Fidel und Hugo kurz vor dem ersten Kuss |
Du
weißt
natürlich, was der alte Simón geleistet hat, aber
es ist
möglich, wenn auch nicht allzu wahrscheinlich, dass sich
jemand
von der amerikanischen Immigrationsbehörde auf diese Website
verirrt, und da muss ich verhindern, dass der Simón
Bolívar mit
dem Simon von Arimathia oder mit dem Simon von Garfunkel oder mit
sonst einem Simon verwechselt wird. Also, versetz dich mal in ein
früheres Jahrhundert: Es war einmal ein großes
Reich, das unter
dem Joch einer tyrannischen Fremdherrschaft ächzte. Da wurde
in
einer armseligen venezolanischen Bauernhütte ein Knäblein geboren,
das später
große Dinge vollbringen sollte....
So beginnen die Biographien fast aller historischen VIPSs von Johannes dem Säufer über Jinggis Kahn und Willy Tell bis hin zu Wolfgang Amadeus Zartbitter, denn Märchen ähneln einander erstaunlich. Einige orientalische Märchen gehen sogar noch weiter und verlegen beispielsweise die Geburt des Bengels in eine Futterkrippe oder versichern, dass die Mutter bei der Geburt noch jungfräulich gewesen sei.
Jetzt denk bloß nicht, so etwas würde keiner glauben, aber der Siegeszug der Vernunft ist seit der Aufklärung leider nur wenig vorangekommen. Aber zurück nach Venezuela und zur Realität: Der genannte Simón stammte aus genügend begütertem Haus, um 1799, im Alter von 16 Jahren, aus Caracas nach Europa zu reisen und dort aufs Gymnasium zu gehen. Die französische Revolution begeisterte ihn ähnlich stark wie unser Fritzchen Schiller und viele andere Intellektuelle der alten und neuen Welt, und nach dem frühen Tod seiner Frau machte er beim Militär Karriere. Er war nicht der einzige, der sich die Unabhängigkeit von den spanischen Kolonisatoren zum Ziel gesetzt hatte, denn in Europa hatte er gesehen, wie die Leute das Gold aus den amerikanischen Kolonien verprassten wie die heutigen vierzehn Clans in Caracas die Petrodollars. Nachdem er zum Generalissimus aufgestiegen war, dezimierte er die Weltbevölkerung in einem blutigen Gefecht nach dem anderen, bis er 1821 bei Carabobo, in seiner 36. siegreichen Schlacht, das spanische Heer endgültig besiegte und die Unabhängigkeit erreichte. In der Folge vertrieben auch Colombia, Ecuador, Bolivien und Perú die Konquistadoren, und Simón Bolívar erklomm nach seinem frühen Tod 1830 ungezählte Betonsockel in ganz Südamerika, auf denen er bis heute mit blankem Degen steht und bronzen streng auf die vorbeiflanierenden Tauben, Touristen und Taschendiebe blickt.
¡Vamos de nuevo, Simón! |
Kazuko, José, Beatriz, Sebastian und Birgit am Airport von Ciudad Bolívar |
Ich ahnte
natürlich nicht, dass die Langsamkeit auch andernorts ihre
Anhänger hat, aber ich will mich nicht beklagen, ich
hätte ja
auch nach Oberhausen oder nach Tirol reisen können anstatt
nach
Südamerika. Und anstatt über die Vorzüge
effizienter
Urlaubsplanung nachzudenken, schaue ich lieber aus dem
Plastikfenster und sehe unter mir viel Wasser, das muss der
Embalse de Guri sein, der zweitgrößte See von
Venezuela, der
seine Existenz freilich einer Serie von Staudämmen verdankt
aus
der Zeit, als Venezuela noch nicht nach Bolivenöl roch,
sondern
seine Energie mühsam aus regenerierbaren Ressourcen gewinnen
musste. Na ja, Wasser gibt es in diesem Land genug, davon
erzähl
ich dir in diesem Kapitel noch mehr, leg den Regenschirm in
Reichweite oder die Badehose an!
