Das tollkühne und (beinahe??) illegale Tempo war bitter nötig, denn Franks nächstes
vorgebuchtes
Hotel wartete in mehr als 200 km Entfernung bei Mývatn auf ihn,
und
jetzt war es schon fast 19 Uhr. Aber vorher zeige ich dir noch ein
wirkliches Elfenhäuschen, ein Appartement für drei
Elfenfamilien, wie es in jedem rechtschaffenen Garten in Ísland
zu finden ist. Die guten Geistlein sollen sich ja willkommen
fühlen, ganz anders als Kirchheimbolanden, das mit deutlich
über 10% Stimmen für rechtsextreme und
ausländerfeindliche Parteien bei Wahlen von allen
guten Geistlein verlassen scheint. Aber lassen wir den provinziellen
Mief aus dem Spiel und atmen in der frischen Luft von Nordísland
tief durch.
Zurück zur Rallye Bakkagerði-Mývatn,
die jetzt in einer Staubwolke in Richtung Flachland über spitziges
Gestein davonstiebt, rauf zum Pass Nr.1, und nach einer kurvigen Hatz
ins Tal über glatte Asphaltpiste weiter ins Abendlicht, das aber
allenfalls nach spätem Nachmittag aussieht. Leider endete auch
hier der Asphalt schon recht bald, und die staubige Abkürzung zum
Hringvegur verlieh Franks tapferem
Subaru endgültig das Aussehen eines Marsmobils. Einen Teil seiner
Tarnfarbe verlor es dank des Karachos, das man einem Subaru gar nicht
zutraut, denn zum Glück ist dieser wohl einsamste Teil der
Ringstraße nahezu ohne Verkehr. Eine grandiose Berglandschaft,
mal sandig braun, mal vulkanisch schwarzgrau, und in der Ferne, mitten in der Wüste Ódáðahraun, die
wirklich majestätische Vulkanin Herðubreið (Berge sind im Isländischen weiblichen Geschlechts),
der du besser nicht zu nahe kommst, denn sie zählt ebenfalls zu
den Zeitbomben mit glimmender Lunte, an denen Ísland so
reich ist. Nach einer
gefühlten Ewigkeit beginnt die Chaussee, sich durch ein endloses
Lavafeld zu winden, und wenn es nach Schwefel riecht und der Boden zu
dampfen beginnt, dann sind Teufels Großmutter und Mývatn
nicht mehr weit.
Aber Franks Herberge. Die liegt nämlich noch eine halbe Stunde hinter Mývatn, und
dazwischen muss er noch teures Futter tanken in einem proppevollen Imbiss in
Reykjahlið.
Die Vulkanseenlandschaft um Mývatn ist für Kenner eine
Attraktion ersten Ranges, und alle Lavaschwefelfreunde vermeiden es,
genau wie
Frank, die astronomischen Preise in ihren Hotelrestaurants zu berappen,
obwohl sicher nicht alle Touristen Schnorrer sind. Aber die meisten.
Als er endlich in der Freilichtbadewanne vor dem Haus in Laugar hockte,
dessen Obergeschoss samt Balkon sein Domizil für zwei Nächte
sein würde, wäre es in anderen Ländern längst
stockfinster, aber in Ísland scheint und wärmt die Sonne
auch um halb elf noch. Und das Bad mit naturheißem Quellwasser
wärmt noch mehr....
Falls
du Frank darin nicht siehst, ist er vorübergehend auf
Tauchstation, kann ja mal vorkommen. Und wenn du den Balkon von Franks
Appartement auf dem Foto vermisst, so wisse denn, dass es das
balkonlose Nachbarhaus abbildet.
Zum Glück gibt es in der Umgebung allerhand zu tun. Einmal rund um
die Seenlandschaft tuckern, da ist schon ein halber Tag um, denn auch
wer dank des eigenen Privatbads das teure öffentliche Mineralpool
Jarðbörðin víð Mývatn
verschmäht, wird doch zumindest seine Füße auf dem
dampfenden Erdboden im Lavagarten wärmen und den heißen Atem
unsres Planeten spüren wollen, damit er nicht vergisst, wie
dünn die Kruste ist, auf der wir unseren Hader austragen.
