Geschichte der Post in Japan
Teil 10
(ab 1946):  Neubeginn und Ausblick

zu Teil 1:    Drachenmarken
zu Teil 2:    Kirschblütenmarken auf Japanpapier
zu Teil 3:    Kirschblütenmarken auf Importpapier
zu Teil 4:    Koban- und Kikumon-Serie
zu Teil 5:    Späte Meiji-Zeit
zu Teil 6:    Taisho-Zeit
zu Teil 7:    Frühe Showa-Zeit
zu Teil 8:    Beginn des Pazifischen Krieges
zu Teil 9:    Weg in den Untergang
weiter zu:   Inhaltsverzeichnis und Zeittafel
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65  Aus für patriotische Briefmarken

Bis die japanische Post wiederauferstanden war aus Ruinen, verging noch eine geraume Weile. Vorerst musste Japan dort weitermachen, wo es bei Kriegsende aufgehört hatte. Der immer rasanter werdende Verfall der Währung erzwang schon bald die Ausgabe neuer Briefmarken, die auch jetzt noch ungezähnt und ungummiert zum Verkauf gelangten. Die in alle Lebensbereiche hineinwirkende Zensur der US-Besatzer untersagte für neue Briefmarken Motive, die Bezug haben zu Krieg, Shinto und Patriotismus. Auch das Schriftzeichen für "Groß"japanisches Reich musste verschwinden. Schon gedruckte Marken konnten aber noch ausgeliefert werden, auch solche mit Shinto-Motiven und großjapanischer Inschrift, denn der Betrieb sollte ja weitergehen. Den Amerikanern war daran gelegen, die Bevölkerung mit Lebensmitteln zu versorgen und die Infrastruktur wiederherzustellen, zu der auch der Postbetrieb zählte.


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Entwürfe für Nachkriegsmarken: Arbeit und (buddhistische) Nationalschätze


Auf den Entwürfen für neue Marken der Nachkriegszeit lautet die Inschrift noch "Post des Kaiserreichs Japan", also genau wie bisher, nur ohne das "Groß", aber bei den tatsächlich ausgegebenen Marken ging die Post noch einen Schritt weiter und ließ nur noch "Japanische Post" übrig. Diese vier Schriftzeichen in der altertümlichen Siegelschrift, die etwa unsrer Frakturschrift entspricht, zieren in einem kuriosen Kontrast auch die heutigen Mickysnoopykittyteddy-Briefmarken der inzwischen privatisierten japanischen Post.
Übrigens sollte an dieser Stelle bemerkt werden, dass die japanische Währung "En" heißt und auf den Briefmarken der Nachkriegsserien auch so geschrieben wird; "Yen" ist eine historisierende Schreibweise, die vermutlich denselben halbgebildeten Missionaren zu verdanken ist, die auch den Fujisan zu Fudschijama, den Seppuku zu Harakiri und Pyeongyang zu Pjöngjang verwursteten.



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Rückkehr zu zivilen Motiven:  Die ersten Nachkriegsdauermarken


Es ist, als liefe ein Film rückwärts; die Nachkriegspost beginnt mit ungezähnten, ungummierten Marken; dann kam die Gummierung hinzu, und endlich die Zähnung. Bei manchen Werten war die Reihenfolge auch umgekehrt. Wer aus den besetzten Gebieten oder aus der Gefangenschaft heimkehrte ins Reich, der dürfte angesichts der Nennwerte einen gelinden Schock erlitten haben. Vor Kriegsende betrug das Briefporto 10 sen; dafür konnte man sich nun keinen Lutscher mehr kaufen. Am 25.Juli 1946, ein knappes Jahr nach der Kapitulation, war das Porto für Postkarten auf 15 sen, für Briefe auf 30 sen verdreifacht worden, und ab 1.April 1947 musste man für die Beförderung von Postkarten 50 sen, für Briefe 1,20 yen berappen. Kein Wunder, dass nun Marken in deutlich höheren Nominalen zum Verkauf kamen, mit harmlosen, zivilen Motiven ohne erkennbaren Zusammenhang. An die Stelle der alten Haudegen gelangte das Konterfei von Herrn Maejima, dem Gründervater der modernen Post in Japan, auf die niedrigste Wertstufe, und die Tradition, auf dem ersten Nennwert laufender Dauerserien Herrn Maejima abzubilden, endete erst im April 2021. Offenbar gibt es nur ein einziges Foto von ihm, denn es wird immer das gleiche Porträt verwendet.


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Wie ein rückwärts laufender Film:  Auch diese Marken wurden mancherorts wieder privat gezähnt....


Die Marke zu 1 yen mit dem Ausschnitt eines Holzdrucks von Katsushika Hokusai (1760-1848), der den Mt.Fuji bei Gewitter abbildete, wurde zuerst in tiefem Blau gedruckt. Damit die Stempel besser lesbar seien, wurde der Ton auf hellblau umgestellt, aber die Mischung der Druckfarbe verlief etwas chaotisch, so dass alle denkbaren Blautöne zwischen tiefem Indigo und milchigem Himmelblau gleichermaßen häufig zu finden sind. Neue Motive sind ferner die Pagode des buddhistischen Tempels Horyuji in Nara, Wildgänse (ebenfalls ein Holzschnitt von Hokusai), die Kintai-Brücke in Iwakuni, der Kiyomizu-Tempel in Kyoto, Goldfische und eine Noh-Maske. Für die Nominale von 100 yen wurde das Design der Marke zu 10 yen übernommen.
Weiterhin am Postschalter erhältlich waren die Vorkriegsmarken zu 10 und 20 sen (Motiv Mt.Fuji), 50 sen (Bergleute) und 10 yen (Pflaumenblüte), obwohl sie noch die Inschrift "Großjapanisches Kaiserreich" trugen und diejenige zu 10 yen dasselbe Motiv wie die Marke zu 100 yen aufwies. Sobald aber Marken in neuem Design erschienen, verschwanden die alten Marken. Beinahe eine Rarität ist die noch im März 1946 erschienene Marke zu 1 yen mit der Abbildung des Schreintors am Yasukuni-Schrein. Sie wurde schnellstmöglich, nämlich nach nur 5 Monaten, durch die obige blaue 1 yen ersetzt und nur wenig gebraucht. Trotzdem kamen in Japan auch zu dieser Zeit noch Frankaturen mit den jetzt ungern gesehenen "großjapanischen" Marken vor, oft auch gemischt mit den neuen "zivilen" Ausgaben. Angesichts der Inflation wollte jeder noch seine herumliegenden alten Marken aufbrauchen, man hatte in der Nachkriegsnotzeit nichts zu verschenken.


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Postkarte vom 14.7.1947 von Tagawa (Präfektur Fukuoka) nach Gifu, frankiert zum neuen Portosatz 50 sen
u.a. mit einer alten Marke, die das längst untergegangene Marionettenreich Manshukoku feiert


Der 31.August 1947 wurde von der US-Militäradministration zum letzten Gültigkeitstag aller Vorkriegsmarken mit Motiven, die direkt oder indirekt mit dem Krieg zu tun haben, erklärt. Ab dem 1.September 1947 durften keine Marken mit martialischen, patriotischen, shintoistischen Motiven oder Ansichten aus vormals besetzten Gebieten mehr verwendet werden. Einige Sammler fabrizierten "Letzttagssouvenirs" mit Stempeln des 31.8.1947 auf fast allen Dauermarken, die am Folgetag ungültig wurden.


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Verkauft wurden sie längst nicht mehr, nun wurden sie auch ungültig:  Marken mit patriotischen, militärischen oder shintoistischen Motiven


Abgesehen vom Aussortieren dieser Propagandamarken sind im Prinzip alle japanischen Briefmarken ab der U-Kobanserie von 1883 unbegrenzt frankaturgültig. Wer für einen Differenzbetrag von 10 yen zufällig nur eine ungebrauchte Marke im Jingu Kogo Design zur Hand hat, kann sie problemlos auf seinen Brief pappen, sofern es ihm nichts ausmacht, dass diese Marke ungebraucht für ca. 2500 
gehandelt wird, gebraucht aber nur einige cents wert ist. Allerdings gibt es in Japan eine Postvorschrift, dass die Gefälligkeits-Abstempelung loser Marken und Blocks nur dann gestattet ist, wenn pro Stempelabdruck der Gegenwert des jeweils gültigen Portosatzes für eine Postkarte Inland entwertet wird. Alles, was darunter liegt, kann zwar frankiert, aber nicht lose am Schalter entwertet werden. Einige jüngere Schalterbeamte kennen diese Regelung nicht, werden aber in der Regel den Vorgesetzten fragen, ob der Wunsch des Kunden statthaft ist, und in Japan wird niemand zum Leiter einer Postfiliale befördert, der nicht sämtliche Vorschriften auswendig herunterrasseln kann.

