LAND DES LÄCHELNS
①
❀❀❀❀ | THAILAND | ❀❀❀❀ |
֍ 1990 ֍ | ||
Bangkok |
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Der Februar ließ sich in Tokyo besonders kalt an. Schneefälle, Frost und Eis. So kalt, dass sogar die sonst immer dauerlächelnden Japanerinnen dreinblicken wie rostige Tiefkühltruhen. Aber irgendwo muss man sich ja sein Quantum an Lebensfreude besorgen; wenn weder das Liebesleben noch der Kontostand zum Lächeln Anlass bieten, holen wir es uns eben selber, da, wo es gezüchtet wird, direkt beim Erzeuger: In Südostasien natürlich.... Nichts wie hin, nach Indochina, ins Land des Lächelns!
Nur
wenige Flugstunden von Nippon entfernt beginnt ein heftiger
Striptease, als der Pilot der indischen Maschine im Landeanflug
auf Bangkok muntere 35 Grad im Schatten ankündigt, und
Anoraks,
Pullis und ähnliche Polar-Untensilien verschwinden
verschämt im
Handgepäck.
Aus japanischer Sicht ist Thailand ein nicht sonderlich attraktives, chaotisches und schmuddeliges Drittweltland mit grandioser, aber längst ruinierter Historie, reizvoll bestenfalls für Freunde kulinarischer Exotika, für Sonnenhungrige, die sich auch im Februar auf heißem Sand suhlen wollen, oder für lustmolchige Männergesellschaften.
Da dieselt auch schon so ein schwarzqualmiges Transportmittel daher, die Nr. 59 groß angeschrieben, hält brav an, lädt uns mit ein, hat sogar Sitzplätze frei und ---- kostet nur 2 Baht (1 Baht = 0,025 Euro / 40 Baht = ca. 1 Euro) Fahrpreis pro Kopf. Was wollen wir mehr? Stürzen wir uns ins Abenteuer!
Die Zufriedenheit, mit der wir uns in die Plastikpolster räkeln und der Silhouette Bangkoks zustreben, die sich vor dem dunkelrotviolett verlöschenden Abendhorizont abzeichnet, währt etwa 40 Minuten. Dann sind wir an der Endstation des Busses angelangt, jedoch leider keineswegs im Zentrum von Bangkok. What is here loose?
Mittlerweile ist es stockfinster, wir stehen vor dem Busdepot, wo ein paar Jungs in der Uniform der städtischen Bus-Dompteure herumlungern, fragen wir die doch mal. Tja, Thai müsste man können! Wenn die Burschen nämlich Englisch könnten, wären sie Rechtsanwälte geworden und keine Omnibusputzer. Da suchten wir den Reisegrusel und stecken, erheblich schneller als erwartet, schon mitten drin!
Nach einer sehr einseitigen Konferenz, an der die gesamte Besatzung des Busdepots teilnahm und mehrere Notizheftseiten mit krakeligen Linien und handgemalten Landkarten gefüllt wurden, dämmerte mir allmählich, dass beileibe nicht jeder Bus mit der Nr.59 die erhoffte Route nimmt, sondern dass die Liniennummern wohl mehr einer Tradition entstammen, die wirkliche Fahrtroute hingegen in großen Lettern außen am Bus aufgemalt ist, in Thai-Schrift........ Exzellent. Immerhin waren die Jungs allesamt überaus herzlich und taten ihr Bestes, um uns auf die rechte Bahn zu geleiten. Einer von ihnen brachte uns zu einer Kreuzung, an der geeignetere Busse entlangzubrummeln pflegen, rief dem Schaffner auch noch Instruktionen zu, auf dass der uns auch ordentlich behüte, und wir bezahlten weitere 2 Baht pro Person.