Als der
Flieger
sich wieder dem Erdboden zu nähern begann, wurden am Horizont
die ersten Tafelberge sichtbar. Die ragen im Südosten des
Landes
bis hin zur Grenze zu Guyana und Brasilien wie riesige
Druckknöpfe oder Keyboard-Tasten aus der Savanne, allseits
felsige Steilwände, aber oben flach wie ein
Bügelbrett, und
wenn du wissen willst, wer die Dinger in die Landschaft gepflanzt
hat, musst du einen Geologen fragen, der erzählt dir dann was
von Sedimentschichten aus dem Präkambrium und
ältesten
geologischen Formationen der Erde, und du nickst zu seinem
Vortrag, als wüsstest du, wann das Präkambrium
stattgefunden
hat. Jedenfalls sehen Tafelberge anders aus als gewöhnliche
Berge, und vor lauter Tafelbergen hätte ich beinahe
übersehen,
dass der breite Fluss, den wir im Landeanflug gerade
überqueren,
sich vor unseren Augen in ganzer Breite einen Stock tiefer
stürzt. Mannomann, das ist zwar kein Niagara, sondern nur ein
Rio Carrao, aber trotzdem ein gewaltiger Anblick. Nur hören
kann
man von dem Tosen nichts, und wenn du mal in einer Cessna
geflogen bist, weißt du auch warum. Der Ventilator, der das
Ding
durch die Lüfte quirlt, macht nämlich einen Radau wie
ein Chor
aus 26 Kettensägen und 18 Presslufthämmern, da wird
jeder
Zahnarzt blass vor Neid mit seinem mickrigen Bohrerlein.
Der Rio Carrao hüpft einen Stock tiefer |
Nach der Stadt Canaima, die auf
allen Landkarten groß eingezeichnet ist, haben wir lange
gesucht
nach der Landung. Irgendwann fanden wir dann heraus, dass die 64
Häuschen, die rund um den Flugplatz verstreut im Wald stehen,
mit dem Ort Canaima identisch sein müssen. Und ich dachte, das
seien nur die Wohnungen der Souvenirfritzen,
Flugzeugfensterscheibenputzer und Tankwarte, die die vormittags
im 10-Minuten-Takt hier angeschnurrt kommenden Cessnas mit
billigem Sprit vollpumpen.
Jedenfalls nahmen sich zwei Einheimische sofort nach der Ankunft unserer an. Der erste wollte Geld, wie kann es auch anders sein. Eintritt in den Parque Nacional Canaima. Und der andere sagte nur "Vamos", und wir tippelten hinter ihm her und dachten, der bringt uns zu einem Jeep oder Minibus, Transfer in die Stadtmitte. Aber da waren nur staubige Fußwege mit großen Pfützen zwischendrin, denn auch hier bleibt der alltägliche Nachmittagsregen nicht aus. Durch einen davon hatte sich die kleine Cessna im Landeanflug voll durchgequirlt. Im Hof des dritten oder vierten Hauses wimmelte es vor Gringos, Rucksäcken und Plastikplanen, als ob eine Himalaya-Expedition vorbereitet würde. Irgendwann während des Wartens auf Godot tauchten auch Birgit, Sebastian und Beatriz auf, unsere netten Bekannten aus Volkers Posada, von denen uns die geniale Missis Bürogracias in Ciudad Bolívar getrennt hatte. Sie waren wohl mit einem der nächsten Flieger eingeschwebt. Und als wir glaubten, wir wären für die nächsten Tage wieder zusammen, kam endlich unser Godot und tat uns kund, dass wir mit ihm zu neuen Abenteuern aufbrechen sollten, in einer lautstarken Bande von lauter Italienern. Beatriz zog eine Schnute, denn sie wollte auch mitkommen, wurde aber von unserem Guide abgewiesen. Sonderfahrt, nur für bleiche Gringos.
Trip wohin
eigentlich? Stimmt,
fast hätte ich es dir verheimlicht, dass wir zum
höchsten
Wasserfall der Welt unterwegs sind, und der Startpunkt dafür
ist
Canaima. Die Sehenswürdigkeit ist auf dem Wasserweg zu
erreichen, ist das nicht bequem? Eine kleine Bootfahrt auf dem
Flüsschen, mit Picknick und einer halben Stunde baden
unterwegs,
bei der Hitze genau das Richtige. Die Boote starten vom Rio
Carrao aus, und zwar oberhalb des Wasserfalls, ist ja eigentlich
ganz logisch, denn den Wasserfall raufdüsen, das schafft auch
kein Yamaha-Außenborder. Unterwegs können wir uns
aber den
Wasserfall aus der Nähe angucken und endlich auch das
dazugehörige Rauschen genießen.
