header



ruaha


Am letzten Abend im Serengeti, wo wir übrigens wesentlich weniger Deutschen begegnet sind als befürchtet, ging ein prächtiges Gewitter über der Wildnis nieder, so dass aus den staubigen Pisten am anderen Morgen, als Lesikar uns zum Airstrip von Seronera brachte, schlammige Rutschbahnen wurden. Die Tiere freuten sich allerdings über den willkommenen Trank und konnten sich den weiten Weg zur nächsten Wasserstelle sparen. Der Abflug bedeutete auch den Abschied von Lesikar, dem speerlosen Maasai, der uns zehn Tage lang immer gut gelaunt, hilfsbereit und freundlich begleitet hatte.


326



Die kleine 13sitzige Maschine, die uns von der unasphaltierten Piste von Seronera zurückspedierte, flog erst mal nach Arusha, und dort wartete ein anderes, ebenso leichtes Propellervehikel, das uns nach Dar befördern sollte. Es machte freilich einen unerwarteten Umweg über Zanzibar, was vielleicht auch daran lag, dass Ka am Steuer saß und sich verflog. Na ja, genauer gesagt, sie saß nur auf dem Copilotensitz und hütete sich, das Steuer vor ihrer Nase anzufassen, aber die junge Pilotin neben ihr verkündete bei der Ankunft in Zanzibar, es sei eine saumäßige Landung gewesen, sie hätte auch schon bessere hingekriegt. Das bewies sie uns beim Aufsetzen in Dar, 20 Minuten später. Und den Kilimanjaro haben wir unterwegs wieder nicht erblickt hinter seinem Wolkenschleier, obwohl wir wieder nah an ihm vorbeigeschwirrt kamen. Vielleicht steht er ja doch in Kenya...



337


Auch der nächste Flug verlief etwas anders als geplant, anstatt in Jongomero im Ruaha NP landeten wir in der Hauptstadt Dodoma. Der tiefere Grund dafür war, dass ein dunkel gewandeter, gebildet dreinblickender angegrauter Herr mit im Flieger saß, der beim Lesen eines dicken Buches über Internationales Handelsrecht einnickte. Nachdem er das Flugzeug verlassen hatte, erläuterte der Pilot, dass er den Vize des tanzanischen Premierministers zu einer Parlamentssitzung habe bringen müssen, jetzt aber nach Jongomero weiterfliegen werde. Aha. Gut, dass niemand ein Attentat auf unseren prominenten Mitreisenden verübt hat.

329



Das Jongomero Camp ist luxuriös angelegt, mitten in der Wildnis. Du musst wissen, dass die Strecke Arusha - Tarangire - Serengeti die Safari-Autobahn von Tanzania ist, während Ruaha im Südwesten des Landes nicht viel mehr als nahezu unbewohnte Wildnis aufzuweisen hat.
"Ihr werdet bei euren Safari-Fahrten vermutlich den ganzen Tag keinem anderen Wagen begegnen", sagte der junge Chef des Etablissements, und ich kann nur bestätigen, dass er Recht hatte. Das nächste Camp ist 70 km entfernt, und jedes Camp hat trotz der eher bescheidenen maximalen Einwohnerschaft von ca. 50 Personen inclusive aller Gäste seinen eigenen Airstrip. Wildnis hin, Solitüde her, das Camp ist sehr anheimelnd, unser schöner Bungalow liegt direkt am Ufer des Jongomero-Flusses, der in der Trockenzeit freilich vollkommen ausgetrocknet ist. Von der Veranda aus sehen wir den Elefanten und Pavianen zu, die durchs sandige Flussbett stapfen oder hüpfen.


386

Mann, was haben wir alles an Staub inhaliert bisher, den andere Vehikel vor uns aufgewirbelt haben! Hier in Jongomero wirbelt niemand außer uns, das ist von Vorteil, aber ich will auch die Nachteile nicht verschweigen. Die Tiere hier sind an bollernde Vierrad-Vehikel nicht gewöhnt und lassen uns selten nah heran. Überdies existiert hier eine bedeutende Population von Tsetse-Fliegen. Das sind die afrikanischen Viehbremsen, die aber auch Menschenblut nicht verschmähen. Sie sind zwar behäbig und lassen sich mit einem Straußenfederwedel leicht vertreiben, andererseits aber auch gerissen und kriechen dir heimlich von unten das Hosenbein rauf, um dich am Po zu stechen. In Tanzania tragen sie zwar nicht das Virus der Schlafkrankheit im Schnorchel, aber die Stiche jucken und schwellen beachtlich, da hast du eine Woche lang dran zu kratzen. Auch Bettmilben zählen zu den exotischen Tieren, denen man nicht allzu gerne begegnet, aber in jedem Hüttlein steht eine Dose Insektenspray, mit dem man tunlichst die Bettstatt einnebelt, bevor es zum Dinner geht. Aber dafür ist die Landschaft hier wundervoll grün, luschig und wirklich nahezu unberührt.


