LAND DES LÄCHELNS

THAILAND
 1990 
Ayutthaya und Sukhotai

bangpa

Bangpa In heißt die königliche Sommerresidenz, abseits der vielbefahrenen Reichschaussee Nr.1 gelegen. Leider war seine Hoheit nicht zu Hause, wir müssen im Sommer nochmal klingeln. Im Winter, bei mindestens 34 Grad im Schatten heute, kommt man für 50 Baht trotzdem rein in Thailands Fontainebleau, vollgestellt mit barocken Putten, lederhosigen Gips-Allegorien und all dem sonstigen, in keinem Palast fehlenden Royal Nippes, aber im zentralen Teich, vor der Kulisse klassizistischer Palastflügel, schwebt ein allerliebster Wasserpavillon im zierlichsten Thai-Stil und belächelt narzisstisch seine Anmut im Wasser, als wollte er den klobigen Bauten im Hintergrund mit seinen filigranen, rotgoldenen Dächern, schlanken Säulen und geschwungenen Linien demonstrieren, was thailändische Tradition wert ist. Im weitläufigen Garten ist Safari-Land, da tummeln sich auf der Wiese Elefanten, Tiger, Drachen und andere Viecher, die jedoch weder zubeißen noch fortlaufen, denn es sind Buschskulpturen, von humorigen Gärtnern zurechtgestutzt.

safari

Ich darf getrost behaupten, von der Vegetation in diesem Winkel der Erde so gut wie nichts zu kennen; mit Ach und Krach gleicht das Gras dem unseren. Aber alles andere, was sonst so grünt und sprosst, ist mir nicht geläufig. Da stehen Bäume längs der Chaussee, wie man sie von Bildern sakurraaus Afrika kennt, riesige Kronen aus dürren Ästchen, die so viel Schatten spenden wie ein Sieb. Die Alleen des nahen Ruinenfeldes von Ayutthaya sind gesäumt von Bäumen, die in rosa Blüten prangen, und doch sind es, Ka hätte Stein und Bein geschworen, keine Kirschblüten. Andere Bäume stehen geradezu in Flammen, so hell lodern die üppigen orangeroten Blüten, die auch unter dem Baum einen flammendroten Teppich bilden; dass man sie "Flamboyants" nennt, ist nur logisch. Bananenstauden, Palmenavenuen, blühende, in sattem Grün stehende und herbstlich belaubte Bäume wohnen nebeneinander, wahrscheinlich wissen sie in diesem ewigen Sommer nicht mehr, was der Kalender anzeigt. Die Manna-Bäume sind am cleversten, denn sie bedienen alle Jahreszeiten zugleich: In der Krone grüne Blätter, rechts gelbe Blüten und links die schwarzen, süßlich duftenden Manna-Schoten, an denen die Affen gerne knuspern.

Auch uns ist nach Knuspern zumute. Wir sind noch nicht ganz aus dem Wagen draußen, da steht schon eine Thai-Schönheit vor uns, faltet die Hände vor der Brust, verneigt sich mit lieblichem Lächeln und geleitet uns, in ihrem golddurchwirkten, purpurnen Sarong zierlich vorantippelnd, durch einen wahren Orchideengarten, von klaren Bächlein durchgluckst, über geschwungene Stege zu einem der offenen, palmwedelgedeckten suirenPavillons, die je einen Tisch und vier Stühle enthalten. Ein anderes zartes Wesen kommt über die Blumen und Fischteiche geschwebt und überreicht mit artiger Verbeugung feuchte, duftende Tüchlein, auf dass sich die verehrten Gäste vor dem Mahl wenigstens Gesicht und Hände von weltlichem Schmutz befreien, und pausenlos umschwirren uns weitere dienstbare Geister: Speisekarte, Wasserkaraffe, Eiswürfel, Getränke und schließlich das georderte Menü. Und der Gag, nach dieser Erholung im idyllischen Blütenhain, wo wir wortwörtlich von Schmetterlingen umflattert speisten: Es kostete weniger als die Hälfte dessen, was man in Bangkok zahlt, 104 Baht für all die köstlichen Schlemmereien, für 2 Personen zusammen... Und den lächelnd versprühten Charme der Mädchen, die uns einzige Gäste wirklich zu verwöhnen suchten, gab es als Gratis-Zugabe. Das Paradies muss irgendwo in der Nähe von Thailand liegen.

