....beginnen meist irgendwo in sandigen Wüsten, wo plattfüßige Trampeltiere karawanig mit Tempo 6 km/h einem fernen Ziel entgegenzockeln, das sich am Horizont kopfstehend als Fata Morgana abzeichnet, bis es von der Abendsonne verschluckt wird.
Auf ihrer langen und sandigen Wanderung, fernab von WLAN und Twitter,
kommen die wenigen einsamen Menschen zwischen ihren Dromedaren auf die
wunderlichsten Gedanken, haben Visionen von palmigen Oasen und
bärtigen Scheinriesen, brennenden Dornbüschen oder sich
teilenden Meeren, die man trockenen Fußes durchqueren kann. In
der Karawanserei am Abend, beim Kameldungfeuer, über dem sich der
Hammelspieß dreht, erzählen sich die Kameltreiber dann ihre
Geschichten, schmücken sie aus und tradieren die besseren davon
weiter und weiter. Eine bekannte, bücherfüllende Erfolgsstory
ist die von der
schwangeren ledigen Frau, der es gelang, ihren Verlobten davon zu
überzeugen, ein Engel oder ein heiliger Geist habe ihre
Schwangerschaft verursacht. Eine andere weltbekannte Geschichte ist die
von dem Kamelhirten, der angab, von einem alten, bärtigen Herrn
persönlich
einen ellenlangen Kodex diktiert bekommen zu haben, dessen wichtigste
Klausel besagt, dass Schweinefleisch, auch in der Form von
Weißwürsten, giftig sei, oder die
vom Helden Manas und seinen Kindeskindern, die Mittelasien von den
Uiguren befreit haben sollen - allein diese Story ist etwa zwanzig mal
so lang
wie Homers Ilias und Odyssee zusammengenommen, das nenne ich
orientalische Erzählkunst!
Da
solche Evergreens in jüngster Zeit in Europa und Umgebung wieder
sehr geschätzt
werden und es selbst im 21.Jahrhundert noch Leute geben soll, die der
Ansicht sind, das alles sei die reinste Wahrheit, dachte sich Frank, er
wolle der Sache mal ein wenig auf den Grund gehen und sich bei den
Geschichtenerzählern umhören. Weil er weder Arabisch noch
Persisch kann, suchte er nach Wüsten, in denen man mit etwas
geläufigeren Sprachen durchkommt, und stieß auf die
zentralasiatischen Turkvölker, die sich in einer Melange aus
Türkisch, Russisch und Wasweißich verständigen.
Wasweißich spricht Frank ziemlich fließend, Türkisch
ist ihm als Umgangssprache im Ruhrgebiet geläufig, und auf
Russisch kann er njet sagen, das
reicht doch schon mal fürs Erste.
Allerdings
wirst du enttäuscht sein, denn die erste Geschichte, die er dort zu
hören bekam, war kein Heldenepos und keine Fata-Morgana-Vision,
sondern ging so:
Fährt der
Imam mit dem Taxi zur Moschee. Ein Stop an der roten Ampel. Eine hübsche junge Frau im knappen Röckchen überquert die
Straße.
"Uiuiuiuiuiii", sagt der Taxifahrer mit Kennerblick.
"Mein Lieber, das ist haram",
knurrt der Imam aus dem Fond. "Bei so etwas soll man die Augen zum
Himmel wenden und Allah um Verzeihung bitten für die sündigen
Gedanken!"
Zwei Kreuzungen
weiter, der Imam ist hinten eingenickt und die Ampel wieder rot. Eine grell geschminkte kurvige und langbeinige Schöne überquert die
Straße.
"Allah, verzeih mir, Allah, verzeih mir!", stöhnt der Taxifahrer.
Der Imam reißt die Augen auf und ruft: "Wo, wo??"
"Googelu akbar, so ein
blöder Herrenwitz vom Stammtisch; wegen sowas bin ich nach
Tashkent gereist?", fragte sich Frank entgeistert. Allerdings
imponierte ihm, dass er diese Geschichte aus dem Mund eines jungen Moslems zu
hören bekam. Seine Allergie gegen Fundis und religiöse
Spinner, die ihn lange von einer solchen Reise abgehalten hatte, regte sich
nicht. Hier gibt es also nicht nur messerwetzende Daisch und Sprengfallen bastelnde Taliban, sondern
auch normale Menschen, sagte er sich beruhigt und begann, relaxt durch
Tashkent zu spazieren. Wo das liegt, weißt du ja hoffentlich,
oder? NEIN????? In Erdkunde wegen Keuchhusten, Mumps und Masern gefehlt ?