350


Merkwürdigerweise überfallen die Tsetse-Fliegen, im Gegensatz zu den Löwen, nur die Insassen von Fahrzeugen, im Camp sind keine. Umgekehrt kommt es durchaus vor, dass es sich am helllichten Mittag auf dem Sandweg vom Lodge zum Swimming pool eine Löwenfamilie gemütlich macht und ihr Mittagsschläfchen hält. Oder dass sich einige Elefanten den Rücken am Reetdach unseres Bungalows schubbern. Vor Bollerautos rennen sie weg, vor losen Zweibeinern aber haben sie keinerlei Respekt, diese Viecher.
Abends lässt sich die Crew des Camps nach dem üblichen Aperitif am Lagerfeuer etwas einfallen, um die wenigen Gäste zu delektieren. Sie stellt die Tische in den Sand des Flussbetts, gräbt Vertiefungen in den Sand, um leere Konservenbüchsen dort zu placieren, in denen Kerzen flackern - sieht von weitem aus wie die VIP Lounge im Hotel Ritz, total romantisch, nur dass wir unter einem prachtvollen Sternenhimmel bei Kerzen- und Petroleumfunzelschein dinieren, am Ufer über uns die illuminierte, offene Lobby, die aussieht wie eine Opernkulisse.


jongomero


Klar, ich schreibe den Bericht hier nicht, um Werbung für das eine oder andere Camp zu machen, aber die Safari-Fahrten in Jongomero waren nicht so tierhaltig wie andernorts bisher. Vielleicht lag es auch an der dichten Vegetation. Löwen sahen wir nur einmal, ganz kurz, Giraffen und Antilopen stoben davon, sobald sie uns nahen hörten. Gleichmütig blieben nur die Flusspferde, die uns zu Ehren eine veritable Wasserschlacht inszenierten, denn der Ruaha-Fluss führt, anders als sein Seitenarm Jongomero, an dessen ausgetrocknetem Flussbett wir logieren, ganzjährig Wasser. Aber auch unser trockener Sandfluss enthält Wasser, man sieht es nur nicht. Die Elefanten können es aber riechen. Sie graben ein wenig im Sand und kommen so an das klarste Wasser Afrikas, sauber gefiltert.

349



Wir sind von unsrer Hütte, entgegen aller Vorschrift, ins Flussbett runtergestiegen und haben es selbst mal versucht. Ein bisschen im weichen Sand gegraben, und tatsächlich, wenn man sich etwa ellbogentief vorgebohrt hat, werden die Fingerkuppen nass, und noch eine Handbreit tiefer bist du am Grundwasser.


388


Die Elefanten sind die Hauptdarsteller in Ruaha. Wenn sie in größeren Herden unterwegs sind, bleiben sie gelassen, wenn wir herangebrümmelt kommen, und kauen weiter an ihren dicken, holzigen Ästen. Es kann aber auch sein, dass so ein tonniger Bulle mitten auf der Piste steht und nicht rafft, dass wir ihm nicht mal kurz durch die Prärie ausweichen können. Das Vehikel hält, seine Lampenaugen auf den Dickhäuter gerichtet, und der fühlt sich provoziert und stampft mit flatternden Ohren auf uns zu. Erst im letzten Moment dreht er ab, weil das feige Automobil keine Anstalten machte, den kampfbereiten Burschen zu attackieren.
"Wenn so ein Bulle Ernst machen würde, wäre das gute Auto nur noch Schrott", kommentiert unser Fahrer trocken. Glaub ich auch. Du musst gesehen haben, wie diese Biester, ein jeder ein wahrer Obelix, ganze ausgewachsene Bäume umschmeißen, weil sie sich nur mal den juckenden Lederbuckel kratzen wollten, oder mit ihrem Rüssel mittelgroße Bäumelein glatt ausreißen, um an die leckeren jungen Äste der Krone zu kommen. Schließlich ist ein Elefant 18 Stunden pro Tag mit Fressen beschäftigt, anders wird so ein Koloss von seinem Holzsalat ja nicht satt.


363


Und weil wir grad beim Thema "lecker" sind, muss ich doch noch ein Loblied auf den Bocuse des Camps in Jongomero singen. Nicht nur, dass er jeden Mittag und jeden Abend die Tische der wenigen Gäste an anderen, romantischen Orten aufbaute und auch mit der Beleuchtung effektvoll experimentierte, er zauberte auch hier, in mezzo del niente, ein Dreisterne-Menü nach dem anderen auf die Teller, Gnocchi mit Champignonsauce, Huhn auf Zucchine-Gemüse, Chocolat mousse mit Erdbeercreme, Obstsalat in essbaren, selbstgebackenen Waffelschalen oder Wassermelone mit geraspelten Minzeblättern, und dazu Wein und Bier und was immer dein Herz begehrt. Und dabei hockst du mitten in Afrika in einem ausgetrockenten Flussbett, in dem tagsüber Elefanten nach Wasser polken.