Wenn du hier baden gehst, gehst du baden |
"Ihr müsst
wasserdicht sein", sagte Godot, der in Wirklichkeit Luisito
heißt und Plastiktüten für Wertsachen
verteilte, die besser
trocken bleiben sollten. Wir hatten freilich, durch frühere
el-gato-hafte Erfahrungen gewitzt, unsere papierenen Dokumente längst ins
Trockene gebracht. Die Uhr steckte tief im Gepäck, und die
Kamera verträgt ein paar Spritzer. Und dann hocken alle
vierzehn
Gringos auf den Holzbänken des Einbaums und staunen nicht
schlecht, dass der abzischt wie eine Feuerwerksrakete. Die
Schiffer haben da offenbar so einen Formel-1-Außenborder
dranmontiert, dass uns der Fahrtwind fast die Perücken vom
Schädel bläst. Gerade mal 20 Minuten Fahrt, und schon
heißt es
aussteigen.
"Diese
Halbinsel muss zu Fuß überquert werden, im
vollbesetzten Boot
ist es zu gefährlich wegen heftiger Wirbel und Stromschnellen.
Das Boot fährt leer auf die andere Seite und wartet da auf
uns", erläutert Luisito und steigt allen voran die steile,
grasige Uferböschung hinauf. Unter den Ausflüglern
ist eine
stark blondierte Padovanerin, die sich halb auf Sofia Loren und
halb auf Brigitte Bardot gepeppt hat und auf Italienisch lauthals
mault, dass sie eigentlich nicht in Urlaub gefahren sei, um
Strapazen zu erdulden. Aber was hilft's, vor die Wahl gestellt,
zu Fuß nach Canaima umzukehren oder die Halbinsel zu
erwandern,
entscheidet sie sich für das geringere Übel und
bequemt sich,
ihren Sciopero einzustellen und missmutig durch die Savanne zu
tippeln. Dabei ist alles halb so schlimm. Oben ist flaches
Grasland, und keine 20 Minuten später sehen wir unser Boot
wieder, ein kleiner Spaziergang, tut echt nicht weh. Nur heiß
war es, mindestens 35 Grad im Schatten, den es unterwegs freilich
nirgends gibt. Die Abkühlung kam aber sehr schnell, denn unser
Düsentrieb-Einbaum jagte mit solchem Schmackes durch die
nächsten Stromschnellen, dass die Italiener bei jeder kalten
Dusche, die sie abbekamen, einen Chorlaut auf dem hohen C von
sich gaben.
Überall in großer Zahl: Wasserfall um Wasserfall |
Und weil wir ohnehin ziemlich
nass waren, stürzte sich die ganze Mischpoke ins klare
Flusswasser, als ein Seitenarm des Rio Carrao über
rundgewaschene Felsen gehüpft kam. Da war auch die Padovanerin
wieder mit Luisito versöhnt und ließ sich die
Gelegenheit, ihre
Rundungen in einem atemberaubend knappen Bikini vorzuführen,
nicht entgehen.
Bis zum Ziel waren es noch weitere 25 km, die alle abgesessen werden mussten, dass uns fast das Sitzfleisch blutete. Ich war drauf und dran, meine Schwimmweste abzulegen und als Kissen auf der harten Holzbank unterzulegen. Lieber absaufen als bei jedem Wellendotzer die blauen Flecken am Steiß zu vermehren. Aber Luisito blieb unerbittlich mit seiner Gringo-Folter. Er reichte Bocadillos durch, damit keine Revolte ausbrach und alle Widerworte im allgemeinen Mampfen erstarben. Und dazu eisgekühlte Coca Cola, die venezolanische Nationalbrause, die freilich durch die allfällige Flusswasserdusche und den endlich zuschlagenden Nachmittagsregen verdünnt wurde. Du siehst, die Fahrt war nicht langweilig, keine Bootfahrt ohne Dusche. Ich dachte, ich seh nicht recht, als alle Italiener bei den ersten Regentropfen Regencapes und Gummiponchos hervorkramten, die auch einer Woche Schottland standhalten würden, obwohl wir auch ohne Regen schon bis auf die Haut nass waren und für die Erfrischung in der subtropischen Hitze dankbar sein mussten.
