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Heutzutage ist das Städtchen ziemlich friedlich; bisher hockten da jedenfalls alle Völker und Bekenntnisse beieinander, neben den Moscheen im Araberviertel ragen die Türme diverser Kirchen nahe dem Askari-Platz in den leicht bewölkten Nachmittagshimmel, und die Hindutempel im Inderviertel brauchen von den olivgrünen Zeitgenossen mit den olivgrünen Flinten, die vor den zahllosen Juwelierlädchen Wache schieben, durchaus nicht beschützt zu werden. Hier ist es Brauch, sich zu vertragen, seit Staatsgründer und Landespapa Julius Nyerere, der tanzanische Atatürk, seinen Landsleuten eingebleut hat, sich nicht als Angehörige ihrer Stämme, sondern als Tanzanier zu verstehen, die Landessprache Swahili zu lernen und die Schule zu besuchen. In Afrika hat so etwas bisweilen Erfolg, wenn ein vertrauenswürdiger Häuptling es proklamiert. Nun ja, Nyerere war Lehrer von Beruf, und dann sollte man nicht vergessen, dass das einzige Wort, das es aus den Schnurrbart- und Pickelhauben-Zeiten von Deutsch-Ostafrika in den Swahili-Wortschatz geschafft hat und heute noch allgemein Verwendung findet, das Wort "shule" ist.
Von Japan aus gerade mal 15 Stunden im Flieger, einmal umsteigen in Dubai, wo das Wort "Energiesparen" unbekannt ist, auch auf Arabisch, und dann stehst du in einem dämmrigen Schuppen, von Palmen umgeben, und das ist der Julius Nyerere International Airport. Stromsparen auch hier? Energiesparlampen haben sie zwar nicht, sondern stattdessen altmodische 40-Watt-Funzeln, aber das neuste Immigrations-Spielzeug aus den USA, nämlich Fingerprint- und Augenscanner. Ausgewertet werden die dort erhobenen Daten wahrscheinlich in Miami oder Seattle -den Beweis für die Richtigkeit dieser Aussage wird Wikileaks demnächst liefern-, und die USA spendieren im Gegenzug einigen tanzanischen Ministern neue Dienstwagen. Schließlich begann 1998, in Nairobi und in Dar Es Salaam, der bedeutendsten tanzanischen Hafenstadt, mit Anschlägen auf die US-Botschaften der schwachsinnige Feldzug von Al Qaida.



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Also, wie der Frank es geschafft hat, per Taxi vom Airport in die City zu geraten, ohne der Taxi-Mafia die geforderte Greenhorn-Steuer zu zahlen, das muss ich dir erzählen. Die Airport-Taxisten sind nämlich clever genug, auf eine große schwarze Tafel die Tarife für Fahrten in die Stadt aufgepinselt zu haben, so dass der gepfefferte Preis von 35 US$, den sie dir abverlangen, einen ganz offiziellen Anstrich erhält. Aber denk jetzt bloß nicht, dass auch nur ein Tanzanier diesen Sonderpreis für Safari-Neulinge zahlen würde! Statt lang zu feilschen, ging der Frank zum Parkplatz, fand, was er suchte, nämlich ein Taxi, das gerade Leute auslud und nun entweder leer zurückfahren oder am Taxistand lange warten müsste. So einer macht dir einen Rabatt, ist doch logo, sagte sich unser Schnorrer und fuhr Minuten später in diesem Wagen durch den Mittagsstau nach Dar Es Salaam rein, für nur 25000 TSh. (10 US $ sind derzeit 15000 tanzanische Shilling), und da hat sich der Driver noch drüber gefreut.