Sehr alt kann der Lavagarten Dimmuborgir gar nicht sein, denn die Lava
ist noch unbemoost zu waghalsigen, oft haushohen Skulpturen
aufgetürmt, und nicht weit davon ist ein Schlund, in dem ein
unschuldig blaues, klares Gewässer schwappt. Darin zu baden ist
nicht empfehlenswert, denn die Brühe hat knapp 50 Grad, da kannst
du allenfalls deine Eier drin kochen... (Honi soit qui mal y pense...)
Wenn du dich wunderst, dass auf einer so dünnen, zerbrechlichen
Haut über der Höllenglut die Leute vergnügt
einherspazieren, Häuser und Hostels bauen und ihren Urlaub
verbringen, dann denk an die Campi flegrei bei Pozzuoli, die
heiße Lunge des Vesuvio, um die sich mit südländischer
Nonchalance die Stadt Napoli ringelt, als ob Vulkan und Boden
vertraglich für alle Ewigkeit friedlich blieben.
Wie wenig dem Frieden zu trauen ist, wissen die Isländer
natürlich gut. Hier in der Nähe ist erst 1957 ein Pickel auf
der Erdoberfläche namens Krafla aufgeplatzt
und hat den schönen Lavagarten und andere Sightseeing
spots in die Gegend gepflanzt. Die Krafla ist nur schlappe 818 m hoch,
und vom Parkplatz am Fuß des Vulkans aus sind es bis zur
Víti, dem Maar (Kratersee), noch weniger, so wenige, dass sogar
der Frank zu Fuß raufklettern und reinglotzen kann. Weder Krafla
noch Víti sind gezähmt, zum letzten Mal gab es 1984 ein
hübsches Feuerwerk in der Gegend, es könnte also bald wieder
so weit sein, dachte Frank mit einem leichten Grusel, zumal in der
Umgebung aus vielerlei Erdspalten weiße Dampffahnen aufsteigen.
Aber du kannst ja
in Ísland nicht nur bronzezeitliche Eiszapfen lutschen, sondern
musst dir auch mal ansehen, wie es unter dem Deckel brodelt;
das Eiland besteht schließlich aus Feuer und Eis, wie es so
schön heißt.
Und aus vielen Steinen, aber die würdigt kein Dichter.
Die Víti stammt übrigens aus dem Jahre 1724; was da 1957
die Gegend geschwärzt und mit Lavasauce bekleckert hatte, war ein
Nebenkrater wenige hundert Meter neben der Víti, eine Nummer
kleiner, aber nicht minder fotogen.
Auch die Krafla hat ihre Campi flegrei, und es empfiehlt sich, einen
Umweg um die dampfenden und blubbernden Schwefelsümpfe zu machen, denn falls du versehentlich reinfällst, kannst du nicht darauf zählen,
in 6000 Jahren als Ötzi II. wieder ausgespien zu werden.
Auf heißen Sohlen schlich Frank um die Tümpel und freute
sich der interessanten Farben und des sonnigen Wetters, ging den wieder
zahlreichen, sehr wild um sich knipsenden Besuchern aus dem Weg und fand im
Übrigen, dass Ísland mit Japan doch allerhand gemeinsam
hat. Viel Fisch und viele aktive Vulkane, viel Schwefel, heiße
Naturbäder und viele Touristen, hohe Preise und einen sonnigen
Juli - was in aller Welt will er eigentlich hier?
Ich
kann es dir sagen, aber sicher errätst du es auch, denn in
Ísland ist der nächste Wasserfall niemals weit. Der heutige
heißt Dettifoss und lädt eine Menge Wasser einen Stock
tiefer wieder ab. Er zählt größenmäßig zur
Gullfoss-Liga, gibt sich aber recht
stachelig, denn vom Parkplatz aus steht eine lange Wanderung durch hohe
Wände aus einer Art von Lego-Steinen an, die irgendein Troll in
einer mondlosen Nacht hier aufgetürmt haben muss; man sieht daran,
dass Trolle viel Zeit, aber nur wenig Fantasie haben, sonst hätten
sie nämlich aus den riesigen Klumpen was Schöneres gebastelt.
Aber trumpige Trolle gelten wohl zu Recht nicht gerade als Geistesakrobaten.
Der Fall selbst führt leider sehr milchiggraues lavastaubhaltiges
Wasser, der Fluss gleicht den Abwässern einer Zementfabrik, aber
du kannst der Natur eben nicht vorschreiben, wie sie es zu halten hat.
