Geschichte der Post in Japan
Teil 4
(1876-1899):  Koban- und
Kikumon-Serie

zu Teil 1:    Drachenmarken
zu Teil 2:    Kirschblütenmarken auf Japanpapier
zu Teil 3:    Kirschblütenmarken auf Importpapier
zu Teil 5:    Späte Meiji-Zeit
zu Teil 6:    Taisho-Zeit
zu Teil 7:    Frühe Showa-Zeit
zu Teil 8:    Beginn des Pazifischen Krieges
zu Teil 9:    Weg in den Untergang
zu Teil 10:  Neuanfang und Ausblick

weiter zu:   Inhaltsverzeichnis und Zeittafel
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18  Edoardo Chiossone

Als die lauchgrüne 5 sen Marke erschien, die heute von japanischen Sammlern liebevoll nur negi (Lauch) genannt wird, war in der japanischen Reichsdruckerei gerade ein Gast aus dem fernen Ausland tätig. Der Italiener Edoardo Chiossone aus Arenzano bei Genova hatte als Angestellter der italienischen Nationalbank in deren Auftrag in der Reichswertpapierdruckerei in Frankfurt am Main das Druckerhandwerk gelernt und war später als Druckermeister in Frankfurt mit dem Auftrag aus Japan befasst, Banknoten nach westlicher Art
für die Umstellung auf die sen-Währung herzustellen. Briefmarken, die im noch jungen Meiji-Reich nur von untergeordneter Bedeutung und für wenige sen zu haben waren, konnten in Eigenregie hergestellt werden, aber bei Banknoten ging es um die Finanzen der gesamten Volkswirtschaft, da sollten Nägel mit Köpfen gemacht werden: Die Banknoten wurden auf modernen Maschinen in Frankfurt hergestellt. 1874 war Chiossone zum Studium neuer Drucktechniken auf Weiterbildung in London und traf dort auf eine offizielle japanische Delegation, die ihn als Druckfachmann nach Japan einlud. Zu Anfang des Jahres 1875 traf er ein und stellte mit großem Eifer und gediegener Fachkenntnis die Reichsdruckerei, die dem Finanzministerium unterstellt war, auf neue westliche Technologien um. Dazu ließ er auch die nötigen Maschinen aus Europa importieren und unterwies die japanischen Angestellten in den neuen Techniken.
 

chiossone


Seine wichtigste Aufgabe war zwar die künftige Herstellung von Banknoten in Japan selbst, aber die Postbehörde, die den Ärger mit den nur begrenzt haltbaren Kupferplatten für die Briefmarken und die Beschäftigung Dutzender Graveure leid war, bat Chiossone um seine Mithilfe auch bei der Herstellung von Briefmarken. Chiossone ließ sich nicht zweimal bitten und entwarf zusammen mit Mitarbeitern der Behörde eine neue Freimarkenserie nach westlichem Geschmack. Er versäumte auch nicht, darauf den Landesnamen IMPERIAL JAPANESE POST bzw. JAPANESE EMPIRE POST auf Japanisch und Englisch anzubringen. Stolz prangten in der japanischen Version des Landesnamens die Worte "Kaiserreich Großjapan" auf den Entwürfen. Nur ein einziger Masterzylinder brauchte für den Buchdruck hergestellt zu werden, von dem man beliebig viele identische Kopien fertigen konnte, und die Druckplatten aus Stahl waren praktisch unzerstörbar. 


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Masterzylinder der Marke zu 5 rin der neuen Koban-Serie


Chiossone fühlte sich in Japan sehr wohl. Man ehrte ihn als großen Zampano des Druckereiwesens, zahlte ihm ein fürstliches Gehalt, stellte ihm eine Wohnung zur Verfügung und überhäufte ihn mit Ehren und Einladungen. Da er auch ein guter Maler und Grafiker war, übertrug man ihm die Aufgabe, das offizielle Portrait des Kaisers Meiji anzufertigen, und weil dieser sich nicht fotografieren lassen wollte, um nicht womöglich für alle Ewigkeit
in einer unvorteilhaften Pose festgehalten zu werden, fertigte Chiossone im Kaiserpalast ein Portrait an, nach dem er einen Kupferstich herstellte, der wiederum abfotografiert, vervielfältigt und als offizielles Foto in den Amtsstuben an die Wand gehängt wurde. Chiossones ursprünglicher Vertrag von drei Jahren lief in der Praxis unbegrenzt weiter, bis Chiossone 1898 in seiner Wahlheimat starb und in Tokyo begraben wurde.

19  Koban-Serie I

Mit der neuen Briefmarkenserie, die man Koban-Serie nennt, weil das zentrale Oval an die Form der alten 5 ryo Goldstücke (koban) erinnerte, brach am Erstverkaufstag, dem 17.5.1876, ein neues Zeitalter der japanischen Post an. Auf modernen Maschinen in Bögen zu 100 Stück gedruckt und mit einer neuartigen Gummierung versehen, ganz zu schweigen vom endlich angezeigten Landesnamen (wörtlich übersetzt: "Post des Kaiserreichs Großjapan")  damit konnte sich Japan auch im Ausland sehen lassen. Musterstücke der Marken wurden an den Weltpostverein geschickt, der Japan ein Jahr später als neues Mitglied aufnahm.
 

koban1  koban2  koban3

erhalten gebliebene handgemalte japanische Vorentwürfe zur Koban-Serie, 
linke Marke mit Inschrift IMPERIAL JANESE POST


Die Kobanmarken kamen in einem Satz von 13 Marken in Wertstufen zu 5 rin (= ½ sen, grau), 1 sen (schwarz), 2 sen (oliv), 4 sen (blaugrün), 5 sen (braun), 6 sen (orange), 8 sen (lilabraun), 10 sen (hellblau), 12 sen (rosa), 15 sen (grün), 20 sen (dunkelblau), 30 sen (lila) und 45 sen (rot) an die Postschalter, wobei die Marken nur in drei verschiedenen, aber untereinander geringfügig variierten Designs, jeweils für die niedrigen (½ bis 4 sen), für die mittleren (5 bis 12 sen) und für die hohen Wertstufen (15 bis 45 sen) erschienen.

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Koban (Goldstück, verkleinert) und Kobanmarken in den drei unterschiedlichen Designs


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Von den Marken zu 20, 30 und 45 sen existieren ungezähnte Probedrucke, 
die durch Stanzlöcher zwischen jeweils 2 Marken entwertet waren

 
Obwohl diese neuen Marken gänzlich anders, viel ausländischer anmuteten als die bisherigen Briefmarken, erinnert bei näherem Hinschauen doch Einiges an die letzten handgravierten Marken. Bei den Wertstufen sind es zum Beispiel die 6, 12 und 45 sen, für die es ab 1878 nach einer Reform der Portosätze im Grunde keinen Bedarf mehr gab un
d die kaum verkauft wurden, weil die Postämter noch alte, handgravierte Marken der gleichen Wertstufen in beträchtlichen Mengen übrig hatten. Bei den Farben sind es die Marken zu ½, 4, 6, 10, 12, 30 und 45 sen, die sich von denjenigen der handgravierten Marken nicht oder nur geringfügig unterschieden. Auch das Herumprobieren mit verschiedenen Arten von Papier und Zähnungsvarianten nahm kein Ende. Anfangs wurden die fertig gedruckten Bögen zum Zähnen noch immer auf ein Nadelbrett gespießt. Die unterschiedlichsten Papiersorten, teils importiert, teils aus heimischer Herstellung, wurden testweise zum Druck verwendet; es gibt Koban-Marken auf hauchdünnem weißen wie auf holzig-hartem Papier, auf gelblichem Importpapier wie auf einheimischem Papier aus Zellstoffpulpe oder auf wattigweichem Esparto-Faserpapier. Die Zähnung wurde inzwischen zwar auch maschinell vorgenommen, mit den Zähnungsnadeln jedoch noch heftig experimentiert. Einige Marken weisen auf der schmalen Seite nur 8 Löcher auf, andere Marken der gleichen Wertstufe an der gleichen Stelle bis zu 13 Löcher (Abbildung s. weiter unten !).

