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Das tollkühne und (beinahe??) illegale Tempo war bitter nötig, denn Franks nächstes vorgebuchtes Hotel wartete in mehr als 200 km Entfernung bei Mývatn auf ihn, und jetzt war es schon fast 19 Uhr. Aber vorher zeige ich dir noch ein wirkliches Elfenhäuschen, ein Appartement für drei Elfenfamilien, wie es in jedem rechtschaffenen Garten in Ísland zu finden ist. Die guten Geistlein sollen sich ja willkommen fühlen, ganz anders als Kirchheimbolanden, das mit deutlich über 10% Stimmen für rechtsextreme und ausländerfeindliche Parteien bei Wahlen von allen guten Geistlein verlassen scheint. Aber lassen wir den provinziellen Mief aus dem Spiel und atmen in der frischen Luft von Nordísland tief durch.

 
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Zurück zur Rallye Bakkagerði-Mývatn, die jetzt in einer Staubwolke in Richtung Flachland über spitziges Gestein davonstiebt, rauf zum Pass Nr.1, und nach einer kurvigen Hatz ins Tal über glatte Asphaltpiste weiter ins Abendlicht, das aber allenfalls nach spätem Nachmittag aussieht. Leider endete auch hier der Asphalt schon recht bald, und die staubige Abkürzung zum Hringvegur verlieh Franks tapferem Subaru endgültig das Aussehen eines Marsmobils. Einen Teil seiner Tarnfarbe verlor es dank des Karachos, das man einem Subaru gar nicht zutraut, denn zum Glück ist dieser wohl einsamste Teil der Ringstraße nahezu ohne Verkehr. Eine grandiose Berglandschaft, mal sandig braun, mal vulkanisch schwarzgrau, und in der Ferne, mitten in der Wüste Ódáðahraun, die wirklich majestätische Vulkanin Herðubreið (Berge sind im Isländischen weiblichen Geschlechts), der du besser nicht zu nahe kommst, denn sie zählt ebenfalls zu den Zeitbomben mit glimmender Lunte, an denen Ísland so reich ist. Nach einer gefühlten Ewigkeit beginnt die Chaussee, sich durch ein endloses Lavafeld zu winden, und wenn es nach Schwefel riecht und der Boden zu dampfen beginnt, dann sind Teufels Großmutter und Mývatn nicht mehr weit.


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Aber Franks Herberge. Die liegt nämlich noch eine halbe Stunde hinter Mývatn, und dazwischen muss er noch teures Futter tanken in einem proppevollen Imbiss in Reykjahlið. Die Vulkanseenlandschaft um Mývatn ist für Kenner eine Attraktion ersten Ranges, und alle Lavaschwefelfreunde vermeiden es, genau wie Frank, die astronomischen Preise in ihren Hotelrestaurants zu berappen, obwohl sicher nicht alle Touristen Schnorrer sind. Aber die meisten.
Als er endlich in der Freilichtbadewanne vor dem Haus in Laugar hockte, dessen Obergeschoss samt Balkon sein Domizil für zwei Nächte sein würde, wäre es in anderen Ländern längst stockfinster, aber in Ísland scheint und wärmt die Sonne auch um halb elf noch. Und das Bad mit naturheißem Quellwasser wärmt noch mehr....
Falls du Frank darin nicht siehst, ist er vorübergehend auf Tauchstation, kann ja mal vorkommen. Und wenn du den Balkon von Franks Appartement auf dem Foto vermisst, so wisse denn, dass es das balkonlose Nachbarhaus abbildet.