Eine halbe
Stunde später, als
wir in den schmalen Seitenfluss Rio Churrún eingebogen
waren,
war der nasse Spuk vorüber und mein T-Shirt auch ohne
Gummihaut
wieder trocken. Aber nicht lange, denn dieser Rio hält nicht
nur
gute Aussicht auf die Steilwände der nahen Tafelberge, sondern
auch jede Menge Hindernisse parat, die mal vorsichtig, mal
beherzt durchschifft werden müssen. Angesichts einer Felswand,
deren Form mich an die Rundmauern der römischen Engelsburg
erinnerte, fiel mir komischerweise auch noch die Loreley ein. Wenn da oben
jetzt eine naturblonde Mieze säße und uns eins
vorsingen
würde, dann würden womöglich am Ende die
Wellen Schiffer und
Kahn verschlingen, aber wir kamen fast ohne Schrammen sogar an
Skylla und Charybdis vorüber, ein dreifaches Hurrah dem
wackeren
Steuermann und dem Formel-1-Quirl am Heck!
Loreley auf der Engelsburg? Assoziationen eines verschrobenen Teutonen.... |
So, jetzt ist mal wieder QUIZ-Time. Die Preisfrage: Warum heißt der Wasserfall "Angel fall" (Salto Angel)?
Die richtige Antwort findest du nach dem Bild.
Den Sturz überlebt keine Forelle ! |
Au wei, du hast
heute deinen
schlechten Tag, schon wieder falsch getippt! Von wegen Anc Huel! Das
ist eine Wortschöpfung des Frank Eschersheimer. Bei den
Einheimischen heißt das fliegende Gewässer
nämlich
Kerepakupai Vená.
Die richtige Antwort ist a). Da hat ein Amerikaner namens Jimmie Angel versucht, mit einem hölzernen Doppeldecker auf dem Tafelberg Auyantepuy zu landen, das war 1937. Und warum? Weil er hoffte, da oben Gold zu finden. Die Amis sind ja immer hinter den Nuggets her. Statt des Goldes fanden sie leider nur einen Sumpf, in dem sein Fluggerät versackte und nicht mehr flott zu kriegen war. Und es grenzt an ein Wunder, dass die vier Insassen des Fliegers von da oben heil wieder runtergekommen sind. 11 Tage brauchten sie dazu, einen Abstieg zu finden, und ich sag dir, im freien Fall wären sie schneller unten gewesen. Nebenbei entdeckten sie jedoch den Wasserfall, der seitdem nach Jimmie Angel benannt wird. Und, willste nochmal quizen? Also gut, ein neuer Versuch, deine Ehre zu retten und mit Bildung zu prahlen. Die Preisfrage lautet: Wie hoch ist der Angel-Fall im Vergleich zu den Niagara-Fällen?
Für die Auflösung musste warten, bis du dir das folgende schöne Foto gut angeschaut hast.
Dreh doch mal den Wasserhahn zu ! |
Ich glaube, wir lassen die
Quizerei, du liegst echt total daneben. Schlag mal nach, wie hoch
die Niagara-Fälle sind, dann kannst du errechnen, dass d) die
richtige Antwort ist.
Mit
Müh und Not erreichten wir
knapp vor Einbruch der Dunkelheit das Wellblechdach, unter dem
sich ein weiter betonierter Platz erstreckt. Eine Anzahl von
Holztischen und -bänken steht da drauf, von blakenden Kerzen
und
Petroleumfunzeln spärlich erhellt. Und auf den Bänken
hocken
hungrige Gringos und warten auf die unvermeidliche Coca Cola und
auf was zu spachteln. Ich weiß schon, was es gibt, denn als
ich
mich in der Dunkelheit zum Pinkeln in die Büsche schlug, wo
mich
ein überfallartiger Platzregen kalt erwischte, kam ich an
einem
kleineren Dachl vorbei, unter dem eine wackere Glut versuchte,
einen aufgespießten Hühnerstall oder vielmehr dessen
Inhalt in
Grillhendln zu verwandln, die in der Tat nicht lange auf sich
warten ließen und halbiert, mit Salat und einer
tüchtigen
Portion Reis garniert, auf unsere Teller geflattert kamen. Und
was da neben den Tischen wie große Fledermäuse von
den
Dachbalken und den Tragestützen herabpendelte, das waren
unsere
Hotelbetten. Hast du schon mal in einer Hängematte
übernachtet? Seit der frühen Wiegenkindheit hab ich mich und mein halbes
Hendl jedenfalls nicht mehr so gemütlich in den Schlummer
geschaukelt. Nur die Cola im Bauch gluckerte ein bisschen....