Jetzt ist Trockenzeit in dieser wbuffelRegion, die Hitze fängt im Mai an, sagt uns ein Jüngling unterwegs. Der Trockenzeit verdanken wir das herrliche Reisewetter alle Tage, schielen aber in den Mittagsstunden recht neidvoll auf die Wasserbüffel mit ihrem ausladenden Gehörn, die sich im Straßengraben längs der Asphaltpiste suhlen. Erfrischung für uns halten die Dörfler bereit, die am Straßenrand unter ananasSchilfrohr-Schattenspendern stehen und Berge frischer Ananas und anderer Südfrüchte aufgetürmt haben. Du willst dir eine saftige Ananas anlachen? Blinkend malt ein spitziges Messer allerlei abstrakte Kringel durch die dicke Mittagshitze, und eh du das Kleingeld rausgefummelt hast, ist die Ananas, entschält und entholzt, in mundliche Stückchen zersäbelt, in ein Plastikbeutelchen geschwuppt, dem zwei, drei Holzspießchen und, die Thais mögen's würzig, ein Tütchen Salz und Chilipfeffer beigefügt sind, das Ganze für 10 Baht.

Wer früh auf den Beinen ist, kann Ayutthaya, die alte Königsresidenz, die von den Birmanern verhackstückt worden ist, noch vor der Ankunft der Touristenbusse aus Bangkok besichtigen. Und auch, bevor man in den trockenen Steinruinen dem Hitzeschlag erliegt. Pittoreske Ruinen, der alte Königspalast, ein liegender Buddha, der, seiner schützenden Halle beraubt, dennoch weltentrückt über das Knarzen der Zikaden meditiert, aber attraktiver sind die neueren, nicht ruinierten Tempel außerhalb der Ruinenstadt, Wat Yaichai Mongkol und Wat Phanang Choeng: Der erstere enthält eine Serie von Steinbuddhas, die wie Gartenzwerge um die riesige weiße Stupa Wacht halten, dazu einen Blumengarten mit Springbrünnlein, luschigen Pavillons und Flusspromenade, der letztere wiederum Massen von Pilgern, Räucherwerk und Blattgold, das dem verwunderten Farang fetzenweise in der Nachmittagsbrise um die Ohren flattert.

liegbudd

Im nahen Lop Buri morschen ein paar alte, nicht allzu ansehnliche Khmer-Ruinen im Herzen der Stadt vor sich hin. Die wahre Attraktion des Ortes sind die Makaken, die sich mit den Einwohnern auf eine Art Koexistenz geeinigt haben. Niemand regt sich auf über die Horde, die an den Fassaden der Geschäftshäuser herumturnt, von den Telefonleitungen und Straßenlaternen herab den Leuten Grimassen schneidet und an der roten Ampel, rappeldiklapp, zu Dutzenden über die Motorhauben der haltenden Autos sprintet, bevor die Fahrer auch nur muck sagen können. Setz dich in lopburiden Stadtpark und mach deinen Beutel auf, um die Kamera rauszuholen ---- schwupp, langt dir eine haarige Pfote in die Tasche und fingert, wenn du Glück hast, nur den Mangosaft heraus, aber wenn du Pech hast, kannst du deinem Pass hinterherhecheln, den so ein Vieh auf eine ferne Tamarinde entführt hat und frustriert dran herumkaut, bis er das abgelutschte Ding gnädig runterschmeißt. Auf Verkehrsschildern lausen sie sich, auf Werbetafeln spielen sie Nachlauf, an Telegrafenleitungen schaukeln sie, auf den Ampeln lutschen sie an Melonenschalen, es muss eine wahre Lust sein, Affe in Lop Buri zu sein, und wenn der Hunger naht, reicht es, zum nahen Tempel zu turnen, in dessen Hinterhof eigens Gemüseabfälle aufgeschüttet sind. Aber Buddhas Mitgefühl gilt nicht nur den Makaken: Hier werden auch von ihren Eltern ausgesetzte, missgebildete, behinderte, mongoloide oder sonstwie defekte Kinder gepäppelt, alles dank der Spenden der Gläubigen, die in Thailand wie seit alter Zeit auf Buddhas Güte vertrauen und zu ihrem Heil in kommenden Existenzen vor Altären nicht knausern.