Weil Álfadrottning Borghilður,
die es übernommen hat, Franks isländische Abenteuer zu
sponsern, sein leicht enttäuschtes Gesicht sah, nahm sie ihren
Elfenzauberstab und wuschschschhhh, blinkerte die Gischt in der
Mittagssonne in allen Regenbogenfarben!
Ich sag dir, mit den Elfen musst du dich gut stellen, die sind nicht
kleinlich und bieten dir was dafür. Zum Beispiel das schöne
Wetter die letzten vier oder fünf Tage - in Reykjavík soll
es aus allen Knopflöchern schütten. Und die Wunder gehen noch
weiter, ich will sie dir nicht verheimlichen.
Bei Asbyrgi gibt es einen ansehnlichen Cañón mit rundum
senkrecht abfallenden Felswänden, die u.a. einen Campingplatz
umschlingen. Ein junges Girl mit Rucksack stand am Straßenrand
und winkte so wild, als sei ihr der Touristenbus vor der Nase
weggefahren. Frank las sie auf und hörte, dass sie nur zum
Campinglatz wolle, keine 800 m weiter vorne. Er wollte wissen, aus
welcher Region der Welt die gehfaule junge Dame komme, und sie meinte
nur "aus Reykjavík, bin Isländerin".
Nein, das war jetzt kein Wunder, das die Elfenkönigin bewirkt
hätte, sondern ein Beispiel dafür, wie weit die Nachfahren
der Raufbolde des Nordens, der Wikinger, gesunken sind anno 2017.
Das schöne Kirchlein samt
schönem Leichenwagen vor wolkenlos blauem Himmel steht in Husavík, dem größten und
hübschesten Städtchen an der Tjörnes-Halbinsel, und hier
fand Frank im Hafen ein Restaurant, in dem er für nur 35 €, so viel wie du in einer schäbigen Búðin für eine Tüte Fish'n'chips und eine amerikanische Karamellbrause bezahlst,
die Wahl hatte zwischen Steinbutt und arktischem Seelachs. Wenn das mal
nicht eines der großen Wunder ist, die dir in Ísland
zustoßen, wenn du auf Borghilðurs Liste der Elfenfreunde stehst...
Bevor er weiterfährt, wendet sich
Frank noch einmal dem Meer zu, das sich bei blendender Nachmittagssonne
(es ist etwa 20 Uhr) unbegrenzt bis zum Horizont erstreckt, seidig
blau und kalt - bis zum Nordpol kommt nichts mehr als ein paar
schwitzende Eisberge.
Schon wartet der nächste Wasserfall, wie könnte es anders sein, und das ist Papa Goðafoss,
der Götterfall. Angeblich hat Þorgeir, der letzte Druide
Íslands, im Jahre 1000, als die Christen anfingen, die Wikinger
zu zähmen, mit einem abgrundtiefen Seufzer die letzten noch aktiven heidnischen Figurinen von Wotan und seinen Walküren im
gurgelnden Strudel dieses Falles versenkt, bis ein gewisser Richard
Wagner sie wieder ausgrub und ihnen in Bayreuth einen Tempel errichtete.
Ja, ist schon gut. Frank gelobt hiermit in aller Feierlichkeit,
künftig alle Wasserfälle zu meiden und den gelangweilten
Leser mit anderen Aventüren zu erheitern.
Versuchen wir's mal in Akureyri, der zweitgrößten Stadt
Íslands, sofern man die bevölkerungsreichen, selbständigen Bedtowns
Kópavogur und Hafnafjörður zu Reykjavík hinzurechnet. In Akureyri fand Frank ein richtiges urbanes
Zentrum - und eine alte Bekannte, nämlich die dicke
AidaCara von Seyðisfjörður,
die auch hier wieder vor Anker lag. Das hatte zur Folge, dass auch
Akureyris Innenstadt, vor allem die Flaniermeile Hafnastræti
(Hafenstraße), von den altbekannten Anorakgestalten
bevölkert war, aber das bekommt dem Ort und seiner Ökonomie
durchaus recht
gut. Frank gönnte sich nur einen Kaffee und kaufte nicht mehr als
eine deutsche Zeitschrift der vorvergangenen Woche, die ein Postkarten-
und Souvenirladen vorrätig hatte; sicher war auch hierbei eine Fee
mit ihrem Zauberstab im Spiel, denn in Reykjavík suchte Frank
vergebens nach solchen Kostbarkeiten; es gab nur T-Shirts, Wollpullis,
Reiseführer und Puffy Goods, also das, was Besucher, dem Aberglauben der
Händler zufolge, am dringendsten benötigen.
