Geschichte der Post in Japan
Teil 1 (bis 1872)
: Drachenmarken

zu Teil 2:    Kirschblütenmarken auf Japanpapier
zu Teil 3:    Kirschblütenmarken auf Importpapier
zu Teil 4:    Koban- und Kikumon-Serie
zu Teil 5:    Späte Meiji-Zeit
zu Teil 6:    Taisho-Zeit
zu Teil 7:    Frühe Showa-Zeit
zu Teil 8:    Beginn des Pazifischen Krieges
zu Teil 9:    Weg in den Untergang
zu Teil 10:  Neuanfang und Ausblick
weiter zu:   Inhaltsverzeichnis und Zeittafel
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1  Vormoderne Post

Schon im Altertum wies das japanische Reich eine Infrastruktur aus mehr oder weniger befestigten Landstraßen auf, die in Tagesreise-Abständen über Stationen zum Pferdewechsel verfügten. Über diese Landstraßen wurden aus der Hauptstadt Kyoto die Gouverneure in die Provinzen entsandt, Steuern eingezogen, Truppen gegen Aufständische und zur Grenzsicherung oder Bekämpfung der Urbevölkerung verlegt und Verbannungen durchgesetzt. An strategisch günstigen Stellen gab es Sperren, die als Kontrollpunkte fungierten; die hier stationierten Truppen sorgten als lokale Polizei für Wegsicherheit, hielten Schmuggler und Räuberbanden auf und setzten gesuchte oder flüchtige Personen fest. Auf diesem Wegenetz waren in regelmäßigen Abständen Reiterstaffetten zwischen der Hauptstadt und den Provinzgouvernements unterwegs, die Dokumente und Befehle überbrachten. Die Pferdewechsel-Stationen wurden von vertrauenswürdigen Personen aus der jeweiligen Region geleitet; diese erhielten ein Stück Land zur steuerfreien Bewir
tschaftung und mussten dafür die kaiserlichen Boten mit frischen Pferden, Verpflegung und Obdach versorgen. Den Stationschefs stand es frei, auch private Reisende gegen Entgelt zu bewirten und zu beherbergen, und manche Stationen entwickelten sich zügig zu Herbergsorten, an denen auch Wein, Weib und Gesang, nämlich Gaststätten, Dirnenhäuser und Unterhaltung (Musik, Schausteller) zu finden waren. Die kaiserlichen Boten konnten sich ebenfalls ein Zubrot verdienen, indem sie private Waren und Briefe mitnahmen. Aus diesem System entwickelte sich schon sehr früh ein zuverlässiger, halboffizieller und relativ schneller Postdienst, der über die Jahrhunderte hinweg in Kriegs- und Friedenszeiten funktionsfähig blieb.

ekirei ekireism
Was für die europäische Post das Posthorn,
ist für Japans Post die Bronzeglocke ekirei.
Sie hing am Tor der Reisestationen
und wurde vom Boten bei seiner Ankunft geläutet.
 Das Schriftzeichen auf der Glocke lautet eki, "Reisestation"
Abbildung der Bronzeglocke ekirei auf einer Sondermarke von 1946,
ausgegeben aus Anlass des 75jährigen Bestehens
moderner Postdienste
in Japan


Die bedeutendste Fernstraße im 19. Jahrhundert war die Tokaido-Straße von Edo (dem späteren Tokyo) via Shizuoka und Suzuka-Pass nach Kyoto (später bis Osaka verlängert), die als erste und wichtigste Poststrecke bedient wurde. Nach und nach wurde innerhalb weniger Jahre der neuzeitliche Postdienst auf die anderen Reisewege Sanyodo (von Kyoto via Kobe und Hiroshima zum Westzipfel von Honshu), San’indo (die gleiche Strecke, aber entlang der Küste der Japan-See via Shimane und Tottori), Saikaido (der Seeweg nach Kyushu) und Nankaido (der Seeweg nach Shikoku) ausgedehnt, wobei der Name der Wegstrecke zugleich auch die jeweilige Region bezeichnete (
Saikaido = KyushuNankaido = Shikoku). In der Gegenrichtung nach Nordostjapan verliefen die Landfernstraßen Hokurikudo (durch die heutigen Städte Kanazawa und Niigata) und Tosando (von Kyoto durch das bergige Inland via Gifu, Sendai, Akita und Aomori) zum Nordzipfel von Honshu, und relativ spät kam noch der Seeweg Hokkaido zur neu erschlossenen Nordinsel Ezo hinzu; hier wurde der Name des Reisewegs später zur Bezeichnung für die Insel.



fernstrassen


Die Tokaido-Straße wies zwischen Edo und Kyoto 53 Stationen auf, man rechnete also mit 53 Tagereisen für die Gesamtstrecke. Steile Berge, Furten und Fahrspuren der Ochsenkarren erschwerten die Reise, besonders bei schlechtem Wetter oder im Winter. Der berühmte Grafiker Ando Hiroshige (1797 - 1858) hat die Strecke bereist und von jeder Station und Umgebung Skizzen und farbige Drucke angefertigt, die auch im Ausland sehr bekannt sind. Sie geben anschaulich Auskunft über die Mühen der Reise auf dieser Fernstraße im frühen 19.Jh.


tokaido totsuka
tokaido shono
Teehaus in Totsuka
Unwetter in Shono
tokaido furt
tokaido otsu
Überquerung einer Furt bei Odawara
Lastkarren vor der Reisestation in Otsu



2  Reformierung des Reichs

Nach dem ersten Kontakt zu europäischen Seefahrern im 16.Jahrhundert, den Portugiesen, die es zuerst durch Schiffbruch, später in Handelsabsichten ins ferne Nippon verschlagen hatte, riegelte sich Japan gegenüber Seefahrern aus Europa ab, die zwar einerseits begehrte Handelsgüter (Glas, Waffen, Technik und Medizin) nach Japan brachten, andrerseits aber auch unerwünschte Beigaben, nämlich die Syphilis und christliche Missionare an Bord hatten. Das Militärregime (Shogunat) schätzte die Nachteile für die japanische Kultur und Gesellschaft als gewichtiger ein als die Vorteile und ließ bald nur noch kleine Handelsdelegationen, und zwar ausschließlich der niederländischen VOC (Vereenigde Oostindische Compagnie), in eine isolierte Niederlassung ein, die Insel Dejima vor Nagasaki. Zu Dejima war von japanischer Seite nur Zöllnern, lizensierten Händlern, Prostituierten und Forschern der Zutritt gestattet. Letztere erlernten von den Niederländern die Grundlagen der westlichen Wissenschaften, vornehmlich Medizin und Technik. Auch der deutsche Botaniker Philipp Franz von Siebold gelangte 1823 auf einem niederländischen Kauffahrer nach Nagasaki und hatte mit einer japanischen Prostituierten eine Tochter, die er jedoch in Japan ließ, weil die Behörden ihr die Ausreise nicht gestatteten. Und was die Syphilis anbetrifft, sie fand doch noch über Japaner, die Bordelle in Canton besuchten, ein Einfallstor nach Japan und breitete sich bis zur Entwicklung einer erfolgreichen Chemotherapie durch Paul Ehrlich ungehindert, ungemindert und ungelindert aus.

