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Die Stadt Ulaanbaatar fanden wir heute wieder ein Stück sympathischer, nachdem wir den wohlsortierten Foodmarket gefunden hatten. Das ignorante Guidebook behauptet kühn, dass man dort zwar Salatdressing kaufen, aber in der gesamten Mongolei keinen einzigen frischen Salatkopf auftreiben könne. Schön gesagt, aber leider kompletter Blödsinn. Zugegeben, das Gemüse fand sich in der entlegensten Ecke; für ein paar Tögrög packten wir aber unsere Taschen voll mit Aprikosen, Birnen und Radieschen, und elf Sorten Kraut und Salat warteten ebenfalls auf vitaminhungrige Käufer. Es existiert in diesem meerlosen Hammelfleisch-Land sogar ein Stand mit Fisch, gepökelter Lachs, geräucherter Hering und frischer Karpfen, mit lebenden Fliegen garniert, und wer noch immer Appetit hat, der mag sich in Ruhe umsehen und zwischen Bertollis Olivenöl, Haribo-Gummibärchen, Stollwerck-Pralinés, Bahlsens Brezeln und Söhnlein-Sekt wählen; womit die Mongolei diese Importwaren bezahlt, ist mir ein Rätsel. Und als wir in der von Korea gesponsorten, auf modern renovierten Seoul-Straße gar eine schnieke Fashion-Arkade entdeckten, machte Ulaanbaatar noch ein paar weitere Punkte gut. Der Name der Stadt bedeutet übrigens "Roter Held", aber die Zeit der roten Helden scheint mittlerweile abgelaufen zu sein; junge Mongolen bevorzugen Sony, Vuitton und Nike. Beim Verlassen der Dollarmeile stießen wir beinahe mit einem Typ zusammen, der an einem Halfter vor sich ein Schaf und hinter sich ein Pferd spazieren führte. Na schön, außerhalb der Boutiquen beginnt sofort wieder die Mongolei.... |
Javier und Roberto waren schon auf dem Weg nach Beijing, als wir zusammen mit Mauro und Fabiana nach Terelj glitten. Ja, glitten. Die beiden Spanier versäumten nämlich glatte, asphaltierte Straßen, und Baatar, den "Helden" am Steuer des nagelneuen Hyundai, der uns wie ein Bundesbankpräsidentenchauffeur sachte um die wenigen Schlaglöcher schaukelte und seinem Prunkstück selten mehr als 40 km/h zumutete. Terelj liegt freilich von UB aus nicht allzu weit entfernt, so dass ein Driver von Khoikas Temperament in einer Stunde schon da wäre. Während wir Ausländer noch an der vertrackten Aussprache des Ortsnamens wie auf einem zähen Knorpel herumkauten (klingt so ähnlich wie Tirch-ilch-dsch), gelangten wir schon zu dem Schlagbaum, an dem das Eintrittsgeld zum Nationalpark (für Ausländer der zehnfache Preis) berappt werden muss. Die Straße folgt dem River Tuul in die Khentii-Berge, die mit ihrer Bewaldung an deutsche Mittelgebirge erinnern. Unterwegs sind seltsame Felsformen zu sehen; die Erosion hat dort die lustigsten Skulpturen gebaut: Eine gigantische Schildkröte (Turtle Rock), deren Kopf, wie Tuvshin erzählte, im vergangenen Jahr erstmals erklommen worden sei, von deutschen Alpinisten, oder auf einem Bergrücken die täuschend echt nachgeahmte Silhouette eines alten Mannes, der ein Buch liest, ohne freilich die Seiten umzublättern. Vielleicht hat er ja auch einen Laptop auf den Knien, was in der Mongolei freilich eher unwahrscheinlich ist. |
SUCHBILD: DER AUTOR UND SEINE GEMAHLIN |
Danach folgt eine Wiese voller Saurier, aber da hat nicht die Natur, sondern Walt Disney und die Beton-Branche voll zugeschlagen. Unser Ger-Camp liegt glücklicherweise noch ein Stück weiter oben im Tal, wo die asphaltierte Straße endet, auf dem Rasen vor dem "Hotel UB 2", das den Wandlitz-Charme ehemaliger Funktionärsherbergen verströmt. Wir nutzen den Bau nur für diejenigen Funktionen, die ein Ger nicht bietet. |