Die letzte ungezähnt ausgegebene Dauermarke wies eine Neuerung auf, die in die Zukunft wies, denn der Landesname und die japanische Nominale erschienen jetzt von links nach rechts geschrieben. Sie ersetzte die bild- und nominalgleiche Marke, die vor Kriegsende erschienen war, trug aber wie die anderen Nachkriegsausgaben den bescheidenen Landesnamen "Japanische Post". 


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Pflaumenblütenmotiv mit neuer linksläufiger Landesbezeichnung


Untenstehend die übliche Übersicht über die erste neu ausgegebene Nachkriegs-Dauerserie, in der die weiter postläufigen Marken zu 10, 20 und 50 sen nicht erneut enthalten sind.

 Ungezähnte Dauermarken 1946/47
Nominale Markenbild Gummierung Ausgabedatum
15 sen Maejima Hisoka ohne 20.November 1946
30 sen Pagode ohne 10.August 1946
30 sen Pagode mit März 1947
1 yen Mt. Fuji ohne 1.August 1946
1.30 yen Wildgänse ohne 15.September 1946
1.50 yen Kintai-Brücke ohne 20.November 1946
2 yen Kiyomizu-Tempel ohne 1.Dezember 1946
5 yen Goldfisch ohne 15.November 1946
5 yen Goldfisch mit Februar 1947
10 yen Pflaumenblüten ohne 7.März 1947
50 yen Maske ohne 1.November 1946
100 yen Pflaumenblüten ohne 15.November 1946


Es ist vielleicht interessant zu wissen, dass drei der Designer dieser neuen, zivilen Marken auch schon an der Gestaltung der letzten, martialischen Serie beteiligt waren, aber man soll ja nicht mit dem Finger auf Menschen zeigen, die sich nach dem Krieg ein demokratisches Mäntelchen überhängten; das Phänomen ist international und auch aus Deutschland wohlbekannt. 

66   Die schwierige Rückkehr zur Normalität

Im Laufe des Jahres 1946 schaffte es die Post, wieder anzufangen mit Perforieren und Gummieren. Noch war man nicht so weit, eine neue, einheitliche Nachkriegs-Dauerserie aufzulegen, sondern behalf sich mit Flickwerk. Einige der bisher ungezähnt ausgegebenen Marken wurden in späteren Auflagen gezähnt, andere blieben ungezähnt, wurden aber gummiert, und während dieses gewaltigen Durcheinanders ging die Geldentwertung weiter und neue Wertstufen wurden benötigt. Man kann wohl sagen, dass die Post von den Umständen getrieben war und Mühe hatte, nachzukommen und den Betrieb aufrecht zu erhalten.
Eine Sache lag dem Kommunikationsministerium aber ganz offenkundig am Herzen. 1946 war das Jubiläumsjahr des 75jährigen Bestehens der japanischen Post, und dazu sollte eine Serie Sondermarken ausgegeben werden, die sich nicht zu schämen brauchte. Dass sie zwar verspätet, aber noch innerhalb des Jubiläumsjahres, nämlich am 12. Dezember 1946 fertig wurde, ist ein kleines Wunder, zeigt aber, dass die patriotische Energie des absoluten Siegeswillens sich nun auf produktivere Ziele richtete als auf die Kolonialisierung unwilliger Völker Asiens.


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Maejima-Denkmal, Postglocke (s.Kap.1), Drachenmarke und Postflagge vor Schwalben und Funkwellen


Vermutlich waren die Verantwortlichen stolz auf ihre Leistung, einen präsentablen Satz aus vier unterschiedlichen Werten, halbwegs sauber gezähnt und gummiert, im teuren Stichtiefdruck vorgelegt zu haben, während die normalen Postkunden noch mit Schere und Kleister hantierten, um ihre Post zu frankieren. Der oben abgebildete schwarze Stempel vom 14. April 1951 wurde in Niigata zur Einweihung des Maejima-Gedenkparks aufgelegt, was gut zu der Briefmarke passt.
Zu
dieser Sonderausgabe wurde sogar ein Gedenkblock aufgelegt, ohne Gummierung und Perforierung zwar, aber auf Büttenpapier.


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Spezialisten unterscheiden eine teure, sehr kleine Erstauflage und eine billige, größere Nachauflage


Die Auflagen dieser Serie sind für alle Marken je 500 000 Stück und für den Block 51 000 Stück, wovon ca. 2%, nämlich 1000 Blocks, auf die Erstauflage, und der Rest auf die Nachauflage entfallen.
Portogerechte Einzelfrankaturen findet man von dieser Serie nur selten; dafür waren die Portosätze zu kurz in Kraft. Aber zusammen mit den Vorkriegsdauermarken, die noch gültig waren, sind sie als Teilfrankatur oft anzutreffen wie auf dem unten gezeigten Brief mit eingedruckter Marke, die das Parlament abbildet, als Teil des korrekten Briefportos von 1,20 yen.


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Brief von Kobe nach Tomioka / Präfektur Gunma, 25.11.1947


Nun wurde es jedoch höchste Zeit, auch die Dauermarken auf ein erträgliches Niveau zu liften, Ministerium und Druckerei hatten viel zu tun. Der Fortschritt lässt sich am besten an der Marke zu 30 sen ablesen, von der innerhalb von sieben Monaten 6 verschiedene Ausfertigungen in den Verkehr gelangten.


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Obere Reihe von links nach rechts: Geschnitten ungummiert, geschnitten gummiert, farbig durchstochen gummiert
Untere Reihe v.l.n.r.: Gezähnt ungummiert, gezähnt gummiert, desgl. mit linksläufiger Beschriftung


Man sollte noch erwähnen, dass es bei dieser Ausgabe zusätzlich noch Varianten beim Wasserzeichen und in der Art der Zähnung gibt, aber das ist wieder eine Spielwiese für Spezialsammler.
Den Markenbogen per Durchstich zu perforieren anstatt ihn zu zähnen ist ein einmaliger Versuch in der japanischen Posthistorie; der Durchstich ist so effektiv, dass der Bogen, sofern man ihn nicht behandelt wie ein rohes Ei, wie Laub im Herbst in lose einherflatternde Einzelmarken auseinanderfällt.
Es blieb wahrhaftig noch viel zu tun.
Vom Innenministerium kam eine Anweisung, die vorherigen patriotischen Auswüchse in allen Bereichen möglichst bald rückgängig zu machen. Zur Jahreszählung diente wieder der westliche Kalender, die Lateinstempel sollten zügig von NIPPON auf JAPAN umgestellt und die waagerechte Schreibung künftig einheitlich linksläufig erfolgen, was der Schreibschrift per Federhalter dienlich war. Die erste Marke, deren Landesname von links nach rechts geschrieben erschien, war die 10 yen aus der geschnittenen und ungummierten Serie.
Alles auf einmal umzusetzen war ein bisschen viel für die Briefmarkendrucker, sie kamen einfach nicht mit. Gerade erst waren die Portosätze erhöht worden, jetzt brauchte man dringend Marken zu 35 und 45 sen, um die Differenzbeträge zwischen dem alten und dem neuen Porto (35 sen für Postkarten zu 15 sen, 45 sen für die noch vorrätigen älteren Postkarten zu 5 sen) zu decken, und eine andere Marke zu 10 yen, damit sie nicht mit der farb- und bildgleichen Marke zu 100 yen verwechselt würde. Für die Marken der Differenzbeträge war kein elaboriertes Design nötig, sie mussten schnell her, Ziffer genügt, fertig. Für die anderen Wertstufen griff man auf bisherige Designs zurück, die teilweise leicht modifiziert wurden, und nur die Werte zu 5 yen und 10 yen erhielten ganz neue Markenbilder. Warum der Goldfisch nicht am Leben blieb, ist unklar, aber vermutlich fragten sich die Leute, was er wohl mit der japanischen Kultur zu tun haben könnte. Da lag die Tradition des Walfangs doch näher. Marken mit einem Nennwert von weniger als einem Yen würde man bald nicht mehr benötigen, denn die nächste Portoerhöhung war schon in Planung; so lange mochten Pagode (30 sen) und Kumpels (50 sen) noch dafür herhalten; sie kamen jetzt gezähnt und gummiert an die Postschalter, genau wie die beiden Höchstwerte zu 50 yen und 100 yen.