Durch
die geöffneten Fenster weht der allmählich
städtischer
werdende, würzige Großstadtmix aus rußigen
Dieselschwaden und
Zweitakter-Knattermax-Auspufffahnen herein, und unser inzwischen
gut gefülltes Omnimobil karriolt bravourös durch den
immer
zäheren Rush-hour-Brei hupender Blechvehikel. Der Schaffner
ist
auf Draht: Als sich eine andere Nr.59 im mehligen Stau neben uns
festgefressen hat, kommt er wie ein Wiesel durchs
Fahrgastgewühl
geschossen, brüllt dem Kollegen im Nebenbus durch die offenen
Fenster eine Botschaft zu, dirigiert uns samt Päcken und
Säcken
rüber in den anderen Wagen, während sich beide
Fahrzeuge
unverdrossen im Schritttempo weiter voranquälen, und wir
hoffen
nur, dass die dritten 2 Baht pro Nase das letzte Fahr- und
Greenhorn-Lehrgeld sein mögen. Alle Wege führen nach Rom,
heißt es
schließlich. Von Bangkok
war keine
Rede.
Immerhin,
betrogen worden sind wir nicht, und billiger als die Taxis war es
mit Sicherheit auch. Quod erat demonstrandum. Nur Ka
grummelte immer vernehmlicher, dass wir per Taxi zu dieser Stunde
vermutlich schon unter der Dusche ständen, als wir, den
Stadtplan in der Faust, von der Bushaltestelle aus durch die
schwüle Nacht trabend, auf heißen Turnschuhsohlen
mit schweren
Taschen das verheißene Obdach zu finden suchten. Sie sehnte
sich
lautstark nach Bad und Dîner, nach Orchideengarten und
Swimmingpool, anstatt durch hundepipimüffelnde,
müllübersäte,
finstere Gassen zu tapern.
Keine 5 Minuten später waren wir aber da, karrten unsere Bagage durch einen anmutigen Garten, am hibiskushecken-gesäumten Schwimmbecken entlang auf das Portal zu, bis von der Brandung des Straßengetöses nur noch ein leises Rauschen hörbar war und die Mulkschwaden vom schweren Parfüm üppiger Vegetation neutralisiert wurden. Ein Uniformierter an der Drehtür übersah uns vornehm, als wir mit unserem Rödel dahergelatscht kamen, aber nach der Erfrischung im klimatisierten Zimmer, gepflegter Thai-Cuisine unter fernöstlichen Gewächsen, bei einem Gläschen Wein auf dem Balkon, mit Blick auf Mondschein und Swimmingpool, war die Welt wieder in Ordnung. Der einzige Makel unserer Unterkunft mit dem originellen Namen
THAI HOTEL
*
Bangkok
ist eine märchenhafte Stadt, in die man sich
stürmisch
verlieben könnte, wenn sie nicht 24 Stunden pro Tag von
stinkpuffschmauchigen Kavalkaden knatterhupquietschbollernder
Vehikel verhunzt würde. Von jeglichen Abgasvorschriften und
TÜV-Kontrollen unbehelligt, spotzt alles, was einen halbswegs
stotternden Motor besitzt, vom Moped über Motorrikschas bis
zum
Mammut-Touristen-Sightseeing-Bus, über die
glutheißen Avenuen,
schwarzen Staub und Ruß aufwirbelnd, und die
Fußgänger am
Rande der wilden Motorhorden jappen nach Luft und verstehen kaum
ihr eigenes Wort. Dass man fast ausschließlich junge Leute
auf
den Straßen sieht, mir scheint's, liegt daran, dass die
älteren
Jahrgänge wohl sämtlich in der Lungenklinik liegen.
Verflucht
seien Nikolaus Otto, Rudolf Diesel, Gottlieb Daimler und
Konsorten, sie haben die Perle Südostasiens auf dem Gewissen.