Nach steiniger Steppe und windiger Wüste endlich ein Waldspaziergang, da bebt die deutsche Brust... Um das Wäldchen zu erreichen, überqueren wir die von fetten Rindern und zufriedenen Pferden glatt gemähte Wiese und stellen fest, dass die Tiere Edelweiß und Enzian offenbar verschmähen; vielleicht haben sie ja gehört, dass diese Pflanzen, die in dichten Büscheln wie Unkraut auf der Wiese wuchern, andernorts geschützt sind. Schnittlauch wäre dem banausigen Vieh vermutlich lieber als Edelweiß. Alpenglühen bekommen wir allerdings auch in Terelj nicht geboten, hier sieht es mehr nach Schwarzwald aus. Auch Klima und Wetter wecken Heimat-Erinnerungen: Zum Beispiel der hartnäckige Nieselregen, vor dem auch der schöne Birken- und Lärchenwald kaum Schutz bietet, aber das kann einen deutschen Wandersmann ebenso wenig schrecken wie die dürftigen 14 Grad Außentemperatur, gegen die nur ein zügiges Erklimmen des Gipfels hilft. Oben empfangen uns eine Wolkenlücke, aus der die Sonne lugt, und ein Ovoo, ein heiliger Steinhaufen, den man dreimal im Uhrzeigersinn umrunden muss, damit irgendwelche mongolische Erdgeister den dabei gemurmelten Wunsch erfüllen --- oder auch nicht. Die fleischfressenden Mongolen könnten mit etwas größerem Interesse für ihre Flora leicht von ihren Khuushuurs loskommen: Der Wald steht nicht nur voller Pilze, sondern man stolpert auch allerorts über wildes Gemüse, Rhabarber, Schalotten und Walderdbeeren. Auch die Vorfahren aller aufgemotzt verzüchteten Rosen und Nelken trotzen hier schüchtern und unscheinbar dem feuchtkalten Klima. |
"Können wir den Tempel
Gunjiin Süm besuchen?", fragt Mauro, dem eine
Jeepfahrt zu irgendwelchen Sehenswürdigkeiten lieber ist
als mühsames Umherkraxeln auf glitschigen Waldpfaden.
Aber Tuvshin enttäuscht ihn:
"Es gibt keinen für Fahrzeuge passierbaren Weg dorthin. Man müsste reiten, aber es ist zu weit, um am selben Tag zurückzukehren." Fabiana macht ein entsetztes Gesicht. Strapazen liebt sie schon im Alltag nicht, und noch weniger im Urlaub. |
Der Tempel hat eine lange Vorgeschichte und verdankt seiner Lage in unwegsamer Einöde das Überleben der kommunistischen Purgatorien. Lange ist's her, als die Mongolei unter mandschurischer Herrschaft ächzte, da machte sich ein uneheliches Nomadenkind einen Namen, indem es, zum Jüngling herangewachsen, mit einer Schar Gleichgesinnter die Mandschus vertrieb. Der Befreier erhielt fortan den Ehrennamen Chinggis Khaan und dürstete nach weiteren Siegen. Die Mandschuren indes trachteten auf alle erdenkliche Art danach, die Herrschaft über die Mongolei zurückzugewinnen. So sandten sie dem Khaan, der nicht nur den Krieg, sondern auch die Frauen schätzte, eine bildschöne mandschurische Prinzessin, die er sogleich seinem Harem einverleibte, ohne zu ahnen, dass sie ihm als Spionin untergeschoben werden sollte. Da das mongolische Volk trotz der tiefen Feindschaft gegen die Mandschuren diese junge Frau jedoch herzlich aufnahm, war sie davon so gerührt, dass sie die Zuneigung erwiderte und sich weigerte, diese Leute durch Spionage zu verraten. Der mandschurische Geheimdienst rächte sich, indem er ihr Gift ins Essen praktizierte. Als nach ihrem Tod der Grund für das Attentat offenbar wurde, errichteten mongolische Mönche aus Dankbarkeit diesen Tempel, um für das Seelenheil der gemeuchelten Prinzessin zu beten. |
Es wurde also nichts aus dem Tempelbesuch; stattdessen begab ich mich mit einem dringenden Bedürfnis in den Funktionärspalast, dem an entscheidender Stelle jedoch das nötige Papier fehlte. Ich wusste mir Rat und schaute im Damen-WC nach, wo man derlei meist vorfindet. Und mehr noch: Gleich neben der fast aufgebrauchten Rolle lag eine herrenlose, oh pardon, damenlose Gürteltasche, so ein Ding, in dem man sich alle Wertsachen um den Leib schnallt, offensichtlich vergessen nach der Verrichtung eines wichtigen Geschäfts. Ich machte den Reißverschluss auf und bekam sogleich ein asiatisches Frauenporträt zu fassen, garniert mit Hangeul-Schriftzeichen: Ein koreanischer Personalausweis. Da fiel mir ein, dass vor etwa 20 Minuten eine Koreaner-Gruppe auf der Wiese vor dem Ger-Camp ihren Minibus mit seltsamen