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So, jetzt spazierst du in Dar Es Salaam herum, findest in Mchafukoge, dem islamischen Viertel in Zentrum und Westen der Stadt, bunte Märkte und staubige, löcherige Gehsteige, die früher einmal gepflastert oder asphaltiert gewesen sind. Außerdem findest du eine Menge Banken und Geschäfte, Moscheen, Hotels und Apotheken, wobei die Moscheen, Banken und besseren Hotels blitzsauber und brandneu aussehen, während alles andere den zerfallbröseligen Charme der Innenstadt von Manchester oder Birmingham verströmt, nur dass hier keine Versifften und Bekifften herumhängen. Und dann findet man noch den Uhuru-Park (Uhuru = Unabhängigkeit) mit dem Mwalimu-Denkmal (Mwalimu = Lehrer, der Ehrenname von Nyerere), in dessen Schatten man Rast machen und die heißgelaufenen Füße kühlen kann. Die Innenstadt ist leicht per pedes zu erforschen, die stets überfüllten Busse, die pausenlos über die Meteoritenkrater der Boulevards rumpeln, befördern die Menschenmassen aus dem und ins dichtbesiedelte Umland. 


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Wer ausgeruht ist und noch Zeit hat, geht in die andere Richtung, nach Kivukoni, in die östliche Stadthälfte am Meer. Es ist das genaue Gegenteil von Mchafukoge, man wähnt sich in einer anderen Stadt. Keine Schlaglöcher und verbeulte Wellblech-Bauzäune, keine zerfallenden Hütten und mit Plastikplanen überdachte Basargassen, wo es vor Volk nur so wimmelt, kein Manchester oder Birmingham, sondern von uralten Bäumen gesäumte Alleen, weitläufige Parks, prächtige Villen und kaum Menschen. Hier liegen Universitätsfakultäten, Forschungsinstitute, eine Klinik, Abgeordnetenbüros und Ministerien sowie Sitz von Präsident, Premier und Vize. Außerdem turnen hier jede Menge Affen durch die Parks, also wirklich, echte. Rund um die parlamentarischen Anstalten sind sogar die Blumenkübel und Absperrpfosten in den Farben der Landesflagge bemalt, als ob hier wirklich regiert würde, aber irgendjemand ist vor einigen Jahren auf die Idee gekommen, Parlament und Regierung nach Dodoma zu verfrachten, das so ziemlich im Mittelpunkt des Landes liegt und als neue Hauptstadt geeignet schien. Allerdings bedachten die Planer nicht, dass Dodoma keinen Bevölkerungszuwachs verträgt, weil der nächste Fluss oder See, der in der regenlosen Jahreszeit nicht komplett austrocknet, 75 km entfernt ist. Jetzt tagt das Parlament zwar in Dodoma, die Wohnungen und Büros der Abgeordneten liegen aber in Dar Es Salaam, wo es genügend Wasser gibt. Diese geniale Logik der Politiker ist keineswegs eine afrikanische Spezialität und auch dir sicher nicht unbekannt, denk nur an Bonn und Berlin oder an Strasbourg und Bruxelles, in Europa turnen meines Wissens auch etliche Affen durch die Ministerien.


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Und dann stehst du am Meer. Ein breiter, weißer Sandstrand, an den der indische Ozean anperlt, aber bevor du dich ausziehst und reinhüpfst, erblickst du eine Art Pipeline, die von der Stadt her schräg ins Meer hineinläuft und einen strengen haut-goût verströmt; da ahnt sogar das Greenhorn, dass es sich hierbei eventuell um die cloaca maxima von Dar handeln könnte, such dir besser schleunigst einen anderen Strand. Eine Ecke weiter setzt wieder heftiger Verkehr an der bisher stillen Uferstraße ein, denn da ist der Fischmarkt, wo es hektisch zugeht und ebenfalls sehr intensiv riecht, weil die Sprotten und Garnelen nicht nur verkauft, sondern auch an Ort und Stelle getrocknet und geräuchert werden. Ich gehe mal davon aus, dass die Fische nicht gerade in der Bucht von Dar gefischt werden, sondern von weiter draußen kommen, jedenfalls hatten diejenigen, die ich in den besseren Speisegaststätten vorgesetzt bekam, keinen fremden oder seltsamen Beigeschmack.