Während Japan in selbstgewählter Isolation verharrte und eine kulturelle Blütezeit erlebte, brachte der ökonomisch unerfahrene Samuraistand, der keiner produktiven Arbeit nachging, aber von seinen Ländereien versorgt werden wollte, das Land an den Rand einer Katastrophe. Der Goldgehalt der Oban- und Koban-Währung wurde immer geringer, die Steuern, die alleine dem Bauernstand, nicht aber den reichen Kaufleuten abverlangt wurden, reichten immer weniger zur Deckung des Finanzbedarfs aus, während die Bauern, um nicht zu verhungern, ihre eigenen Kinder verkauften. Kurz bevor eine Rebellion gegen die unfähige Regierung ausbrach, gingen im Jahre 1853 amerikanische Kriegsschiffe in der Bucht von Edo vor Anker und drohten mit Beschuss der Kleinstadt Uraga (heute ein Stadtteil von Yokosuka), die dort in Sichtweite lag, falls Japan nicht seine Isolation beende und sich dem internationalen Handel öffne. Nach vier Jahren Widerstands gab der Shogun, dem die Kontrolle über das Reich am Entgleiten war, nach und ließ ausländische Handelsniederlassungen in dem Fischerdorf Yokohama zu. Der Widerstand gegen den nachgiebigen Shogun und die ins Land strömenden “ausländischen Barbaren” führte zu einer Rebellion regionaler Lehnsherren, in deren Verlauf der Shogun abdankte und die Regierungsgewalt in die Hand des noch jungen Kaisers Meiji legte. Dessen größte Leistung bestand darin, das ausländerfeindliche Klima im Land durch die Ernennung fähiger Männer mit Kenntnis des Auslands in sein Gegenteil zu verkehren, Japan in einer unglaublichen Woge von Reformbegeisterung im Zeitraffertempo zu modernisieren und vor dem Schicksal des vom Westen ausgeplünderten China zu bewahren.



kurobune
         
Die furchterregenden "Schwarzen Schiffe" in der Bucht von Edo, zeitgenössische Darstellung.
Mit nachgebauten Kanonen und Sandsäcken bereiten sich Samurai auf die Verteidigung des Reichs vor



3  Maejima Hisoka


Trotz der strengen Abschottung Japans war es der niederländischen Handelsgesellschaft VOC gestattet, Nagasaki anzulaufen und in begrenztem Umfang Handel zu treiben. Das Shogunat interessierte sich auch für europäische Technik und Medizin und lud niederländische Ärzte und Ingenieure nach Edo ein, wo eine erlesene Anzahl von Samurai sich in diesen Wissenschaften ausbilden ließ. Zu diesen Auserwählten zählte der junge Samurai Ueno Raisuke (1835-1919), der schon 1847, mit 12 Jahren, seine Heimat Niigata verließ und nach Edo reiste, um westliche Medizin zu studieren und Englisch zu lernen. Als General Perry 1853 mit seinen Kriegsschiffen die Bucht von Uraga bedrohte, war Ueno 18 Jahre alt. Sofort stellte er seine Talente in den Dienst der Verteidigung Japans, studierte Kanonenbau, Mathematik und Dampfschifftechnik und wurde Kommandeur eines der ersten japanischen Kriegsschiffe. 1866 nahm er den Namen des Hauses Maejima an, dessen Mitglieder wegen ihrer ausgezeichneten Ausbildung viele Ministerialbeamten stellten, und änderte drei Jahre später auch seinen Rufnamen Raisuke in Hisoka ab, als er zum Beamten im Innenministerium ernannt wurde.
Hier muss ein kurzer Diskurs zur japanischen Namensgebung eingefügt werden, die anders als in Europa keineswegs durch Taufe und Geburtsurkunde lebenslang feststand. Japaner änderten seinerzeit ihre Namen zugleich mit ihren Funktionen. Als Kind hieß Maejima noch Ueno Fusagoro, gerufen wurde er Raisuke, Schriften veröffentlichte er unter dem Namen Ko
so, als Medizinstudent nannte er sich Maki Taizo. In die Familie eines hochstehenden Gönners aufgenommen zu werden, galt als Ehre und brachte als Quasi-Adoption sogar eine Änderung des Familiennamens mit sich - seinerzeit keineswegs ungewöhnlich, sondern gängiger Brauch.
Als Dolmetscher und Dampfschifftechniker wurde Maejima Hisoka 1870 in die japanische Delegation nach England berufen, um das europäische Kommunikationswesen zu studieren. Die Gesandtschaft soll starr vor Staunen gewesen sein, als man ihr dort zeigte, dass es genüge, einen mit Briefmarke frankierten Brief in einen roten Kasten zu werfen, und anderntags treffe er beim Empfänger an einem anderen Ort ein. Als die vermeintliche Zauberei oder ein rätselhaftes unterirdisches Rohrpostsystem sich als ein zuverlässiges Postsystem mit Vorauszahlung, Leerung der Briefkästen und dreimal täglicher Zustellung erwies, war Maejima entschlossen, ein solches System auch in Japan einzuführen. Nach seiner Rückkehr wurde er zum Leiter des Amtes für die Reisestationen (ekiteishi) berufen, das seit 1868 das Straßennetz kontrollierte. Diese Behörde wurde im Zuge der Meiji-Reformen dem Innenministerium (minbusho) unterstellt und in Amt für Reisestationen und Kommunikation (ekiteikyoku) umbenannt, und der Leiter dieses Amtes erhielt den Titel Generalpostmeister. Maejima setzte alles daran, in Japan ein Postsystem nach britischem Vorbild aufzubauen. Wie energisch und schnell er seine Pläne durchsetzte, lässt sich daran ablesen, dass die drei neu eröffneten Postdienststellen, in Nihonbashi (Tokyo), Kyoto und Osaka, sowie 62 Zweigstellen entlang der Tokaido-Straße schon im Frühjahr des Folgejahrs 1871 die ersten japanischen Briefmarken zu verkaufen begannen. Zu Recht gilt Maejima, der sich bald nur noch europäisch kleidete, als der Gründer und unermüdlich zu Neuerungen und Verbesserungen antreibende Vater des modernen Postwesens, obwohl er seine Position als Generalpostmeister nur als Nebenjob ausübte; nach wie vor verfolgte er seine Karriere im Innenministerium und brachte es zum Vizeminister. Es war Maejima persönlich, der sich japanische Wörter und Schriftzeichen für "Post" und "Briefmarke" ausdachte und einführte, die bis heute Verwendung finden. Seine Ernennung zum Baron 1902 war einem der Irrwege übereifriger Reformer zu verdanken, die das antiquierte europäische Adelssystem in Japan zu imitieren suchten. Es wurde nach wenigen Jahren wegen erwiesener Nutzlosigkeit wieder abgeschafft.