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Alle gezähnt und gummiert, aber mal rechtsläufige, mal linksläufige Landesnamen


Jetzt, im März 1948, lag eine ganz passable Briefmarkenserie vor, gezähnt und gummiert, die aber zwei Fremdkörper enthielt. Auf der Marke zu 50 sen prangte noch immer der rechtsläufige Schriftzug "Post des Kaiserreichs Großjapan", und auf der Marke zu 100 yen war die Schrift ebenfalls immer noch rechtsläufig.
Hierzu muss gesagt werden, dass die normale Schreibweise der japanischen (und chinesischen) Schrift von oben nach unten ist, und die Zeilen von rechts nach links gereiht werden. Wenn man schon waagerecht schreiben wollte, was eher ungewöhnlich war, dann sagte der Instinkt, dass die Zeichen von rechts nach links laufen sollten wie die Zeilen. Ein Pinsel wird anders gehalten als ein Kugelschreiber oder Bleistift; auch ein Rechtshänder kann von rechts nach links schreiben, ohne die Tusche zu verschmieren. Aber da Schriftzeichen keine Buchstaben sind, ist es im Prinzip egal, ob man von rechts nach links oder umgekehrt schreibt. In der 1949 ausgerufenen Volksrepublik China wurde die linksläufige Schreibweise ebenfalls bei Staatsgründung sofort durchgesetzt, in Taiwan hingegen erst ab 1.Januar 1998.
Seltsamer war das Revival des Großjapanischen Kaiserreichs auf der Marke zu 50 sen, die erst am 16. März 1948 als allerletzte dieser Serie in gezähnter Version das Licht der Welt erblickte. Warum hatte man sie nicht längst ersetzt ?
Dies war in der Tat vorgesehen, und Marken in neuem Design waren entworfen und gedruckt. Abgebildet waren Bonito-Fischer, und die dunkelgrüne Marke hätte nur ausgeliefert und verkauft werden müssen. Es ist eines der Rätsel der japanischen Postgeschichte, warum die fertigen Marken zurückgezogen und vernichtet wurden, und stattdessen die patriotischen Bergleute wieder aus ihrer Grube gestiegen kamen.


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Niemals ausgegeben, die fertige Auflage vernichtet:  Bonito-Fischer 50 sen


Natürlich gibt es Vermutungen. Die eine lautet, dass der Direktor, der den Auftrag zum Druck dieser Marke an eine private Firma in Osaka vergeben hatte, zum Minister zitiert und zusammengestaucht worden sei, warum er die Marke nicht bei der Reichsdruckerei habe herstellen lassen. Der Herr Minister hatte vermutlich keine Ahnung, dass in der Druckerei die notdürftig reparierten oder neu zusammengeschraubten Maschinen heiß liefen, weil das Briefporto schon wieder steigen sollte, und zwar auf 5 yen ab 10.Juli 1948. Außerdem begann die Post, ziemlich wild Gedenkmarken zu produzieren, um von den Sammlern ein Scherflein zum Wiederaufbau des Betriebs zu kassieren.
Eine andere in Japan kursierende Theorie klingt noch gehässiger, ist aber so kurz nach dem Krieg durchaus nicht abzutun. Der Inhaber der Druckerei in Osaka, so stellte sich nämlich heraus, war kein Japaner, sondern Koreaner, was den Wutausbruch des Ministers erklären würde und für die Entscheidung, die Marke nicht auszugeben, entscheidend gewesen sein könnte. Dass in vielen Ämtern noch die alte Denke vorherrschte, ist aus der Adenauerzeit auch für Deutschland bekannt. 
Wie dem auch sei, die Zeit, in der Marken zu 50 sen noch benötigt wurden, ging ohnedies ihrem Ende zu.


Gezähnte Dauermarken 1946/48
Nominale Markenbild Gummierung Ausgabedatum
30 sen Pagode ohne Oktober 1946
30 sen Pagode mit März 1947
30 sen Pagode, durchstochen mit 26.September 1946
30 sen Pagode, Landesname von links mit 12.Februar 1947
35 sen Ziffer mit 15.April 1947
45 sen Ziffer mit 1.Mai 1947
50 sen Bergleute mit 16.März 1948
1 yen Maejima Hisoka mit 10.August 1947
1.20 yen Pagode mit 15.Mai 1947
4 yen Wildgänse mit 1.September 1947
5 yen Walfang mit 10.Juni 1947
10 yen Vögel und Passionsblumen mit 15.Mai 1947
50 yen Maske mit Juli 1947
100 yen Pflaumenblüten mit Juli 1947


67   Neue Verfassung und altes Denken


Die erste Gedenkmarken-Serie des Jahres 1947 kam am 3.Mai zum Verkauf. Da kostete eine Postkarte 50 sen und ein Brief 1,20 yen. Man frage mich nicht, wozu die Nominale von 1 yen taugte; die Postleute wussten es vermutlich selbst nicht. Vielleicht war man ja sogar im Ministerium davon überrascht worden, dass ein Auslandsbrief nicht mehr, wie noch bei der letzten Sonderserie, 1 yen, sondern mittlerweile 4 yen kostete.
Büttenpapier war für das Thema der Ausgabe, die neue japanische Verfassung, zu schade, denn dieses ungeliebte Ding, in weiten Teilen von den Amerikanern diktiert, nahm den Nationalisten ihr liebstes Spielzeug weg, nämlich die gehorsam in den Tod stürmende Kamikaze-Armee. So erschienen die Marken auf ebenso holzigem, graustichigem Papier wie der dazu verausgabte Gedenkblock. Der wurde trotz des schäbigen Papiers zum verdoppelten Preis, nämlich zu 3 yen verkauft, die Post wollte daran kräftig mitverdienen. Auf Geheiß von oben, die Verfassung tunlichst in allen Köpfen zu verankern, wurde die Ausgabe samt Block in wahren Mengen gedruckt, damit sich jeder mit der ungewohnten Demokratie anfreunden konnte.


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Auch der Specimen-Aufdruck erfolgte jetzt linksläufig


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Ungezähnt und ungummiert auf graugilbigem Holzfaserpapier -
Verfassungsblock mit Ersttagssonderstempel Fukuchiyama 3.5.1947


Dass die junge Mutter trotz des aufkommenden Kalten Kriegs und des Koreakriegs im Nachbarland einer friedlichen, prosperierenden Zukunft für das Kind auf ihrem Arm entgegensehen durfte, verdankte sie tatsächlich der Friedensverfassung, die auf dem Wert zu 1 yen mit einem Blumenstrauß begrüßt wurde. Dies war ebenso ein tatemae (so nennen Japaner die "nach außen gezeigte Fassade") wie der eigens auch auf Englisch wiedergegebene Wortlaut des Geistes der neuen Verfassung. Vor allem die Männer knirschten mit den Zähnen, um ihr honne, den im "wahren Inneren" brodelnden Unmut über die von den Siegern aufgezwungene, schlappe Friedensverfassung zu verbergen. Vielleicht war ja auch das hartnäckige Überleben der großjapanischen Bergleute auf der Dauermarke zu 50 sen ein klammheimlicher Akt der Résistance alter Betonköpfe im Kommunikationsministerium gewesen.
Philatelisten sind gleichmütiger. Um ihre Sammlung komplett zu halten, kaufen sie alles, was die Post produziert, und haben kein Problem damit, im gleichen Album auf der einen Seite "Nieder mit dem Reich der Feinde" und drei Seiten später die "Inkraftsetzung der Friedensverfassung" zu präsentieren, mit Ersttagsstempel und Foto des Parlamentsgebäudes. Sie sind Historiker, die kommentarlos die Zeitläufte dokumentieren.


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Ersttagsbrief mit Sonderstempel Takamatsu 3.5.1947 nach Kanazawa (Präfektur Ishikawa)


Wegen der rasch ansteigenden Portosätze suchten normale Postkunden, möglichst schnell alte Briefmarkenvorräte loszuwerden und frankierten alles, was nicht ungültig geworden war, solange es noch zu mehr taugte als zum Tapezieren der Papiertüren. Dass auf den Postämtern auch teilweise noch Chaos herrschte, zeigen die Tagesstempel, die eigentlich auf den Müll gehörten, aber noch immer nicht ersetzt waren, während die Post schon wieder Sonderbriefmarken und -stempel fabrizieren ließ. So kam es durchaus nicht selten vor, dass sich auf einem Brief, der von einer Stempelruine bearbeitet worden war, die neue Verfassung und die für das großjapanische Reich Kohle schürfenden Kumpels zu friedlicher Koexistenz vereinen.