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Jetzt sind wir also beim Essen angelangt. Auf der Terrasse im 3.Obergeschoss eines Geschäftshauses hängen Lampions, und von fern schon kann man das beleuchtete Schild "RESTAURANT RED ONION" erkennen. Obwohl hart am Rand des islamischen Viertels, wird dir dort zu sehr volksnahen Preisen und zu riesigen Speiseportionen ohne mit der Wimper zu zucken Serengeti- oder Kilimanjaro-Bier in den Humpen gefüllt, so viel du saufen kannst, während das wunderhübsche Gartenlokal City Garden im eigentlich unislamischen Kivukoni keinerlei Alkohol offeriert, sondern nur Sprudelwasser und das unvemeidliche internationale Colafanta-Repertoire. Aber dafür kannst du dich da für einen Pauschalpreis am Buffet an Couscous, Ugali, Lamm und Huhn, Shrimps und Calamari vollfressen und hinterher noch, falls das nicht ausreicht, die letzten schlaffen Magenwinkel mit Kuchen, Obst, Datteln, Rosinen und Cashew-Nüssen ausstopfen. Dass der Frank das auch tat, muss ich dir sicher nicht eigens mitteilen. 



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Auf dem Heimweg, im Dunkeln, ruft dir irgendwer lauthals was zu. Klingt wie "Sikamoo!"
Der Frank, der sich für Sprachen interessiert, hat die wenigen Swahili-Seiten im Reiseführer weitgehend auswendig gelernt und brummt deutlich vernehmbar "Marahaba!"
"Wir sollten vorsichtshalber lieber besser beleuchtete Straßen wählen", meint seine Begleiterin Ka, erntet aber nur die Belehrung, dass uns da niemand anmachen wollte, sondern dass die Tanzanier wie alle Afrikaner traditionell sehr höflich seien, wesentlich höflicher als junge Europäer oder Amerikaner.
"Sikamoo" ist ein ehrerbietiger Gruß junger Leute gegenüber Respektspersonen, und "marahaba" die ebenso höfliche Antwort darauf. Der Tourist, der sich mit Sprache und Gebräuchen nicht auskennt, ergreift die Flucht, wenn ihn ein unbekannter Schwarzer scheinbar grundlos anspricht. Aber was soll's, hier tut dir keiner was zuleide, Dar Es Salaam ist nicht Soweto.


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"Kaka, habari za leo."
Der will dir irgendwas verkaufen oder auf sonstige Art an deine Dollars, wenn der gleich mit "kaka" anfängt, lass ihn stehen und mach dich davon, das ist der Reflex des Menschen mit Tropenhelm und Sonnenbrand, der nach alter europäischer Tradition den Schwarzen als ungebildet und von sämtlichen Manieren unbeleckt ansieht. Alles Quatsch. Der Einheimische hat dir nur freundlich "Bruder, guten Tag, wie geht's dir?" gesagt. Du erntest ein freundliches Lächeln, vollkommen kostenlos, wenn du ihm "Nzuri, asante sana" antwortest. (Gut, danke vielmals.) Und dann sagt der Andere sicher "karibu sana", herzlich willkommen. Das ist alles, mehr will er nicht von dir. Es ist dasselbe, was Afrikaner jeden Tag in Deutschland zu hören bekommen. Hoffentlich.
Kein Tanzanier würde je einen anderen einfach drauflos fragen, wo es zum Bahnhof geht. Erst erkundigt man sich nach dem Wohlergehen des Fremden, ehe man zum eigentlichen Thema kommt. Höflichkeit hat in Tanzania einen ebenso hohen sozialen Stellenwert wie in Frankreich, und es kann nicht schaden, sich diesen Bräuchen anzupassen, denn dadurch steht man auf einmal lauter freundlichen Zeitgenossen gegenüber anstelle von vermeintlichen Halunken. Und Afrikaner lachen viel und gern. 


