LAND DES LÄCHELNS

LAOS
 2001 
Viangchan

und Luan Phabang




 

Um eine der letzten Piepelsrepubliken der Welt zu erreichen, schoben wir einen Dreiländertag ein und begegneten einer lebenden Apsara, die sich als Stewardess der Bangkok Air verkleidet hatte. Eine perfekte Schönheit, die man vom Fleck weg heiraten möchte, mit einem reizenden Lächeln auf den Zügen.

"Ahem", räusperte sich die Gattin neben mir, der offenbar meine hingerissenen Blicke aufgefallen waren. Na ja, schon gut, gegen die Blicke auf die steinernen Damen in Cambodia hast du doch auch nichts gehabt, und die sind oben ohne gewesen! Sind wir nicht hier hergekommen, um die Ästhetik des Schönen zu genießen? Leider dauert der Flug von Phnom Penh nur 30 Minuten.... laos1

Am Abend tapsten wir bereits in Viangchan (Vientiane), der laotischen Hauptstadt, am Ufer des Mekong entlang und glotzten auf die Lichter von Si Chiangmai am gegenüberliegenden, siamesischen Gestade, von dem aus wir vor 11 Jahren genauso glasig auf die laotische Hauptstadt geglotzt hatten.

Die einzige Spur, die der Sozialismus in Laos hinterlassen hat, ist der Wert oder vielmehr der Unwert der Währung. Um einen Packen Geldscheine im Nennwert von 9.300 Kip zu ergattern, braucht man dem Schlipsträger am Bankschalter nur einen Dollar hinzulegen; also behält man seine Dollars besser, und die Empfänger derselben sind dankbar dafür, zum Beispiel auf dem Morgenmarkt, wo man zwar keine Papayas oder Knoblauchzehen findet, sich dafür aber mit Kochtöpfen, Schulheften oder Kissenbezügen eindecken kann, sofern man derartiger Artikel gerade bedürftig ist. In Viangchan endet der Morgen erst gegen 18 Uhr, man braucht sich für laos2den Morgenmarkt also nicht zu beeilen. Überhaupt ist Eile in diesem Städtchen, das in der Sommerschwüle döst, nicht angebracht. Unter den schattigen Alleen aus Kolonialzeiten, vor verlassenen Villen und verwilderten Gärten lässt es sich gemütlich flanieren, sofern man stets ein Auge auf den löcherigen Gehsteig mit seinen deckellosen Gullis gerichtet hält; hier ist wenig los, aber dafür ist der Ort auch bei weitem nicht so verstausmogt wie Bangkok. Früher oder später treffen sich alle Ausländer in dem klimatisierten Café der Scandinavian Bakery in der Stadtmitte, um sich vor den Regenschauern dieser feuchten Jahreszeit ins Trockene zu retten, oder sie chartern sich ein Samlor (oder Tuktuk), ein Moped mit überdachter Fahrgastkabine hinten drauf, um ins sichere Hotel zu flüchten. Der Tuktuk-Pilot nimmt sogar Kip, wenn's sein muss, und hat auf der Fahrt was zu erzählen.

"Was, aus Deutschland? Mit japanischer Frau...! Wissen Sie, hier sagt man, das Paradies, das ist ein amerikanisches Gehalt, eine japanische Frau...."

Kommt mir irgendwie bekannt vor. Ka kann es gar nicht oft genug hören, wie paradiesisch japanische Ehefrauen sein sollen. Siehst du?, sagt ihr Seitenblick. Bevor ich noch zu hören bekomme, wie die Hölle auf Erden aussieht, sind wir zum Glück schon am Fahrtziel angelangt. laos3