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Eilbrief von Kochi 6.5.1947 nach Gifu, Gebühr beträgt 5,20 yen - 10 sen unterfrankiert, aber nicht beanstandet


Die Auflagen der Verfassungs-Serie sind 10,8 Mio. (50 sen) bzw. 10,4 Mio. (1 yen) Stück, und vom Block wurden immerhin 600 000 Stück gedruckt.

Die Post gab nun, um Geld in die leeren Kassen zu schaufeln, im Rekordtempo neue Gedenkmarken und Blocks heraus, die nicht mehr alle aufgeführt werden sollen. Nur einige Beispiele sollen zeigen, wie etwa aus der laufenden Dauerserie ohne Kosten für neues Design ratzfatz neue Postprodukte gemacht wurden, die den Sammlern das Geld aus den Taschen zogen. Alle Beispiele sind alleine aus den Jahren 1947 und 1948.

15.Mai 1947:  Briefmarkenausstellung in Tokyo, Auflage 300 000 Blocks.

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Warum dieser Block von Sammlern in Japan "der Aal" genannt wird, braucht wohl nicht erläutert zu werden


19. August 1947:  Briefmarkenausstellung in Kyoto, Auflage 150 000 Blocks, und
1. November 1947:  Woche der Philatelie, Auflage 2,88 Mio. Blocks.

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Der Specimen-Aufdruck liest sich noch von rechts nach links,
ebenso wie der Landesname
Die Auflage war so riesig, dass dieser Block sehr lange vorrätig blieb


27. November 1947:  Briefmarkenausstellung in Sapporo, Auflage 100 000 Blocks.

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Auch die großjapanischen Kumpels dürfen in diesem Reigen nicht fehlen


8. März 1948:  Kommunikationsausstellung in Osaka, Auflage 250 000 Blocks;  11.März 1948, dasselbe in Nagoya,
Auflage 170 000 Blocks.

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Jetzt hatte die Post schon den Trick heraus, mit einer geänderten Inschrift (Ortsname, unten Mitte) einen Block zweimal zu verkaufen....


3. April 1948:  Briefmarkenausstellung in Mishima, Auflage 80 000 Blocks, und
18. April 1948:  100.Todestag von Hokusai, Auflage 150 000 Blocks.

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...und auch den Trick, ihn mit einem Aufdruck ein drittes Mal zu Geld zu machen -
auch ein Ladenhüter lässt sich auf diese Weise noch einmal aufpeppen und neu verkaufen


Außer diesen Beispielen kamen noch viele weitere Sondermarken an die Postschalter. 1947 waren es insgesamt 10 Ausgaben (10 verschiedene Briefmarken und 6 Blocks), und 1948 gab es doppelt so viele, nämlich 20 Ausgaben (13 verschiedene Briefmarken und 12 Blocks).


68   Briefmarken ohne Chrysanthemum
 
Gleich nach Kriegsende rollten auch im Kommunikationsministerium einige Köpfe. Nicht so viele, dass es schmerzte, aber wer bleiben wollte, musste an der Demokratisierung des Postwesens mitwirken. Die ersten Auswirkungen waren schon vor dem Inkrafttreten des neuen Postgesetzes sichtbar geworden; der Landesname war geändert worden, die martialisch-patriotischen Marken waren vom Verkauf zurückgezogen worden, neue, zivile Designs kamen hinzu. Aber jetzt kam es noch happiger: Es wurde beschlossen, auch das Chrysanthemum, das kaiserliche Wappen, von den Briefmarken zu entfernen, es sei denn, die Ausgabe habe etwas mit der Tenno-Familie zu tun. Schließlich war Japan mit amerikanischer Geburtshilfe als parlamentarische Demokratie wiedergeboren worden, und obgleich es noch eine Generation dauerte, bis die Demokratie von den Lippen in die Köpfe vorzudringen begann, wurde zumindest am demokratischen Lack poliert, damit er nach außen hin funkelte.
Das neue Postgesetz trat am 1.Januar 1948 in Kraft; auf die Postkunden hatte es erst am 10.Juli Auswirkungen, die aber nicht sehr erfreulich waren: Die Portosätze wurden mehr als vervierfacht. Eine Postkarte zu versenden kostete nun 2 yen, und seine Briefe musste man mit 5 yen frankieren. Immerhin hatten nun die alten Kumpels, die unter Tage noch immer für den Endsieg bohrten, endlich ausgedient und konnten in Pension gehen. 
Vier neue Dauermarken präsentierten sich zum Entsetzen der Gestrigen nun republikanisch, nämlich ganz ohne Chrysanthemum, zum ersten Mal seit 1872.


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Die beiden Marken mit den Ziffern sollten die Differenz zwischen den alten und den neuen Portosätzen ausgleichen, 1,50 yen für Postkarten (von 50 sen auf 2 yen), und 3,80 für Briefe (von 1,20 yen auf 5 yen). Sie erschienen beide verspätet am 10.September 1948, als die Portoerhöhung bereits zwei Monate lang in Kraft war. Die Marke zu 2 yen war allerdings rechtzeitig da, seit dem 10.Januar 1948, und war daher die erste japanische Marke ohne Chrysanthemum seit den Drachenmarken vom allerfrühesten Beginn der neuzeitlichen japanischen Post. Die Marke zu 10 yen ersetzte die im gleichen Design, aber Querformat erschienene vorige 10 yen 
vielleicht hatte der damalige Minister etwas gegen Querformate.
Bei solchen Preissprüngen mussten die Bürger, die noch ältere Briefmarken in der Schatulle hatten, zwangsläufig in Panik geraten. Jetzt findet man auf Inlandspost sehr häufig Belege mit Frankaturen, die auch dem Unkundigen verraten, dass die Leute beim Frankieren vor allem dachten: "Weg mit dem Zeug, je schneller desto besser". Jetzt gab es Multikulti auf den Briefen: Gummierte und ungummierte, gezähnte und geschnittene, rechtsläufig und linksläufig beschriftete Marken, mit und ohne Chysanthemum, mit und ohne Großjapanisches Kaiserreich; der Absender hat das Wesen der Demokratie vorbildlich erfasst.


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Alle möglichen Sorten von Briefmarken in demokratischer Eintracht:
6 yen Frankatur für eine Drucksache nach einer weiteren Portoerhöhung.
Drucksache von Nada 17.7.1950 nach Shimosuwa in Nagano


Da alle nicht eigens für ungültig erklärten Marken, auch aus der Vorkriegszeit, noch gültig sind, erlauben sich einige Sammler auch heute noch ein Späßle, indem sie Marken in der sen-Währung als Teilfrankatur unterbringen, natürlich portogerecht, mit "Großjapan", "Kaiserreich" und Chrysanthemum, und die Post erkennt sie an und stempelt sie ernsthaft ab. Es ist so ähnlich, als würde man in Deutschland Marken aus dem Deutschen Reich, sofern sie nicht gerade den Gröfaz abbilden, heute noch verwenden dürfen. Der unten abgebildete Beleg ist mit genau 50 yen frankiert, dem im Jahre 2008 gültigen Portosatz für Postkarte Inland, aber die ältesten verwendeten Marken stammen aus dem Jahre 1936....


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Antwortpostkarte zu 5 yen eingedruckter Nominale von Kiryu 15.11.2008 nach Yokohama, portogerecht frankiert;
die Marke zu 2 sen (Schiffsbau) ist allerdings seit dem 1.9.1947 für ungültig erklärt worden,
was dem Postbeamten im Jahre 2008 nicht bekannt gewesen sein dürfte



Die ersten Sondermarken ohne Chrysanthemum erschienen am 15.August 1947 anlässlich der Wiederzulassung des privaten Außenhandels. Dies bedeutete auch die Wiederaufnahme des nahezu uneingeschränkten Postverkehrs zum Ausland.
Verkauft wurden zwei sehr ähnliche Marken mit der Nominale für Inland, die zum Datum der Ausgabe noch bei 1,20 yen lag, und dem Portosatz für Briefe ins Ausland zu 4 yen. Briefe ins Ausland sind zu dieser Zeit noch selten, abgesehen von Post der Besatzungsarmee ins Mutterland USA, die aber über die US-Feldpost lief und keine japanische Frankatur trug.