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So, und jetzt? Dass Dar Es Salaam nicht gerade vor Sehenswürdigkeiten überquillt, merkt der Besucher meist schon am zweiten Tag. Also, raus ins Grüne! Der nächste Strand, der außer Reichweite der Großstadt-Abwässer ist, liegt vor dem Golden Tulip Hotel nördlich der Stadt, auf dem Weg nach Mwenge. In diesem Hotel wollen sie uns nur an die Bar lassen, nicht aber an Pool oder Strand, wo wir nämlich kein Geld ausgeben würden. Die Cocktail-Karte der Bar ist beeindruckend, wir bestellen uns einen Mojito und eine Piña Colada, aber nach zehn Minuten kommt der Boy zurück und meint bedauernd, genannte Cocktails seien leider nicht verfügbar. Na gut, ein Daiquirí ist auch in Ordnung. Ich mag keine Cocktails auf Wodka- oder Whiskey-Basis, es muss schon Rum sein. Rum haben sie anscheinend nicht, denn schon wieder macht der Kellner ein langes Gesicht. Der Barkeeper kommt gleich mit. Er hat leider nur Fruchtsäfte und Eiskrem, die Cocktailkarte ist reine Camouflage.  


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Zwei speerbewaffnete Maasai streichen um uns herum, auf dass wir nicht klammheimlich doch noch ins Swimming Pool steigen. Jemand erzählte, die Maasai-Krieger seien billiger als mit Schießeisen bewaffnete Gardisten, führten aus Tradition immer ihren Spieß mit sich und seien seit der Dürre vor zwei Jahren, bei der fast ein Viertel aller Viehbestände verdursteten, auf der Suche nach Einkünften massenhaft in die Städte geströmt, um sich als Wachleute zu verdingen. Ohne Cocktails habe ich nicht vor, tanzanische Hotelbars zu subventionieren, sondern spaziere 200 Meter weiter, wo das Hotelterritorium zu Ende, die Maasai außer Sichtweite und der Strand frei zugänglich ist, aber überall sind nur Fischer am Werk und niemand badet, und obendrein ist noch Ebbe, so dass wir uns nur unter einen Kaktus in den Schatten hocken und eine Limone auslutschen.


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Noch weiter nördlich gibt es richtige Badestrände. Wir haben herausgefunden, dass eines der Innenstadt-Hotels einen kostenlosen Shuttle-Service dorthin anbietet, da sparen wir sogar das teure Taxi. Am Morgen glaube ich allerdings, ich sehe nicht recht: Es regnet in Strömen! Wir sind noch nicht etwa aus Versehen nach St.Peter-Ording geraten? Ist der August nicht etwa der trockenste Monat der Trockenzeit? Da hab ich das offenbar doch nicht in einer klugen Zeitschrift, sondern in der Bildzeitung gelesen... Aber gehen wir mal davon aus, dass diese Wolke den gesamten Niederschlag des Monats über uns ausschüttet und es um 10 Uhr wieder sonnig ist. Während wir in den Shuttlebus steigen, tröpfelt es noch immer. Oder schon wieder. Dann beginnt das Abenteuer. Der Fahrer muss offenbar tanken. Die erste Tankstelle hat zu, die zweite keinen Sprit. An der dritten winken die Leute schon von weitem ab, auch die vierte scheint ausgetrocknet zu sein. Man fühlt sich beinahe wie in der verblichenen DDR. Der Fahrer lässt sich nicht entmutigen und holpert unverdrossen durch die Pfützen der Vorstädte, anstatt uns an den Strand zu bringen. In Mwenge ist heute kein Tropfen Spiritus erhältlich, ein freundlicher Tankwart berichtet, er habe gehört, dass es in Kawe Diesel gebe. Durch die schlammigen Schlaglöcher von Mwenge geht es rein in die schlammigen Schlaglöcher von Kawe. Und siehe da, eine endlose Blechlawine staut sich vor einer Örtlichkeit, die von weitem ganz nach Tankstelle aussieht. Jetzt denke ich schon an Cuba.