Zwei in rund 30 km Abstand voneinander etwa parallel verlaufende Landstraßen führen in Richtung Sukhotai; wir wählen die kleinere, weniger befahrene, um das ländliche, nicht so verdieselte Thailand kennen zu lernen. Flache Weite, nur selten ein wenig hügelige Abwechslung, Reisfelder, wohin das Auge reicht, neu bepflanzte, abgeerntete, in vollem Saft stehende, alles gleichzeitig. Es ist
eigentlich ein reiches, gesegnetes Land, mehrere Reisernten pro Jahr, Obst in überbordender Fülle, kein Regime, das weltverbessernden, menschenmordenden Ideologien nachträumt, kein ressourcenzehrender, drogenhaltiger Guerrilla-Krieg. Ein König, der von seinem Volk offenkundig aufrichtig verehrt wird und der sich auch, in Maßen, für das Wohlergehen seiner Untertanen verantwortlich fühlt, eine ungebrochene nationale Identität, eine kulturelle Tradition, eine religiöse Toleranz, die dem Menschen Trost und Hoffnung gibt, devisenbringende Touristen in Hülle und Fülle ..... Nur Erdöl fehlt noch zur Vollendung des Eldorados. Nun ja, die Schulden sieht man den Bauernhütten unter dem lauschigen Palm nicht an, und wessen Boden der fleißige Mensch bestellt, der unter der brennenden Sonne, von einem vietnamesischen Strohhut beschattet, im Reisfeld Unkräuter zupft und von Blutegeln ausgenuckelt wird, steht leider auch nicht angeschrieben. Dass man selbst in Thailand von den 10 Baht, die eine am Straßenrand verkaufte Ananas einbringt, auf keinen grünen
Zweig kommt, kann sich auch ein mathematisch unbegabter Besucher ausrechnen, und die Flusskrebse, die ein andrer Bauersmann, bis zur Brust im Tümpel stehend, da herausfischt, landen in der währschaften Suppe, die uns nur ein paar Groschen kostet, samt Muscheln und Garnelen.
Rattagattarattagattattat, sagt's da und reißt mich aus den Betrachtungen; da war der Asphalt zu Ende. Rumpelnd kommt unser Gefährt zum Stehen. Ist es auch ein Mietvehikel, das wir nach Lust zuschanden fahren könnten, brauchen wir es doch noch eine Weile. Glücklicherweise gibt es just nahebei eine Traverse zur N 1, so dass wir, ein Dutzend Herden von Wasserbüffeln und schlappohrigen, indischen weißen Kühen weiter, wieder in die Lastzugkarawane auf der Hauptverkehrsader gen Norden eintauchen. Nakhon Sawan ist ein größerer Ort mit einem mehrstöckigen Kaufhaus im Zentrum. In dessen Obergeschoss findet man eine Art Mensa, eine Serie von Mampfbutiken mit Selfservice. Am Zugang steht ein Schilderhaus, wo Bons verkauft werden, die zur Bezahlung von Süppchen und Thai-Reis taugen, und wenn das Bäuchel voll ist, macht der Kassenmensch am Ausgang wieder Baht aus den restlichen Coupons.

phitsanulok

Die Suche nach dem gerühmten Wat Mahathat in Phitsanulok war sehr mühsam, denn die Stadt ist ein wuseliger Irrgarten und voller Wat Is Denn Dats. Das richtige Wat, an einem eiligen Flüsschen endlich ausfindig gemacht, lohnte die Sucherei vollauf: Der anmutige, goldgekrönte Bau enthält eine in Schwarz und Dunkelocker lackierte Halle mit perlmutt-gezierten Säulen, einfach todchic. An der Stirnseite thront ein würdevoll meditierender Buddha, hell angestrahlt vor dem schwarzglänzenden Lack-Hintergrund. Sehr effektvoll und sehenswert, meinte auch die Busladung deutscher Landsleute, die kurz nach uns in die Stille gepoltert kam und alles ausfotografierte. Zum Glück ist der Buddhismus samt Bonzen eine selten tolerante Einrichtung: So lange man nicht auf dem Altar picknickt, im Hof pinkelt, mit Schuhen im Heiligtum meditatherumtrampelt oder einen goldenen Taschenbuddha als Souvenir einsteckt, kann man in den Tempeln tun und lassen, was man mag. Selbst wenn man betende Bonzen mit Blitzlicht aus der Meditation zu reißen sucht oder als geiziger Heide die Halle ohne Spende verlässt, grummelt kein Mönch. Nur hier oder da, in extrem ländlichen oder heiligen Gegenden, zupft dich mal ein lächelnder Glatzkopf am Ärmel, wenn du in Shorts oder, als Lady, mit allzu gewagtem Ausschnitt den Buddha zu vergraulen drohst; er führt dich in ein Kabuff, in dem safranfarbene Mönch-Sarongs bereit liegen, hilft dir auch bei der Verkeidung, und dann kannst du als blonder siamesischer Kameramönch deine Blitze im Tempelinnern verschießen. Den Kittel bringst du hinterher brav wieder zurück und wunderst dich vielleicht, dass sie nicht mal ein Trinkgeld dafür annehmen. Aber wer immer was spenden mag, der tue dies am Opferstock.