Gesängen umtanzt hatte, als wäre er ein goldenes Kalb. Vielleicht war er ja nur so zum Anspringen zu bewegen. Ob sie noch da waren? Ich sauste raus wie ein geölter Blitz. Da stand er noch, der staubige Bus, aber die Insassen hockten alle drin und der Motor heulte soeben freudig auf. Mit dem Ausweis und der Gürteltasche fuchtelnd konnte ich das Gefährt gerade noch am Losfahren hindern. Da ertönte auch schon ein schriller Schrei des Schreckens aus dem Wageninnern, und eine rundliche Hausfrau mit schwarzen Dauerwellenlocken stürzte herzu und schob das Fenster auf, noch nachträglich erschrocken, was sie beinahe an Überlebenswichtigem verloren hätte, und bedankte sich mit unzähligen Verbeugungen, die allerdings, im ohnehin gebückten Zustand mit dem Kopf im halbgeöffneten Busfenster, ziemlich drollig aussahen. Vermutlich ahnte sie nicht, welcher Kette delikater Fügungen sie ihr Glück verdankte. |
Nach einer fröstelkalten, sternklaren Nacht brachte uns Baatar, seinen funkelnden Hyundai mit Todesverachtung durch Kuhfladen und Sumpflöcher über die sonnige Wiese chauffierend, knapp zwei Kilometer ins Nachbartal hinein, froh, dass unser Ziel, das nächstliegende Nomadenzelt, nicht weiter entfernt war. Da bei den Nomaden traditionell jedermann jederzeit als Gast willkommen ist, hatte Tuvshin uns wiederholt geraten, unsere europäische Skrupelei zu vergessen und einfach mal irgendwo bei fremden Leuten reinzuschneien. Nun stiegen wir vor 3 Gers aus, die dort auf der Alm standen. Neben dem einen badete die Oma gerade ihr Enkeltöchterlein in einem Holzzuber; das kleine Mädchen, rotes Schleifchen im Haar, aber sonst pudelnackt, krähte vor Begeisterung, wobei ich nicht sicher bin, ob die Freude dem unverhofften Besuch oder den Badewonnen galt. Aus dem anderen Ger streckte eine junge Frau ihren Kopf raus und wechselte mit Tuvshin ein paar Worte. Man winkte uns in das dritte Ger, das zu unserer Überraschung eine regelrechte Meierei enthielt. Es stand voller Fässer und Zuber mit milchigen Produkten; ein Bottich enthielt Butter, ein anderer Rahm, der von der jungen Frau pausenlos geschlagen wurde und bis zum Abend wohl ebenfalls als Butter enden dürfte. Auf einem Öfchen köchelte ein Sud, den die Buttermutter gleichfalls im Auge behielt. |
"Fermentierter
Yoghurt", kommentierte Tuvshin, "da machen die
Leute Wodka draus."
WODKA??? Aus Yoghurt? Da mag ich nicht recht dran glauben. Der Eingang verdunkelte sich, der Hausherr war von der Pferdeweide geritten gekommen, von wo er wohl den Besucherandrang an seiner Behausung bemerkt hatte. Jetzt saßen wir in der Falle, denn der Gastfreundschaft eines mongolischen Nomaden zu entrinnen ist nicht leicht. |
Zwei Sorten Käse (aus frischer und fermentierter Milch) bekamen wir nebenan im Wohnzelt zum Probieren vorgesetzt, und dazu Esslöffel voller Rahmbutter in allen Stadien der Entstehung.... Zum Glück saß Mauro neben Ka, die weder Milch verträgt noch es fertig bringt, sich esslöffelweise Fett einzuverleiben, aber Mauro schmierte sich die Butter so genießerisch in den Rachen, als handle es sich um Vanilleeis, und hätte dem Hausherrn wohl das ganze Butterfass leergeschleckt, wenn wir nicht zuvor gerade erst gefrühstückt hätten. Als nächstes bekamen wir exzellenten, frisch hergestellten Yoghurt, der jeden Danone-Becher erblassen ließe, und jene mongolische Milchsuppe, die sich zwar Tee nennt, aber nicht danach schmeckt. Danach lupfte der Nomade den Deckel des im Meierei-Ger blubbernden "Wodka"-Eimers und holte daraus einen Topf hervor, der mit einer heißen, durchsichtigen Flüssigkeit gefüllt war. |
"Der Topf wird im
Inneren des Eimers aufgehängt. Wenn der fermentierte
Yoghurt zum Kochen gebracht wird, steigt ein
alkoholischer Dampf auf und kondensiert am Deckel des
Eimers, von wo aus er in den Topf tröpfelt. So wird
Yoghurt-Wodka destilliert", erläuterte Tuvshin.