maejima



4  Matsuda Atsutomo


In Kyoto hatte der Kupferstecher Matsumoto Yasuoki (1786-1867) die Werkstatt Gengendo eröffnet, die keine freien künstlerischen Arbeiten ausführte, sondern sich auf Gebrauchsdrucke und Auftragsarbeiten spezialisierte; es gab ja noch keine Druckereien in unserem Sinn, und fast alle Druckerzeugnisse wurden als Kupferstiche handgefertigt, so wie in Europa etwa die Noten für Musikstücke gestochen und dann für das Orchester vervielfältigt wurden. Nur Zeitungen wurden auch in Japan von beweglichen (japanischen) Lettern gedruckt. Die Firma Gengendo lebte von Aufträgen zur Anfertigung von Dokumenten und wurde aufgrund der hohen Qualität ihrer Erzeugnisse auch mit dem Druck von hansatsu beauftragt.

Hansatsu sind Billets (Schuldscheine) der einzelnen Lehnsherren, die innerhalb des Shogunats in Angelegenheiten ihrer Lehen, den kuni oder Reichsprovinzen, autonom waren. Gegen Ende des Shogunats ächzte Japan unter einer schweren Wirtschaftskrise, die eine Entlohnung der Samurai, die ihrem Lehnsherrn zu Diensten waren, in Reis oder Silber nicht mehr gestattete und die Lehnsherrn zur Ausgabe von Papier-Notgeld, den hansatsu, zwang. 1858 erhielt Gengendo den Auftrag zur Anfertigung von hansatsu für die Lehen Settsu, Kawachi, Yamato, Ise und Kii (entspricht den heutigen Präfekturen Osaka, Nara, Mie und Wakayama), und 1868 den Auftrag zur Fertigung von Papiergeld für die Zentrale Regierungsbehörde (Dajokan) und für das Innenministerium (Minbusho). Hiermit war die Firma des Gründers Matsumoto Yasuoki als erste Adresse in der Fertigung offizieller Dokumente etabliert. Die Fertigung umfasste den gesamten Herstellungsprozess vom Design über die Wahl von Format und Größe bis hin zur Endfertigung und Auslieferung.




gengendo

Kupferstich "Selbstporträt von Matsumoto Yasuoki in französischer Tracht" 
Inschrift oben: GENGENDO, unten: Matsumoto Yasuoki



Mit dem Tode des Firmengründers Yasuoki ging Gengendo über in die Hände seines erstgeborenen Sohnes Rokuzan (10.3.1837 – 31.10.1903). Dass sein Sohn sich später Atsutomo nennen würde, erlebte der Vater nicht mehr. Er hatte seinem Sohn den Kindernamen Kamenosuke gegeben, und das Wunderkind, das mit 13 Jahren schon Kupferstiche höchster Qualität anzufertigen verstand, nahm bald den Künstlernamen Rokuzan an, unter dem Atsutomo bis heute als Kupferstecher bekannt ist. Als er den Betrieb seines Vaters übernahm, gab er sich den Namen Atsutomo, der den Geschäftsmann und Firmeninhaber bezeichnete und möglicherweise eine Verballhornung von Matsumoto ist. 1868 zogen der Kaiserhof und die Regierung aus Kyoto um in die Stadt Edo im Lehen Musashi, die fortan Tokyo (Östliche Kaiserresidenz) genannt wurde, und der 33jährige Atsutomo eröffnete im Folgejahr eine Filiale seiner Firma in der neuen Hauptstadt, um weitere Regierungsaufträge nicht zu verpassen. Warum er die Filiale seiner Firma Gengendo in Tokyo unter dem Namen “Rankotei Matsuda Rokuzan” betrieb, sich also Matsuda anstatt Matsumoto nannte, ist nicht bekannt. Da er im Westen generell unter seinem Business-Namen Matsuda Atsutomo bekannt ist, bleiben wir in dieser Darstellung dabei, obwohl er mit der Herstellung der ersten Briefmarken eigentlich unter seinem Künstlernamen Rokuzan befasst war.


5  Die Drachenmarken in mon-Währung

Der Auftrag zur Herstellung der ersten Briefmarken durch den Generalpostmeister Maejima Hisoka erfolgte denn auch schon kurze Zeit später an Matsuda Atsutomo, im November 1870. Es sollten die vier Wertstufen 50, 100, 200 und 500 mon in unterschiedlichen Farben angefertigt werden. Die Währungseinheit mon bezeichnet eine runde Kupfermünze mit einem Loch in der Mitte, die auf Schnüre aufgezogen wurde. Dank der Wirtschaftskrise und Inflation wurde fast nur noch in Silber gezahlt, wobei das Silber in genormter Kleinbarrenform je nach Gewicht gehandelt wurde. Die mon-Münzen hingegen waren beinahe wertlos; dass jemand fünf schwere Schnüre mit je 96 Münzen zum Postamt trug, um eine Briefmarke zu 500 mon zu kaufen, ist schwer vorstellbar. Die mon-Währung ist eine Rechnungseinheit, bei der "100 mon" in der Realität 96 Münzen bezeichnete. Es war einfacher, die Schnüre zu teilen und zu dritteln, wenn man (wie im Deutschen Reich) die Zwölfer-Einheit zugrunde legte, weil sich die 12 zwar nicht durch fünf, aber durch zwei, drei und vier teilen ließ, was im Handelsalltag von Vorteil war. Warum anstelle des umgangssprachlichen “50 mon” der tatsächliche Betrag von 48 mon auf der Drachenmarke Nr.1 von Japan genau angegeben ist, für 96 mon hingegen das umgangssprachliche “100 mon” erscheint, bleibt Matsudas Geheimnis.
Bezahlt wurde im Alltag in Silber, das in kleinen, flachen rechteckigen Barren in Umlauf war; der kleinste, 1 shu, war gerade einmal so groß und fast ebenso dünn wie ein Fingernagel und wurde in 60 Kupfermünzen umgerechnet.



kupfergeld

Eine Münzschnur enthält 96 Kupfermünzen (zeni oder mon), 960 Münzen (1000 mon) ergaben 1 kan (= ¼ ryo Silber)


Umgerechnet in die Standardwährung ryo, die in Japan seinerzeit maßgeblich war, ergaben 4 kan, also 4000 mon, ein ryo, das dem chinesischen Tael (Silberdollar) entsprach. Anders gesagt: Für einen Silberdollar waren
40 Münzschnüre à 96 Münzen anzuhäufen, eine kleine Schubkarre voll, was das Ausmaß der Münzgeld-Inflation veranschaulicht.
Hierdurch wird jedenfalls verständlich, weshalb die ersten Briefmarken in Bögen zu 40 Marken gedruckt wurden; ein kompletter Bogen der 48 mon ergab somit ½ ryo, und die Bögen der 100, 200 und 500 mon Marken waren entsprechend einfach mit je 1, 2 und 5 ryo abzurechnen.