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Die fast bildgleichen Marken zeigen Handelsgüter Japans um 1947 - noch ohne Sony und Toyota


Die Marken haben eine Auflage von je 5 Mio. Stück.
Bei den ersten Auslandsbriefen waren selbstverständlich die Briefmarkensammler Pioniere. Sie waren die einzigen, die sofort brieflich Verbindung ins Ausland suchten wie Miss Masae Takahashi, die einen Briefmarkenhändler in Omaha / Nebraska anschrieb und mit der obigen Sondermarke portogerecht frankierte. Die Luftpost war noch nicht wieder eröffnet, weshalb der Brief in seinem Umschlag aus dünnem, holzigem Nachkriegspapier über den pazifischen Ozean schaukeln musste, um den Empfänger zu erreichen.


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Brief von Toyokawa 10.5.1948 nach Omaha/Nebraska, USA via Postdampfer


Ein besonderes Anliegen der Menschen im Nachkriegsjapan war, ähnlich wie im Deutschland der Nachkriegsjahre, das Andenken an die Kriegsgefangenen und an die einsitzenden, nicht aufgehängten Kriegsverbrecher. Der Unterschied zu Deutschland war, dass Deutschland die Freilassung der in den Niederlanden und in Italien einsitzenden Kriegsverbrecher unter der Hand, auf diplomatischem Weg betrieb und nur die gefangenen Soldaten mit einer Sondermarke würdigte. In Japan galten gefangen genommene Soldaten als Feiglinge, wenn sie nicht Selbstmord begingen. Die Kriegsverbrecher hingegen waren Helden, die als unschuldig einsitzend betrachtet wurden. Ihnen zu Ehren erschien am 13.Sept.1947 eine Sondermarke unter dem verharmlosenden Titel "Rechtsschutztag", woran die alliierte Zensur schwerlich Anstoß nehmen konnte. Auch die Hand mit dem Maiglöckchen, die als Design ausgewählt worden war, erregte keinerlei Argwohn, aber die Veranstaltungen, die an dem "Rechtsschutztag" stattfanden, machten deutlich, dass es Japan einzig darum ging, die überlebenden Kriegsverbrecher möglichst schnell aus alliierter Gefangenschaft frei zu bekommen.


rechtsschutz

Mit dem Titel "Rechtsschutztag" getarnte Gedenkmarke an die gefangenen Kriegsverbrecher
auf einem sehr frühen Nachkriegsluftpostbrief ins Ausland

Die Camouflage durch den Titel und das liebliche Design war so perfekt, dass die Zensur die Ausgabe (Auflage: 3 Mio. Stück) passieren ließ und auch auf Briefen in die USA nicht beanstandete. Es ist zudem einer der frühen zivilen Luftpostbelege der Nachkriegszeit, frankiert mit 4 yen Auslandspostgebühr plus 60 yen Luftpostzuschlag.


69   Nachkriegsstempel
 
Bei den Stempeln gab es in der Nachkriegszeit überreichlich zu tun. Es genügte nicht, verschlissene Exemplare zu ersetzen, sondern die Liste der Vorgaben war deutlich länger; auch bei den Stempeln sollte die Inschrift jetzt linksläufig angeordnet werden, weshalb wirklich alle Postämter im gesamten Reich mit neuen Stempeln zu versorgen waren. Bedenkt man, dass jedes Postamt unterschiedliche Stempel für Postdienste, Bankdienste, interne Abrechnungen und Auslandspost verwendete, die überdies noch an jedem Schalter samt Ersatz mehrfach verfügbar sein sollten, von Roll- und Maschinenstempeln an großen Ämtern ganz zu schweigen, wird es begreiflich, dass dies nicht von heute auf morgen zu bewältigen war. Noch viele Jahre lang finden sich rechtsläufige und linksläufige, abgenutzte und brandneue Stempel, solche aus Gummi neben solchen aus Metall, solche mit NIPPON und solche mit JAPAN gleichzeitig in Gebrauch. Hinzu kommt, dass manche Postämter, deren Stempel wirklich nichts mehr taugten, schon vor Kriegsende auf fiskalische Stempel zurückgegriffen hatten, um ihre Post leserlich zu bearbeiten; auch solche findet man nach Kriegsende vereinzelt im postalischen Gebrauch, bis bessere Stempel greifbar waren.


fiscxl

Fiskalischer Stempel Hiratsuka mit 3 Sternen für postinterne Abrechnung,
 1943 auf Briefsendung (Ausschnitt) verwendet



So trifft man beispielsweise auf Belegen innerhalb der gleichen Woche, im August 1950, sowohl neue linksläufige als auch alte rechtsläufige Stempel an, obwohl es sich bei dem Beispiel unten keineswegs um abgelegene Dorfpos
mter handelt, die bei der Umstellung auf neue Stempel zuallerletzt an die Reihe kämen.

vkcxl linkslauf
 rechtsläufiger Vorkriegsstempel Higashiobase, Osaka,
Datum:  22.8.1950
linksläufiger Stempel Asakusa (Tokyo),
Datum:  26.8.1950

    
Für Stempel in Lateinschrift war vom Ministerium angeordnet worden, die Landesbezeichnung zügig von NIPPON wieder auf JAPAN abzuändern, und weil diese das Gesicht Japans im Ausland zeigten, ging es hier tatsächlich flott voran. Schon 1950 war die Umstellung so weit abgeschlossen, dass man nur noch sehr wenige NIPPON-Stempel aus diesem Jahr findet.


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Im Oktober 1948 sieht man auch in Osaka noch den NIPPON-Stempel, aber ab 1950 lautet die Landesbezeichnung fast überall JAPAN


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In Yokohama war der JAPAN-Stempel schon am 1.11.49 im Einsatz, auf Dienst-Umschlag mit der Aufschrift "Imperial Post Office"....


Die in der Vorkriegszeit häufig verwendeten Gummistempel für Auslandspost wurden auch in der Nachkriegszeit bis etwa 1951 angefertigt und verwendet, überwiegend mit der neuen Inschrift JAPAN. Ab 1952 findet man sie nur noch vereinzelt, denn es kamen vollkomen neu gestaltete Stempel für die Auslandspost zur Verwendung, die sogenannten Swordguard-Stempel. Ein Swordguard ist der Handschutz zwischen Griff und Klinge eines Schwertes; die beiden halbmondförmigen Elemente zwischen Außenkreis und Datumsbalken haben wohl irgendeinen philatelistischen Samurai an so einen Gegenstand erinnert, der uns heute kaum noch geläufig ist.


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Einschreiben von Nagoya Higashi nach Asti, Italien; neue Swordguard-Stempeltype 30.12.1952


Swordguard-Stempel wurden mehrfach modifiziert, man findet sie in verschiedenen Durchmessern und mit dicken und dünnen Außenlinien, aber in den 50er bis 60er Jahren waren sie die üblichen Lateinstempel, die man auf Auslandspost findet. 



70   Luftpost
 
Bis Kriegsende war die japanische Luftpost auf das Inland und die besetzten Gebiete beschränkt; Auslandspost lief stets via Sibirien oder per Linienschiff. Nach dem Krieg wurde die Luftpost endlich richtig international. 1947 beflogen US-Maschinen die Strecke in die USA und beförderten auch Post aus Japan. Ab 1948 konnten einige europäische Länder, im Folgejahr endlich die meisten Erdteile per Luftpost aus Japan erreicht werden. Im Inland gestattete die Besatzungsmacht die Wiederaufnahme der Flugpost erst ab 1951, aber ab dem 5.Juli 1953 wurden die Luftpostgebühren für das Inland mit denen für Eilpost gleichgesetzt bzw. die Eilpost wurde, wenn das Streckennetz es zuließ, automatisch per Luftpost befördert.
1950 erschien eine Serie von 5 Briefmarken, welche die Luftpostgebühren in alle Erdteile, je nach Distanz in 5 Gruppen unterteilt, im Nennwert wiedergab. Es waren Stufen von 16 yen (Ryukyus, Korea, China), 34 yen (
Siam, Philippines, Alaska), 59 yen (India, USA, Canada), 103 yen (Malaya, Ceylon, Europa, Arabien, Australia) und 144 yen (New Zealand, Afrika und Südamerika). In der Folge gab es drei weitere Luftpostserien, bis Luftpost ab den 1960er Jahren nichts Besonderes mehr war, deutlich billiger und mit normalen Dauermarken frankiert wurde.