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Zum Glück gibt es in der Umgebung allerhand zu tun. Einmal rund um die Seenlandschaft tuckern, da ist schon ein halber Tag um, denn auch wer dank des eigenen Privatbads das teure öffentliche Mineralpool Jarðbörðin víð Mývatn verschmäht, wird doch zumindest seine Füße auf dem dampfenden Erdboden im Lavagarten wärmen und den heißen Atem unsres Planeten spüren wollen, damit er nicht vergisst, wie dünn die Kruste ist, auf der wir unseren Hader austragen.
Sehr alt kann der Lavagarten Dimmuborgir gar nicht sein, denn die Lava ist noch unbemoost zu waghalsigen, oft haushohen Skulpturen aufgetürmt, und nicht weit davon ist ein Schlund, in dem ein unschuldig blaues, klares Gewässer schwappt. Darin zu baden ist nicht empfehlenswert, denn die Brühe hat knapp 50 Grad, da kannst du allenfalls deine Eier drin kochen... (Honi soit qui mal y pense...)
Wenn du dich wunderst, dass auf einer so dünnen, zerbrechlichen Haut über der Höllenglut die Leute vergnügt einherspazieren, Häuser und Hostels bauen und ihren Urlaub verbringen, dann denk an die Campi flegrei bei Pozzuoli, die heiße Lunge des Vesuvio, um die sich mit südländischer Nonchalance die Stadt Napoli ringelt, als ob Vulkan und Boden vertraglich für alle Ewigkeit friedlich blieben.


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Wie wenig dem Frieden zu trauen ist, wissen die Isländer natürlich gut. Hier in der Nähe ist erst 1957 ein Pickel auf der Erdoberfläche namens Krafla aufgeplatzt und hat den schönen Lavagarten und andere Sightseeing spots in die Gegend gepflanzt. Die Krafla ist nur schlappe 818 m hoch, und vom Parkplatz am Fuß des Vulkans aus sind es bis zur Víti, dem Maar (Kratersee), noch weniger, so wenige, dass sogar der Frank zu Fuß raufklettern und reinglotzen kann. Weder Krafla noch Víti sind gezähmt, zum letzten Mal gab es 1984 ein hübsches Feuerwerk in der Gegend, es könnte also bald wieder so weit sein, dachte Frank mit einem leichten Grusel, zumal in der Umgebung aus vielerlei Erdspalten weiße Dampffahnen aufsteigen. Aber du kannst ja in Ísland nicht nur bronzezeitliche Eiszapfen lutschen, sondern musst dir auch mal ansehen, wie es unter dem Deckel brodelt; das Eiland besteht schließlich aus Feuer und Eis, wie es so schön heißt. Und aus vielen Steinen, aber die würdigt kein Dichter.


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Die Víti stammt übrigens aus dem Jahre 1724; was da 1957 die Gegend geschwärzt und mit Lavasauce bekleckert hatte, war ein Nebenkrater wenige hundert Meter neben der Víti, eine Nummer kleiner, aber nicht minder fotogen.
Auch die Krafla hat ihre Campi flegrei, und es empfiehlt sich, einen Umweg um die dampfenden und blubbernden Schwefelsümpfe zu machen, denn falls du versehentlich reinfällst, kannst du nicht darauf zählen, in 6000 Jahren als Ötzi II. wieder ausgespien zu werden.
Auf heißen Sohlen schlich Frank um die Tümpel und freute sich der interessanten Farben und des sonnigen Wetters, ging den wieder zahlreichen, sehr wild um sich knipsenden Besuchern aus dem Weg und fand im Übrigen, dass Ísland mit Japan doch allerhand gemeinsam hat. Viel Fisch und viele aktive Vulkane, viel Schwefel, heiße Naturbäder und viele Touristen, hohe Preise und einen sonnigen Juli - was in aller Welt will er eigentlich hier?


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Ich kann es dir sagen, aber sicher errätst du es auch, denn in Ísland ist der nächste Wasserfall niemals weit. Der heutige heißt Dettifoss und lädt eine Menge Wasser einen Stock tiefer wieder ab. Er zählt größenmäßig zur Gullfoss-Liga, gibt sich aber recht stachelig, denn vom Parkplatz aus steht eine lange Wanderung durch hohe Wände aus einer Art von Lego-Steinen an, die irgendein Troll in einer mondlosen Nacht hier aufgetürmt haben muss; man sieht daran, dass Trolle viel Zeit, aber nur wenig Fantasie haben, sonst hätten sie nämlich aus den riesigen Klumpen was Schöneres gebastelt. Aber trumpige Trolle gelten wohl zu Recht nicht gerade als Geistesakrobaten.
Der Fall selbst führt leider sehr milchiggraues lavastaubhaltiges Wasser, der Fluss gleicht den Abwässern einer Zementfabrik, aber du kannst der Natur eben nicht vorschreiben, wie sie es zu halten hat. Weil Álfadrottning Borghilður, die es übernommen hat, Franks isländische Abenteuer zu sponsern, sein leicht enttäuschtes Gesicht sah, nahm sie ihren Elfenzauberstab und wuschschschhhh, blinkerte die Gischt in der Mittagssonne in allen Regenbogenfarben!