Das Wat Simuang liegt ein wenig außerhalb der Stadt und bildet doch deren Nabel, der durch eine tonnenschwere steinerne Stele, fest in den Grund gerammt, markiert wird. Eine schwangere Frau hat sich zur Grundsteinlegung als angeblich freiwilliges Menschenopfer von der Stele zerquetschen lassen, und seitdem soll der Buddha an der Holztür Wunder wirken. Vielleicht ist deshalb so viel Betrieb hier? In einer Ecke hocken Mönche auf dem Boden und essen, ein Hund trabt durch die Halle, Kinder spielen Nachlauf um den Altar, ein Baby krabbelt kreischend auf die phallusförmigen Kerzen zu, (wenige) Touristen knipsen und lesen in ihrem Baedeker, und durch eines der offenen Fenster laos4schwingt sich ein Äffchen herein, schnappt sich ein paar Salatblätter vom Mahl der Mönche und turnt blitzschnell quer durch die heilige Halle, bis es bei mir Halt macht und seine haarige Hand auf meine Schultertasche legt. Die Ka holt ein Croissant hervor, das seit dem Hotelfrühstück gemeinsam mit uns auf Sightseeing gegangen war, aber der Monkey kaut nur kurz und lustlos drauf herum. So ein Franzosen-Menü ess ich doch nicht, sagt sein vorwurfsvoll faltiges Gesicht, bevor er das Gebäck wegschmeißt und sich durch ein anderes Fenster in den Garten hangelt, nicht ohne zuvor den alten Hund kräftig am Schwanz gezoppelt zu haben. Dieser wurde entschädigt, indem er in den Genuss des verschmähten Affen-Gebäcks kam und sogar noch einen Nachschlag erbat. Wir hatten es offensichtlich mit einem Gourmet, einem Kenner der Cuisine française, zu tun.

Dieser friedliche Garten Eden, in dem sich Mönch und Tier so unkompliziert miteinander vertragen, ist sicherlich eines der Wunder des Buddhas der Holztür. Die Afghanen sollten die Buddhas von Bamian umgehend restaurieren und Osama Bin Laden als Grundstein drunterlegen, dann werden auch dort sicher Wunder geschehen.

Wer in Viangchan in einem der Luxusrestaurants der Innenstadt diniert, begeht einen großen Fehler. Man sollte lieber das Mekong-Ufer entlang flanieren wie die Stadtjugend auch. Wenn der Abendhimmel über dem Fluss dämmert und die kühle Flussbrise einsetzt, gehen tausend Glühlämpchen an und tauchen die holzgezimmerten Verandas der auf Pfählen an das Ufer geklebten Gasthäuser in romantischen Glimmer. Hier wird gejazzt, nebenan ertönen Disco-Riffs, daneben strömt Beer Lao aus den Fässern in die Kehlen, und überall umwuseln liebenswürdige Kellnerinnen die Gäste und verwöhnen sie mit Mekong-Butt, frisch gegrillt, Tomyam und Khaoniaw, dem rosaroten Klebereis, der mit den Fingern gegessen wird. Die ganze Jugend von Viangchan scheint hier versammelt zu sein und das Leben zu genießen, und der Genuss wird auch durch die Rechnung nicht verdorben, die praktischerweise in drei Währungen, in Kip, Dollars und Thai-Bahts, ausgestellt ist, aber selbst studentische Budgets nicht strapaziert.

Wenn es einmal tagsüber regnet in der Regenzeit (kommt nicht allzu oft vor), laos5kann man sich in den weniger berühmten Märkten umsehen. Angesichts der Preise an diesen absolut touristenfreien Stätten geriet Ka in einen regelrechten Kaufrausch; eine Bluse für 2 $, ein T-Shirt für 3 $, ein Kleid für 3 $, und wenn ich sie nicht in den Buddha-Park gelotst hätte, wäre der Markt am Abend leergekauft und eine Charter-Frachtmaschine für den Rückflug erforderlich geworden. Der Buddha-Park ist Laos' Antwort auf Amerikas Disneyland. Irgendein ausgeflippter Buddha-Fan, der zu viel Geld oder eine Betonfirma besaß, klotzte lauter meditierende Fabelwesen auf eine Wiese, allerdings in Bröselbeton minderer Qualität gegossen, und wenn hier mal die Taliban einrücken, können sie sich den Sprengstoff sparen; leichtes Klöpfeln genügt, um dieses Panbuddhistikum auf grauen Sand zu reduzieren.