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Je eine Marke aus den vier Luftpostmarken-Serien der Nachkriegszeit, alle mit Specimen-Aufdruck
Von links nach rechts:  Fasan, DC-4 über Pagode, DC-4 über Berg Tateyama, DC-4 und Buddha von Kamakura, Mt.Fuji

 
Während sich das Briefporto von 1950 bis 2015 von 10 auf 80 yen verachtfachte, ist der Portosatz für Luftpost z.B. nach Deutschland von 103 yen im Jahre 1950 fünfundsechzig Jahre später auf gerade mal 110 yen gestiegen, und zwar für Briefe bis zu 25 gr. Gewicht (1950 waren 10 gr. das Limit), im Vergleich zur Kaufkraft eine enorme Verbilligung.


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Früher Luftpostbrief von Yokohama (rechtsläufiger Inlandsstempel Kanagawa 10.8.48) nach Tølløse / Danmark, Zensurstempel;
durch US-Flugzeug befördert - die Marke zu 100 yen ist noch eine ungezähnte Nachkriegsmarke mit Chrysanthemum


Die Portosätze für internationale Luftpost wurden in Japan in kurzen Abständen erhöht und gesenkt; zur Zeit des Ölpreisschocks kostete ein Luftpost-Standardbrief nach Deutschland vorübergehend 150 yen.
Wie das nachstehende Beispiel, ebenfalls aus der frühen Zeit des Nachkriegs-Luftpostverkehrs, zeigt, konnte seinerzeit ein etwas schwerer Luftpostbrief gleich richtig teuer sein und musste mit Marken zugepflastert werden.


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Luftpostbrief um 1948 von Morioka (unleserlich abgenutzter Inlandsstempel) nach San Marino, 126 yen Frankatur -
die Dauermarken zu 50 yen sind geschnittene Marken



71   Ansätze zu einheitlichen Dauermarken
 
Die letzten Versuche, eine Dauermarkenserie einheitlich zu gestalten, scheiterten in den frühen Nachkriegsjahren. Als einheitliches Thema der ersten Nachkriegsserie von 1948/49 lässt sich "Berufe" oder "Japan bei der Arbeit" nennen, ähnlich der italienischen Nachkriegsserie "Italia al lavoro". Aber bereits Rahmen, Schriftart und Größe der Ziffern, Markenformat und Druckart waren bei dieser Serie uneinheitlich, und mitten in die laufende Serie platzte die Portoerhöhung. Deswegen wurde der aus großjapanischer Zeit vertraute Bergmann in einer anderen Farbe auf 8 yen aufgepowert, und der Zwilling zu 5 yen ging in Pension. Um aber weiterhin 5 yen Marken zur Hand zu haben, kam die Teepflückerin zum Einsatz, bis irgendwelche Chauvis im Postministerium fanden, dass auf den Marken zu viele arbeitende Frauen zu sehen seien. So stellten sie den Druck der "Teepflückerin" ein und gaben dem pensionierten Kumpel die Chance, ins Arbeitsleben zurückzukehren und seine Rente aufzubessern. Frauen gehörten schließlich an den Herd und sollten Kinder gebären; dass einige vorübergehend arbeiteten, war nur mit dem Frauenüberschuss nach dem Krieg zu entschuldigen.
Das Wort "Postministerium" ist übrigens kein Versehen, denn das Kommunikationsministerium wurde umstrukturiert und am 1.Juni 1949 in Postministerium und Fernmeldeministerium aufgeteilt.


berufentwurf

Der Entwurf stammte noch aus kaisertreuer Zeit mit Chrysanthemum und rechtsläufiger Schrift


berufe1

Bäuerin, Walfänger, Wildgänse (ups !), Teepflückerin, Bergmann (Specimen-Aufdruck), Druckerin, Bergmann (8 yen nach Portoerhöhung)


berufe2

Schnitzarbeit (ups !), Textilarbeiterin, Berg Hodaka, Forstarbeiter, Briefträger (Specimen-Aufdruck), Hochofenarbeiter, Schwerindustriearbeiter


Welchen Beruf der Berg Hodaka ausübt, ist nicht ganz klar, und die Marken zu 4 yen und 10 yen gehören eigentlich nicht hierher, sie sind ja bereits vorgestellt worden. Warum sie hier trotzdem abgebildet sind ?  Einige Zeit später, 1951/52, wurde die gleiche Serie, mit Ausnahme der kaltgestellten Teepflückerin und der wegen Portoerhöhung nicht mehr aktuellen Werte zu 5 yen (Bergmann) und 16 yen (Berg Hodaka) auf neuem, weißem Papier ohne Wasserzeichen noch einmal ausgegeben, und unter diesen neu ausgegebenen Marken fanden sich auch die 4 yen und 10 yen aus vergangenen Tagen, die nichts mit Berufen zu tun haben. Sie waren also noch am Leben. Folglich ist die im Februar 1952 neu zum Verkauf gekommene 4 yen auf wasserzeichenlosem Papier die letzte Marke mit Chrysanthemum, die dank irgendwelcher kaisertreuer Mentoren im Postministerium den Demokratie-Tsunami der Nachkriegszeit überlebt hat.


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Letzte überlebende Marke mit Chrysanthemum auf Brief von Kyoto 28.2.1952 (!) nach Ashikaga


Anlässlich der Unterhauswahlen am 23.Januar 1949 bekam jeder Kandidat zu Wahlkampfzwecken einen Bogen Briefmarken zu 2 sen (Postkartengebühr) kostenlos ausgehändigt, damit er auf Kosten des Steuerzahlers ebendiesem per Postkarte seine Vorzüge anpreisen konnte. Um Missbrauch auszuschließen, wurden die Marken mit einem roten Aufdruck "Wahl-Service" versehen.


senkyom   sekyoused   senkyoin

Marke zu 2 sen (Postkartenporto) mit Aufdruck senkyo jimu ("Wahl-Service")   -   rechts: bis heute gebräuchlicher Wahlkampf-Freistempler


Ob der oben abgebildete, gestempelte Block zu sechs Marken tatsächlich bestimmungsgemäß auf einer Wahlwerbungs-Postkarte klebte, ist äußerst zweifelhaft.
Missbrauch??? Womöglich akzeptierte das Postamt Osaka GPO dieses Geschenk des Steuerzahlers an den Kandidaten am 31.12.1948 auch als Frankatur eines Briefes voller Bargeld? Demokratie war für Viele noch neu, da sollte man nicht allzu kritisch sein....
Wie gründlich der normale Japaner indes die Nase voll hatte von all den Reformen der Nachkriegszeit, zeigt sich daran, dass die maschinellen Portofreistempler für Wahlkampfpost, die fortan anstelle eigens überdruckter Marken bis zur Gegenwart verwendet werden, noch immer genau dieselbe Schrifttype aufweisen wie der Aufdruck von 1948; die Abbildung rechts zeigt das Datum vom 14.4.2019 Tokyo-Ochiai auf einer Wahlpropaganda-Propagandakarte.

Der Brief eines amerikanischen Briefmarkensammlers an das Postministerium soll die Idee für eine neue Freimarkenserie ausgelöst haben.
"Hey guys, warum bildet ihr nicht eure Kunstschätze ab? Sammler in aller Welt wären hocherfreut, und Japans Image käme wieder aus dem Kellerloch raus an die Sonne. Japan hat doch genug zu bieten...!", oder so ähnlich stand darin, und das ließen sich die Ministerialen nicht zweimal sagen. Der nächste Versuch, eine einheitliche Serie hinzubekommen, wurde angefahren und scheiterte erneut.


natschatz1
natschatz2

Tahoto-Pagode am Tempel Ishiyama, Postgründer Maejima, Langschwanzhahn, Wandbild "Gottheit der Barmherzigkeit" im Tempel Horyuji,
Schneereiher-Burg von Himeji, Palast Byodoin in Uji, Miroku-Buddhastatue im Tempel Chuguji