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Ich sag dir, mit den Elfen musst du dich gut stellen, die sind nicht kleinlich und bieten dir was dafür. Zum Beispiel das schöne Wetter die letzten vier oder fünf Tage - in Reykjavík soll es aus allen Knopflöchern schütten. Und die Wunder gehen noch weiter, ich will sie dir nicht verheimlichen.
Bei Asbyrgi gibt es einen ansehnlichen Cañón mit rundum senkrecht abfallenden Felswänden, die u.a. einen Campingplatz umschlingen. Ein junges Girl mit Rucksack stand am Straßenrand und winkte so wild, als sei ihr der Touristenbus vor der Nase weggefahren. Frank las sie auf und hörte, dass sie nur zum Campinglatz wolle, keine 800 m weiter vorne. Er wollte wissen, aus welcher Region der Welt die gehfaule junge Dame komme, und sie meinte nur "aus Reykjavík, bin Isländerin".
Nein, das war jetzt kein Wunder, das die Elfenkönigin bewirkt hätte, sondern ein Beispiel dafür, wie weit die Nachfahren der Raufbolde des Nordens, der Wikinger, gesunken sind anno 2017.


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Das schöne Kirchlein samt schönem Leichenwagen vor wolkenlos blauem Himmel steht in Husavík, dem größten und hübschesten Städtchen an der Tjörnes-Halbinsel, und hier fand Frank im Hafen ein Restaurant, in dem er für nur 35 €, so viel wie du in einer schäbigen Búðin für eine Tüte Fish'n'chips und eine amerikanische Karamellbrause bezahlst, die Wahl hatte zwischen Steinbutt und arktischem Seelachs. Wenn das mal nicht eines der großen Wunder ist, die dir in Ísland zustoßen, wenn du auf Borghilðurs Liste der Elfenfreunde stehst...
Bevor er weiterfährt, wendet
sich Frank noch einmal dem Meer zu, das sich bei blendender Nachmittagssonne (es ist etwa 20 Uhr) unbegrenzt bis zum Horizont erstreckt, seidig blau und kalt - bis zum Nordpol kommt nichts mehr als ein paar schwitzende Eisberge.

Schon wartet der nächste Wasserfall, wie könnte es anders sein, und das ist Papa Go
ðafoss, der Götterfall. Angeblich hat Þorgeir, der letzte Druide Íslands, im Jahre 1000, als die Christen anfingen, die Wikinger zu zähmen, mit einem abgrundtiefen Seufzer die letzten noch aktiven heidnischen Figurinen von Wotan und seinen Walküren im gurgelnden Strudel dieses Falles versenkt, bis ein gewisser Richard Wagner sie wieder ausgrub und ihnen in Bayreuth einen Tempel errichtete.


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Ja, ist schon gut. Frank gelobt hiermit in aller Feierlichkeit, künftig alle Wasserfälle zu meiden und den gelangweilten Leser mit anderen Aventüren zu erheitern.
Versuchen wir's mal in Akureyri, der zweitgrößten Stadt Íslands, sofern man
die bevölkerungsreichen, selbständigen Bedtowns Kópavogur und Hafnafjörður zu Reykjavík hinzurechnet. In Akureyri fand Frank ein richtiges urbanes Zentrum - und eine alte Bekannte, nämlich die dicke AidaCara von Seyðisfjörður, die auch hier wieder vor Anker lag. Das hatte zur Folge, dass auch Akureyris Innenstadt, vor allem die Flaniermeile Hafnastræti (Hafenstraße), von den altbekannten Anorakgestalten bevölkert war, aber das bekommt dem Ort und seiner Ökonomie durchaus recht gut. Frank gönnte sich nur einen Kaffee und kaufte nicht mehr als eine deutsche Zeitschrift der vorvergangenen Woche, die ein Postkarten- und Souvenirladen vorrätig hatte; sicher war auch hierbei eine Fee mit ihrem Zauberstab im Spiel, denn in Reykjavík suchte Frank vergebens nach solchen Kostbarkeiten; es gab nur T-Shirts, Wollpullis, Reiseführer und Puffy Goods, also das, was Besucher, dem Aberglauben der Händler zufolge, am dringendsten benötigen.