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Edoardo Chiossone auf modernen japanischen Gedenkmarken
vor Kobanmarken aus der von ihm entworfenen Serie


Kaum war die Koban-Serie im Umlauf, verkündeten die postalischen Autoritäten, dass jetzt wirklich Schluss sei mit den ollen handgravierten Briefmarken, für die man sich womöglich schämte wegen der hinterwäldlerischen Technik der Herstellung. Was auf den Postämtern noch herumlag, konnte aufgebraucht werden, aber ab dem 1.Dezember 1889 sollten sie auch die Frankaturgültigkeit verlieren, ein für alle Male finito.
Was die Frankaturgültigkeit der nachfolgenden Briefmarken in Japan angeht, so gibt es -mit wenigen Ausnahmen- generell kein Limit; alle Marken sind im Prinzip unbegrenzt gültig. Aber was will man mit einer Briefmarke zu 1 sen heute noch frankieren, wenn die oben abgebildeten modernen Sondermarken glatt den 8000fachen Nennwert aufweisen
.

20  Bota-Stempel

Generell lässt sich konstatieren, dass mit der Einführung der Koban-Serie die Postbehörde alle Briefmarken-Probleme offensichtlich für gelöst ansah. Drei Jahre lang, bis 1879, kam keine einzige neue Marke in den Verkehr. In dieser Zeit konzentrierten sich die Aktionen der Post auf die Einführung eines reichsweit zuverlässig funktionierenden Telegrafendienstes, während die Leute in den Briefmarkenabteilungen viel Muße hatten. In dieser Atmosphäre brach der alte Streit der Stempel-Fraktionen offenbar wieder auf. Auch gefielen die chiffrierten Kiban-Stempel nicht allen Leuten, die im Postwesen etwas zu sagen hatten. Das gewichtigste Argument der Nörgler war wohl, dass ein noch so schöner Kiban-Killer auf der schwarzen 1 sen Marke so gut wie immer unleserlich blieb. Und aus der Design-Abteilung war zu hören, dass die olivbraune Farbe der 2 sen und das Hellbraun der 5 sen allzu ähnlich seien und zu Verwechslungen geführt hätten. Andere Beamte brümmelten, dass sich die Werte zu 12 und 45 sen überhaupt nicht verkauften und als überflüssig auf den Kehricht gehörten. Stattdessen sei eine Marke zu 3 sen vonnöten, damit bei den niedrigen Werten eine gute Auswahl an Marken aller Gebührenstufen vorrätig sei. Alle diese Überlegungen führten dazu, dass im Jahre 1879 im Abstand von wenigen Wochen zwei Marken in neuen Farben, die 1 sen in Rotbraun anstatt Schwarz, und die 2 sen in Blauviolett anstatt Oliv ausgegeben wurden. Außerdem kamen zwei neue Werte zum Verkauf, eine gelborange 3 sen und eine rote 50 sen. Nicht mehr gedruckt wurden die nur wenig verkauften Werte zu 6, 12, 30 und 45 sen. Schließlich waren auf vielen Postämtern noch Bestände an handgravierten Marken ebendieser Wertstufen vorrätig, so dass heutzutage die genannten Werte aus der Koban-Serie wesentlich seltener und gesuchter sind als diejenigen der alten, handgravierten Ausgaben.


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Kobanmarken in neuen Farben, unterschiedliche Zähnungen
Jeweils links die früheren, rechts die neuen Farben

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Offizielle Ankündigung der neuen Wertstufen mit aufgeklebten Mustermarken


Die nahezu arbeitslosen Stempelfreunde in der Behörde waren aber mit den Farbänderungen der neuen Briefmarken alleine nicht zufriedengestellt. Sie verwendeten sehr viel Energie darauf, den Irrweg der chiffrierten Kiban-Stempel zu beenden und durch einen neuen Irrweg zu ersetzen. Killer-Stempel, die auf den Marken abgeschlagen werden sollten, müssten auch dem normalen Postboten, der keine Kiban-Listen einsehen kann, ermöglichen, auf einen Blick zu erkennen, woher der Brief kam, den er gerade zustellte, falls der Zweikreisstempel neben der Marke einmal zu schwach oder verwischt ausfallen sollte. Da ein Killer besser möglichst schwarz sein muss, wurden neue Intaglio-Stempel eingeführt, also schwarze Stempel, in die ein Kürzel eingeschnitten wurde, das beim Stempelabschlag negativ, also in Weiß, auf der Marke sichtbar blieb. 1881 waren die ersten Stempel dieser Art fertig und wurden ab April probehalber eingesetzt.
"Zu klein! Das sieht ja aus wie ein Fliegenschiss auf der Briefmarke!", war das Urteil der Experten, die auf noch größere Killer drängten. Die kamen ab September 1881 zum Einsatz und wurden bota genannt, was "Daumenabdruck" bedeutet. Tatsächlich erinnerten diese neuen Stempel in Form und Größe an einen Fingerabdruck, und nach und nach, bis zum Januar 1888, wurden alle Hauptpostämter mit diesen klobigen Duplex-Stempeln versorgt, unter der Maßgabe, den Killer auf die Marken, und den
inzwischen mehrfach modifizierten Zweikreis-Datumsstempel daneben abzuschlagen. Die kleinen "Fliegenschiss"-Bota wurden wieder eingesammelt und waren nur sechs Monate in Gebrauch.
Insgesamt wurden 13 Sorten kleine und danach 63 Sorten große Bota-Stempel angefertigt und an die Postämter verteilt. Die Beamten vor Ort waren darüber alles andere als glücklich, denn die Vorschriften waren kompliziert. Man konnte dank der Duplex-Stempel mit zwei Gehäusen zwar mit einem einzigen Schlag beide Stempel gleichzeitig und vorschriftsmäßig anbringen, aber der Zweikreisstempel sollte nur einmal abgeschlagen werden. War ein Brief mit mehreren Marken frankiert, musste der Kollege, der einen Duplex mit leerem Zweikreisgehäuse führte, die restlichen Marken abstempeln. Duplex-Stempel waren seinerzeit im Ausland sehr weit verbreitet.


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Unvorschriftsmäßige Abstempelung mit dem Duplex-Stempel "kleiner Bota Osaka / Zweikreis Ortsname" auf beiden Marken,
der Zweikreisstempel hätte laut Vorschrift nur einmal abgeschlagen werden dürfen.
Rechts daneben: Britischer Duplex-Stempelabschlag.

 
 
Das Design der Bota-Stempel ist sehr interessant. Für Tokyo und Kyoto genügte ein einfaches Symbol; Städte mit hohem Anteil an Ausländern bekamen ihren Anfangsbuchstaben in Lateinschrift als Stempelform (Y = Yokohama, И (spiegelbildlich) = Nagasaki, K = Kobe, H = Hakodate, O = Osaka), die anderen Städte bekamen entweder eines der Schriftzeichen aus ihrem Namen (für die Stadt Kofu 甲 府) oder ein Kürzel in Silbenschrift (etwa ママ "ma ma" für Matsuyama) in den Bota-Stempel eingeschnitten. Als im Januar 1888 der letzte neu geschnittene Bota-Stempel an das Postamt in Wakamatsu ausgeliefert wurde, mussten die Stempeltüftler im Ministerium einsehen, dass die Vorgabe, jede Postsendung mit zwei verschiedenen Stempeln zu bearbeiten, im Alltag am Schalter eines modernen Postunternehmens einfach nicht praktikabel war und den reibungslosen Betrieb behinderte. Der 31.8.1888 wurde zum letzten Einsatztag der Bota-Stempel und gleichzeitig auch der Zweikreis-Ortsstempel erklärt; danach kamen vollkommen neue, moderne Stempel zum Einsatz, und die Bota-Killer mussten zurückgegeben werden.

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Einschreiben von Mito nach Yokohama
OHNE Zweikreis-Nebenstempel
Jeweils unten in roter Pinselschrift die Einschreibnummer
25.4.1882

Einschreiben von Nagoya nach Osaka
MIT Zweikreis-Nebenstempel
Von der Rückseite her durchscheinender Ankunftsstempel
19.7.1886

                                      
Briefmarkensammler lieben die Bota-Stempel sehr. Alle 63 Sorten auf Briefen oder losen Briefmarken in der Sammlung zu vereinen, ist allerdings noch niemandem gelungen. Die letzten neu eingeführten Bota-Stempel waren nämlich zum Teil nicht lange in Gebrauch, und noch nie ist bisher ein Abdruck aus dem kleinen Städtchen Yamae in Chikuzen (Nordkyushu) gefunden worden; auch Stempel aus entlegenen Orten wie Naha (Okinawa), Nemuro (Hokkaido) oder eben Wakamatsu, wo der Stempel nur wenige Monate im Einsatz war, sind nur schwer zu finden und sehr teuer.