Ein riesiges Areal, vollgestellt mit Hallen und Pagoden,
Ornamenten und Dämonen, Götzen
und Palästen, es gleißt und glitzert in der
blendenden
Mittagssonne, und der arme, von zerfallenen Kolosseen, rostigen
Eiffeltürmen, kariösen Burgruinen und morschen
Akropolen nicht
gerade verwöhnte Europäer weiß gar nicht,
wohin er zuerst
staunen soll. Wenn der fassungslos aufgesperrte Mund wieder
zuklappt, die heißgeknipste Kamera nach Ruhe verlangt und die
von süßlich duftenden Blüten und
Räucherwerk vor allen
Buddhastatuen betäubten Sinne allmählich wieder
aufklaren,
nimmt man die Gläubigen wahr, die sich, ohne all den Prunk und
Protz eines Blickes zu würdigen, mit Opfergaben und
Lotosblumen
um ein offenes Heiligtum drängen und den kleinen, aber
barmherzig dreinschauenden Buddha mit Blüten, Gold und Gaben
überhäufen. Ja, richtig gelesen, auch mit
!
Wie
das, wo doch Thailand bislang nicht als erdölhaltiges,
ökonomisches Wunderland aufgefallen ist? Am
Verkaufsstand der glatzköpfigen Bonzen in ihren
safrangelben
Kitteln
gibt
es für ein paar Baht Blattgold zu kaufen, so
hauchdünn, dass es
im leisesten Luftzug davonsegelt, Blättchen von wenigen
Quadratzentimetern Fläche, die von den faltigen Muttchen
ehrerbietig an die Buddhafigur gepappt werden, so weit die
Hände
reichen, aber im Hauch des warmen Abendwindes flittern goldene
Partikel durch die Lüfte und landen im Haar
ungläubiger
Touristen, die nach wenigen Tagen Wat Phra Keo ebenso vergoldet
enden würden wie der wundertätige Buddha, falls sie
sich nicht
losreißen könnten von all dem Wunderwerk.
Bangkok wimmelt natürlich von Ausländern, und keiner versäumt die Besichtigung dieses Tempelgevierts. Da schnackt es hanseatisch, parliert's en français und speakt es english, mal kribbelt es berlinerisch, und ab und zu ein Schuss italo-iberisch, hier eine Gruppe aus Korea, und dort ein Pulk japanischer Männer, die hier den Tag totschlagen, bevor sie am Abend wieder Teenager bumsen gehen.
Hinter
dem Wat noch mehr Türmchen, Garudas und Filigrandekor, Grand
Palace heißt das Ensemble im Renaissancerokokostil, dazu ein
Schuss Ayutthaya und eine Prise Versailles. Das war einst der
Königspalast, wurde Herrn Bhumipol aber zu eng und zu
altmodisch, denn Majestät pflegen nicht nur in
Öl zu malen
und auf dem Cello Beethoven zu kratzen, sondern verstehen sich
auch auf den Umgang mit Handy und Computer. So werden in diesem
Royal Schuppen heutzutage nur noch ein paar angestaubte
Zeremonien zelebriert. So muss beispielsweise der berühmte,
aus
Laos geklaute Jadebuddha, den nur der King persönlich
befingern
darf, zweimal im Jahr frisch gewindelt werden, Sommer- und
Wintergewandung, und ich frage mich, wie heiß es hier noch zu
werden gedenkt, wenn der grüne Jadegott bei momentan 33 Grad
Abendhitze winterlich gekleidet ist, auf dass er nicht zu
frösteln geruhe!