Auch hier haben sich wieder Fremdkörper eingeschlichen. Die Marken zu 14 und 24 yen 
gut, die waren für Auslandspost (Postkarte bzw. Brief) auf dem See- oder Landweg gedacht, da kann man über die andere Druckart und das rahmensprengende Format hinwegsehen, aber ob der Post-Urgroßpapa Maejima Hisoka und der Langschwanzgockel als nationale Kunstschätze betrachtet werden können, darüber gehen die Meinungen auseinander. Die Marke zu 80 sen war dazu gedacht, alte Briefmarken mit dem Nennwert 1,20 yen aufbrauchen zu können, denn die sen-Münzen wurden bald aus dem Verkehr gezogen, die Kriegsinflation hatte sie gefressen. Überlebt haben nur der Tenno und die Yens. Diese Marke ist die letzte Ausgabe Japans mit einem Nennwert, der noch auf sen lautet. Bei aller Reformfreude  eine Währungsreform hat Japan seit der Meiji-Zeit nicht mehr zuwege gebracht, weshalb heute Geldscheine mit 10000 yen Nennwert kursieren und in 20 Jahren vielleicht gar solche mit Nennwerten von 100 000 yen, wie in Zimbabwe....
Nach der Ausmusterung der sen-Groschen brauchte man keine Stellenwerte mehr hinter dem Komma; die Marken der Dauerserie oder Luftpostserien, die noch aktuell waren, wurden ab 1952 ohne die 
.00 neu gedruckt, und die Kunstschatz-Serie wurde mit vielen Tierchen verwässert, so dass der letzte Hauch von Einheitlichkeit wieder flöten ging. Die Ewiggestrigen ärgerten sich vermutlich, dass alle Sabotageakte der neuen Zeit, der großjapanische Bergmann und die Chrysanthemum-Marke zu 4 yen endgültig weg waren vom Fenster, und ließen sich was Neues einfallen, indem sie das Yomei-Tor von Nikko in die neue Markenserie mit einschmuggelten. Das Heiligtum von Nikko ist nämlich shintoistisch, und unter der Camouflage des Kulturschatzes unterlief man das Verbot der soeben abgezogenen Besatzer, shintoistische Motive abzubilden. Die 10 sen Marke mit dem gleichen Bildmotiv von 1938 war erst kürzlich für ungültig erklärt worden, aber kaum waren die Amis außer Sicht, poppte das shintoistische Schreintor mit einem Nennwert zu 45 yen wieder an die Oberfläche. Auch der Fischfreund im Postministerium war noch vor Ort, weshalb auch der langlebige Goldfisch von 1946 seine Wiederauferstehung feiern konnte.  


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Marken der Serie "Nationalschätze" ohne .00,  die Tahoto-Pagode mit neuem Nennwert als Erstz für die 4 yen mit Chrysanthemum, Burg Himeji in neuer Farbe


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Neu hinzugekommen:  Akita-Hund, Nachtigall, Mandarinenenten, Kamo-Wild, Halle Konjikido im Tempel Chuzonji, Goldfisch, Yomeimon (Schrein von Nikko)


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hohe Werte: Marimo-Algen, Schmetterling, Kormoranfischer, Lackarbeit "Irisbrücke"  -  rechts: Luftpostmarken ohne .00



72   Ausblick
 
Mit Sondermarkenausgaben war die japanische Post in den Nachkriegsjahren alles andere als knauserig. Man hatte ja schon gemerkt, dass Sondermarken tüchtig Zaster in die Kassen spülen, und je unbrauchbarer die Ausgaben fürs Frankieren sind, desto weniger Gegenleistung muss dafür erbracht werden. Wer außer den manischen Sammlern kauft und frankiert schon riesige Blocks mit ungummierten, geschnittenen Marken zu Frankaturzwecken? Entsprechend teuer sind Briefe, auf denen ein ganzer Block klebt. 
Weil die UPU alle Staaten, die zu viele Blocks und Schnickschnack herausbringen, seinerzeit noch abmahnte, flaute die Blockausgabeflut in Japan glücklicherweise wieder ab. Auch Südkorea bekam eine Ermahnung, ließ sich davon aber erst in den 60er Jahren widerwillig beeindrucken. Was in Japan nicht abflaute, war die Flut von Sondermarken. Jetzt wurden "Allejahrewieder-Ausgaben" eingeführt, womit nicht die Neujahrsmarken gemeint sind, die alljährlich zur Frankatur der Neujahrspost dienen und somit immerhin einen richtigen Zweck erfüllen. Vielmehr wurde eine Sondermarke vom 1.April 1948 anlässlich der Wiederaufforstung des durch die Kriegswirtschaft geplünderten Reichs zur Urgroßmutter der bis heute Jahr für Jahr im Frühling ausgegebenen "Aufforstungsmarke(n)"; vermutlich macht die Produktion
des Papiers für all diese Ausgaben die unermüdlich mit Sondermarken bedachte Aufforstung zwingend erforderlich. Die Sonderausgabe vom 25.Oktober 1947 anlässlich der reichsweiten Jugendsportwettkämpfe mutierte zum Urgroßvater aller bis heute zum gleichen Anlass erscheinenden Ausgaben. Zu diesen gesellten sich später noch Briefmarken zur Woche der Philatelie im April, zum Korrespondenztag im Juli und zur Internationalen Briefwoche im Oktober, lauter endlose Geschichten von Evergreen-Ausgaben, die, einmal eingeführt, abzuschaffen niemand den Mut aufbrachte, so wie die EUROPA CEPT Ausgaben in Europa.


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 Ausgaben zur Woche der Philatelie 1948 und 1949
links: "Zurückblickende Schönheit" von Hishikawa Moronobu, rechts: "Wildgänse und Vollmond" von Utagawa Hiroshige


Die Endlosserie "Nationalparks" wurde nach dem Krieg fortgesetzt, weitere Serien zum Thema "Kunst- und Wissenschaftskoryphäen", "Blumen der Jahreszeiten", "Sehenswürdigkeiten", "Feste in Japan", "Dampflokomotiven", "Witzblattfiguren", "Nostalgie", "Greetings" und was den Leuten im Ministerium so alles einfiel, brachten und bringen bis heute die Kassen der Post zum Klingeln.
Das riesige Format der oben abgebildeten Marken, ausgegeben im Kleinbogen zu 5 Marken, war bei den Sammlern ein wahrer Hit. Obwohl die verhältnismäßig hohen Auflagen und der Briefporto-Nennwert keinen besonderen Preis zeitigen sollten, wollte jeder den ganzen Kleinbogen erwerben, weshalb die Post die Anzahl der abgegebenen Marken pro Person limitierte. Weitere ansprechend gestaltete Ausgaben dieser Serie entfachten zwischen 1956 und 1966 den sogenannten japanischen Briefmarken-Boom.


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Meisterwerke der Holzschnittkünstler Toshusai Sharaku  ("Schauspieler Ebizo") und Torii Kiyonaga ("Rückweg vom Badehaus bei Regen")
waren auf den auch im Ausland sehr beliebten Marken abgebildet


Angefeuert durch sensationslüstern aufgemachte Medienberichte über Briefmarken, die schon nach zwei Stunden überall ausverkauft seien und bald sündhaft teuer würden, witterten auch Bürger, die Briefmarken kaum von Rabattmarken unterscheiden konnten, märchenhafte Gewinne aus der "Aktie des kleinen Mannes" und standen sich die Beine in den Bauch vor den großen Postämtern, wenn wieder eine neue Sondermarke ausgegeben wurde. Und weil pro Kopf oft nur wenige Marken abgegeben wurden, brachten die Profitgeier Kollegen, Ehefrauen, Großmütter und Enkelkinder mit, um sich mit den vermeintlichen Wertpapieren einzudecken.