SILBER KUPFER
1 ryo (Silberdollar)  = 4 kan Silber = 4000 mon Münzgeld
1 kan Silber  = 4 bu Silber = 1000 mon Münzgeld
1 bu Silber = 4 shu Silber = 250 mon Münzgeld
1 shu Silber = 60 mon Münzgeld

silber

Silberbarren zu 1 bu (Mitte) und 1 shu (rechts),
daneben als Größenvergleich eine moderne japanische Briefmarke
mit dem Abbild
des ersten Generalpostmeisters Maejima Hisoka


Für Format, Farben und Design der ersten Briefmarken gab es genaue Vorgaben von Seiten des Innenministeriums; es ist bekannt, dass die Delegation, die Europa besuchte, von dort einige Briefmarken mitgebracht hatte. Der Postmeister legte Matsuda Atsutomo als Vorlage für das gewünschte Format eine französische Portomarke vor, die quadratische schwarze 10 centimes à percevoir von 1859, und überreichte ihm ferner das Design eines Rahmens im Pflaumenblütenmuster, das offenbar ein künstlerisch begabter Mensch im Ministerium auf ein Blatt Papier gemalt hatte. So weit, so gut, aber erstaunlicherweise befolgte Matsuda diese Vorgaben einzig hinsichtlich des Formats. Die Marken, die er schließlich gravieren ließ, haben ansonsten keinerlei Ähnlichkeit mit der französischen Portomarke, und aus unbekannten Gründen endete wohl auch der schön gemalte Blütenrahmen im Archiv; man vermutet, dass er dem erfahrenen hansatsu-Drucker zu simpel gewesen sei, der mit Fälschungsversuchen seiner Notgeldscheine bereits leidvolle Erfahrungen gemacht hatte; an begabten Kupferstechern herrschte in Japans Städten seinerzeit kein Mangel. So mag er sich für ein komplizierteres, aufwendig anzufertigendes Design entschieden haben.


apercevoir                bluetenrahmen

     Französische Portomarke von 1859                  Designvorschlag des Innenministeriums
                                                                              für einen Pflaumenblütenrahmen



Letztendlich bleibt es jedoch bei Mutmaßungen, denn alle archivierten Dokumente im Innenministerium sowie die Originalplatten der frühen Marken sind, soweit sie überhaupt noch vorhanden waren, spätestens 1923 der Brandkatastrophe in Tokyo nach dem verheerenden Erdbeben zum Opfer gefallen. Es lässt sich aber sagen, dass das Drachendesign von den durch Gengendo hergestellten Notgeldscheinen her bekannt und keineswegs sonderlich originell war. Originell ist hingegen der Zweifarbendruck, bei dem die Rahmenzeichnung der Drachenmarken und die zentralen schwarzen Schriftzeichen der Nominale durch zwei verschiedene Druckplatten ausgeführt wurden.


Die Rahmenzeichnung und die Drachen der vier ersten Briefmarken unterscheiden sich in kleinen Details, beispielsweise bei der Anzahl der Rauten und Halbrauten im inneren Rahmen oder der Stellung der Drachenklauen, auch wenn sie auf einen ersten Blick nahezu gleich aussehen. Wie bei dem Papiergeld hatte Matsuda überdies seine Graveure angewiesen, zur Vorbeugung von Fälschungen im Design kleine Abweichungen, sogenannte Geheimzeichen, anzubringen, wofür ihm die Japansammler sehr dankbar sind, denn die Fälscher, die ihre Produkte nicht zum Schaden der Post, sondern zwecks Verkauf an Sammler herstellten, übersahen meist diese Geheimzeichen.



ryumon


Als Papier wurde hochwertiges, also sehr witterungsbeständiges und reißfestes Japanpapier verwendet. Offensichtlich wurde es von verschiedenen Herstellern bezogen, denn im Siebmuster sind deutliche Unterschiede (gestreift, kariert, ohne Siebmuster) zu erkennen. Das überaus kleine Format der Briefmarken wurde in Bögen zu 8 x 5 Marken als eine Art Kupferstich graviert, was bedeutet, dass jede einzelne der vierzig Marken eines Bogens von Hand gestochen ist und sich deshalb unter der Lupe in kleinen Details von den anderen Marken unterscheiden lässt, denn niemand ist imstande, eine dermaßen detaillierte Miniatur auch nur zweimal absolut identisch zu gravieren. Auf diese Weise lassen sich alle handgravierten japanischen Marken individuell erkennen, können die Druckplatte und die Position im Bogen für jede einzelne Marke festgestellt werden.


Die Farben der vier ersten Briefmarken waren den Wertstufen angemessen, d.h., die billigste Druckfarbe nach dem Schwarz, das Braun, wurde für die niedrigste, das Grün, welches aus dem teuren Gelb und dem Blau gemischt wurde, für die höchste Wertstufe reserviert, von der weniger Bögen gedruckt werden mussten – Matsuda dachte als Geschäftsmann eben durchaus auch ökonomisch. Überdies legen die starken Farbtonvarianten der braunen Markenfarbe nahe, dass Reste der anderen Farben mit in den Eimer für das Braun geschüttet, untergemischt und restlos aufgebraucht wurden. Die erste Auflage der 500 mon Marke wurde in einem sehr gelblichen Hellgrün gedruckt, das entweder aus Kostengründen oder wegen Ablehnung durch das Ministerium umgehend auf einen blaugrünen Farbton umgestellt wurde, der vor allem bei der zweiten Druckplatte dem Blau der 100 mon Marke recht nahe kommt.


ryubogen

Kompletter Bogen der Drachenmarke 100 mon Platte 1, wie er von Matsuda ausgeliefert wurde -
die unterschiedlich breiten Abstände zwischen den Markenreihen verraten die Handarbeit