Mit
dem Riesen-Wat und Palais Royal sind Bangkoks
Sehenswürdigkeiten
bei weitem nicht erschöpft. Wer von Wats nicht genug kriegen
kann, wandert zum nächsten, die Stadt ist das reinste
Watten-Meer. Wat Pho heißt das Ding gleich um die Ecke,
dessen
Attraktion eine Art Depot ist, das aber keinen Zeppelin, sondern
einen knapp ebenso großen Buddhagiganten enthält,
der, weil er
stehend nicht reingepasst hätte, 45 m lang hingefläzt
lächelnd
Siesta
hält,
mit halbgeöffneten Augen, obwohl ihn doch sein eigener
Goldglanz
blenden müsste. Dass er nicht zur Ruhe kommt, liegt nicht
allein
an den Touristen, die ihn pausenlos umrunden und in allen Zungen
kommentieren, sondern auch an den gottlosen Bonzen, die mit
unzähligen blechernen Aschenbechern die ganze Umlaufbahn
bestückt haben. Da schmeißen die Leute aber keine
Kippen rein,
sondern lassen mit Eifer in jede Blechbüchse Münzen
reinklackern, und so rattert und scheppert es in dieser heiligen
Halle wie in einer Zeitungsdruckerei, dass man es bis draußen
hört. Dem Buddha dröhnen vermutlich die
güldenen Riesenohren,
um die ihn selbst langjährige deutsche
Ex-Außenminister beneiden
könnten, und weniger geduldige Heilige
hätten da schon längst
die Tische umgeschmissen und die Geldschinder aus dem Tempel
vertrieben, wie es ein Palästinenser vor circa 2000 Jahren mal
getan haben soll.
Das Wat Suthat enthält nicht nur eine weite, luftig-kühle Halle mit einem gewaltigen Sitzbuddha drin, sondern auch eine Mittelschule, aber die Kinder sind an Farangs gewöhnt und gucken nicht mal zum offenen Fenster, in das neugierige Touristen ihre roten Langnasen glotzend reinstecken, sondern repetieren lautstark im Chor das große Einmaleins auf Thai.
Der dickste Phallus, der sich in Bangkoks smogdunstigen Himmel bohrt, gehört dem Wat Arun, dem "Tempel der Abenddämmerung". Uns gefiel diese Wuchtbrumme auch im hellen Morgenlicht. Der Chedi (Hauptturm) des Tempels, Anfang des 19.Jhs. auf 79 m Höhe aufgestockt, gleicht einem mexikanischen Riesenkaktus, in der Länge gerillt und mit spitzigen Figüren gespickt, und wenn man mit wackligem Knie die steilen Steinstufen bis auf die oberen Galerien raufkraxelt, hat man eine gradiose Aussicht auf Bangkoks spitzig-güldene Tempeldach-Skyline.
Das Kurioseste am Wat Arun
ist die Ornamentik, mit der das gesamte Steingebirge
übersät
ist: Es sind alles Porzellanscherben, in einem willkürlichen
Puzzle zu neuem Glanz zusammengefügt. Daraus kann der Besucher
aus der industrialisierten Welt die Lehre ziehen, dass
Polterabende nicht zwangsläufig Umwelt und
Müllabfuhr
belasten und als Monte Scherbelino enden müssen, sondern sich
zu
Kulturgütern recyceln lassen. Und
wenn man
glücklich wieder unten ist, gewahrt man,
dass Wat Arun
augenscheinlich auch die Heimstatt einer unüberschaubaren
Anzahl
streunender Katzen ist
---- eine
Siamkatze war allerdings nicht darunter.