Na,
da bin ich beruhigt, denn wirklichen Wodka bringt man
damit nicht zuwege, höchstens eine Art von Yodka. "Du musst jetzt ein Lied singen und die Schale dann leertrinken. Das ist hier Sitte, man darf es nicht ablehnen." |
EIN WODKA, EIN LIED, EINE PFEIFE.... NICHT GERADE FABIANAS GESCHMACK |
Fabiana machte ein so entsetztes Gesicht, als würde ihr ein Bauchtanz im Kopfstand abverlangt. Nach langem Zieren und Genieren trällerte sie zaghaft eine italienische Canzone, nur lalalalaa, denn sie hatte den Text vergessen. Aber uns anderen erging es nicht besser, der Yodka-Kelch verschonte keinen von uns. Zum Glück schmeckte der selbstgebrannte Fusel nicht übel und war nur sehr schwach alkoholisiert; wir verließen das Butter-Ger nach dem Verteilen unserer Gegengaben aufrechten Ganges und trabten dann zu Fuß über die sonnigen Weiden zurück, um uns nach der kalorienreichen Begegnung mit den hiesigen Nomaden die dringend benötigte Bewegung zu verschaffen. |
Zwischen den Holzhütten, die den Ortskern von Terelj bilden, fühlt man sich in den wilden Westen versetzt. Lehmboden und Lattenzäune, am Ende der staubigen Straßen Blick auf die freie Prärie, halboffene Türen, an denen freilich nicht "SALOON", sondern DELGUUR (Kaufladen) steht, und davor sind jede Menge Gäule, Rösser, Mähren, Rappen, Wallache, Klepper, Pferde, Stuten, Schimmel und Hengste geparkt. Von Zeit zu Zeit galoppiert ein Jüngelchen die staubige Dorfstraße rauf oder runter, wie es gleichaltrige Italiener auf der Piazza mit ihrer Vespa tun. |
Hunde haben's gut in der Mongolei. Den Nomaden sind sie unentbehrlich und werden daher hoch geschätzt und gut behandelt, vor allem diejenigen mit hellen Brauen auf dunklem Fell, denn sie gelten als besonders klug und treu. Hundeleinen sind in diesem Land unbekannt, von anderen Pet-Accessoires ganz zu schweigen. Gassigehen erübrigt sich, es gibt ohnehin keine Gassis, nicht einmal Weidezäune oder Wildgatter. Die mongolische Steppe ist voller Knochen, da frohlockt jedes Hundeherz, aber weil die ewig hungrigen Vierbeiner ab und zu auch Lust auf einen Khuushuur haben, freunden sie sich schnell mit Ka an, die vor ihren täglichen drei kalten, fettigen Hammelpasteten längst kapituliert hat. Und weil den Hunden auch das freie Herumstromern in der endlosen Wildnis längst langweilig geworden ist, folgt uns stets der eine oder andere bei unseren Expeditionen in die Wildnis um Terelj, denn in netter Gesellschaft streunt es sich kurzweiliger. |
BLACKY MIT CLEVEREN HELLEN AUGENBRAUEN |
Das ist freilich nicht immer einfach. Wer es schafft, den River Tuul bei Terelj trockenen Fußes zu überqueren, kommt ins Guinness-Buch der Rekorde. Meint man nämlich, nach Überschreiten der für Parteibonzen errichteten stabilen Hängebrücke aus Stahlbeton schon am anderen Ufer zu sein, wird man schnell eines Besseren belehrt, denn das Inselchen, das man betreten hat, wird allseitig von flott dahinströmenden Nebenarmen umschlossen. An der schmalsten Stelle kann man auf einem umgestürzten Baumstamm den Seitenarm überqueren, um freilich sofort vor dem nächsten Gewässer zu stehen. Mal sucht man sich geeignete Felsen, die aus den Strudeln herausragen, und hopst drüber wie ein Eichhörnchen, mal testet man angeschwemmtes Treibholz, ob es dem Tritt standhält, dann wieder kämpft man sich verwegen über ein erdiges Wurzelgehölz auf einen breiten Baumstamm vor und krabbelt dann