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Frank war von einer anderen Attraktion der Stadt beeindruckt. Weit oben auf dem steilen Hang, an den sich Akureyri am Ende des breiten Eyjafjör
ður schmiegt, ist ein luschiger Botanischer Garten angelegt, wundervoll gepflegt, der geradezu liebevoll drapiert die schönsten Blumen und Blüten des Nordens präsentiert, von Finnland über Svalbard bis Grønland. Und im hohen Norden ist die Blütezeit sehr kurz, das muss alles zwischen Ende Juni und Anfang September erledigt sein; "wer zu spät kommt, den bestraft das Leben", hat mal Mohammed, Laotse, Prince Edward oder sonst irgendein Promi von sich gegeben. Ein manischer Blumenfreak ist unser Schnorrerfrank eigentlich nicht, aber dass in Ísland etwas kostenlos ist wie der Zutritt zu dem wundervollen Blumengarten, machte ihm das Gärtlein schon sympathisch, und dass dort sogar die Disteln wie von einem Designkünstler arrangiert in tapetenmustertauglichen Tönen vor sich hinblühen, fand er einfach cool.
Nicht alles, was cool ist, muss mit Techno und Cyber zu tun haben; die Natur hatte schon immer die größten Hits auf Lager, und hier findest du sie gehäuft.


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Bevor die Weltumsegler aus Übersee mit ihrem schwimmenden AidaCara-Hotel nach Siglufjör
ður kämen, wollte Frank schon da sein, weshalb er Akureyri trotz des blendend schönen Wetters und des freundlichen Ambientes nicht mehr als einen halben Tag widmete. Der Zielort an der Nordspitze der Halbinsel Tröllaskagi ist zwar nicht so gut als Hafen für Hochseeschiffe geeignet wie Akureyri, sondern mehr für Fischtrawler, aber man kann ja nie wissen, ob nicht die Heringsindustrie von Siglufjörður auf Kreuzfahrttouristen anziehend wirkt. Auf Frank schon, der sich allmorgendlich beim Hotelbuffet über die Heringsteller hermacht. Allerdings hat er schon gemerkt, dass sich die isländische Kunst der Heringszubereitung offenbar auf die drei Varianten Bismarck, Matjes und Salzhering in Dill beschränkt. Um zu erkunden, was mit frischen Heringen kulinarisch sonst noch passieren kann, hockte er sich in die beliebteste Hafenkneipe, ins Kaffi Rauðka, wo nämlich groß "Heringsteller mit Fisch in allen Variationen zum Probieren" angeschrieben stand, genau das, was Frank suchte.


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Hering kann man, wie es in Japan geschieht, auf tausenderlei Art zubereiten. Kochen, fritieren, grillen, sieden, trocknen, braten, einlegen, räuchern und panieren, und Frank war gespannt, was wohl im Heringszentrum von Ísland alles aus einem simplen Hering hervorgezaubert würde.
Stell dir vor, was er für Augen machte, als ihn da für "nur 30 €" auf seinem Tellerchen gerade mal drei Minihäufchen von
Bismarck, Matjes und Salzhering in Dill angrinsten. Vermutlich gab es auch schon zu Borghilðurs Zeiten nichts Anderes, oder die Dame ist, bei allen sonstigen Qualitäten, auf kulinarischem Gebiet nicht sehr versiert. Und der Fortschritt Íslands auf dem Gourmet-Sektor lässt noch erheblich zu wünschen übrig.
Siglufjör
ður ist ein anmutiges Städtchen, das einige Besucher sogar als das schönste von ganz Ísland bezeichnen, aber für Franks Geschmack ist die Gastronomie ein wenig zu traditionell, und manche Einwohner des Fischerdorfs wirkten auf ihn etwas hölzern.