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Alle großen Bota-Stempel in der Reihenfolge der Ausgabe. Erste Reihe links oben von links nach rechts: Tokyo, Osaka, Yokohama, Kyoto, Kobe, Nagasaki.... 
Der gelb markierte Stempel ist derjenige von Yamae (unbestätigte Form), der noch nie gefunden worden ist


21  Weltpostverein und Telegrafendienst 

Nachdem Japan 1877 als neues Mitglied im Weltpostverein (Union Postale Universelle, kurz UPU) begrüßt wurde, bekam es eine Frist gesetzt, innerhalb der es sein Postwesen an die Regeln der UPU angleichen musste. Die ersten Regeln, dass die Briefmarken aller Mitglieder außer Großbritannien (das als erstes Land der Welt, das Briefmarken verausgabte, Sonderrechte erhielt) ihren Landesnamen, möglichst in Lateinschrift, zeigen sollen, die Frankaturen aller Mitgliedsländer gegenseitig anerkannt und die reibungslose Postzustellung gesichert sein müsse, hatte Japan bereits erfüllt. Nun arbeitete es sich an den weniger bekannten Vorgaben ab. So ist nicht Englisch, sondern Französisch die internationale Postsprache, und alle Dokumente, etwa Einlieferungsscheine für Einschreibsendungen, Paketscheine und Quittungen, mussten jetzt zweisprachig, auf Japanisch UND Französisch, beschriftet werden. Nachgebühr bei internationalen Sendungen musste im Versendungsland markiert, durfte aber im Empfängerland eingezogen werden. Und dann gab es noch eine Vorgabe, die zur Ausgabe neuer Briefmarken am 1.1.1883 führte. Die UPU empfahl nämlich ihren Mitgliedern mit Nachdruck, Dauermarken weltweit in bestimmten Farben zu drucken, das heißt, die Standardwerte für Postkarte Inland sollten grün, für Brief Inland rot, und für Auslandsbriefsendungen blau gedruckt werden. Manche Leser erinnern sich vielleicht an ihre Kindheit, als auch die westdeutsche Bundespost bei den Nachkriegsdauermarken, vielen Sondermarken und Wohlfahrtssätzen diesen Vorgaben mit deutscher Gründlichkeit Folge leistete (die DDR Post folgte bei einfarbig gedruckten Sonderausgaben bis in die 60er Jahre hinein auch dieser UPU-Farbgebung, wenn auch weniger konsequent). 

Jedenfalls wurden die erst 1879 korrigierten Farben der 1 sen und 2 sen Marken nunmehr in tiefgrün und sattrot erneut abgeändert, während die 5 sen Marke in Hellblau erschien, in genau dem gleichen Farbton wie die 10 sen Marke. Warum diese Farbgleichheit hingenommen und vorerst nicht korrigiert wurde, ist eines der Rätsel, die uns die japanische Post aufzugeben beliebte. Die drei neuen Marken in den vom Weltpostverein empfohlenen Farben nennt man in Japan U-Koban-Marken, U wie UPU.

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Der Telegrafendienst in Japan wurde zügig ausgebaut; in den großen Postämtern konnte man Telegramme versenden und die Gebühren in bar begleichen. Der Beamte musste den kassierten Betrag auf der Quittung durch das Aufkleben von Briefmarken dokumentieren und mit einem neu eingeführten Telegrafenstempel, der sich von Poststempeln deutlich unterschied, entwerten. Dies war der Beginn des Einsatzes von Briefmarken im fiskalischen Bereich, der in Japan bis heute beibehalten wird. Mit "fiskalisch" ist nicht "steuerlich" gemeint, sondern der Begriff soll zusammenfassend für alle unpostalischen Entwertungen stehen. Außer Telegrafie (und später Telefon) weitete die Post ihre Dienstleistungen nämlich auch auf den Banksektor (Postscheckdienst und Postsparkasse) aus, wofür die kassierten Beträge
stets mit aufgeklebten und entwerteten Briefmarken dokumentiert werden mussten. Diese Dokumentation durch Wertmarken existierte schon seit langem in den anderen Behörden; für Ausweisangelegenheiten, das Einrichten von Telefonverbindungen, juristische Dienstleistungen und Steuern wurden wie auch in Deutschland Gebühren erhoben; um das Umleiten dieser Gebühren in die Tasche der Beamten zu verhindern, muss der Kunde, der die Dienstleistung einer Behörde in Anspruch nimmt, bis zum heutigen Tag dafür Steuermarken im Nennwert der entsprechenden Gebühr kaufen und auf den Antrag aufkleben. Für die Dienstleistungen der Post wurden logischerweise Postwertzeichen verwendet. Der Sammler unterscheidet bei gestempelten Marken zwischen postalischen und fiskalischen Stempeln, denn aus dem Stempel kann man ablesen, ob die Marke im Postdienst oder als Gebührenmarke verwendet wurde. Fiskalische Stempel werten oft nur einen Bruchteil der Summe, die man für einen postalischen Stempel aufwenden müsste. Gerade bei den Koban-Marken gibt es Werte wie die 15 sen, die mit Telegrafenstempel nur wenige cents, aber eindeutig postalisch gebraucht gut 50 Euro oder mehr kosten kann. Die Telegrafenstempel waren klein, kreisrund und trugen nur die Inschrift "Telegrafenamt NN", aber kein Datum.

Die postalischen Aktivitäten waren dank Telegrafen- und Bankdienste mittlerweile derart umfänglich geworden, dass die Postbehörde 1885 aus dem Innenministerium ausgegliedert und in den Rang eines eigenen Ministeriums erhoben wurde, dessen offizielle Bezeichnung "Kommunikationsministerium" lautete.

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Telegrafenstempel auf zwei 10 sen Marken mit extrem unterschiedlicher Zähnung


1885 brachte die Post eine aus zehn Wertstufen bestehende Serie spezieller Telegrafenmarken heraus, die anstelle der Briefmarken zur Dokumentation entrichteter Telegrafengebühren verwendet werden sollten. Auch diese Serie ist von Edoardo Chiossone entworfen worden und, um Verwechslungen mit postalischen Briefmarken auszuschließen, in quadratischem Kleinformat und ohne Landesnamen verausgabt worden. Stattdessen findet sich in Lateinschrift nur das Wort TELEGRAPHS, und in Japanisch nur das Wort "Telegrafenmarke" im Markenbild. Ungebrauchte Stücke wurden nicht verkauft, denn diese Marken dienten ausschließlich der postinternen Abrechnung. Die wenigen heute ungebraucht auf dem Markt befindlichen Stücke stammen entweder aus der Druckerei oder sind von Postbeamten illegal nach außen verbracht worden. Das Kommunikationsministerium schaffte die Telegrafenmarken 1888 wieder ab und verwendete erneut Briefmarken, denn sowohl Post- als auch Telegrafendienste waren unter demselben Dach vereinigt. Briefmarkensammler interessieren sich für die Telegrafenmarken nur am Rande, denn mit dem Briefpostdienst hat dieses Phänomen nichts zu tun. Ähnlich wie bei den Steuermarken gibt es jedoch Leute, die solche Marken als eine Art Nebengebiet mitsammeln, aber generell werden die Telegrafenmarken nicht zu den Briefmarken gezählt, da sie für den Briefdienst nicht zugelassen waren und auch keinen Landesnamen trugen.


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Die kleinen, quadratischen Telegrafenmarken wurden nur amtsintern verwendet und ungebraucht nicht abgegeben.
Der Höchstwert zu 1 Yen sieht dreifarbig aus, aber das Schwarz entstand durch die Kombination aus Blau und Rot.


Da Japans Post bis dato kein Postsymbol hatte, wurde 1885 eine um ein rotes Band ergänzte Nationalflagge zum offiziellen Postsymbol ernannt. Ein zerschlissenes Original dieser alten Postflagge ist erhalten und im Posthistorischen Museum ausgestellt.