345


Heute habe ich mich verliebt in den Lilac breasted roller, zu Deutsch "Gabelracke", den Nationalvogel von Botswana, der auch hier heimisch und keineswegs selten ist. Wenn er auf seinem Ast sitzt, wirkt er eher unscheinbar mit seiner pfirsichrosa Brust, aber du musst ihn sehen, wenn er seine Flügel ausbreitet und davonschwirrt. Ein blaurosalila funkelndes Juwel, ein fliegender Tanzanite, der schönste je erblickte Vogel nach den rosaroten Paradiesvögeln von Papua New Guinea. Wie kann man so ein Wundertier bloß "Gabelracke" nennen? Aber auch andere Vögel sind interessant, die gelben Webervögel, Hammervögel, die Hornbills, und die grünen Lovebirds, die immer zu zweit unterwegs sind und sich ein Leben lang nicht trennen, und wenn einer der beiden stirbt, trauert der andere, bis er tot vom Ast fällt.


lilbrerol



Nur wenige Tiere fanden sich in Ruaha, die wir anderswo nicht gesehen hatten. Das größte sind die Kudus, die es aber in anderen Teilen Afrikas, in Botswana und Südafrika, en masse geben soll, während die anderen Arten, die wir kurz zu Gesicht bekamen, nachtaktive Tiere waren, die sich nur in der Dämmerung zeigten, eine riesenlange Speikobra oder eine Art von Ginsterkatze, die auf Englisch Genet heißt.


kudu


Das Schönste an Ruaha sind die wunderbare Flusslandschaft, der von keinem Streulicht behinderte Sternenhimmel mit dem Kreuz des Südens tief am Horizont, die nächtlichen Laute wie das Jammern der Hyänen und das Brüllen der Löwen und, mit Beginn des Morgengrauens, das mächtige Crescendo des Vogelstimmen-Sinfoniekonzerts. Überdies ist das Klima einfach ideal. In knapp 1000 m Höhe wird es tagsüber nicht übermäßig heiß, kühlt aber nachts auch nicht allzu sehr ab, so dass es immer angenehm ist, und dazu glasklare, trockene Luft und ewig blauer Himmel. Na ja, während der Regenzeit wird es erheblich anders sein...


351


Nach dem Ende des nachmittäglichen Safari Drive meldet der Fahrer per Walkie-Talkie die nahe Rückkehr an --- und alle Bediensteten bilden ein lächelndes Empfangsspalier! Die einen reichen feuchte, mit geheimnisvollen Essenzen getränkte Tüchlein zum Erfrischen, die anderen balancieren auf dem Tablett für jeden Ankömmling ein Gläschen Cognac oder Sherry, und dann dauert es nicht lang bis zum Lagerfeuer-Smalltalk und zum nächsten lukullischen Abendmahl an irgendeiner romantischen Stelle am oder im Flussbett. Wie zu Zeiten von Queen Victoria! Weißer Mann lässt es sich gut gehen, und Dutzende Schwarze umdienern ihn. Aber unser Gewissen regt sich nicht; inzwischen sind alle Camps sozial und ökologisch engagiert. Sie halten keine Sklaven, sondern geben den Leuten Arbeit, gut bezahlt sogar, teilen dort, wo das Camp nicht in einem NP liegt, das Wasser aus der eigens gelegten Wasserleitung kostenlos mit der lokalen Bevölkerung, und wir, wir zahlen schließlich ganz ordentlich für den Luxus, der ein wenig teurer ist als eine Pension auf Kreta.


343


Das Walkie-Talkie ist in dieser Solitüde übrigens überlebenswichtig. Die nächste Stadt ist hunderte Kilometer entfernt, und wenn das Vehikel mal zusammenbricht oder die Konfrontation mit einem verärgerten Elefanten oder einem übersehenen Graben nicht überlebt, muss man aus dem Camp ein Rettungsteam alarmieren können. Auch in jedem Gästebungalow liegt eine Tröte, die einen markerschütternden Schrei von sich gibt, wenn man sie aktiviert, aber das sollte man nur tun, wenn eine Elefantenherde aus dem Häuschen Kleinholz macht oder ein Leopard sich auf dem Himmelbett zur Ruhe gebettet hat, denn alle Bediensteten des Camps werden unverzüglich mit Blaulicht zu Hilfe eilen.


158


Pünktlich, nein, zehn Minuten zu früh sogar, setzt die kleine Cessna auf dem staubigen Strip von Jongomero auf und soll uns nach Siwandu bringen. Diesmal untersütze ich die Pilotin, die mich auf den Kopilotensessel Platz nehmen lässt, wahrscheinlich aus Gründen der Balance des zerbrechlich wirkenden Fliegers. Eine Zwischenlandung in Msembe, wo zwei Passagiere aussteigen wollen, aber das glückte nicht wie verhofft, weil auf dem dortigen Airstrip eine Herde Zebras spazieren ging. Die Pilotin wutschte im Tiefflug über die Tiere weg, die sich daraufhin schleunigst in den Wald verzogen. Nach einer Ehrenrunde war die Piste frei, wir knirschten in einer Staubwolke auf die Piste und kamen anschließend auch in Siwandu gut an.


397

  
afrohome
          weiter              home