Die genaue Legierung der Druckplatten ist zwar nicht bekannt, aber um das komplizierte Markenbild leichter und schneller gravieren zu können, dürfte ein sehr weiches Kupfer verwendet worden sein. Zwischen dem Auftrag zur Herstellung der Marken und der tatsächlichen Ausgabe am 1. 3. 1871 lagen schließlich nur vier Monate. Beim Kupferstich werden nach der Vorgravur per Hand die Senken durch eine ätzende Säure vertieft; anschließend wird die Druckfarbe auf die Platte gestrichen und dringt in die gravierten Senken ein. Überschüssige Farbe wird danach mit einem Rakel in den Eimer zurückgestrichen, und zuletzt wird die Platte mit einem Lappen poliert, so dass nur in den Vertiefungen Farbe zurückbleibt. Auf die Platte wird der zu bedruckende Papierbogen aufgelegt und mit einer Walze fest angepresst, wobei das weiche Papier die Farbe aus den Vertiefungen ansaugt und das gravierte Bild wiedergibt.

Zwar setzte auch die Druckfarbe den Kupferplatten zu, aber das Hauptproblem war der Rakel, der seinerzeit, da es weder Gummi noch Plastik gab, aus Holz oder Bambus gefertigt war. Das Schaben des Rakels auf der weichen Kupferplatte machte sich recht bald durch hässliche Kratzer bemerkbar, in denen auch Farbe hängen blieb, und wenn die Streifen so tief waren, dass sie im gedruckten Markenbild deutlich sichtbar wurden, galt die Platte als verbraucht, und eine vollkommen neue Platte musste graviert werden. Die Kurzlebigkeit der Platten veranschaulicht die Tatsache, dass alle vier Werte der ersten Briefmarkenausgabe, auch die in geringerer Auflage gedruckte 500 mon, zwei verschiedene Druckplatten erforderten, und dies trotz einer Laufzeit von nur knapp einem Jahr bei einem Postwesen, das vom großen Publikum noch gar nicht angenommen war, sondern in seinen allerersten Anfängen stand. Man schätzt, dass von einer Platte etwa 5000 Bögen in perfekter Qualität gedruckt werden konnten, und wenn man Einbußen in der Qualität der Wiedergabe in Kauf nimmt, auch bis zu 15000 Bögen. Von Platte 1 der 100 mon, aus welcher der oben abgebildete Bogen stammt, wurden vermutlich sogar 22000 Bögen (ein Teil davon im Folgejahr in einer neuen Währung) gedruckt, was sich bei späten Drucken im Markenbild recht deutlich bemerkbar macht.

Dass Matsuda möglichst ökonomisch vorging, zeigt nicht nur sein Einsatz der Druckfarben. Auch der Bezug des Papiers von verschiedenen Herstellern, wobei der Einkaufspreis den Ausschlag gegeben haben dürfte, und der Verkauf und die Verwendung von Marken in abgelehnten Farbtönungen (hellgelb bei 500 mon), von nahezu zerschlissenen Platten und auf nur probeweise verwendeten Papiersorten zeigt, dass man keine fertig gedruckte Marke fortwarf, sondern alles, was nicht völlig misslungen war, zur postalischen Verwendung brachte.

Wer sich eine der handgravierten Marken unter der Lupe ansieht und den Detailreichtum dieser Miniaturkunstwerke bestaunt, wird begreifen, welche Künstler die Graveure der ersten Markenausgaben waren, die während der gesamten Kurszeit pausenlos neue Druckplatten mit jeweils vierzig möglichst identischen Markenbildern herstellen mussten, von einigen Wertstufen weit mehr als 20 verschiedene Platten. Aufgrund der Handgravur entstanden zahlreiche Fehler auf den Markenbildern, fehlende Linien, Punkte, Designdetails (Drachenarme) usw. Der bekannteste und seltenste Fehler der Drachenmarken in mon-Währung ist der kopfstehende Mittelteil (schwarz gedruckte Nominale) bei der 500 mon, von der nur ein Stück erhalten ist, aber mindestens ein Bogen in den Postverkehr gelangt sein musste. Die Drucker hatten dabei versehentlich einen Bogen falsch herum zum Bedrucken mit der Platte für die Wertangabe eingelegt und ihn, bevor die Vorgesetzten den Fehler bemerkten und das Donnerwetter auf die Angestellten niedergehen konnte, vermutlich flugs unter die anderen fertigen Bögen geschoben, wo er an irgendein Postamt ausgeliefert und offensichtlich unbeanstandet verwendet wurde. Diese 1973 in den USA entdeckte Rarität wechselte im Juni 2023, zum ersten Mal nach ihrer Entdeckung, auf einer Auktion in Genève für 4,4 Millionen (inclusive Gebühren 5,4 Millionen)
den Besitzer und kehrte nach Asien zurück.



500gyaku

Die berühmte 500 mon Marke mit kopfstehend eingesetztem Mittelstück


Da die Filiale “Rankotei Matsuda Rokuzan” in Tokyo zuvörderst zur Akquisition von Regierungsaufträgen gegründet worden war, wurde der eigentliche Druck der ersten Marken unter Matsudas Leitung in der Druckerei der Firma Mitsui in Tokyos Stadtteil Kabutocho ausgeführt, die über zwölf hölzerne Druckpressen verfügte. Im Michel-Katalog ist vermerkt, dass die ersten japanischen Marken, die am 1.3.1871 nach jap. Zeitrechnung zur Verwendung kamen, in der bewährten Werkstatt Gengendo in Kyoto hergestellt worden seien, was nach dem heutigen Stand der Forschung obsolet ist. Es ist schwer vorstellbar, dass in Kyoto gedruckte Markenbögen und sämtliche Nachauflagen von neu gravierten Platten erst nach Tokyo transportiert wurden, um sie dann an die Postämter auszuliefern.



drucker     druckpresse

Japanische Druckpresse um 1870:  unten die Druckplatte, auf der Walze der Papierbogen,
rechts:  eine Druckpresse dieser Art im Museum



Alle Werte finden sich ungebraucht in guter Erhaltung relativ häufig, weil nach der Währungsreform eingesammelte unverbrauchte Stücke an Händler im Ausland verkauft wurden. Ungebrauchte, unzerteilte Bögen sind von allen Werten in der häufigeren 1.Auflage erhalten. Gebrauchte Stücke sind bei den am meisten verwendeten Wertstufen 100 und 200 mon etwa gleich häufig zu finden, bei 48 und 500 mon hingegen seltener als ungebrauchte Stücke. Briefe sind ab ca. 2000 
auf Auktionen und im Fachhandel erhältlich, Mehrfachfrankaturen besonders der höheren Wertstufen sind ein Vielfaches teurer. Alle Marken sind extrem fälschungsgefährdet; auch Stempel wurden gefälscht und “Briefe”, auch mit echten Marken, fabriziert. Sämtliche Wertstufen existieren mit dem Aufdruck んほみ (Muster) und werten etwa die Hälfte des Katalogpreises für die billigste Sorte.