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Da hieraus kein Bezug auf die Dienstleistungen der Post ersichtlich wird, verwarf das
Kommunikationsministerium dieses Symbol jedoch nur kurze Zeit später wieder und ersetzte es 1887 durch ein neues, das bis heute das Logo der japanischen Post ist. Im Prinzip ist es eine grafische Variante des Silbenzeichens te , Anfangslaut des Wortes teishin (Kommunikation). Zugleich erinnert es an ein doppeltes T in Lateinschrift, was für Telefon, Telegrafie, Telekommunikation stehen soll, Aufgaben, für die ebenfalls die Post zuständig war. Die Farbe der japanischen Post ist Rot, die Postautos, Briefkästen und das Logo sind nach britischem Vorbild einheitlich mit dieser Farbe gekennzeichnet.

 
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22  Wada Kotaro

Noch lange dachte in Japan kein Mensch ans Briefmarkensammeln, aber im Ausland wurde schon tüchtig gesammelt. Als die ersten japanischen Briefmarken erschienen, hatten die ersten Marken der Welt, die britischen "1 penny black" und "2 pence blue", schon über dreißig Jahre auf dem Buckel, und die ersten Händlerkataloge für "Briefmarken aus aller Welt" waren auf dem Markt. Unter den zahlreichen Ausländern, die im Hafen von Yokohama das Dampfschiff zur Heimreise bestiegen, waren nicht wenige, die den Andenkenhändler Wada Kotaro, der in Honjo eine Souvenirklitsche betrieb und echte Glasperlen, Billigkimonos sowie handkolorierte Ansichtskarten von Mt.Fuji und allerlei weißgeschminkten Geishas im Angebot hatte, fragten, ob er nicht auch japanische Briefmarken als Mitbringsel für die Lieben daheim anzubieten hätte. Nach zig verneinten Anfragen begann Wada eine Geschäftslücke zu wittern, und mangels verfügbarer Marken, die in Japan niemand ausschnitt und abweichte, sondern allenfalls zusammen mit dem Brief aufhob, begann er um 1885, gebrauchte Briefmarken als Souvenirs selbst herzustellen. 
Da das Nachahmen gültiger Postwertzeichen ebenso verboten war wie die Herstellung falscher Geldscheine, gravierte er auf seinen Kleinbögen zu 2 x 3 = 6, später 2 x 4 = 8 Marken mit klitzekleinen Schriftzeichen die Worte "Imitation" oder "Vergleichsstück" in die Marken ein, verkaufte nur abgestempelte Stücke und richtete es so ein, dass seine Falschstempel diese Zeichen möglichst überdeckten. Und begann dann zu drucken, was das Zeug hielt. Seine "Tourist Sheets" mit aufgepappten Imitaten der alten japanischen Briefmarken waren der absolute Renner in seinen Souvenirläden, von denen er flugs Zweigstellen an touristischen Brennpunkten und in den Häfen vonYokohama und Kobe eröffnete.
 

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Auf  den sogenannten "tourist sheets" aus Wadas Souvenirhandel ist keine einzige echte Marke zu finden


Wada überließ den sonstigen Souvenirkitsch der Konkurrenz und produzierte nur noch Imitate japanischer Briefmarken, genauso falsch wie seine "echten" Perlen, und als die ersten Marken außer Kurs kamen, ließ er auch die versteckten Schriftzeichen weg. Die Bögen, die er gravieren ließ, waren qualitativ denen des Matsuda Atsutomo fast gleichwertig; auf den ersten Blick eines Ausländers sind die Imitationen von den Originalmarken kaum zu unterscheiden, und tausende von Engländern und Amerikanern trugen stolz die "alten japanischen Briefmarken" in ihre Heimat, wo sie von ihren heutigen Nachfahren selbstverständlich als authentisch angesehen werden, denn der Urahn hatte sie ja persönlich aus Japan mitgebracht. Wada bestückte nicht nur seine japanischen Outlets, sondern lieferte auch an Souvenirläden in Shanghai, Saigon und Batavia und offerierte auch den Versand nach Europa und Amerika, 100 tourist sheets für 30 US $. Bedenkt man, dass in Europa bis zum heutigen Tag ca. 90% der alten Japanmarken in Sammlerbesitz Fälschungen aus Souvenirläden und Versandhandel des geschäftstüchtigen Herrn Wada stammen, kann man nur bewundern, welche Massen von Imitaten er in seiner aktiven Zeit produziert und verkauft haben muss. Es sind mit Sicherheit Millionen-Auflagen, die zum Teil die gedruckten Auflagen der Originalmarken übertreffen und bis heute vielen Japansammlern das Sammeln klassischer Marken verleiden und arglosen Anfängern gutes Geld aus der Tasche ziehen. 
Zu erkennen sind Wada-Fälschungen anhand etlicher Merkmale, die man studieren und erlernen kann, aber dafür braucht es Studienmaterial und echte Marken zum Vergleich. Generell kann man sagen, dass es Wada ausschließlich um den schnellen Reibach ging; er arbeitete mit verdünnten und billigen Druckfarben, druckte auf billigem Papier und verwendete manche "Stempel" sehr häufig. Schon an den typischen "Wada-Stempeln" lassen sich viele Fälschungen erkennen, aber auch an den blassen, oft graustichigen Farben (durch Beimengungen billiger schwarzer Druckfarbe), und natürlich an den versteckten Miniatur-Schriftzeichen 
"Imitation 
" oder "Referenzstück " - sofern man weiß, an welchen Stellen man danach suchen muss. Außerdem imitierte er keine Geheimzeichen und machte teilweise grobe Fehler im Design; einige Marken aber sind ihm dennoch so gut gelungen, dass auch fortgeschrittene Sammler stets Vorsicht walten lassen sollten.

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Echte Drachenmarke (links) mit Unterscheidungsmerkmalen (gelbe Pfeile), sauberer Druck, satte Farbe.
Wada-Imitation (rechts) mit Design-Fehlern und eingefügten "Vergleichsstück"-Schriftzeichen (blaue Pfeile): 
Billiges, dünnes Papier, mangelhafte Zähnung, verdünnte Farbe


Einige andere Händler machten es ihm nach; als Fälscher sind die Namen Maeda Kihei (für die Firma Kamigata), Hirose und Kasahara bekannt, und außerhalb Japans, wo es kein Japanpapier gab, druckten neben zahllosen anderen Fälschern vor allem die Brüder Spiro in Hamburg, die Raritäten aus aller Welt imitierten, altjapanische Briefmarken-Faksimiles in größeren Mengen im Steindruck auf Zigarettenpapier und stempelten sie mit Fantasiestempeln (z.B. JOKOHAMA mit J) ab. Alle diese Produkte sind von der Qualität echter Briefmarken dermaßen weit entfernt, dass sich nur sehr unerfahrene Anfänger davon täuschen lassen. Der wahre Gegner aller Altjapan-Sammler bleibt Wada Kotaro, der bis um 1912 gemeinsam mit seinem Sohn Isaburo sein lukratives Unwesen trieb und "Briefmarken" für heimkehrende Ausländer produzierte, wobei ihm zuletzt das teure Importpapier zu schaffen machte. Auch er musste nun auf europäischem Papier drucken, wobei er allerdings die billigste Sorte, ein gelbliches, stark gemaschtes Schreibmaschinenpapier verwendete, das mit dem guten Papier der Reichsdruckerei nicht viel gemein hatte. Die Koban-Serie setzte seinem Treiben ein Ende, denn mit der modernen Drucktechnik der Reichsdruckerei konnte er nicht mithalten. Seine ersten Koban-Imitate waren noch handgraviert, bis er auf minderwertige Lithografie-Technik umsattelte, aber seit der Kobanserie war frankierte Post in Japan bereits so verbreitet, dass sich gestempelte Originalmarken leicht auftreiben ließen und die aufwendige Produktion von Imitaten sich nicht mehr rentierte.