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So wie die Tanzanier die einzige geöffnete und lieferwillige Tankstelle belagern, das habe ich noch nicht erlebt. Von allen Seiten fahren sie auf die Zapfsäulen zu, und derjenige, der gerade getankt hat und wegfahren will, kommt nicht raus. Aussichtslos. Eingeklemmt. Wild gestikulierend bahnt er seine Karre millimeterknapp durch die zentimeterweise zurückruckelnden Vehikel, und hinter ihm schließt sich jede Lücke nur noch dichter. Alle drei Minuten wiederholt sich das Schauspiel, es grenzt an ein Wunder, dass wir gegen halb zwei zehn Liter Diesel eingeflößt bekommen und nach zwölf Minuten Rangieren und Palavern die Chaussee erreichen, nur um keine fünf Minuten später im dicksten Landstraßenstau zu stecken, den du je erlebt hast. Ich sag dir, wenn du keinen Fahrer hast, der sich hier auskennt, verbringst du deinen gesamten Urlaub im Stau.
Na schön, Frank, jetzt tu mal nicht so, als seien die deutschen Autofahrer brave Tugendbolde. Die Verwandlung eines biederen Familienvaters in einen brutalen F1-Piloten, sobald er am Steuer seines Audi die Autobahn erreicht, ist ja schon Legende.


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Also, unser Driver macht kehrt, taucht in den nächsten Feldweg ein, gelangt zu einer palmigen Siedlung und kommt hinter einer Fabrikklitsche auf eine andere matschige Piste raus, und nach zwei oder drei weiteren Wendungen, Haken und Schlenkern blinkt auf einmal das Meer zwischen den Akazien durch, der Strand ist nah!
Am Ziel, beim Aussteigen, ist es nur bewölkt und windig. Hübsch hier, am Jangwani-Strand! Palmwedelgedeckte Tische im geschmackvoll angelegten Gärtlein, weißer Sandstrand mit Liegestühlen, ein sauberes Swimming Pool, palmwedelgedeckte Sonnenschirme, alles kostenlos nach Herzenslust zu benutzen.... Allein, es fehlt die Herzenslust, denn der Wind treibt den nächsten, heftigen Regenguss über die Strandidylle, es sind höchstens 15 Grad, wie in St.Peter-Ording. Wir verziehen uns in den überdachten Teil der Bar und wärmen uns mit einem Kaffee auf. Gelangweilt greife ich zu einer der ausliegenden Zeitungen und lese die Schlagzeile: "Regierung verfügt Preiserhöhung für Erdölprodukte, Tankstellenbesitzer protestieren gegen die höheren Preise und haben beschlossen, heute in den Streik zu treten." Aha. War nichts mit DDR oder Cuba, sondern riecht nach Italien, sciopero. Ein Rätsel des heutigen Tages ist gelöst. Es fehlt nur noch die Erklärung dafür, warum es weiterhin unaufhörlich regnet. Die Lieben daheim meinen, wir seien in Afrika mit Tropenhelm und Sonnenbrille in glühender Hitze auf Safari und lechzen nach einer Kokosnuss, und wir frösteln bei knapp 15 Grad und heftigem Sturm vom Meer her im Winterregen der tanzanischen Trockenzeit. Sollen die Wolken doch nach Norden abziehen, nach Somalia, wo es schon zwei Jahre lang nicht mehr geregnet hat und ein geplagtes Volk am Verhungern ist!