Also stell dir vor, zwischen
Österreich und China liegt eine große Wiese, im Norden
teilweise auch
mit Bäumen und Erdgasfabriken bepflanzt, im Süden mit ein
paar Bergen drin und
etwas staubiger. Wo die Bäume stehen, heißt die Wiese
Sibirien, und wo die Kamele weiden, hat sie verschiedene Namen, die
aber alle auf -(i)stan enden und mehrheitlich von bärtigen
Mullahs, eitlen Kleptokraten, Drogenbaronen oder Warlords und ihren
Clans beherrscht werden. Turkmenistan,
Kirgistan,
Pakistan, Usbekistan,
Tadjikistan, Afghanistan, Kasachstan.... Leicht zu merken, was?
Irgendwann auf dem Weg von Tirol nach Shanghai kommt man an einen
größeren See, der Kaspisches Meerheißt,
und weiter im
Südosten, kurz vor Afghanistan, liegt eine giftige Salzwüste
mit einigen feuchten Stellen, die früher einmal Aralsee
hieß. Noch ein Stück weiter kommen weder der Essosee noch
der Shellsee, denn der Aralsee hat nichts mit der OPEC zu tun, sondern
heißt Aralsee, weil da im
Altertum eine gewisse Lara baden ging. Und weil sie der Legende zufolge
rückwärts
ins Wasser stieg, heißt der See nicht Lara-See, sondern
rückwärts gelesen Aral-See. Einer anderen Version zufolge
hieß er tatsächlich zuerst Lara-See, aber nach einem Sturm
stand das Namensschild so schief zur Wasseroberfläche geneigt,
dass die vorüberkommenden Leute den Namen im Wasser
spiegelbildlich lasen und ihn deswegen irrtümlich Aral-See
nannten. Orientalische
Erzähler wissen auch noch von einem Wettstreit zwischen Esel und
Papagei zu berichten, der zum Namen des Aralsees führte: Der Esel
schlug vor, gewonnen hätte derjenige, der vom Ufer aus am
weitesten in
den See hineinsteigen könne, ohne abzusaufen. Der Papagei,
übrigens eine südamerikanische Ara, die in Zentralasien
Urlaub
machte, hielt dagegen, Sieger sei derjenige, der als erster das
gegenüberliegende Ufer erreiche. Weil sie sich nicht einigen
konnten, holten sie einen Schimpansen als Schiedsrichter, und der
meinte, so
ein komplizierter Fall sei ihm noch nicht vorgekommen, er müsse
erst mal im Quran nachlesen, fand dort zwar unter anderem sachliche
Anleitungen zur Steinigung von Frauen, aber keine Lösung für
den vorliegenden Fall. Eingedenk
dieser
historischen Begebenheit nannte man den See später nach den beiden
Kontrahenten einfach "Ara-Esel", aber als die Mongolenhorden dort
vorbeikamen und alles kurz und klein schlugen, verhackten
sie diesen unaussprechlichen usbekischen Namen zu dem Anagramm
"Aral-See".
Also, ein Stück weiter südöstlich davon versickert ein
breiter, aber seichter und
schlammiger Fluss namens Amudarja im Wüstensand. Und wenn du den
sickern siehst oder hörst, bist du in Usbekistan, was eine frühere
Sowjetrepublik ist, die an Turkmenistan, Afghanistan, Kasachstan und
Kirgistan grenzt; ihre Hauptstadt heißt Tashkent und liegt am Nordostrand des seit 1992 wieder selbständigen Landes, in sicherem Abstand zu den Taliban.
Und dort (- nicht bei den Taliban, sondern in Tashkent, du Dodo !)
erzählen sich die Leute halt solche Witze, für die sie in
einigen Nachbarländern durch den Fleischwolf gedreht würden.
Das fand Frank jedenfalls ziemlich erstaunlich, und weil er andere,
authentischere und glaubwürdigere als die oben verzeichneten
orientalischen Geschichten hören wollte, setzte er Sonnenbrille und Tropenhelm auf
und gelangte unter anderem nach
TASHKENT UND KHIVA |
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BUKHARA |
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SAMARKAND |
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ISSYK KUL UND BISHKEK |
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