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Spiro-Fälschung auf Zigarettenpapier mit datumlosem JOKOHAMA-"Stempel"


23  Die neue Koban-Serie


Da die Idee mit den Killerstempeln in der Alltagspraxis der Postämter gescheitert war, wurde nun eine grundlegende Reform der Poststempel in die Wege geleitet; auch die UPU verlangte, dass Briefmarken mit Stempeln zu entwerten seien, die Ort und Datum anzeigten. So kamen am 1.9.1888, dem Tag, ab dem die Bota-Killer nicht mehr eingesetzt werden durften, sofort in allen japanischen Postämtern brandneue Stempel einheitlicher Gestalt zum Einsatz, die zuvor schon hergestellt und verteilt worden waren. Sie waren durch einen waagerechten Strich in ein kleineres oberes und ein größeres unteres Segment unterteilt. Im oberen Segment waren Provinz und Ort, im unteren Segment in zwei Zeilen das Datum in japanischer Schrift sichtbar, und darunter war ein unabgeteilter Raum, der die Art des Stempels kenntlich machte. Blieb der Raum leer, war es ein Stempel aus dem Postscheckdienst, fanden sich darin die Schriftzeichen für "Telegrafen" 信電 oder "Telefon" 話電, so war der Stempel zur Entwertung von Marken verwendet worden, die im Telegrafen- oder Telefonamt als Gebührenquittung verwendet wurden. Postalisch verwendete Stempel erhielten in diesem Segment die Postnummer, welche die Frühpost, Vormittagspost, Nachmittagspost usw. bezeichnete, anstelle der Uhrzeit. Diese metallenen Stempel waren durchaus handwerkliche Meisterwerke, denn Datum und Postnummer waren durch bewegliche Lettern veränderbar, der Stempel selbst ziemlich haltbar und sah äußerlich im Prinzip bereits nicht anders aus als die heute im Postdienst üblichen Handstempel.


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von links nach rechts:  Kyoto postalisch, Kyoto fiskalisch, Kobe telegrafisch, Tokyo telefonisch


Auch die Nachgebühr-Stempel wurden in diesen Jahren vereinheitlicht. Vom Empfänger wurde überdies eine Strafgebühr für unfrankierte oder unzureichend frankierte Sendungen kassiert. 1879 kam ein kleiner Kastenstempel zur Verwendung, der nicht zwischen unfrankierten und unterfrankierten Sendungen unterschied. Ab 1882 wurde dieser undatierte Stempel ohne Ortsangabe durch zwei Stempel ersetzt, und zwar einmal für unfrankierte Sendungen, deren Gebühr der Empfänger bezahlen sollte, und einmal für Sendungen, die schlicht nicht ausreichend frankiert waren.
Die nachträglich entrichtete Gebühr wurde mit Briefmarken dokumentiert und mit den genannten Stempeln entwertet. Bei allen Versionen war die doppelte Briefgebühr fällig, weshalb sich diese Stempel bei dem seinerzeit gültigen Portosatz von 2 sen b
esonders häufig auf Marken zu 4 sen finden.


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Verschiedene Nachgebühr-Entwertungen auf der gleichen Marke, von links nach rechts:
Die Pinselentwertung mit roter Tusche kam nur noch selten vor -
Kastenstempel von 1879, Inschrift "Gebühr bezahlt Empfänger oder ungenügend frankiert" -
Stempeltypen von 1882, unter den Schriftzeichen "ungenügend frankiert" ein Kästchen mit ...sen,
in das die Gebühr eingetragen werden konnte - ganz rechts: "war nicht freigemacht".
Auch diese Marken in unterschiedlichen Zähnungen


Passend zu den neuen Schuhen gab es auch ein neues Kleid, oder anders gesagt, zu den neuen Stempeln auch neue Briefmarken. Die Koban-Serie wurde gründlich überarbeitet, und um der womöglich noch immer mosernden Killerstempel-Fraktion den Wind aus den Segeln zu nehmen, waren die ab März 1888 in Verkehr gelangenden neuen Briefmarken allesamt in Pastelltönen gedruckt, damit man auch auf den Marken abgeschlagene Stempel gut entziffern konnte. Für diese Maßnahme sind die Markensammler bis heute sehr dankbar. Das Kennzeichen dieser Ausgabe, die man Neukoban-Serie nennt, ist außer den sanften Farbtönen, dass auch die Zähnung nunmehr professionell in nur noch wenigen Varianten erfolgte, und auch beim Papier war endlich eine Sorte westlichen Papiers, inzwischen made in Japan, gefunden, die allen Ansprüchen genügte und ein weiteres Experimentieren überflüssig machte. Und eine große Neuerung ist bei dieser Serie zu verzeichnen: Der Höchstwert zu 1 yen, für den ein neues Design mit einem riesigen Chrysanthemum (das runde kaiserliche Wappen) zum Einsatz kam, wurde in einer hochmodernen Technik angefertigt, bei der das Chrysanthemum im Prägedruck erschien. Wie japanische Forscher vermuten, stand als Vorbild hierfür die erste Freimarkenserie des Deutschen Reichs, "Adler mit Brustschild" Pate. Dafür war die rote Druckfarbe der Marke leider ein sehr wasserscheues Anilinrot, das in längerem Wasserbad zu einem blassen Rosa ausbleicht, aber man darf ja nicht zu viel verlangen.


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Einige Werte aus der neuen Koban-Serie, rechts unten die 1 yen Marke mit geprägtem Chrysanthemum


Mit dieser neuen Koban-Serie, zu der sich 1892 noch ein Nachzüglerwert zu 3 sen in rosalila gesellte, und den neuen Stempeln hatte die japanische Post schon das internationale Niveau
erreicht; das gleiche wasserscheue Anilinrot wie bei der 1 yen Marke wurde beispielsweise auch in Großbritannien noch bis 1911 verwendet.
Unglücklicherweise meinten Japans Militärs und Politiker, nicht alleine im Verwaltungs- und Postwesen, sondern auch militärisch mit dem Westen gleichziehen zu müssen. Die ersten militärischen Abenteuer, die Kriege gegen China und gegen Russland, gingen leider jeweils erfolgreich für Japan aus  hätte Japan krachend verloren, wäre Ostasien und auch Japan selbst womöglich viel späteres Unheil erspart geblieben.


24  Neue und alte Lateinschriftstempel

Seit der Einführung der neuen Stempeltype war endlich auch die lange strittige Stempelfrage gelöst, und im Kommunikationsministerium hätte eigentlich Ruhe einkehren können, aber die Stempelabteilung suchte nach neuen Aufgaben und fand diese im Bereich der Lateinschriftstempel. Noch immer kamen mitunter stumme oder bota-ähnliche Killer zum Einsatz, und wo mit richtigen Poststempeln in Lateinschrift gearbeitet wurde, sahen diese ziemlich schlicht und simpel aus im Vergleich zu den elaborierten Wunderwerken, deren Abdrücke man auf hereinkommender Post aus dem Ausland fand. Es war sicher nicht schwer, die Chefs davon zu überzeugen, dass in den großen Städten des Reichs auch repräsentative Stempel für Auslandspost vonnöten seien, zumal die Post plante, demnächst aus Anlass der bevorstehenden Feiern der Silberhochzeit des Tenno eine Sonderausgabe aufzulegen, die erste vollkommen neue Briefmarkenausgabe seit Einführung der Koban-Serie 1876  das war nun schon ziemlich lange her. 
Als intern feststand, dass die geplante Sondermarkenausgabe in einem noch nicht dagewesenen Großformat erscheinen würde, legten die Stempeldesigner ihre Entwürfe für einen neuen, ansehnlichen Stempel
vor, den sogenannten "Meiji-Zweikreisstempel" für Auslandspost. Der ausgewählte Entwurf kam 1892 in den acht Städten mit dem höchsten Anteil an Auslandspost in Gebrauch und war so groß, dass er sich auch auf großformatigen Sondermarken bewähren sollte. 