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Na ja, der Badestrand heute, das war ein Flop. Nichts gegen den Strand, der ist bildschön und kann eigentlich nichts dafür, dass wir einzigen Gäste im winterlichen Wolkenbruch frösteln. Aber so geht es nicht weiter, es muss etwas geschehen. Entweder kaufe ich mir einen Regenschirm oder ich verlasse Dar Es Salaam. Ehrlich gesagt, die zweite Option ist mir lieber, denn Dar ist ja mit seinen Staubkaskaden und Bombenkratern in jedem Gehweg auch nicht gerade ein Kurort. Am Nachmittag checken wir noch im Hafen, wo die Fähren nach Zanzibar abfahren und wo man die Tickets einkauft, und dann erstickt der Frust des heutigen Tages unter den Bergen von Köstlichkeiten, die das arabische Buffet-Dinner im Garten des Mövenpick-Hotels für uns bereit hält, alle Geheimnisse von Tausendundeiner Nacht sind hier aufgefahren, nämlich die Spezialitäten aller islamischen Länder, von Nasi goreng bis Cassava und Kokospudding, und die Regenwolken machen entweder absichtlich einen Bogen um diesen Garten der Lüste oder sind von dem tanzenden Derwisch vertrieben worden, der sich vor den Gästen einen Schwindelwurm holt. Und was mich besonders wundert: Kein einziger Mosquito bisher, wozu haben wir uns für wahnsinnig viel Geld gegen die Malaria immunisieren lassen? In Tokyo eine halbe Stunde in so einem Gartenlokal, und du bist zerstochen wie ein Nadelkissen.


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Aber jetzt muss ich dir noch erzählen, warum hier solch ein lukullisches Abendmahl aufgetischt wird. Wir befinden uns nämlich im Ramadan, dem islamischen Fastenmonat. Die Zeitrechnung der Araber richtet sich streng nach den Mondphasen, wie bei den Chinesen. Diese schieben jedoch alle paar Jahre einen Schaltmonat ein, damit das Neujahrsfest und der Frühlingsbeginn immer schön zusammenpassen, denn eine Mondphase und dementsprechend jeder Monat dauert nur 30 Tage. Weil ein Jahr jedoch unpraktischerweise 365,26 Tage hat, bleiben am Ende 5,26 Tage übrig, was die Araber gelassen wegstecken. Sie denken sich nichts dabei, wenn ihre Monate rund ums Jahr wandern. In diesem Jahr beginnt der Ramadan mit dem Neumond Ende Juli und endet mit dem Neumond im späten August, und in zwanzig Jahren ist halt im April Ramadan. In diesem Fastenmonat ist es den Muselmännern und -frauen, deren Glauben stärker ist als der Hunger, nur vor Sonnenaufgang und nach Sonnenuntergang gestattet, zu essen, zu trinken, zu .... und zu rauchen. Obwohl, so viel ich weiß, rauchten zu Mohammeds Lebzeiten nur die Ofenrohre, das Rauchverbot muss später in seine Lehren eingeschmuggelt worden sein, ebenso wie das Verschleierungsgebot für orientalische Schönheiten. Aber als Gottloser halt ich mich lieber aus religiösen Diskussionen raus. All das tagsüber Verbotene holen die Frommen jedenfalls nach Sonnenuntergang umso heftiger nach, womit das Fasten während des Tages eigentlich recht sinnlos wird, und hierfür steht das üppige Dinner im Garten des Mövenpick-Hotels in Dar bereit, Abend für Abend während des gesamten Ramadan.


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Aber jetzt erzähl ich dir noch was anderes, hör gut zu. Am Morgen des 2.August, gegen halb 10, die Sonne stand hoch am Ramadan-Himmel, hockten wir dösig in der Abfluglobby des Airports von Dubai und warteten auf unseren Weiterflug nach Dar Es Salaam. Bald nahte ein beleibter Mensch im Kaftan, auf dem fleischigen Schädel so eine islamische Häkelkappe, dazu einen schwarzen Rauschebart, das lebende Abbild eines Fundi-Islamisten. Der plumpst in den Sessel mir gegenüber, macht sein Handgepäck auf und holt keine Handgranate, sondern eine Pappschachtel mit der Aufschrift "Starbucks Coffee" raus und aus einer Plastiktüte einen Packen Stullen, die er, Ramadan hin, Fastenzeit her, mit großem Appetit restlos in seinem paukenförmigen Bauch versenkt. Bekanntlich hat der Prophet nämlich für Reisende eine diskrete Ausnahmeregelung in den Quran geschrieben, weshalb die Mullahs ihre Dienstreisen vorwiegend während des Fastenmonats durchführen.
Zum Schlankwerden taugt der Ramadan jedenfalls nicht.



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