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Wenn du Ho-ho-ho... hörst, denkst du normalerweise, dass unser Frank nun womöglich dank Elfenzauber satte 10379 km weiter südöstlich durch Asien rauscht, aber er töffelt weiterhin durch die Pampa in Nordísland via Hofsós und lar nach Hofssta
ðir. In Hofsós, einem idyllischen Nest, das sich in der Abendsonne räkelt, stehen ein paar sehr alte Fischerhäuschen und ein Amt für Emigration nach Übersee, das sich kaum von den Fischerhäusern unterscheidet, sich aber bei näherem Hinsehen als Museum entpuppt. Der erste Wikinger, der von Ísland aus weiter südwestlich zog und als US-Staatsbürger endete, stammte nämlich aus Hofsós, und einige andere taten es ihm nach. Andernfalls wäre heute womöglich Hofsós Íslands zweitgrößte Stadt und nicht Akureyri.


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In Hólar residierte jahrhundertelang ein Bischof; die Kathedrale steht noch, ist aber nicht so groß wie die schöne Kirche von Husavík, ja, die mit dem Leichenwagen davor. Ohne Bischof ist Hólar wie eine taube Nuss, doch für seine Heiligkeit war das gesellige Nachtleben von Reykjavík offenbar attraktiver, natürlich nur, weil es dort mehr Seelen vor der ewigen Verdammnis zu retten gab als im gesamten restlichen Ísland.
Von Hofssta
ðir gibt es nicht viel zu berichten, denn das besteht eigentlich nur aus einem Hotel, das in einem weiten Tal auf einer endlosen Wiese steht, und weil Frank dort die Nacht verbrachte und seine Veranda genau auf die wolkenlose Abendsonne zeigte, kannst du dir mal ansehen, wie es eine halbe Stunde vor Mitternacht, kurz vor dem wolkenlosen Sonnenuntergang, dort aussieht.
Ísland liegt in seiner Gänze unterhalb des Polarkreises, so dass es auch am
21.Juni keine Mitternachtssonne gibt, aber erstens streift der Polarkreis nur 50 km nördlich von Hofsstaðir die Insel, sozusagen in Sichtweite, und zweitens geht die Sonne am Johannistag nur mal kurz austreten und ploppt gleich wieder herauf wie ein Pingpongball im Swimming pool.


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Ein Glaumbær ist kein Verwandter von Grizzlys, Teddys oder Eisbären, sondern der Name eines Dörfleins in der Nähe, dessen Architektur bemerkenswert ist, ein Vorbild für die deutsche Bürokratie. Du kennst das ja, die Dämmerei. Wenn du Hausbesitzer bist, musst du alle Wände mit Styropor abdämmen, weil eine neue Vorschrift dich dazu zwingt, zwei Jahre später alles wieder rausrupfen, weil es zu feuergefährlich ist, und weitere zwei Jahre später die nächste Filzschicht unter die Tapete schieben, bis alles so zugedämmt ist, dass deine Mieter selbst bei Minusgraden alle halbe Stunde die Fenster aufreißen, um nicht im Mief zu ersticken.
Wahrscheinlich gab es in Ísland schon zu Zeiten der Wikinger umweltbewusste Dämmspezialisten, denn die Häuslein von Glaum
bær, in Torf und Graswurzeln verpackt, lassen jeden deutschen Dämmspezi erblassen. Heutzutage findet man solche Torfhüttlein nur noch vereinzelt, in Bakkagerði und in Hólar, denn die Leute haben ja alle kostenlose Wasserheizungen aus vulkanischen Quellen, die man bitte nicht abstellen möge, wie überall groß drangeschrieben steht, sondern, wenn es zu warm ist, lieber die Fenster offen lassen soll. Siehst du, so machen es deine Mieter in Kirchheimbolanden nämlich auch.


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Wie effektiv die Torfdämmung ist, weiß Frank leider nicht, er war ja nicht im Januar da, sondern im Hochsommer, aber dass solche Rumpelstilzchenhüttlein manchen Schneesturm ungerührt überstehen, kann man sich durchaus vorstellen. Und eleganter als Styropor sieht es allemal aus. Blöd wäre es nur, wenn es sich auch die Maulwürfe auf dem Dachrasen gemütlich machten, aber wie Frank einmal gelesen hatte, sind sie mit dem isländischen Brennivín effektiv zu vertreiben - entweder in die entsetzte Flucht oder in die Arme der Alcoholics Anonymous. Kein Wunder, denn der Beiname des isländischen Kartoffelschnapses lautet Svarti 
ðauði, verdeutscht der "schwarze Tod". 
Nein, der Frank lässt von solchem Höllengebräu die Finger weg, er
hängt noch immer am taugleichen Leben und will nüchtern bis nach Reykjavík gelangen, das jetzt nicht mehr weit ist.
Stell dir vor, nun ist er schon fast zwei Wochen in Ísland und hat von Reykjavík noch nicht mal das Rey gesehen!
Einen letzten Wasserfall erspare ich dir, aber den lieblichen Weiher am Ende eines der letzten stillen Fjorde vor der einzigen richtigen großen Stadt der Insel, den zeige ich dir gerne.