Die gedruckte Auflage der 48 mon Marke wird auf ca. 500 000 Stück (12 500 Bögen von 2 Platten) geschätzt. Die Marke entsprach dem Portosatz für Briefe zwischen Tokyo und Yokohama. Abbildung 1 zeigt das Geheimzeichen im Rahmen links unten, Abbildung 2 die Unterschiede zwischen Platte 1 und Platte 2.


           
       geh48mAbb.1            hanbetsu48 Abb.2


Die gedruckte Auflage der 100 mon Marke wird auf ca. 1 Million Stück (25 000 Bögen von 2 Platten) geschätzt. Die Marke entsprach dem Portosatz für einen Standardbrief auf einem beliebigen Abschnitt der Strecke Tokyo-Osaka oder deckte den Zuschlag für die Zustellung in abseits der Landstraße gelegene Gebiete bis zu 1 Meile Entfernung. Abbildung 3 zeigt das Geheimzeichen im Rahmen links in der Mitte, Abbildung 4 die Unterschiede (Richtung der Drachenklauen) zwischen Platte 1 und Platte 2.



geh100mAbb.3      hambetz100 Abb.4


Die gedruckte Auflage der 200 mon Marke wird auf ca. 800 000 Stück (20 000 Bögen von 2 Platten) geschätzt. Die Marke entsprach dem Portosatz für einen schweren Brief auf einem beliebigen Abschnitt der Strecke Tokyo-Osaka oder deckte den Zuschlag für die Zustellung in mehr als 1 Meile Entfernung abseits der Landstraße gelegene Gebiete. Abbildung 5 zeigt den Unterschied zwischen Platte 1 und Platte 2 im Eckornament links oben. Das Pünktchen im Eckornament links oben gilt auch als Geheimzeichen, das jedoch beim Gravieren von Platte 2 vergessen oder absichtlich fortgelassen wurde.

              
 hambetz200 Abb.5


Die gedruckte Auflage der 500 mon Marke wird auf ca. 600 000 Stück (15 000 Bögen von 2 Platten) geschätzt. Die Marke entsprach keinem bestimmtem Portosatz, aber größeres Gewicht, Eilboten-Zuschlag (600 mon) und Beförderung in weiter abgelegene Gebiete konnten leicht höhere Beträge ergeben, bei denen dieser Wert zum Einsatz kam. Abbildung 6 zeigt 
das Geheimzeichen im Rahmen rechts in der Mitte, Abbildung 7 den Unterschied zwischen Platte 1 und Platte 2.



geh500 Abb.6               hambets500   Abb.7



6  Die Drachenmarken in sen-Währung


Wie rasant sich Japan modernisierte, kann man an der 2.Ausgabe der Drachenmarken ablesen, die elf Monate später, am 18.2.1872 (jap. Zeitrechnung) erfolgte und mehrere Neuerungen aufwies. In dieser kurzen Zeitspanne wurden die Lehen aufgelöst und das Reich in Präfekturen eingeteilt, die umständliche inflationäre Währung wurde reformiert und auf ein einheitliches Dezimalsystem umgestellt (1000 rin = 100 sen = 1 yen, und 1 yen entsprach 2½ ryo, wodurch die Umrechung von 100 mon auf 1 sen kinderleicht war). Mit der Einführung der neuen Währung kamen sofort Drachenmarken in sen-Währung in den Verkehr, deren drei grundlegende Neuerungen Zähnung, Gummierung und neue Papiersorten waren.

Die Zähnung wurde per Hand angebracht mit Hilfe eines Metallkamms, der eine Reihe von Hohlnadeln aufwies und mit einem Hammerschlag die Bögen perforierte. Die Länge des Kamms reichte allenfalls über zwei bis drei Marken hinweg, so dass man im Bogen die Stellen, an denen der Kamm neu angesetzt wurde, mitunter gut erkennen kann. Zur Zähnung wurden mehrere fertig gedruckte Bögen übereinander auf ein Brett gespießt, aus dem vier Nadeln ragten, und dann alle gleichzeitig gezähnt. Weil die Marken indes mit nur geringem Abstand von einander gedruckt worden waren, traf die Zähnung in der Regel nur bei dem obersten Bogen relativ gut die Zwischenräume zwischen den Marken. Wenn die darunterliegenden Bögen auch nur minimal verschoben aufgespießt worden waren, ergaben sich teils horrende Verzähnungen, die alle in Kauf genommen und postalisch verwendet wurden. Gut zentrierte Stücke, bei denen die Zähnung das Markenbild nicht oder nur leicht berührt, sind sehr selten und entsprechend höher bewertet; handelsüblich sind leichte Verzähnungen an mindestens einer Seite. Durch das Aufspießen auf dem Nadelbrett entstanden bei der Zähnung Marken mit Nadelstich-Löchern (pin holes), die als herstellungsbedingt und nicht als schadhaft gelten; im Gegenteil, anhand der Position der Löcher lässt sich die Position der Marke im Bogen meist schnell bestimmen.



ryusen

Die vier Werte in sen-Währung: Brüchiges Papier bei 1/2 sen und 1 sen,
abgenutzte Platte bei 2 sen, Verzähnung bei 5 sen

anf1  anf2

Beispiele für starke Verzähnungen
bei 1/2 sen, rechte Marke vom Unterrand des Bogens -
trotz unterschiedlicher Farbtöne und Papiersorten sind beide Marken echt