Wienerwald am Angel-Fall |
Übrigens, japanische
Venezuela-Reiseführer warnen ausdrücklich vor den
Bootsfahrten,
die von den Einheimischen veranstaltet werden, denn "da wird
dem Reisenden unter Umständen zugemutet, in einer
Hängematte zu
übernachten". Wahrscheinlich saßen alle japanischen
Touristen außer unsrer Ka in den Hubschraubern und
Kleinstflugzeugen, die alle naslang über dem Angel Fall
brümmeln, zwei Foto-Runden drehen (oder auch drei, wenn sich
Wolken vor die Felswand schieben) und dann wieder zum nächsten
Vier-Sterne-Hotel zurückknattern.
Wiegen für die größeren Babys, wenigstens regnet's nicht rein |
Nach dem erneuten Wellenritt
anderntags entluden wir unsere weichgeklopften Hinterteile am
frühen Nachmittag in Canaima und dachten, jetzt
hätten wir
Pause zum Trocknen unserer Guidebooks und Badesachen. Aber
Luisito wollte nicht von uns lassen und meinte gar, wir seien
unzufrieden, wenn er uns nicht bis zum Ende des nassen Tages
entertaint. Also folgten wir ihm zu einem "kleinen
Spaziergang".
"Zieht besser Badezeug unter eure T-Shirts und nehmt die Plastikbeutel mit, ihr werdet nämlich wieder nass!"
Das sind
ja feuchte Aussichten! Aber das Quecksilber in den Thermometern ist schon längst
wieder jenseits der 30-Grad-Marke entschwunden, wer würde
nicht
mitgehen wollen zum nächsten Swimming Pool? Wir tappsten also
steif runter zu jener Lagune, in die sich der Rio Carrao in
voller Breite stürzt, und wurden schon wieder - Oh mein Popo!
-
in eine Yamaha-Holzrakete gesetzt. Aha, jetzt fährt der doch
den
Wasserfall rauf, dachte ich, nur um meine Behauptung, das
würde
der nicht packen, zu widerlegen. Aber den Wasserfall ignorierte
unser Kapitän und fuhr nur so nahe an die Gischt heran, dass
wir
tatsächlich so nass wurden, als wären wir bis hierher
geschwommen. Das Ziel befand sich jedoch jenseits der Lagune, wo
ein harmloser Wanderweg ins Grüne begann. Der kleine
Spaziergang
führte in ein Wäldchen voller hungriger Mosquitos, wo
nach
einiger Zeit schon wieder ein wasserfalliges Rauschen zu
vernehmen war. Der Rio Carrao hat nämlich zahlreiche
Seitenarme,
und alle stürzen sich wie die Lemminge in die Lagune. Fotogene
Aussicht auf den nächsten Wasserfall El Sapo, eine Ultrabrause
zum Anfassen.
Hattest du nicht nach der Dusche gefragt? - Voilà, da ist sie... |
Also nicht dass du
jetzt meinst, ach, so ein Nebenarm, da tröpfelt nur ein
Rinnsal
zu Tal. Nee nee, da tost schon was runter, dass du Mund und Augen
zuzumachen vergisst, das ist ein Wasserfall, bei dem jeder
Elektroingenieur von dicken Turbinen träumen würde.