Die Trümmer, in die das alte Siam-Reich zerfallen ist, verrotten im "Historical Park" zu Sukhotai. Das ist keineswegs zu viel verheißen, denn für das Eintrittsbillet darf man einen wirklich gepflegten Park betreten, zu dessen Erhaltung der Besucher mit seinen Devisen gern beiträgt. Unter mächtigen, alten Bäumen und zwischen seerosenbedeckten Teichen, auf blumigen Wiesen und stillen Hügeln liegt im Sonnenglast das, was von der einstigen Siam-Hauptstadt übrig geblieben ist: Thailands Akropolis, ein weitläufiges Areal kaputter Paläste und zertrümmerter Tempel, wie man sie in Europa liebt. sukhotaiUnd in der Tat, busladungsweise ergießen sich Reisegruppen aus so exotischen Ländern wie England und Frankreich über die Khmer-, Srilanka-, Hindu- und Thai-Ruinen. Nur japanische Gruppen sind nicht zu erblicken, vermutlich, weil es hier kein Bordell gibt.
Sukhotai hat viel mehr Atmosphäre und Würde, als der erste Blick auf die Steintrümmer vermuten lässt. Man muss gesehen haben, wie sich zwischen den geborstenen Tempelsäulen des Wat Mahathat ein ungerührt selig lächelnder Steinbuddha im Lotosteich spiegelt, dem die orangenfarbene, von eifrigen Gläubigen frisch gewaschene Seidenschärpe, im lauen Lüftchen flatternd, eindrucksvoll Leben einzuhauchen scheint. Fotogen reckt sich auch Wat Srasri in den blauen Himmel, über eine Steinbrücke zu erreichen, denn das Ding steht wie Schloss Mespelbrunn im Wasser. Die kulturbeflissenen Franzosen schwärmen lautstark von den Elefanten aus hellem Stein, die das Wat Sorasak zieren, und auf Mieträdern monxdaherrollende Amerikaner grüßen mit lautem Hello eine Gruppe orangekuttiger Wandermönche, die sich mit gefalteten Händen lächelnd verneigen und vor den dunkelbraunen Ruinen und dunkelgrün-schattigen Bäumen einen hübschen Kontrast bilden. Außerhalb der alten Stadttore steht im Wat Sichum ein aufrechter Riesenbuddha, dem gerade eine Thai-Familie, von der Urgroßmutter bis zum gewindelten, quäksenden Urenkelchen, Lotosblüten, Räucherwerk und Selbstgekochtes darbringt. Sukhotai ist zweifellos die bedeutendste historische Attraktion Thailands, der doch recht weite Weg von Bangkok aus lohnt sich auf jeden Fall.

Und schon wieder tut sich, just zur Mittagsstunde, ein märchenhafter Restaurantgarten auf wie Aladins Wunderhöhle, nur heller und luftiger, und was uns da begegnete, das unterschied sich von der zuvor geschilderten Service-Zeremonie von Ayutthaya nur dadurch, dass auch die Busse von "Garuda-Travel" und "Bangkok Tours" unversehens herbeigedröhnt kamen. Da wussten wir, für wen die gigantischen Gebirge von Melonen, Ananas und Lychees bestimmt waren, unter denen sich der große Tisch in der Mitte bog.

Was tun, wenn der Tag zur Neige geht, die nächste größere Stadt 35 km entfernt ist und der Zielort, in unserem Falle Si Satchanalai geheißen, nur über eine wanzige Herberge verfügt, aus der laute Popmusik dudelt? Wir ziehen uns zurück in die Villa "Mon Repos", in das "Hotel Countryside", dascabanha für den soeben eingetretenen Fall der Fälle im Kofferraum mitfährt und im letzten Dämmerschein in einer Art Laube entfaltet wurde, in einem jener handgefertigten Häusel aus Stecken und Palmwedeln, die keine Wände, aber einen aus Schilf geflochtenen, in 1 m Höhe über dem Erdboden eingezogenen Fußboden besitzen. Hier ziehen sich die Bauern vor der Mittagshitze in den Reisfeldern zurück, um Mahlzeit und Schläfchen zu halten. Der nahe Tümpel gestattet eine leidliche Katzenwäsche, aber ganz fix, denn die Abendzeit ist die Stunde des Arbeitsbeginns hungriger Moskitos. Im Zelt ächzen die dreisten Vampire unter dem ungewohnten Nebel chemischer Keulen, während wir in einem arg ländlichen Lokal die hutzelige Köchin in Panik versetzen, als sie gewahrte, dass Ka durchaus nicht meine Dolmetscherin ist. Dass wir dennoch nicht verhungerten, sei dem besorgten Leser versichert.