wie ein Käfer mutig über die Stromschnellen ans andere, noch längst nicht letzte Ufer, bleibt beinahe in schwammigem Morast stecken, überspringt das eine oder andere schmale Rinnsal und kommt, wenn man es geschickt anstellt, nach gut anderthalb Stunden tatsächlich heil, aber nass bis an die Knie über den letzten der mindestens 17 Flussarme hinweg. Blacky, der schwarze Mischling mit den intelligenten hellen Augenbrauen, trabte munter über jeden noch so schmalen und wackeligen Steg mit, und wo Ka nach Stellen suchte, das Gewässer zu bezwingen, ohne sich auch noch den Po zu befeuchten, sprang Blacky einfach drüber oder schwamm auch mal ein Stück, wo die Strömung nicht so schnell war, und empfing uns schwanzwedelnd, wenn wir endlich wieder einen Wasserlauf gemeistert hatten. Aber dann kam der breite Baumstamm mit dem mächtigen Wurzelteller vor dem rettenden Ufer. Hier war der Flussarm breit und die Strömung reißend; zudem lag das untere Ende des Stammes knapp unter der Wasseroberfläche. Wir zogen die Schuhe aus, balancierten drüber und zogen uns dann mit den Händen auf den erdigen Wurzelballen, von dem aus das feste Ufer in Sprungweite war. Hier war Endstation für Vierbeiner: Blacky versuchte zwar, mit einem beherzten Sprung an dem hohen Wurzelstrunk vorbei direkt ans Ufer zu gelangen, aber er sprang zu kurz, plumpste in die starke Strömung und versank vor unseren Augen im reißenden Strudel. Mir blieb fast das Herz stehen, denn mit ansehen zu müssen, wie so eine anhängliche Kreatur absäuft, hätte mir den Rest der Reise verdorben. Vom Fluss wurde Blacky zwar ein gutes Stück mitgerissen, bekam dann aber einen Ast zu fassen und rettete sich dann geschickt ans Ufer, schüttelte sich ein paarmal und wedelte munter mit dem Schwanz, als wäre er nur eben mal einer Badewanne entstiegen. Er stand freilich auf dem Ufer, von dem wir gekommen waren, und herzerweichend heulte und fiepte er uns bzw. unseren Khuushuurs nach, die sich langsam von ihm entfernten; einen zweiten Versuch, den Fluss an dieser Stelle zu überwinden, unterließ er klugerweise. |
Von einer Übernachtung im Ger-Camp in Terelj ist an Freitagabenden nur abzuraten. Neben den Zelten steht nämlich eine unscheinbare Holzhütte. BAR steht drangeschrieben, aber da ist am Wochenende Disco. Jugendliche aus der ganzen zentralen Mongolei kommen herbeigeritten oder -getöffelt, um sich ihr Gehör ruinieren zu lassen, denn da wird ein Sound aufgedreht, dass die Steppe wackelt, und wenn gegen 3 Uhr früh das letzte fetzige Techno-Riff in eine ohrenbetäubende Stille ausröchelt, geht die Fête auf der taunassen Wiese zwischen den Gers weiter bis um 8 Uhr morgens. Auch der Wodka, gut gegen die Kälte, tut seine Wirkung; es klingt wie auf dem Fußballplatz, und den wodkahaltigen Gesängen nach zu schließen, muss der FC Terelj haushoch in Führung liegen. Wir haben in unseren Gers kein Auge zubekommen und ausreichend Zeit gehabt, das Feuer im Öfchen bis zum Morgen zu hegen. Die Temperaturen müssen hier in der Nacht schon nahe am Gefrierpunkt liegen, denn als wir von der Funktionärsdusche zurückkamen und die Ger-Tür aufmachten, schoss einer der vielen Hunde blitzschnell mit hinein, verkroch sich unter Kas Bett und blieb trotz Disco-Dezibeln mucksmäuschenstill zusammengerollt dort liegen, warm und trocken bis zum andern Morgen. Wirklich clever, der Gute, obwohl er keine hellen Augenbrauen hatte. |