Frank war von einer anderen Attraktion der Stadt beeindruckt. Weit oben
auf dem steilen Hang, an den sich Akureyri am Ende des
breiten Eyjafjörður schmiegt,
ist ein luschiger Botanischer Garten angelegt, wundervoll gepflegt, der
geradezu liebevoll drapiert die schönsten Blumen und Blüten
des Nordens präsentiert, von Finnland über Svalbard bis
Grønland. Und im hohen Norden ist die Blütezeit sehr kurz,
das muss alles zwischen Ende Juni und Anfang September erledigt sein;
"wer zu spät kommt, den bestraft das Leben", hat mal Mohammed,
Laotse, Prince Edward oder sonst irgendein Promi von sich gegeben. Ein
manischer Blumenfreak ist unser
Schnorrerfrank eigentlich nicht, aber dass in Ísland etwas
kostenlos ist wie der Zutritt zu dem wundervollen Blumengarten, machte ihm das
Gärtlein schon sympathisch, und dass dort sogar die Disteln wie
von einem Designkünstler arrangiert in tapetenmustertauglichen
Tönen vor sich hinblühen, fand er einfach cool.
Nicht alles, was cool ist, muss mit Techno und Cyber zu tun haben; die
Natur hatte schon immer die größten Hits auf Lager, und hier
findest du sie gehäuft.
Bevor die Weltumsegler aus Übersee mit ihrem schwimmenden AidaCara-Hotel nach Siglufjörður
kämen, wollte Frank schon da sein, weshalb er Akureyri trotz des
blendend schönen Wetters und des freundlichen Ambientes nicht mehr
als einen halben Tag widmete. Der Zielort an der Nordspitze der Halbinsel
Tröllaskagi ist zwar nicht so gut als Hafen für
Hochseeschiffe geeignet wie Akureyri, sondern mehr für
Fischtrawler, aber man kann ja nie wissen, ob nicht die
Heringsindustrie von Siglufjörður
auf Kreuzfahrttouristen anziehend wirkt. Auf Frank schon, der sich allmorgendlich
beim Hotelbuffet über die Heringsteller hermacht. Allerdings hat er
schon gemerkt, dass sich die isländische Kunst der
Heringszubereitung offenbar auf die drei Varianten Bismarck, Matjes und
Salzhering in Dill beschränkt. Um zu erkunden, was mit frischen
Heringen kulinarisch sonst noch passieren kann, hockte er sich in die
beliebteste Hafenkneipe, ins Kaffi Rauðka, wo
nämlich groß "Heringsteller mit Fisch in allen Variationen zum
Probieren" angeschrieben stand, genau das, was Frank suchte.
Hering kann man, wie es in Japan geschieht, auf tausenderlei Art
zubereiten. Kochen, fritieren, grillen, sieden, trocknen, braten,
einlegen, räuchern und panieren, und Frank war gespannt, was wohl im
Heringszentrum von Ísland alles aus einem simplen Hering hervorgezaubert würde.
Stell dir vor, was er für Augen machte, als ihn da für "nur
30 €" auf seinem Tellerchen gerade mal drei Minihäufchen
von Bismarck, Matjes und Salzhering in Dill angrinsten. Vermutlich gab es auch schon zu Borghilðurs
Zeiten nichts Anderes, oder die Dame ist, bei allen sonstigen
Qualitäten, auf kulinarischem Gebiet nicht sehr versiert. Und der
Fortschritt Íslands auf dem Gourmet-Sektor lässt noch erheblich zu
wünschen übrig.
Siglufjörður
ist ein anmutiges Städtchen, das einige Besucher sogar als
das schönste von ganz Ísland bezeichnen, aber für
Franks Geschmack ist die Gastronomie ein wenig zu traditionell, und
manche Einwohner des Fischerdorfs wirkten auf ihn etwas hölzern.
Wenn du Ho-ho-ho... hörst,
denkst du normalerweise, dass unser Frank nun womöglich dank
Elfenzauber satte 10379 km weiter südöstlich durch Asien
rauscht, aber er töffelt weiterhin durch die
Pampa in Nordísland via Hofsós und Hólar nach Hofsstaðir.