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Während sich über einem Holzfeuerchen auf unserem Grill in einem silbrigen Thai-Topf aus Bangkoks Supermarkt ein schwarzer Tee zusammenbraut, begleitet eine Tafelmusik aus Grillenviolinen und Quakfrosch-Fagott unser Frühstück. Ansonsten ländliche Stille. Auch hier sisatchawartet nahebei ein Historienpark, den freilich die Bangkok-Ausflügler nicht auf ihrem Reiseplan haben. Entsprechend ungestört sonnen sich die steinernen Elefanten, die das Wat Chang Lom auf dem Rücken tragen. Gelangweilt auch die lebendigen Elefanten, die freilich den Schatten einer Baumgruppe vorziehen und sich ab und zu eine Ladung Sand über den Puckel pusten. Der Bursche, der die siamesischen Dickhäuter an der Leine hielt, schnarchte im Gras.

Ein anderer, allerdings völlig unhistorischer Tempel mit dem einprägsamen Namen Wat Phrasirattanamahathatchaliang steht nahe an stegeinem Fluss, den ein wackeliger Hängesteg überbrückt. Waghalsige Mopedfahrer knattern da drüber, aber wir wissen uns was Besseres und plantschen, von Brücke und Heiligtum, Bonzen und Pilgern, Dorf und Abwässern gehörig entfernt, in dem seichten Flüsschen, denn nach Tempeln, Hitze und Kultur muss auch mal ein halber Tag Urlaub sein.

So fern der ausgelatschten Pfade liegt das unbedeutende Provinznest Lampang, dass sogar die Wüteriche aus Birma offenkundig übersehen haben, dass es auch da etwas kaputtzuschlagen gibt. Diesem Umstand verdankt das Wat Lampang Luang aus dem 16.Jh., dass es heute Thailands ältester aktiver Tempel ist. Die reiche, alte Siam-Ornamentik ist hier zierlich in rötliches Holz geschnitzt und in marmorhaft weiß getünchten Stein gemeißelt, so kunstvoll, dass der Bau an die ähnlich filigrane Alhambra erinnert. 

alhambra

Sein Alter verbirgt das Haus keineswegs, von der Tempelhalle aus sieht man die Dachschindeln von unten, die Bretterwände sind voller Spalten und Ritze, und doch ist der Tempel als Ganzes schlicht ein Mirakel. Anmutige Himmelswesen, die Hände nach Landessitte im Tanz gefaltet, schweben golden in der Holzornamentik, reiche farbige bmarkenWandgemälde bedecken das Innere der kühlen Halle, und sogar im Hof, am Stand des Postkartenhändlers, noch farbige Pracht: An quer gespannten "Wäscheleinen" flattern, von Metallklammern gehalten, Zehnerstreifen der ungewöhnlich geschmackvoll gestalteten Sondermarken voller traditioneller Thai-Motive im lauen Wind, und man kann sich, wie in den Nachtclubs von Bangkok, die Schönsten selbst auswählen, um der Ansichtskartenpflicht auch von der Gebührenseite her gefällig zu genügen.

lamphun77 km weiter schon das nächste Mirakel, in Lamphun, dessen Wat Prathet Haripunchai vor Gold blendend im Mittagslicht gleißt. Was wir schon alles an Wats gesehen haben, ist nicht mehr zu zählen, und doch wird es nicht langweilig; jedes ist anders, eines prachtvoller als das andere, und überall freundliche, lächelnde Leute, sanftmütige glatzköpfige Bonzen.
Gibt's hier eigentlich keinen Stress, keinerlei Ärger? Was stimmt die Leute so heiter und friedlich?

Die Antwort heißt "mai pen rai".

Wie bitte?

Pardon, das ist Thai und bedeutet "mach dir nichts draus". Und noch viel mehr. Es ist die Redewendung, mit der man den weltlichen, ohnehin vergänglichen Verdruss von sich streift wie ein Paar zerschlissener Schuhe, denn was auf Dauer zählt, so lehrt es die zutiefst verinnerlichte Weltsicht des Buddhismus, sind weder Geld noch Karriere, sondern vor allem innere Gelassenheit, die heiter lächelnd nach außen abstrahlt und das ohnedies elende menschliche Dasein erträglich macht, indem man sich ein wenig über die Dinge stellt.

Ein bisschen mai pen rai würde auch Europäern, Amerikanern und Japanern gut anstehen, von Moslems, die "Ungläubige" aus ihren Moscheen prügeln, ganz zu schweigen.

 

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