen, zu
missionieren, ohne die Einwohner um Erlaubnis zu fragen,
wurden Japaner in Tianjin (Tientsin) und anderen Gebieten Chinas aktiv
und
eröffneten dort ihre eigenen Postämter. Diese
japanischen
Aktivitäten kollidierten mit den Aktivitäten des
Zarenreichs,
und
die Rivalität beider Mächte kulminierte im Krieg
zwischen
Japan und
Russland 1904/1905.
In Korea eröffnete schon im April 1889 ein erstes IJPO
(International Japanese Post Office) in der Stadt Wonsan, die in Japan
Genzan (so die Schreibweise auf den ersten Stempeln) oder Gensan
(Stempel ab 1891) heißt. 1891 folgten IJPOs in Incheon
(Ninsen)
und Busan (Fusan, Husan), 1894 der Hafen von Incheon (Chemulpo), der
Frachthafen Mokpo und die Hauptstadt Seoul
(Keijo, Keizyo).
Parallel dazu gab es IJPOs ab 1889 auch in Shanghai und Tianjin
(Tientsin), ab dem Folgejahr 1890 auch in Nanjing (Nanking). In rascher
Folge ging es weiter; bis 1903 konnten Japaner ihre Post in
China schon
von insgesamt 20 japanischen
Postämtern aus in die Heimat senden.
Hier die alphabetische Liste nach der Lesung der japanischen
Stempel in Lateinschrift. Selbstverständlich wurden
unentwegt weitere IJPOs eröffnet.
Stempel |
heutiger
Name |
Bemerkungen |
|
Stempel |
heutiger
Name |
Bemerkungen |
|
Stempel |
heutiger
Name |
Bemerkungen |
AMOY |
Xiamen |
|
|
NEWCHWANG |
Niuzhuang |
Konzession
von Yingkou |
|
TA-YE,
TAIYA |
Daye |
|
CANTON |
Guangzhou |
|
|
PEKING |
Beijing |
|
|
TAKU |
Dagu |
|
FOOCHOW |
Fuzhou |
|
|
SHANGHAI |
Shanghai |
|
|
TIENTSIN |
Tianjin |
|
CHANGSHA |
Zhangsha |
|
|
SHANHAIKWAN |
Shanhaiguan |
|
|
TONGKU |
Tanggu |
Hafen
von Tianjin |
CHEFOO |
Zhifu |
Stadtteil
von Yantai |
|
SHASHE |
Shashi |
Stadtteil
von Jingzhou |
|
TUNGCHOW |
Tongzhou |
Vorort
von Beijing |
HANKOW |
Hankou |
Stadtteil
von Wuhan |
|
SOOCHOW |
Suzhou |
|
|
YANGTSUN |
Yangcun |
Stadtteil
von Tianjin |
NANKING |
Nanjing |
|
|
SWATOW |
Shantou |
|
|
|
|
|
Am
1.1.1900
verausgabte die japanische Post für die
Auslandspostämter, die bis dahin die normalen japanischen
Dauermarken verwendet hatten, eigene Briefmarken, indem sie auf die
Marken der Kikumon-Serie,
je nach Wertstufe
in Schwarz oder in Rot, die Schriftzeichen 鮮朝
Chosen (Korea) beziehungsweise 那支
Shina (China) aufdrucken ließ. Und wenn im Inland eine neue
Wertstufe oder Farbänderung erschien, bekam sie genau
denselben
Aufdruck und wurde auch an die IJPOs ausgeliefert.
Beispiele
der Aufdrucke für Korea (obere Reihe)
und für China
(untere Reihe), zum Vergleich die jeweils gleichen Wertstufen
In den PAs kamen sowohl japanische als auch Lateinschriftstempel
zum Einsatz, deren Form sich von den in Japan verwendeten Stempeln nicht
unterschieden; auch die kurzlebigen
Meiji-Zweikreisstempel wurden, allerdings ohne japanische
Schriftzeichen, an
die größten IJPOs in China verteilt.
Stempelabdrücke
in Japanisch auf Marken für IJPOs in Korea, von links nach
rechts: Wonsan, Busan, Incheon
(einige Abb. zwecks Leserlichkeit des
Stempels kopfstehend)
Lateinstempel
auf
Marken
für IJPOs in China, von links nach rechts: Tanggu, Hankou,
Tianjin
Der Grund dafür, dass die IJPO-Ausgaben für Korea
heute
wesentlich seltener und teurer sind als diejenigen für China,
liegt darin, dass Japan kurze Zeit später Korea praktisch
annektierte. Ebenso wie das bereits 1895
annektierte Taiwan wurde Korea deshalb postalisch als Inland
betrachtet, und die Marken mit Aufdruck wurden mit Ablauf des 31.
März 1901, nach nur 15 Monaten Laufzeit, wieder abgeschafft,
während in China japanische Postämter bis zum
31.12.1922
weiter bestanden.
Die Gültigkeit der Aufdruckmarken war nicht strikt auf die
IJPOs
beschränkt. Sie konnten, wenn man denn unbedingt wollte, auch
im
japanischen Inland verwendet werden, wie es auch umgekehrt problemlos
möglich war, Marken ohne Aufdruck in den IJPOs zu verwenden.
Beispiele dafür sind selten, kommen aber vor.
In Taiwan kamen nur Marken ohne
Überdruck zur Verwendung,
die Stempel unterschieden sich
nicht von japanischen Inlandsstempeln.
Hier ein Stempel
der Bahnpost auf der Linie Jiayi - Gaoxiong, 1.Februar 1900
|
Marke ohne
Überdruck,
Lateinstempel NAGASAKI JAPAN Dass Marken mit "China"-Aufdruck in
Lateinstempel
Tianjin 1.Jan.1903 auf Marke
mit "China"-Aufdruck Gensan (Weonsan, Korea) Verwendung
(Abb. zwecks
Leserlichkeit
kopfstehend) fanden, kommt nur selten vor |