In Hofsós, einem idyllischen Nest, das sich in der Abendsonne
räkelt, stehen ein paar sehr alte Fischerhäuschen und ein Amt
für Emigration nach Übersee, das sich kaum von
den Fischerhäusern unterscheidet, sich aber bei näherem
Hinsehen als Museum entpuppt. Der erste Wikinger, der von Ísland
aus weiter südwestlich zog und als US-Staatsbürger endete, stammte
nämlich aus Hofsós, und einige andere taten es ihm nach.
Andernfalls wäre heute womöglich Hofsós Íslands
zweitgrößte Stadt und nicht Akureyri.
In Hólar residierte jahrhundertelang ein Bischof; die Kathedrale
steht noch, ist aber nicht so groß wie die schöne Kirche von
Husavík, ja, die mit dem Leichenwagen davor. Ohne Bischof ist
Hólar wie eine taube Nuss, doch für seine Heiligkeit war das
gesellige Nachtleben von Reykjavík offenbar attraktiver,
natürlich nur, weil es dort mehr Seelen vor der ewigen Verdammnis
zu retten gab als im gesamten restlichen Ísland.
Von Hofsstaðir
gibt es nicht viel zu berichten, denn das besteht eigentlich nur aus
einem Hotel, das in einem weiten Tal auf einer endlosen Wiese steht, und
weil Frank dort die Nacht verbrachte und seine Veranda genau auf die wolkenlose Abendsonne zeigte, kannst
du dir mal ansehen, wie es eine halbe Stunde vor Mitternacht, kurz
vor dem wolkenlosen Sonnenuntergang, dort aussieht.
Ísland liegt in seiner Gänze unterhalb des Polarkreises, so dass es auch am 21.Juni keine Mitternachtssonne gibt, aber erstens streift der Polarkreis nur 50 km nördlich von Hofsstaðir die Insel, sozusagen in Sichtweite, und zweitens geht die Sonne am Johannistag nur mal kurz austreten und ploppt gleich wieder herauf wie ein Pingpongball im Swimming pool.
Ein Glaumbær ist kein Verwandter von Grizzlys, Teddys oder
Eisbären, sondern der Name eines Dörfleins in der Nähe,
dessen Architektur bemerkenswert ist, ein Vorbild für die deutsche
Bürokratie. Du kennst das ja, die Dämmerei. Wenn du
Hausbesitzer bist, musst du alle Wände mit Styropor abdämmen,
weil eine neue Vorschrift dich dazu zwingt, zwei Jahre später
alles wieder rausrupfen, weil es zu feuergefährlich ist, und
weitere zwei Jahre später die nächste Filzschicht unter die
Tapete schieben, bis alles so zugedämmt ist, dass deine Mieter
selbst bei Minusgraden alle halbe Stunde die Fenster aufreißen,
um nicht im Mief zu ersticken.
Wahrscheinlich gab es in Ísland schon zu Zeiten der Wikinger
umweltbewusste Dämmspezialisten, denn die Häuslein von Glaumbær,
in Torf und Graswurzeln verpackt,
lassen jeden deutschen Dämmspezi erblassen. Heutzutage findet man
solche Torfhüttlein nur noch vereinzelt, in Bakkagerði und in
Hólar, denn die Leute haben
ja alle kostenlose Wasserheizungen aus vulkanischen Quellen, die man
bitte nicht abstellen möge, wie überall groß
drangeschrieben steht, sondern, wenn es zu warm ist, lieber die Fenster
offen lassen soll. Siehst du, so machen es deine Mieter in
Kirchheimbolanden nämlich auch.
Wie effektiv die Torfdämmung ist, weiß Frank leider nicht,
er war ja nicht im Januar da, sondern im Hochsommer, aber dass solche
Rumpelstilzchenhüttlein manchen Schneesturm ungerührt
überstehen, kann man sich durchaus vorstellen. Und eleganter als
Styropor sieht es allemal aus. Blöd wäre es nur, wenn es sich
auch die Maulwürfe auf dem Dachrasen gemütlich machten, aber
wie Frank einmal gelesen hatte, sind sie mit dem isländischen
Brennivín effektiv zu vertreiben - entweder in die entsetzte
Flucht oder in die Arme der Alcoholics Anonymous. Kein Wunder, denn der Beiname
des isländischen Kartoffelschnapses lautet Svarti ðauði, verdeutscht der "schwarze Tod".