Thailand, wie Japan und der Iran eines der raren außereuropäischen Reiche, die nie von Kolonisatoren ausgeplündert und verheert wurden, hat seine Historie und Tradition halbwegs heil in die Gegenwart gerettet. Vom benachbarten Erzfeind Birma sind zwar die alten Kapitalen Sukhotai und Ayutthaya nacheinander kaputtgeschlagen worden, aber welches Kulturreich hätte derlei Blessuren nicht zu beklagen? Wie in Asien üblich, wird die zerstörte Hauptstadt dann eben verlassen und an anderer Stelle noch glanzvoller und größer neu errichtet, und wenn der Zahn der Zeit, Krieg oder Katastrophen ein einzelnes Heiligtum plattmachen, denkt niemand daran, es als Ruine und Postkartenmotiv für spätere Generationen so kaputt stehen zu lassen, sondern man stellt es mit Hilfe der Scherflein der Gläubigen alsbald wieder im alten Glanz taufrisch auf. Kein Wunder, dass es in Bangkok keine antiken Ruinen zu besichtigen gibt, sondern es entzücken den staunenden Fremdling nur lebendige, von Mönchen und Pilgern bevölkerte, in Goldglitter gleißende Tempel, frisch wie gestern erst errichtet. Was aber die gierigen Land- und Goldräuber der Kolonisatoren, in Europa als kühne Entdecker gerühmt, in Thailand versäumt haben, das schaffen allmählich Armut und westliche Technik, indem sie Land und Volk um die verbliebenen Reste von Stolz und Würde zu bringen drohen. Die Städte werden förmlich eingeschwärzt vom Verkehrs- und Industrie-Dreck, städtische Gewässer fangen an, in der Hitze gen Himmel zu müffeln, durch den Dschungel fressen sich staubige Pisten, und über die Dörfer ziehen Mädchenhändler, die den verarmten Bauern, die Schulden abstottern müssen oder sich einen Farbfernseher anschaffen wollen, für ein Bündel Bargeld die Töchter abschwatzen. An jeder Sehenswürdigkeit fallen einzelreisende Herren Ausländer auf, ein zierliches Thai-Girl an der Hand haltend, das ihnen kaum bis zur Schulter reicht. An den stämmigen, februarweißen Beinen, die aus den Reiseshorts lugen, erkennt man, dass es sich nicht um ansässige Ehepaare handelt. Anders als die Japaner, die auch ins Bordell in geschlossenen Gruppen einmarschieren, chartern die europäischen Sexfreunde ihre Kuschelmädchen tageweise und nehmen sie aufs Sightseeing mit, ohne sich zu genieren. Wer ein wenig mit asiatischen Sitten vertraut ist, kann sich eine Vorstellung davon machen, welch ein Spießrutenlauf das Flanieren an der Hand eines kahlköpfigen Ausländers mit Bierbauch für die verkauften und vermieteten Mädchen vor den Augen ihrer schnell wegschauenden Landsleute sein muss. Bisher hatten sich diese Teens und Twens nur mit Syphilis und Tripper abzuplagen, aber inzwischen soll sich jede dritte mit Aids infiziert haben, und den Typen, die meinen, sich mit ihren Yens, Dollars und Euros das Recht erkauft zu haben, armer Leute Kinder zu schänden, wünsche ich aus ganzem Herzen das HIV-Virus in die Tülle. Ein Nebeneffekt dieser Geschichte: Ka achtet in der Stadt auf eine deutliche Distanz zu mir und trägt Reisetasche und Kamera demonstrativ zur Schau, aber auch mir wäre es peinlich, mit Ka an meiner Seite von irgendwem als Sextourist angesehen zu werden.
Wenn
es dunkelt in Bangkok, verwandelt sich die weite Wiese zwischen
Wat Phra Keo, Nationalmuseum und Universität, die Bangkoks
Stadtzentrum darstellt, in einen Treffpunkt für Liebespaare, Schwarzhändler
und deren Kunden. Da gibt's zollfreie Qualmstengel, importierte
T-Shirts, Babywindeln, Kassettenrecorder und Pornoheftchen,
dazwischen brutzeln an kleinen Imbissständen würzige
Appetithappen, und nach kurzer Konversation in der
internationalen Gebärdensprache duftet auch uns bald was
Exotisches vor der Nase. Es geht natürlich auch eine Nummer
vornehmer, in einem kleinen, zur Straße hin offenen,
einladend
mit frischem Fisch auf Eis dekoriertem Lokal. Hier erhält man
auch Speisekarten, handschriftlich verfasst, nur auf Thai
natürlich,
aber mit dem linken Zeigefinger auf den leeren Bauch, mit dem
rechten auf den dicken Butt gewiesen, da weiß auch der
dümmste
Koch, was er uns aufzutischen hat. Noch eine Nummer nobler?