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Vor dem Hauptpostamt in Tokyo anstehende Menschenschlange an einem Verkaufstag neuer Sondermarken
auf der Höhe des Briefmarken-Booms um 1958


Die logische Folge dieses Booms war, dass die Post, die ihren Betrieb durch den Andrang der Markensammler gestört sah, bald dafür sorgte, dass an jedem Postamt genügend Sondermarken erhältlich waren; das Pendel schlug nun ins andere Extrem aus. Waren von der ersten oben abgebildeten Ausgabe "Zurückblickende Schönheit" noch 1,5 Mio. Stück gedruckt worden, stieg die Auflage bis zur Lady mit dem Regenschirm von 1958 auf sagenhafte 25 Mio. Stück, so viele, dass der Autor dieser Zeilen damit heute noch seine Post frankiert, denn diese "Aktie" ist noch immer zum Nennwert von 10 yen (ca. 6 Eurocents) oder weniger zu haben, auch bogenweise. 
Bis die Sammler merkten, dass sie nur Ramsch horteten, wurde es 1966. Bis dahin waren Auflagen von bis zu 55 Mio. Stück bei den Sondermarken zu verzeichnen, die jegliche erhoffte Preissteigerung zunichte machen. Wer Japanmarken ab 1958 besitzt, kann in Japan heilfroh sein, wenn er sie lose für 20% des Nennwerts, im Bogen zu 50% des Nennwerts wieder los wird.
War das Briefporto im Inland bis 1965 mit 10 yen relativ stabil geblieben, ging es im Laufe der Wohlstandsinflation der 70er Jahre über 15 yen und 20 yen in einem großen Sprung auf 50 yen hoch (1976), bis es sich ab 1981 auf 60 yen stabilisierte. Eine von Premierminister Takeshita eingeführte Verbrauchssteuer auf alle Waren und Dienstleistungen diente nicht nur dazu,
das bereits beim Erhalten versteuerte Einkommen der Bevölkerung durch eine doppelte Besteuerung nun auch noch beim Ausgeben weiter zu schmälern, sondern führte auch zu seltsamen Nennwerten wie 41 yen (Postkarte) und 62 yen, und später, nach einer Portoerhöhung auf 50 yen / 80 yen ab 1994, zu krummen Portosätzen wie 82 yen oder 84 yen, weil der Finanzminister diese Steuer mit Vergnügen immer weiter in die Höhe schraubt, denn die geduldigen Japaner lassen sich das gefallen und wählen weiterhin begeistert die Partei, die ihnen so schamlos das Geld aus den Taschen zupft.
Gegen Ende des 20.Jhs. färbte der Manga- und Cosplay-Boom der Jugend auch auf die Briefmarken ab, die immer kindischer und anspruchsloser daherkamen. 2003 privatsierte Premierminister Koizumi die Post, und die neue Post A.G. lässt die Druckmaschinen auf Hochtouren laufen und auch im Ausland drucken. Mehr als 500 neue Briefmarken pro Jahr sind keine Seltenheit, jede Jahreszeit wird mit bis zu 20 Grußmarken pro Ausgabe "gefeiert", macht 80 neue Briefmarken pro Jahr, die einzig aus Anlass des Wechsels der Jahreszeit verkauft werden, und viele Comic-Motive, Marken in Kirschblüten- oder Herzchenform u.ä. sind total peinlich und an Dümmlichkeit und Geschmacklosigkeit kaum zu überbieten. Vergleichbaren Schamott produzieren nur Länder wie Afrique Équatoriale oder die Grenadines of Grenada.


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Peinlich infantile Briefmarken (für die Philatelisten unter den kaufkräftigen Schnullerbabys?), ohne Anlass ausgegeben im Jahr 2017


Um nicht alle Kunden zu verlieren, die in Scharen mit dem Sammeln von Japan-Neuheiten aufhören, bringt die Post in jüngster Zeit "limitierte" Ausgaben in Kleinstauflagen zu 20 000 oder 30 000 Stück heraus, nach denen wieder einige Sammler anstehen, aber weil die Post durch Preise weit über dem Nennwert den zu erwartenden Spekulationsgewinn in Richtung eigene Kassen vorweg abschöpft, nehmen nun auch noch die letzten Sammler Reißaus: Sogar Ausgaben mit solchen Mini-Auflagen liegen mitunter noch Monate nach der Ausgabe auf der Hauptpost in Tokyo zum Verkauf aus. Händler nehmen das Zeug, nach dem kein Hahn kräht, nicht mehr auf Lager. Auch die deutschen Albenhersteller haben Japan abgeschlossen und bieten keine weiteren Albenblätter mehr an. Es ist nur noch eine Frage der (nicht allzu langen) Zeit, bis das Sammelgebiet "Briefmarken aus Japan" durch die japanische Post selbst vollends zu Tode kommerzialisiert wird.
Die heutige Jugend hat andere Interessen, als teure, aber wertlose, kitschige, infantile und peinliche Papierchen zu horten und dafür ihr gutes, doppelt besteuertes Geld herzugeben.
Wozu auch?


73   Raritäten
 
Ganz zum Schluss noch einige Abildungen wirklicher Raritäten, von denen einige schon im Text vorgestellt wurden. Hier noch einmal zehn der großen Raritäten Japans, die bekanntesten und die seltensten Marken dieses Sammelgebiets.

Nr.1.  Bei den Drachenmarken in mon Währung ist es die 500 mon mit kopfstehendem Wertaufdruck, von der nur ein Exemplar bekannt ist. Finden Sie das zweite!

500gyaku

Nr.2.  Bei den Drachenmarken in sen Währung ist es die 1 sen von Platte 3 in ungebrauchter Erhaltung. Falls Sie ein Exemplar davon besitzen, sind Sie nach dem Ende der Auktion Ihres Exemplars um etwa 10.000 € reicher.

daisanpan

Nr.3. Der bekannteste aller Fehler auf Japans Briefmarken wurde nie korrigiert. Sein relativ hoher Preis ist der Bekanntheit geschuldet, wirklich extrem rar ist die Marke mit den fehlenden kleinen Schrägstrichen auf der japanischen Wertangabe links nicht. Für etwa achthundert Euros kann man seine Sammlung mit einem schönen Exemplar zieren. 

kihansen

Nr.4.  Etwa zeitgleich mit der Einführung von Silbenzeichen zur Kennzeichnung der Druckplatten wurden die frühen Marken erstmals auf westlichem Papier gedruckt. Einige wenige Bögen mit den Silbenzeichen イ, ロ, ハ wurden jedoch auf japanischem Papier gedruckt und verworfen. Sie existieren nur ungebraucht oder mit Specimen Aufdruck んほみ

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auf Japanpapier mit Silbenzeichen


Nr.5.  Die blassbräunlichviolette 6 sen auf Japanpapier ist der einzige Wert, der regulär mit Silbenzeichen auf Japanpapier gedruckt wurde, aber sie wurden fast allesamt verkauft und verbraucht. Ungebrauchte Exemplare aller Silbenzeichen außer und sind absolute Raritäten.


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ungebraucht mit Silbenzeichen

Nr.6.  Bei den Vogelmarken hat ein Graveur auf einer Marke eines Bogens mit dem Silbenzeichen das Schriftzeichen zehn der japanischen Wertangabe zu gravieren vergessen. Einige Bögen waren schon gedruckt und ausgeliefert, auf den noch in der Druckerei befindlichen wurde mit einem dünnen Pinsel das Zeichen per Hand ergänzt und die Druckplatte korrigiert. Von den Marken ohne das sind weniger als ein halbes Dutzend, von denen mit handschriftlichem  gerade einmal 20 Stück bekannt, meist in schlechter Erhaltung.

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handschriftlich ergänztes Schriftzeichen

Nr.7.  Bei den Kirschblütenmarken in geänderten Farben wurden viele Werte nahezu restlos verbraucht, weshalb einige Silbenzeichen ungebraucht zu den großen Raritäten zählen; nur sechs Stück der braunen 1 sen mit Sz sind erhalten. Haben Sie etwa das siebte ?

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Nr.8.  Es hat den Anschein, dass einige Platten graviert und als Ersatz bereitgehalten wurden. Die wenigen probehalber gedruckten Bögen wurden aber verkauft und verbraucht. Einige wenige Marken daraus wurden von Sammlern gefunden. Erst vor wenigen Jahren tauchte ein siebtes Exemplar der 6 sen orange mit Sz. ヨ auf.


rarit1


Nr.9.  Noch im Jahr 2000 ahnte niemand, dass auch von der 20 sen aus der gleichen Serie ein Ersatzbogen mit Sz. existierte, zur Probe gedruckt und offensichtlich in Kagoshima verkauft wurde. Zwei Exemplare wurden bisher entdeckt, das zweite wurde vor kurzer Zeit auf ebay für 5 $ offeriert und für das elftausendfache ersteigert, ein echtes Schnäppchen. Ein Bogen enthält vierzig Marken, 38 davon sind noch unentdeckt.... 

20ri2


Nr.10.  Infolge der Erdbebenkatastrophe 1923 verbrannten nahezu alle Bestände mitsamt Druckplatten der zur Ausgabe vorbereiteten Sondermarken anlässlich der Hochzeit des Kronprinzen Hirohito. Der Satz blieb unverausgabt; nur die bereits im Voraus an die japanisch besetzten Überseegebiete versandten Sätze überlebten, wurden zurückgerufen und an VIPs verteilt, zu denen leider weder Sie noch ich zählen.

rarit10





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