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Die Grafiker hatten sich wahrhaftig mächtig ins Zeug gelegt und gezeigt, was sie zu leisten imstande waren. Vier saubere Sternchen, arabische und römische Ziffern, die Jahreszahl nach westlicher Zählung und im Unterrand nach japanischer Zählung, alles in Lateinschrift, und dazu noch das Wort NIPPON 本 日 auf Japanisch  ein stattlicher Stempel, der fortan in TOKYO, YOKOHAMA, KOBE, NAGASAKI, HAKODATE, KYOTO, OSAKA und NIIGATA zum Einsatz kam. Ab 1894 kam als neunte Stadt noch MOJI auf Kyushu hinzu.
Außerdem wurde eine modifizierte Version (ohne das 本日) in den japanischen Auslandspostämtern von SHANGHAI, TIENTSIN und CHEFOO eingeführt. 
Diese Stempel wurden nicht nur in Metall gegossen, sondern kamen 
eine weitere Neuerung auch als Gummistempel zum Einsatz. Selten findet man nur die Stempel von Niigata, Moji und Chefoo, alle anderen wurden in den großen Städten tatsächlich viel verwendet, wodurch freilich auch ihre Nachteile offenkundig wurden. Diese waren so gravierend, dass diese wundervolle Stempeltype schon Ende 1894 wieder aus dem Verkehr gezogen wurde; nur aus Kobe ist der Gebrauch dieses Stempels noch bis 1899 nachzuweisen.
Es zeigte sich, dass die bisher verwendete schwarze Stempelfarbe sofort den Gummi des Stempels angriff, verätzte und unbrauchbar machte. Für die Gummistempel musste eine neue Stempelfarbe gemischt werden und am Postschalter ein Stempelkissen mehr stehen, das Abdrücke in Dunkelblau bis Blauviolett lieferte. Ein Beamter, der das Datum täglich neu einstellen sollte, musste erst ausgebildet werden; mit den fremdländischen Ziffern kannten sich einige Japaner ja notfalls schon aus, aber die römischen Zahlen für die Monatsangabe, das war für den normalen japanischen Postbeamten allenfalls eine Schnapsidee, ein Buch mit sieben Siegeln, und erforderte einen eigenen Lehrgang. 1894 wurde auch festgelegt, dass künftige Sonderausgaben in kleinerem Format gedruckt werden sollten; die riesigen Schalterbögen zu 100 großformatigen Marken waren einfach zu unhandlich. Auf den Gedanken, Bögen mit weniger als 50 Sondermarken zu drucken, kam man erst 1934.
Jedenfalls waren die schönen 
Meiji-Zweikreisstempel für die Dauermarkenfrankatur der normalen Alltagspost viel zu groß, und schließlich führten sie zu Streitereien über die richtige Lateinschreibung japanischer Ortsnamen. Sollte man KIOTO schreiben oder KIYOTO? CHEFOO oder CHEEFOO? Jeweils beide Schreibweisen finden sich auf dieser Stempeltype. 
Im Laufe des Jahres 1894 kramte man in den Postämtern die früheren,
schlichten Lateinschriftstempel wieder hervor, und die Stempeltüftler im Ministerium gingen nach der Schlappe mit ihrem schönen Superstempel erst einmal fünf Jahre lang in Deckung. Bemerkenswert ist allerdings, dass die Stempel für Auslandspost nun auch an Orte vergeben wurden, die wenig oder gar keine Auslandspost abfertigten; bis zum Jahr 1900 führten 41 Postämter schlichte Lateinschriftstempel, von denen fünf noch nie auf einem Postbeleg gefunden worden sind. Von anderen Ämtern sind nur sehr wenige Abdrücke bekannt, und der einzige bisher bekannt gewordene Lateinstempel des Ortes Tsu wurde vom Verfasser auf einer 1 yen Marke der neuen Koban-Serie entdeckt.

lateinstpl  tsu
Lateinstempeltype 1894 bis 1905,
unterschiedliche Form der Asteriske und Stellung der Jahreszahl
.
Von Nanao existiert nur 1 Abdruck auf Postkarte, von Oita sind nur wenige Belege bekannt
einziger je gefundener Abdruck von Tsu
aus der Sammlung des Verfassers


25  Die ersten Sondermarken Japans

Die erste japanische Sondermarkenserie erschien 1894
in UPU-Farben anlässlich der Silberhochzeit des Kaiserpaars. Zwei bildgleiche Marken, die im Zentrum das kaiserliche Wappen, das Chrysanthemum, zeigen, umrahmt von japanischem Design, das sich um ein Phönixpaar rankt. Der Phönix gilt in der chinesischen Mythologie als König der Vögel und als Glückssymbol. Er wird immer im Paar dargestellt, denn das Wort Fenghuang bezeichnet ursprünglich den männlichen (Feng) und den weiblichen (Huang) Phönix. Wegen dieser Dualität gilt er als Symbol der glücklichen Ehe; in Japan ziert er oft Hochzeitskimonos, weshalb dieses Symbol auch zum Briefmarkenmotiv für diesen Anlass gewählt worden ist.
Vielen Sammlern gilt diese im Buchdruckverfahren hergestellte Ausgabe als eine der schönsten altjapanischen Briefmarkenserien, die Würde und Tradition ausstrahlt. Die Marke in Rot ist als Porto für Inlandsbriefe, diejenige in Blau für Post ins Ausland gedacht, und die Marken tragen nicht nur den Landesnamen, sondern auch den Anlass in Englisch und Lateinschrift im Markenbild. Der japanische Landesname lautet auch hier "Kaiserreich Großjapan".


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 Erste japanische Sonderserie, verausgabt am 9. März 1894,
untere Reihe mit Ersttagsstempel (aus Gummi) von Kobe


Besonders die in Japan ansässigen Ausländer, auf Andenken für die Lieben daheim begierig und mit dem Sammeln von Briefmarken vertraut, stürzten sich auf diese Markenausgabe und standen in den Postämtern der Städte mit hohem Ausländeranteil (Yokohama, Kobe, Shanghai) Schlange, um diese Marken zu erwerben und mit einem der neuen Stempel in Lateinschrift am Ausgabetag abstempeln zu lassen. Aus der erhofften Rarität wurde freilich nichts; die Sondermarken wurden in einer dermaßen hohen Auflage (2 sen: 4 Millionen, 5 sen: 1 Million Stück) gedruckt, dass sie noch lange an den Schaltern vorrätig blieben und sogar fiskalisch aufgebraucht wurden. Beide Marken sind auch heute noch, selbst mit dem schönen Ersttagsstempel, leicht und billig zu erwerben und zieren in gewöhnlicher, gebrauchter Erhaltung auch die meisten Anfängersammlungen.
Die Abbildung des Kaiserpaars war natürlich tabu, zumal der Tenno sehr fotoscheu war. Für kaiserliche Prinzen (mit Ausnahme des Kronprinzen) galt dies nicht, weshalb die folgende, zwei Jahre später erschienene Serie Sondermarken, in den gleichen Wertstufen und Farben, die Prinzen Arisugawa und Kitashirakawa abbildete, die beim Militär Karriere gemacht hatten und als Repräsentanten des Sieges im Feldzug gegen China (1894/95) galten. Als Marineoffizier kommandierte Arisugawa die Schlachtschiffe Matsushima und Hashidate, die zur Vernichtung von Chinas Kriegsflotte beitrugen, und der in Preußen militärisch ausgebildete Kitashirakawa nahm als Generalleutnant am Krieg gegen China teil. Anlass des Krieges waren die japanischen Ambitionen auf Korea, das bis 1895 unter der Herrschaft des Qing-Reiches stand. In einer Serie von Schlachten vertrieb die japanische Armee die chinesischen Truppen aus Korea und drang bis zur Mandschurei vor. Die veraltet organisierte und ausgerüstete Armee des chinesischen Kaiserreichs kapitulierte nach nur acht Monaten, und das Reich unterzeichnete im April 1895 den Friedensvertrag von Shimonoseki, in dem China die Liaodong-Halbinsel und Taiwan an Japan abtreten musste.
Die Liaodong-Halbinsel in der Mandschurei musste Japan auf Druck Russlands an China zurückgeben, woraufhin Russlands Armee umgehend das Gebiet besetzte und China einen Pachtvertrag für die gesamte Halbinsel mit der Hauptstadt Port Arthur aufzwang. Korea wurde zwar formell unabhängig, aber der Einfluss Japans und Russlands blieb stark präsent.
Im Reich schritt der Ausbau der Infrastruktur voran: Die Eisenbahnstrecke der Tokaido-Linie erreichte 1895 die Stadt Kobe, so dass längst keine Postreiter oder Postkutschen mehr zwischen Tokyo und dem Westen des Reichs unterwegs waren, sondern die Eisenbahn die japanische Post- und Verkehrsrennstrecke beherrschte, und 1899 gab es auch schon auf der Nordinsel Hokkaido Bahnstrecken. Eine eigene Industrie entstand, Fabriken für Gebrauchswaren, Werften, Spinnereien, Rüstungsgüter  Japan modernisierte seine Armee und Marine in rasantem Tempo, von den militärischen Erfolgen beflügelt.



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Offizielle Ankündigung der Gedenkmarken zum Sieg im Krieg gegen China, Ausgabetag 1.August 1896.
Jeweils links Prinz Kitashirakawa, rechts Prinz Arisugawa.
Unter den Mustermarken ist die Auflagenzahl angegeben: 2 sen je 5 Millionen, 5 sen je 2 Millionen.