Haben wir auch. Das Bang Lamphu, das Denkmal der Demokratie, in
diesem Königreich der Militärputschs wahrhaftig sehr
sinnreich,
steht hell erleuchtet in einem weiten Grünrondell, um das sich
der Autolindwurm im Kreisverkehr bewegt. Der Platz ist so
weitläufig angelegt, mit lauschigen Platanen und eingetopften
Büschen ringsum, dass die Restaurants mit ihren weiß
gedeckten
Tischen im Freien der Atmosphäre von Romas Piazza della
repubblica kaum nachstehen, es sei denn, man verlangt nach einem
Tenor, der "Santa
Lucia"
oder "O
sole
mio" als
Beilage schmettert. Stattdessen
bekommt man hier mehrsprachige Speisekarten, Garnelenreis auf
Ananas, Huhn in Thai-Curry mit Kokosmilch und ähnlichen
Schmaus,
und von Singha-Bier, frischen Lychees und Kokosmilch-Eis
verwöhnt, gerät sogar Ka ins Schwärmen,
dass Thailand in
mancher Hinsicht das Italien Asiens sei. Ich kann ihr da nicht
widersprechen. Wenn man aber richtig völlern und Bangkoks laue
Abendlüftchen romantisch ums T-Shirt streichen lassen will,
gibt's noch was Besseres: Man gehe zum River, wo man unfehlbar
auf Restaurant-Boote stößt, die, mit Lampions
schummrig
beleuchtet, in der Dünung dümpeln. Das Essen ist
lukullisch,
alle Finessen asiatischer Kochkunst werden von hübschen
Mädchen
in Thai-Tracht artig lächelnd
serviert,
während am Horizont vor dem roten Abendhimmel die
Silhouette des "Tempels
der Abenddämmerung" dunkelt. Nur wenige
Boote plitschern vorüber, vom Verkehrschaos ist nichts zu
hören, die Brise weht Orchideenduft herüber....
*
Eine fiese Stadt, dieses Bangkok! Die Busse scheinen sich heute überhaupt nicht an den Linienplan halten zu wollen, sondern biegen immer im falschen Moment in die falsche Richtung ab, jetzt hab ich's langsam dicke! Mit deren launigen Routen hatten wir kurz zuvor bereits genügend Bekanntschaft geschlossen! Bis man ans Ziel gelangt, ist der halbe Tag flöten, sind die Füße schwarz wie Lakritze und die Haare, am Morgen frisch gefönt, vom Kneist der City-Suppe verklebt. Wie verträgt sich das mit der Thai-Sitte, dass die Menschen jederzeit sauber und reinlich sein müssen? Selbst Tankwarte und Automechaniker entsteigen ihrem zweimaligen täglichen Bad so frisch gepellt, als seien sie nie mit Schmieröl in Berührung gekommen, und mancher Stadtstreicher sieht hier eher nach Orchideenduft aus als nach Parkbank oder Gulli. Wir wollen möglichst schnell raus aus dem Mulk der Großstadt, checken bei den internationalen Vermietern nach einem Leihwagen, aber die wollen für 2 Wochen satte 21,000 Baht. Dafür könnte man ja glatt einem Bauern sein Töchterlein abkaufen! Andere Vermieter sind eingegangen, sehen allzu einheimisch aus oder gleichen einem Autofriedhof. Bei einer nationalen Firma kriegen wir aber eine klimatisierte Kalesche für nur 10,000 Baht, und einen Tag später töffeln wir mit, mittenmang im hupenden Ozean, irren durch das hitzeflimmernde Einbahnstraßenlabyrinth, den Stadtplan auf den Knien, bis wir endlich, endlich, den Moloch und seinen Duft der weiten Welt hinter uns wissen und auf einer breiten, autobahn-ähnlichen Ausfallstraße nach Norden brausen, hinein in das Land, in dem der Pfeffer wächst! Gepriesen seien Nikolaus Otto, Rudolf Diesel und Gottlieb Daimler, sie haben uns Flügel verliehen!