Venezuela
ist echt das wasserreichste Land von Südamerika, und der
Orinoco
ist immerhin der achtlängste Fluss des Kontinents. Dass hier überall
Wasser
plitschert und platschert, hatten schon die Spanier gemerkt, die
auf ihrer Suche nach Gold weit in der Welt herumkamen. Und manche
Siedlungen der hiesigen Ureinwohner waren dermaßen auf, in,
um
und an Gewässern errichtet, dass die Kolonisatoren sofort an
Amsterdam dachten. Zufällig lag Spanien aber damals mit
Holland
im Krieg, sonst hieße Venezuela heute womöglich
Amsterdamuela.
So besann man sich bei der Taufe des wasserreichen Beutestücks
eben auf die andere europäische Lagunenstadt: Venezuela
heißt
"Klein-Venezia". Lustig, was? Allein in Canaima
schwappt mehr Wasser als in ganz Venezia, und wie viele Millionen
Venezias auf die Fläche von Venezuela passen würden,
wäre die
nächste Quizfrage, wenn ich die richtige Antwort
wüsste. Aber
na gut, Klein-Venezia also....
Aber jetzt
pass
mal auf. Der Weg geht nämlich weiter und führt cool
hinter dem
Wasserfall auf die andere Seite rüber. Jawohl, hinter
dem Wasserfall auf dem obigen Foto. Gut, man hört ja oft
davon, dass
man hinter manchem Wasservorhang durchtippeln kann, in
Tivoli etwa, aber was dort vor dir runterplätschert, ist
allenfalls so viel, wie ein Dutzend
Gartenschläuche zuwege
bringen. Aber hier rumpelt die Wassermenge des Rheins zu Tal, und
hast du dir schon mal den Rhein von unten angesehen ? Ja
natürlich, in der Oper. Wo der Alberich auf dem Grund des
Rheins
ganz ohne Schnorchel mit den Rheintöchtern poussiert und dabei
zwischen rostigen Motorrädern, Bettgestellen, Fliegerbomben
und
anderem Flussbodenmüll das Rheingold findet. Aber hier..., nix
Alberich, nix Gartenschlauch, nix Tivoli, nix Rheingold. Da
hältste dich fest und den Atem an, die ohrenbetäubend
donnernde
Wasserwand vor deinen Augen ist undurchdringlich.
Guck dir den Fluss mal von unten an |
Der Felsen zittert unter der Wucht des Wassers |
Also, ich bin ja schon manches
Mal nass geworden, aber so eine Dusche hab ich noch nicht erlebt.
Und wohin gelangst du auf der anderen Seite? Auf eine Insel
mitten im Fluss. Wasserfall von oben sozusagen. Auf allen Seiten
Wildwasser. Rechts tost was zu Tal, links braust was zu Tal,
unter dir brüllt, gischtet und zischbifft was, und hinter dir
gurgelt und quirlt die rotbraune Brühe auf dich zu, als wollte
sie das Inselchen auch mit in die Lagune befördern.
"Gute Aussicht, was?", brüllt Luisito gegen die Naturgewalten an und packt die Cola-Bottel aus. Vom vielen Wasser ist er wohl durstig geworden. In der Tat, gute Aussichten, denn es führt kein Weg weiter, wir müssen noch mal hinter dem brüllenden Wasservorhang durch, um zur Zivilisation zu gelangen. Noch ein Ritt über die Lagune, und endlich wähnen wir uns im Trockenen, da geht der tägliche Wolkenbruch los, und ich sag dir, der gab sein Bestes, um dem Wasserfall Konkurrenz zu machen! Obwohl die ganze Bande sowieso bis auf die Haut durchnässt war, sprinteten alle unter das nächste Dachl; das muss ein Urinstinkt sein, denn nasser als nass kannste eigentlich nicht werden.
Und wenn du mit Italienern vertraut bist, ahnst du sicher schon, wie der Tag endete: Die einzige Bar, die es in Canaima gibt, wurde zum Tanzlokal gemacht, und während der Kneipier das Salsa-Tonband bis zum Anschlag aufdrehte, die blondierte Sophia Bardot vor den Augen ihres fischig schmollenden Mackers mit allen anderen Männern aufreizend dazu tanzte und Ka in dem Disco-Lärm mit einer tanzfaulen Genovesin Konversation zu treiben versuchte, nuckelte ich still an meiner Caipirinha und träumte von einer Hängematte in dunkler Waldesstille.
El Sapo aus allen Perspektiven, nur vom Reinhoppen rat ich dir ab |