 
Diese zweite Ausgabe von Sondermarken aus Anlass des militärischen Sieges über China,
im neuartigen Stichtiefdruck hergestellt, ist vom Format her nur wenig größer als die Dauermarken, aber es ist die erste japanische Markenausgabe, die Personen porträtierte. Im Gegensatz zu den westlichen Ländern mit ihrer feudalen Tradition, die es als natürlich ansahen, ihre Könige, Präsidenten und Fürsten auf Briefmarken abzubilden und auch Sondermarken mit den Porträts prominenter Persönlichkeiten zu schmücken, ist Japan bis heute sehr zurückhaltend mit menschlichen Konterfeis auf Briefmarken. Ein amtierender Tenno wurde bis dato noch nie, ein Kronprinz 1959 zum ersten Mal auf einer Sonderausgabe abgebildet. Persönlichkeiten finden sich nur relativ selten auf japanischen Briefmarken.
Neu war auch die Bogenform dieser Ausgabe. Der Bogen enthält zwar 100 Marken, die allerdings
durch unbedruckte Zwischenstege in Einheiten à je 20 Marken zertrennbar sind, was zweifellos, wie das verkleinerte Format, als Reaktion auf die Unhandlichkeit der Bögen der ersten Sonderausgabe zu werten ist.
Die Auflagen dieser Marken sind bei der Nominale zu 5 sen noch höher als bei der ersten Ausgabe, aber die ausländische Kundschaft, die bemerkte, dass auch die vorige Ausgabe noch immer auf der Post erhältlich war, ersparte sich nun ernüchtert das Schlangestehen, weshalb bei dieser Ausgabe Gefälligkeitsstempel vom Ersttag erheblich seltener sind als bei der Ausgabe zur Silberhochzeit. Überdies stieß der Anlass dieser Gedenkmarkenausgabe nicht bei allen Ausländern auf begeisterte Zustimmung.


26  Kikumon-Serie

Eine große Generalrevision und Erhöhung der Portosätze im Jahre 1899 war der Grund dafür, die Koban-Serie, die inzwischen insgesamt 17 Jahre lang als Dauerserie in Japan gedient hatte, durch eine neue Serie zu ersetzen. Den Grafikern wurde aufgetragen, das kaiserliche Wappen als Symbol des Kaiserreichs ins Zentrum zu rücken und in den vier Ecken Raum für die Wertangabe vorzusehen. Die Entwürfe, welche die Designkommission ausgewählt hatte, wurden vom Kommunikationsministerium abgelehnt und eine neue, zusätzliche Bedingung formuliert:  
"Einem Kaiserreich von der Bedeutung Großjapans ist nicht zuzumuten, fremdländische Schrift ins Markenbild aufzunehmen; außer den Ziffern sollen nur japanische Schriftzeichen im Markenbild erscheinen."


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Vom Kommunikationsministerium wegen Lateinschrift abgelehnte Entwürfe


Hier deutete sich das gewachsene Selbstbewusstsein Japans erstmals an, das sich mittlerweile als einziges Land Asiens auf Augenhöhe mit den USA und Europa betrachtete, eine elitäre Einstellung, die bis zum 2.Weltkrieg kontinuierlich und propagandistisch verstärkt wurde und auch heute noch das Bewusstsein der meisten Japaner prägt. Die Fokussierung auf das kaiserliche Wappen, das Chrysanthemum, im Zentrum des Designs der neuen Briefmarkenserie, rückt ein Kaisertum in den Mittelpunkt des Selbstverständnisses, das der Mythologie zufolge direkt auf die Sonnengottheit zurückgehen, niemals unterbrochen worden und etwa 2600 Jahre alt sein soll 
nichts davon ist historisch zu begründen. Nach der Einverleibung Taiwans begann Japan, seinen Einfluss auf die Nachbarländer zu verstärken und begehrliche Blicke auf die Mandschurei und Korea zu richten; das "Groß" im Landesnamen "Großjapanisches Reich" war als Programm gedacht und entfiel erst 1946 wieder, zusammen mit dem Chrysanthemum, auf Druck der amerikanischen Besatzungsmacht. Den Namen des Reichs fügte Japan erst 1966 wieder in Lateinschrift in alle neuen Briefmarken ein, als man sich in der Folgezeit der Olympiade Tokyo einen internationalen Anstrich geben wollte, aber nicht etwa auf Englisch "Japan", sondern in der japanischen Version NIPPON. (Im Alltag nennt sich Japan NIHON, wohingegen NIPPON die nationalstolze Variante ist.)
An den Farbvorschlägen der UPU für die Standardwerte traute man sich freilich nicht zu rütteln. Auch bei diesen neuen Dauermarken wurde die neue Wertstufe für Postkarte (2 sen) in Grün, für Briefe (3 sen) in Rot, und für Auslandspost (10 sen) in Blau gedruckt. Eine peinliche Rüge wollte Japan offenbar nicht riskieren.

Die ersten Marken der Kikumon-
Serie (auf Deutsch auch "Chrysanthemum-Serie") erschienen am 1.Januar 1899; sie blieb bis 1913 Japans Standard-Dauerserie.


kikumon

Design A                                    Design B                                    Design C                                    Design D


Die vier unterschiedlichen Zeichnungen mit dem Chrysanthemum im Zentrum lassen die Serie einheitlich wirken; die niedrigen Wertstufen 5 rin bis 5 sen erhielten das Design A, während Design B für die Wertstufen 6 bis 20 sen vorbehalten war. Design C entfiel auf die hohen Wertstufen 25 und 50 sen, und der Höchstwert von 1 yen in Rot, wie bei der vorigen Serie mit geprägtem Chrysanthemum, wurde als einziger im Design D gedruckt.
Auffällig ist bei den Design-Varianten A bis C, dass sie stellenweise wie Geldscheine ein feines Netzmuster aufweisen; das Kommunikationsministerium befürchtete offenbar Fälschungsversuche. Mit Recht, wie sich noch herausstellen sollte, denn tatsächlich tauchten Fälschungen der Wertstufen 10 und 20 sen zum Schaden der Post auf, aber erst um 1913, als die Technik im privaten Druckwesen es allmählich mit derjenigen der Reichsdruckerei aufnehmen konnte. Sehr groß dürfte der Schaden für die Post nicht gewesen sein, denn es wurden nur sehr wenige Stücke gefunden, weshalb die Fälschungen heute weit wertvoller sind als echte Marken.


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Kikumon 20 sen    -    links Original, rechts gefälscht (Detail)


Auch an der Kikumon-Serie wurden später einige Änderungen vorgenommen. So wurde die veraltete Wertbezeichnung der niedrigsten Portostufe von 5 rin in ½ sen, und die Farbgebung der Nominalen 1
½ sen und 3 sen von hellblau in purpur bzw. von braunrot in hellrot abgeändert. 


ursprünglich 5 rin 1 sen 1½ sen 2 sen 3 sen 4 sen 5 sen 6 sen 8 sen 10 sen 15 sen 20 sen 25 sen 50 sen 1 yen
Änderungen ½ sen 1½ sen 3 sen



Auch in Japan war es inzwischen üblich geworden, dass sich Großkunden oder Firmen, die viel Post versandten, auf den Postämtern mit Marken versorgten und die Post zuhause bzw. im Büro vorfrankierten. Die Nachfrage nach Briefmarken in größeren Einheiten führte zu der Überlegung, auf großen Ämtern die meistgefragten Wertstufen in Sixpacks vorrätig zu halten. Sechs Marken aus dem Bogen, vorne und hinten ein Pappedeckel dran, das Ganze mit Heftklammern vernietet, und fertig waren die ersten Markenheftchen Japans. Das Design der Deckel zeigt nicht nur, dass nun auch in Japan L'Art Nouveau, der Jugendstil, Einzug zu halten begann, sondern gibt auch Hinweise auf den Sinn der Maßnahme:  Das Heftchen mit Marken der Nominale für Postkarten ziert ein rosa Schleifchen; die Marken sollten auf Glückwunschkarten verklebt werden.
Hier soll noch einmal in Erinnerung gerufen werden, dass Postkarten noch immer das Hauptkommunikationsmittel in den Städten waren, in denen private Telefone noch nicht existierten, und Japaner halten bis heute fest an ihrer uralten Tradition, zu Festtagen oder glücklichen Anlässen Glückwünsche und Geschenke zu versenden. Die schmucklosen Postkarten mit eingedruckter Marke waren für solche Anlässe zu schlicht; nun boomten die Hersteller von Glückwunsch- und Ansichtskarten, und manche Postkunden bemalten auch eigenhändig Karten mit Eifer, Pinsel und Wasserfarben, und zum Versand dieser privaten Erzeugnisse waren Briefmarken erforderlich.


mh

  Heute sind es Raritäten:  Die ersten Markenheftchen Japans, Deckel und Inhalt:  Marken im Nennwert für Postkarte und Inlandsbrief  


Weil die Marken für die Heftchen aus dem Oberrand des Bogens herausgetrennt wurden, sind gebrauchte Einzelmarken von Bogenmarken nicht zu unterscheiden. Ganze Heftchenblätter erkennt man an den meist rostigbraun umrahmten Heftlöchern am Oberrand, die freilich auch nachträglich angebracht werden können. Das Ideal des Sammlers ist daher ein komplettes Heftchen, aber davon sind nur so wenige erhalten geblieben, dass man für das billigste schon ein Budget von ca. 3000 
bereithalten sollte. 