Wenn das Wetter aber trocken ist, sollte man vor der Abreise unbedingt noch einen Blick auf die Highlights von Viangchan werfen, den Thai-Tempel Wat Sisakhet, das Phra Keo und das That Luang. Und was sieht man da? Im Wat Sisakhet 6000 Buddhastatuen, im Wat Phra Keo einen zerbrochenen Krug, der allerdings nicht von Heinrich Kleist, sondern von der Hochebene der Tonkrüge stammt, und das That Luang ist jene güldene Riesenstupa, die alle Laos-Poster in den Reisebüros ziert.

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Was man nicht sieht, ist der Smaragdbuddha (aus grüner Jade), denn den haben die Thais aus dem Wat Phra Keo gemopst und stellen ihn nun in Bangkok aus, und die Laoten haben die billige Replik, die sie als Ersatz bekommen haben, beleidigt in die Rumpelkammer gestellt. So herzlich ist das Einvernehmen zwischen den Nachbarvölkern hier. Wir fragen vorsichtshalber mal, wen die Laoten eigentlich mögen, abgesehen von den dollarspendenden Touristen. laos7

"Die Cambodianer, das sind gute Menschen....."

Liebe auf Gegenseitigkeit also.

Ich dachte, Prinzen gäbe es nur noch in Märchen und im Bücklingham Palast, aber in Luang Phabang stießen wir auf ein leibhaftiges Exemplar dieser aussterbenden Gattung. Die Stadt ist zwar als alte königliche Residenzstadt einschlägig vorbelastet, aber der König ist noch rechtzeitig gestorben und der Kronprinz von den Pathet Lao zum Landwirt befördert worden, kam aber von der "Umschulung" im Erziehungslager nicht wieder zurück. Eine Prinzessin hat kürzlich ihre Sommervilla zurückgekauft und das Komforthotel "Villa Santi" draus gemacht, denn von irgendwas muss der Mensch ja leben. Andere laotische Royals sollen Autoreparaturwerkstätten betreiben oder mit Transistorradios handeln, Genaueres weiß keiner nicht. So wunderten wir uns, dass in dieser eigentlich prinzenfreien Zone schon wieder ein Blaublütler dreist zugange war, und weil laos8seine Tollität noch zu frühstücken geruhten, und zwar in unserem Hotel und nicht in der blaublütigen Villa Santi, saßen wir bis zum späten Nachmittag auf unserem Rümpel, denn wir wurden nicht reingelassen.

"Diese dämlichen Royals, immer stehense einem im Weg rum", grummelte Ka, und als sie erfuhr, dass es sich ausgerechnet um einen ihrer Landsleute handelte, war sie erst recht sauer. Wir fuhren also erst mal raus aus dem Städtele und guckten uns die Teak- und Mahagonibäume an, die am Dschungelrand gezüchtet werden. Beide Sorten wachsen in dieser Gegend in Fülle, aber nur einer von zehn Mahagoni-Bäumen wächst so gutwillig gerade, dass er als Tropenholzspender laos9brauchbar ist. Teak-Bäume hingegen, die in dieser Jahreszeit in Blüte stehen und mit ihren hellbeigen Dolden und riesigen Blättern kilometerweit auffallen, lassen sich gut züchten und benötigen nur 30 Jahre, bis sie zur Schrankwand taugen, nicht länger als schwedische Ikea-Fichten. Außer diesen Nutzhölzern exportiert Laos dank seines Wasserreichtums auch Strom nach Thailand und, wenngleich nur unterm Ladentisch, Elfenbein, Tiger und Kobras für die Liebhaber putziger Haustiere rund um den Globus. Nahebei fanden wir denn auch in einem großen Käfig einen Tiger, der äußerst hungrig aussah und das arme Huhn im Nachbarkäfig von einer Panik in die andere scheuchte.

"Der wurde letztes Jahr als Tigerbaby von Schmugglern konfisziert und soll wieder ausgewildert werden, wenn er erwachsen ist", erfuhren wir. Mir sah das Vieh jedenfalls reichlich erwachsen aus.

Im Zentrum des von welligen Regenwaldbergen umgebenen Ortes erhebt sich eine Art Feldherrnhügel, der Monte Phusi, auf dem wie eine Pickelhaube eine goldene Stupa sitzt und in der Abendsonne glitzert. Unten fließt auf der einen Seite der Mekong und auf der anderen Seite der Nam Khan, in dessen Mündung Langboote mit 30 Mann Besatzung für die Regatta nächste Woche trainieren.