Die Gummierung wurde bei den frühesten Drucken der Marken in sen-Währung noch nicht angebracht, sie erfolgte mit leichter zeitlicher Verzögerung, weshalb auch ungummierte Marken existieren. Der verwendete Gummi ist nahezu unsichtbar, es wurden
experimentell aber auch dickere Gummisorten verwendet, die Schellack enthalten und im Papier der Marken Falten bis hin zu Brüchen verursachen können. Dennoch ist es ratsam, den Gummi nicht abzuweichen, denn das Papier dieser Ausgabe ist wesentlich empfindlicher als das der Marken in mon-Währung. Der Generalpostmeister, mit dem Postbetrieb und der Entwertung durch Abstempelung noch wenig vertraut, befürchtete offenbar, dass die Marken abgeweicht und erneut verwendet werden könnten, und wies die Drucker an, Papiersorten zu verwenden, die ein leichtes Abwaschen vom Brief unmöglich machen sollten. Folglich wurden bei dieser Ausgabe etliche verschiedene, überwiegend hochempfindliche Papiersorten probeweise verwendet, aber auch Restbestände des alten, festen Papiers aufgebraucht; alle nicht vollkommen missglückten Experimente kamen zur postalischen Verwendung, weshalb diese Ausgabe auf den unterschiedlichsten Papiersorten zu finden ist, die von Spezialisten gesammelt werden. Die grob angebrachte Zähnung, das überwiegend sehr brüchige Papier und die noch längst nicht ausgereifte Gummierung führen dazu, dass nur wenige komplette Bögen, meist in schlechter Erhaltung, bis heute überlebt haben. Selbst größere, zusammenhängende Einheiten sind ungebraucht relativ selten. Sogar das Abweichen oder Falzentfernen bei einzelnen Marken kann dazu führen, dass die Marke in zahlreiche Einzelschnipsel oder gar, je nach Papiersorte, im Wasserbad zu Papierbrei zerfällt. Der Sammler sollte hier mit äußerster Vorsicht zu Werke gehen oder besser die Marke so lassen, wie sie ist. Marken und Bögen in der mon-Währung kann man waschen und zur Entfernung von Stockflecken sogar (mit Vorsicht) chemisch behandeln, ohne dass sie Schaden nehmen; bei Marken der sen-Währung ist es besser, sie von Wasser und Chemikalien fernzuhalten und lieber Stockflecken in Kauf zu nehmen.


  zerriss               dragbruch
Drachenmarken in sen-Währung auf dem hochempfindlichen Papier
Schon beim Heraustrennen aus dem Bogen
folgte das mürbe Papier 
nur ungern den Zähnungslöchern
Diese Marke mit dem schön lesbaren Stempel von Toyooka / Tajima hätte der Sammler
besser auf dem Umschlag gelassen - versuchte Restauration einer
im Wasserbad auseinandergefallenen 2 sen Drachenmarke


Die neue Ausgabe ersetzte die erste Ausgabe getreu, wobei unter Beibehaltung der jeweiligen Farben die Nominalen 48 mon in ½ sen, 100 mon in 1 sen, 200 mon in 2 sen, und 500 mon in 5 sen abgeändert wurden. Gedruckt wurden die neuen Marken zunächst auf den noch nicht vollständig zerschlissenen 2.Platten der ersten Ausgabe; nur die Platte mit der schwarzen Wertangabe musste neu graviert werden. Einzig bei der Marke zu 1 sen kam noch einmal kurz die Platte 1 der ersten Ausgabe zum Einsatz, wurde wegen Verschleiß aber bald entsorgt, weshalb Marken von dieser Platte (Kennzeichen siehe erste Ausgabe) selten sind und oft schon an den Kratzern und Streifen im Markenbild erkannt werden können. Bei den Nominalen ½ und 1 sen wurden im Laufe der Verwendung wegen Verschleißes neue Platten graviert; diejenige der ½ sen ersetzte die frühere Platte relativ zeitig, während bei der 1 sen Marke nach Verschleiß der alten Platte 1 erst die noch wenig gebrauchte alte Platte 2 zum Druck verwendet wurde, bevor eine neue Platte 3 graviert wurde. Diese Platte kam wiederum so spät zum Einsatz, dass nur eine geringe Anzahl Marken davon gedruckt und verwendet wurde, bevor diese im August des gleichen Jahres 1872 durch eine 1 sen Marke in neuer Zeichnung ersetzt wurden, weshalb auch Marken der Platte 3 sehr selten sind. Für die Werte 2 sen und 5 sen wurde keine neue Platte mehr graviert.


½ sen Platte 1 =   48 mon Platte 2 weniger häufig
½ sen Platte 2    neu graviert
1 sen Platte 1 = 100 mon Platte 1 selten
1 sen Platte 2 = 100 mon Platte 2
1 sen Platte 3 neu graviert  sehr selten
2 sen = 200 mon Platte 2
5 sen = 500 mon Platte 2


Auch bei dieser Ausgabe finden sich aus dem gleichen Grund wie oben alle Werte ungebraucht relativ häufig. Gebrauchte Stücke sind bei den am meisten verwendeten Wertstufen 1 und 2 sen etwas häufiger, 
½ und 5 sen seltener als ungebrauchte Stücke zu finden. Briefe sind ab mindestens 2500 
auf Auktionen und im Fachhandel erhältlich, Mehrfachfrankaturen besonders der höheren Wertstufen sind ein Vielfaches teurer. Alle Marken sind extrem fälschungsgefährdet; auch Stempel wurden gefälscht und “Briefe”, auch mit echten Marken, fabriziert. Sämtliche Wertstufen existieren mit dem Aufdruck んほみ (Muster) und werten etwa die Hälfte des Preises für die billigste Sorte.



ryusen mihon

½ sen mit Muster-Aufdruck



Die gedruckten Gesamtauflagen werden bei der 
½ sen auf 500 000 Stück, bei der 1 sen auf 600 000 Stück, bei der 2 sen auf 400 000 Stück, und bei der 5 sen auf 150 000 Stück geschätzt; bedenkt man zudem die kurze Laufzeit von nur fünf Monaten und die Zerstörungsanfälligkeit des Papiers, so sind die Drachenmarken in der sen-Währung erheblich seltener und entsprechend teurer als diejenigen in der mon-Währung, und aufgrund der Herstellungsprozesse sollte der Sammler keine zu hohen Ansprüche an die Qualität einzelner Stücke stellen bzw. für perfektere Stücke beträchtliche Preisaufschläge in Kauf nehmen.
Mischfrankaturen alter / neuer Währung sind nicht bekannt. Einerseits lagen bei der Umstellung auf die neue Währung in den Postämtern schon die gezähnten Drachenmarken in der sen-Währung bereit, und andererseits war es seinerzeit noch nicht üblich, dass Postkunden Marken auf Vorrat einkauften und zuhause ihre Briefe vorfrankierten. Überdies sandten die Leiter der Postämter unverbrauchte Stücke, wenn sie durch neue Marken ersetzt wurden, zurück, wonach der Generalpostmeister sie an den Markenhandel im Ausland weiterverkaufen ließ, wodurch auch unverbrauchte Marken noch Geld einbrachten.