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Bei Hvammstangi zweigt eine Geröllpiste ab nach Norden, und viele staubige Kilometer weiter gibt es einige Robbenkolonien. Bevor Frank zu viel Staub inhaliert, fragt er den Fahrer eines anderen Mietwagens, der aus der Gegenrichtung kommend gerade Rast macht, ob sich die Tortur über naturnahe Pisten auch lohne.
"Klar doch, wenn Sie ein gutes Fernglas dabei haben..."
Frank beschloss, die Robben unbehelligt zu lassen, und auch Ka stimmte freudig ein, denn seit New Zealand sind ihr diese glatzköpfigen Zeitgenossen etwas unheimlich. Dort lagerten sie nämlich mitten auf einem Strandpfad, und als Ka ein kimjongun-feistes Walross höflich darum bat, doch ein wenig zur Seite zu rücken und ihr die Passage freizugeben, schnappte der Unhold mit dem Günthergrass-Schnauzer röchelnd nach ihrem Bein und bekam glücklicherweise nur ihren Jeanssaum zu fassen. Seitdem achtet sie bei Robben, Seehunden und ähnlichem Ziefer auf eine gewisse Distanz. Aber Fernglas... - so groß sollte der Abstand nun auch wieder nicht sein.


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Nein, das ist doch kein Seehundlöwen
robbenskelett, sondern moderne Kunst an der Uferpromenade von Reykjavík! Ein stilisiertes Wikingerschiff aus Aluminium, und die Nachwuchswikinger versuchen mit Eifer, damit in die blaue See zu stechen.
Du siehst, Frank hat in der Hauptstadt Einzug gehalten und als erstes das Café Laundromat aufgesucht. Das ist ein Vielzweckcafé; oben bekommst du was zu futtern und im Keller stehen Waschmaschinen und eine Bande Pfadfinder aus aller Welt. Die haben irgendein Jamboree und in ihrem Hostel keine Wäscherei, weshalb Frank, bei 21 Boy und Girl Scouts und vier Waschmaschinen, den größten Teil seines ersten Tages in Reykjavík im Keller besagten Cafés verbrachte.
Nein, davon bekommst du kein Foto, denn wie eine isländische Waschmaschine aussieht, wird sich deine Fantasie vermutlich ausmalen können. Auch von der Preisfrage nach einem preiswerten Restaurant in Reykjavík sollst du verschont bleiben. Nur so viel, dass Reykjavík eine wuselige, aber ansehnliche und sympathische Stadt ist, im Juli voller Touristen und Boutiquen, Souvenirfritzen und Hotels, die im Winterhalbjahr vermutlich fast alle schließen. Und am Yachthafen, da steht ein preisgekröntes Ding, die Harpa, Íslands einziges Konferenz-, Konzert- und Opernhaus, von Stararchitekten ans Meer gebaut, nach einer Pleite der Investorengruppe durch die öffentliche Hand (= auf Kosten der Steuerzahler) für ein Vielfaches des ursprünglichen Budgets fertiggestellt und 2011 eröffnet, diesen naturgegebenen Lauf der Dinge kennst du ja schon längst
von der Elbphilharmonie und diversen Olympischen Dopiaden.


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Obwohl der eigentliche Airport von Reykjavík im 55 km entfernten Keflavík in die Lava geplättet wurde, hat auch Reykjavík einen städtischen Flugplatz. Von dort starten aber nur Inlandflüge oder Kleinflugzeuge für Kurzstrecken. In einem solchen 40sitzigen Brummkäfer saß Frank am 25.Juli und hob ab in Richtung Ilulissat, das du auf einer Karte von Ísland vergeblich suchen wirst.
 


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