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Der Phusi ist auch für Wetterprognosen geeignet, denn die Regenfäden, die man soeben das Tal heraufziehen sieht, dürften in spätestens 15 Minuten hier sein. Gut, dass wir jetzt Einlass ins entprinzte Hotel finden....

Wenn man nach der Besichtigung der Tempel und Paläste auf der Suche nach Gaumenfreuden die Hauptstraße erkundet, werden Erinnerungen an Bangkoks Khaosan-Meile wach. Weiß der Olly, wo alle diese Leute herkommen! laos11Luang Phabang scheint auf dem Weg zu einem zweiten Chiangmai oder Kathmandu zu sein, obwohl mir ein Rätsel ist, was die Freaks hier alle wollen. Teakholz schmuggeln? Tiger reiten? Elefanten züchten? Der ganze Boulevard ist gespickt mit Bakerys, Souvenirtand, Boutiquen und Internet-Cafés, und in der Abendstunde quellen die langhaarigen Rucksackträger in solcher Fülle aus den klimatisierten Guesthouse-Stuben, dass die Laoten fast in die Minderzahl geraten. Ich komme aus dem Staunen nicht heraus, denn Laos gilt nicht gerade als überlaufenes Reiseland, es herrschen Nebensaison, Regenzeit und Sozialismus; der nächste Strand liegt in Vietnam, die nächste Mohnfarm in Myanmar, und um den Namen Luang Phabang überhaupt schon einmal gehört zu haben, muss man schon sehr bildungsbeflissen sein.

Abends sind die Tempel im Zentrum des Ortes alle geheimnisvoll dämmrig angeleuchtet, denn man braucht keinen Strom zu sparen. Oder sind da womöglich irgendwelche geheimen Riten im Gange? Ich schlurfe zwischen den stockfinsteren Nebengebäuden neugierig auf die beleuchtete Halle zu, da geht ein Fenster auf und etwas Dunkles, Schweres plumpst mir vor die Füße, rappelt sich jedoch fix auf, guckt mich ziemlich verblüfft an, sagt "Sabaydee" und huscht in die Finsternis. Dass es ein Glatzkopf in Mönchskutte war, habe ich erkennen können, aber dass laotische Mönche nachts aus den Fenstern springen anstatt die Tür zu nehmen, war mir neu. Ich will ja nicht hoffen, dass er auf sündigen Abwegen war... laos12

Eng am Ufer entlang tuckert der kleine Kahn den Mekong hinauf; in der Mitte des schlammbraunen Gewässers ist die Strömung zu stark. Das rechte Ufer begleitet die Landstraße nach Viangchan, und deshalb reihen sich hier die Dörfer aneinander. Das eine produziert Reiswein, das andere webt Seide, im dritten wird getöpfert, und alle Produkte sind sowohl am Flussufer als auch am Straßenrand feil. Das Gegenufer ist an gut zugänglichen Stellen mit Teak-Plantagen betupft, die aber nur bis zum Fuß der Berge reichen; dahinter ist Tiger- und Elefantenland, kaum erschlossen, straßenlos und fast menschenleer.laos13

30 km flußaufwärts türmt sich das Gestade zu einer steilen Felswand auf, in der allerdings Spalten und Klüfte sichtbar sind. Solche Orte haben auf die Leute rund um den Globus eine Art magische Anziehungskraft; auch Laos ist keine Ausnahme. Wir fanden die Grotten mit hölzernen Buddha-Figurinen vollgestellt, die am Neujahrsfest von den Dorfbewohnern als Votivgaben hergebracht werden. Nahezu 6000 meditierende Holzscheite aller Jahrgänge lagern hier kühl, trocken und im Dunkeln. Nur einsam sind sie sicher nicht, denn es herrscht ein Kommen und Gehen und Blitzlichtgewitter von Besuchern, die Boot um Boot den River raufgeknattert kommen, als hielte die hölzerne Geistlichkeit eine internationale Pressekonferenz zur Konjunktur im Nirwana ab.


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