7  Früher Postbetrieb

Die ersten Briefkästen waren hölzerne Gestelle, nur unzureichend vor Regenfällen geschützt. Das war nicht so erheblich, wurden sie doch von jedem vorüberkommenden Postboten geleert, denn es war selbstverständlich, dass dieser Post sowohl auslieferte als auch auf dem gleichen Weg einsammelte. Anfangs wurden zudem Briefkästen wenig genutzt, denn die Gebührenvorschriften waren kompliziert, und mit der Postbeförderung kannte sich kaum jemand aus. Wer eine Botschaft befördern lassen wollte, ging zum nächsten Postamt, wo sein Brief bearbeitet und frankiert wurde. Wie oben schon erwähnt, war es vorerst noch eine seltene Ausnahme, dass jemand Briefmarken kaufte und zuhause seine Post frankierte; dies taten vor allem die in Yokohama ansässigen Ausländer, die an die Frankatur von Briefen gewöhnt waren, als Japans Post auch Briefe ins Ausland zu versenden begann. Bis dahin verging aber noch eine geraume Zeit.  



postbote

Postbote, Briefkasten und Postamt der frühen Meiji-Zeit (Museumsstücke)


Aus der Zeit vor Einführung der Briefmarken war es außerdem üblich, dass nicht der Absender, sondern der Empfänger für seine Post zahlte, weshalb in den Briefkästen überwiegend unfrankierte Sendungen abgelegt wurden. Diese holte der Empfänger auf "seinem" Postamt ab und entrichtete die Nachgebühr, die ebenfalls durch Briefmarken dokumentiert wurde. Die Nachgebühr-Entwertung erfolgte mit dem Pinsel in schwarzer Tusche oder in Zinnoberrot, oft in der Form eines X. Es gab anfangs keine Strafgebühr, weil die Bezahlung durch den Empfänger als üblich angesehen wurde. 

Entwertet wurden die frühesten frankierten Poststücke mit den Stempeln der Vorphilatelie (vor Einführung von Briefmarken), sehr großen, kastenförmigen Stempeln, die meist den Ortsnamen und die drei Schriftzeichen für kensazumi (abgefertigt) aufwiesen und auf den winzigen Drachenmarken in der Regel nur bruchstückhaft erkennbar sind. Das Glück, eine einzelne gebrauchte Drachenmarke zu finden, auf der zufällig der Ortsname lesbar ist, rechtfertigt bedeutende Preisaufschläge. 


yokkaichi     yokkaichi k

Großer Kastenstempel der Stadt Yokkaichi (Inschrift "Yokkaichi kensazumi"),
daneben eine 500 mon Drachenmarke, auf der ein Teil des Ortsnamens lesbar ist 

 

Aber der Generalpostmeister arbeitete schon an der Einführung neuer, kleinerer Stempel, doch weil sich das Design und die Herstellung für alle sich rasant vermehrenden Poststellen verzögerten, gab ein Erlass den Postmeistern freie Hand, sich bei lokalen Handwerkern ihre Stempel selbst herstellen zu lassen, was im Endeffekt zu einer Fülle von Poststempeln aller denkbaren Formen, Arten und Größen führte, auch solche mit Datum und in Lateinschrift, mit fehlerhafter Inschrift und in fantasievollen Designs, die unter der Bezeichnung “uneinheitliche Stempel” zusammengefasst werden. War kein Stempel zur Hand, verwendete der Amtsvorsteher mitunter sein persönliches Siegel, um die Frankatur zu entwerten. Von einigen kleineren Postdienststellen auf dem Lande weiß man, dass sie in den Jahren 1871 bis 1873 pro Tag im Durchschnitt nur vier bis sieben Sendungen abfertigten, allerdings mit steigender Tendenz.


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  Eine kleine Auswahl aus Hunderten uneinheitlicher Stempel

         
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Uneinheitlicher Stempel "Onomichi ken(sazumi)" auf Drachenmarke



muraokuri Die Haupt-Poststrecke war die Tokaido-Landstraße von Tokyo via Yokohama, Shizuoka, Nagoya, Kyoto bis Osaka. Hier ritten die Postboten in beiden Richtungen mehrmals täglich von Station zu Station; die Post auf dieser Strecke war schnell und zuverlässig. Ab 1872 zockelte die Dampfeisenbahn zwischen Tokyo und Yokohama hin und her, es war die Spitzenstrecke modernster Technologie. Die Tokaido-Postverbindung wurde auch sehr bald in Richtung Westen, nach Kobe und Hiroshima, verlängert und die anderen Städte in rascher Folge angebunden, so dass das Postsystem noch während der Laufzeit der Drachenmarken in sen-Währung nahezu alle größeren Städte des Reichs erfasste. An einigen Knotenpunkten übernahmen private Kurierdienste gegen ein zusätzliches Entgelt die Beförderung in abgelegene Regionen und Dörfer; der bekannteste private Kurierdienst war bis zum 15.11.1875 auf der Insel Shikoku aktiv und gab eigene Privatpostmarken (muraokuri) heraus, die heute sehr gesucht sind. Ab diesem Zeitpunkt war das Netz der staatlichen Post komplett, und das Postmonopol trat in Kraft.


JAHR
ANZAHL  POSTDIENSTSTELLEN
(ab 1876: POSTÄMTER)
ANZAHL BEFÖRDERTE SENDUNGEN
Beginn des Postdienstes 1871 62 -
Ende 1871 180 565.000
Ende 1872 1160 2.500.000
Ende 1877 3893 5.800.000


mit "muraokuri"-Marke (bis 3 ri Entfernung) frankierter Brief


In der Frühzeit der frankierten Post waren Umschläge noch unüblich. Man faltete das beschriebene Blatt und klebte es dann einfach zu; zum Leidwesen heutiger Sammler wurde die Frankatur gerne als eine Art Siegel aufgeklebt und beim Öffnen des Briefes zerrissen. Es gab keinerlei Vorschrift, wo die Marke anzubringen sei. Auch sorgsam restauriert sind solche Belege leider immer nur minderwertig. Zum Glück kamen jedoch pfiffige Papierwarenhändler schnell auf die Idee, Kuverts herzustellen, die am obersten Rand zuzukleben waren, oft auch farbig verziert und sogar mit Hintergrundbildern versehen, bei denen die Frankatur auch beim Öffnen verschont blieb. Die rasante Zunahme und Akzeptanz des günstigen Postsystems lässt sich daran ablesen, dass für den gebräuchlichsten Wert der Drachenmarken, 100 mon / 1 sen, nur insgesamt 3 Druckplatten graviert werden mussten; für die ab dem Spätsommer 1872 verausgabte Nachfolgemarke zu 1 sen waren schon 26 Platten notwendig.



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Brief mit Umschlag, Marke in mon-Währung, großer
Kastenstempel Shizuoka. Die Frankatur befindet
sich auf der Absender-Seite. 30.6.1871
Brief mit Frankatur in sen-Währung, kleiner Ortsstempel Kamura.
Die Frankatur ist auf der adressierten Seite angebracht.
Undatiertes Amtsschreiben aus dem Jahr 1872

                 

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