27  Japanische Postämter in Korea und China

So wie einst die Ausländer in Yokohama ihre eigenen Postdienste pflegten, um Briefe in die Heimat zu senden, so eröffnete auch Japan in den Regionen, in denen Japaner Geschäfte abwickelten oder militärisch die Interessen ihres Landes vertraten, eigene Postämter. Wie bereits der Krieg gegen China gezeigt hatte, beschränkte sich das japanische Reich nicht darauf, die eigenen Inseln zu modernisieren, sondern schloss sich schon sehr bald dem Kolonialisierungsdrang der europäischen Mächte an. Das Zeitalter des Imperialismus hatte Japan erreicht. Japan betrachtete Korea und das desolate China, das auch von Briten, Franzosen und Deutschen als leichte Beute angesehen wurde, als seine Interessensphäre und pachtete in der Hafen- und Handelsstadt Shanghai ebenso wie die Europäer eine Konzession, in der es nach Gutdünken schaltete und waltete. Der Sieg im Krieg gegen China stärkte das japanische Bewusstsein, die bedeutendste Macht in Ostasien zu sein, und wenn nicht das zaristische Russland ebenfalls starke Ambitionen auf Korea und die Mandschurei gezeigt hätte, wären diese Gebiete schon wesentlich früher unter japanische Herrschaft geraten.
Korea wurde nach Japans Sieg zwar formal selbständig, aber Japan blieb dort auch gegen Koreas Wünsche aktiv und eröffnete in allen großen Städten nicht nur Handelsniederlassungen und Militärstützpunkte, sondern auch japanische Postämter. Und in China blieb es nicht bei Shanghai; je schwächer und korrupter die chinesische Obrigkeit war, die hilflos mit ansehen musste, wie Shanghai und Guangzhou (Canton) mit Rauschgift überschwemmt wurden und im Opiumrausch versanken, während die fremden Mächte sich immer dreister immer neue Stücke aus dem Reich herausrissen, desto stärker mischte auch Japan im Spiel der imperialistischen Mächte mit. Während die Deutschen in Qingdao (Tsingtau) in der Region Jiaozhou (Kiautschou) begannen, Bier zu brauen, die Briten sich in Xianggang (Hongkong) und Jiulong (Kowloon) breit machten und Portugiesen in Aomen (Macau) anfingen, zu missionieren, ohne die Einwohner um Erlaubnis zu fragen, wurden Japaner in Tianjin (Tientsin) und anderen Gebieten Chinas aktiv und eröffneten dort ihre eigenen Postämter. Diese japanischen Aktivitäten kollidierten mit den Aktivitäten des Zarenreichs, und die Rivalität beider Mächte kulminierte im Krieg zwischen Japan und Russland 1904/1905.
In Korea eröffnete schon im April 1889 ein erstes IJPO (International Japanese Post Office) in der Stadt Wonsan, die in Japan Genzan (so die Schreibweise auf den ersten Stempeln) oder Gensan (Stempel ab 1891) heißt. 1891 folgten IJPOs in Incheon (Ninsen) und Busan (Fusan, Husan), 1894 der Hafen von Incheon (Chemulpo), der Frachthafen Mokpo und die Hauptstadt Seoul (Keijo, Keizyo).
Parallel dazu gab es IJPOs ab 1889 auch in Shanghai und Tianjin (Tientsin), ab dem Folgejahr 1890 auch in Nanjing (Nanking). In rascher Folge ging es weiter; bis 1903 konnten Japaner ihre Post
in China schon von insgesamt 20 japanischen Postämtern aus in die Heimat senden. Hier die alphabetische Liste nach der Lesung der japanischen Stempel in Lateinschrift. Selbstverständlich wurden unentwegt weitere IJPOs eröffnet.


Stempel heutiger Name Bemerkungen Stempel heutiger Name Bemerkungen Stempel heutiger Name Bemerkungen
AMOY Xiamen NEWCHWANG Niuzhuang Konzession von Yingkou TA-YE, TAIYA Daye
CANTON Guangzhou PEKING Beijing TAKU Dagu
FOOCHOW Fuzhou SHANGHAI Shanghai TIENTSIN Tianjin
CHANGSHA Zhangsha SHANHAIKWAN Shanhaiguan TONGKU Tanggu Hafen von Tianjin
CHEFOO Zhifu Stadtteil von Yantai SHASHE Shashi Stadtteil von Jingzhou TUNGCHOW Tongzhou Vorort von Beijing
HANKOW Hankou Stadtteil von Wuhan SOOCHOW Suzhou YANGTSUN Yangcun Stadtteil von Tianjin
NANKING Nanjing SWATOW Shantou


Am 1.1.1900 verausgabte die japanische Post für die Auslandspostämter, die bis dahin die normalen japanischen Dauermarken verwendet hatten, eigene Briefmarken, indem sie auf die Marken der Kikumon-Serie
, je nach Wertstufe in Schwarz oder in Rot, die Schriftzeichen Chosen (Korea) beziehungsweise Shina (China) aufdrucken ließ. Und wenn im Inland eine neue Wertstufe oder Farbänderung erschien, bekam sie genau denselben Aufdruck und wurde auch an die IJPOs ausgeliefert.



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Beispiele der Aufdrucke für Korea (obere Reihe) und für China (untere Reihe), zum Vergleich die jeweils gleichen Wertstufen

In den PAs kamen sowohl japanische als auch Lateinschriftstempel zum Einsatz, deren Form sich von den in Japan verwendeten Stempeln nicht unterschieden; auch die kurzlebigen Meiji-Zweikreisstempel wurden, allerdings ohne japanische Schriftzeichen, an die größten IJPOs in China verteilt. 


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Stempelabdrücke in Japanisch auf Marken für IJPOs in Korea, von links nach rechts: Wonsan, Busan, Incheon
(einige Abb. zwecks Leserlichkeit des Stempels kopfstehend) 

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Lateinstempel auf Marken für IJPOs in China, von links nach rechts: Tanggu, Hankou, Tianjin


Der Grund dafür, dass die IJPO-Ausgaben für Korea heute wesentlich seltener und teurer sind als diejenigen für China, liegt darin, dass Japan kurze Zeit später Korea praktisch annektierte. Ebenso wie das bereits 1895 annektierte Taiwan wurde Korea deshalb postalisch als Inland betrachtet, und die Marken mit Aufdruck wurden mit Ablauf des 31. März 1901, nach nur 15 Monaten Laufzeit, wieder abgeschafft, während in China japanische Postämter bis zum 31.12.1922 weiter bestanden.
Die Gültigkeit der Aufdruckmarken war nicht strikt auf die IJPOs beschränkt. Sie konnten, wenn man denn unbedingt wollte, auch im japanischen Inland verwendet werden, wie es auch umgekehrt problemlos möglich war, Marken ohne Aufdruck in den IJPOs zu verwenden. Beispiele dafür sind selten, kommen aber vor.


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In Taiwan kamen nur Marken ohne Überdruck zur Verwendung,
die Stempel unterschieden sich nicht von japanischen Inlandsstempeln.
Hier ein Stempel der Bahnpost auf der Linie Jiayi - Gaoxiong, 1.Februar 1900

cxls     gensansina
            Marke ohne Überdruck,               Lateinstempel NAGASAKI JAPAN         Dass Marken mit "China"-Aufdruck in
    Lateinstempel Tianjin 1.Jan.1903        auf Marke mit "China"-Aufdruck          Gensan (Weonsan, Korea) Verwendung
                                                                     (Abb. zwecks Leserlichkeit kopfstehend)            fanden, kommt nur selten vor


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