Nein, der Frank lässt von solchem Höllengebräu die Finger weg, er hängt noch immer am taugleichen Leben und will nüchtern bis nach Reykjavík gelangen, das jetzt nicht mehr weit ist.
Stell dir vor, nun ist er schon fast zwei Wochen in Ísland und hat von Reykjavík noch nicht mal das Rey gesehen!
Einen letzten Wasserfall erspare ich dir, aber den lieblichen Weiher am
Ende eines der letzten stillen Fjorde vor der einzigen richtigen
großen Stadt der Insel, den zeige ich dir gerne.
Bei Hvammstangi zweigt eine Geröllpiste ab nach Norden, und viele
staubige Kilometer weiter gibt es einige Robbenkolonien. Bevor Frank zu
viel Staub inhaliert, fragt er den Fahrer eines anderen Mietwagens, der
aus der Gegenrichtung kommend gerade Rast macht, ob sich die Tortur
über naturnahe Pisten auch lohne.
"Klar doch, wenn Sie ein gutes Fernglas dabei haben..."
Frank beschloss, die Robben unbehelligt zu lassen, und auch Ka stimmte
freudig ein, denn seit New Zealand sind ihr diese glatzköpfigen Zeitgenossen etwas
unheimlich. Dort lagerten sie nämlich mitten auf einem Strandpfad,
und als Ka ein kimjongun-feistes Walross höflich
darum bat, doch ein wenig zur Seite zu rücken und ihr die Passage
freizugeben, schnappte der Unhold mit dem Günthergrass-Schnauzer
röchelnd nach ihrem Bein und bekam glücklicherweise nur ihren
Jeanssaum zu fassen. Seitdem achtet sie bei Robben, Seehunden und
ähnlichem Ziefer auf eine gewisse Distanz. Aber Fernglas... - so
groß sollte der Abstand nun auch wieder nicht sein.
Nein, das ist doch kein Seehundlöwenrobbenskelett, sondern moderne
Kunst an der Uferpromenade von Reykjavík! Ein stilisiertes
Wikingerschiff aus Aluminium, und die Nachwuchswikinger versuchen mit
Eifer, damit in die blaue See zu stechen.
Du siehst, Frank hat in der Hauptstadt Einzug gehalten und als erstes
das Café Laundromat aufgesucht. Das ist ein Vielzweckcafé; oben
bekommst du was zu futtern und im Keller stehen Waschmaschinen und eine
Bande Pfadfinder aus aller Welt. Die haben irgendein Jamboree und in
ihrem Hostel keine Wäscherei, weshalb Frank, bei 21 Boy und Girl
Scouts und vier Waschmaschinen, den größten Teil seines
ersten Tages in Reykjavík im Keller besagten Cafés
verbrachte.
Nein, davon bekommst du kein Foto,
denn wie eine isländische
Waschmaschine aussieht, wird sich deine Fantasie vermutlich ausmalen
können. Auch von der Preisfrage nach einem preiswerten Restaurant
in Reykjavík sollst du verschont bleiben. Nur so viel, dass
Reykjavík eine wuselige, aber ansehnliche und sympathische Stadt
ist, im Juli voller Touristen und Boutiquen, Souvenirfritzen und
Hotels, die im Winterhalbjahr vermutlich fast alle schließen. Und
am Yachthafen, da steht ein preisgekröntes Ding, die Harpa,
Íslands einziges Konferenz-, Konzert- und Opernhaus, von
Stararchitekten ans Meer gebaut, nach einer Pleite der Investorengruppe
durch die öffentliche Hand (= auf Kosten der Steuerzahler)
für ein Vielfaches des ursprünglichen Budgets fertiggestellt
und 2011 eröffnet,
diesen naturgegebenen Lauf der Dinge kennst du ja schon längst von der Elbphilharmonie und diversen Olympischen Dopiaden.
Obwohl der eigentliche Airport von Reykjavík im 55 km entfernten
Keflavík in die Lava geplättet wurde, hat auch
Reykjavík einen städtischen Flugplatz. Von dort starten
aber nur Inlandflüge oder Kleinflugzeuge für Kurzstrecken. In
einem solchen 40sitzigen Brummkäfer saß Frank am 25.Juli und
hob ab in Richtung Ilulissat, das du auf einer Karte von
Ísland vergeblich suchen wirst.