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Siwandu heißt eine Region an der Seenplatte im Selous-Wildreservat, und ein Reservat ist eine Art Vorstufe zum Nationalpark. Vorstufe bedeutet, es wohnen noch zu viele Leute dort, um es zum NP zu ernennen. Größenmäßig entspricht die Fläche von Selous, das schon zu Kaiser Wilhelms Zeiten zu Ostafrikas erstem Reservat erhoben wurde, dem Königreich Belgien. Der einzige Unterschied zu Anno dunnemals ist, dass die schnauzbärtigen Preußen das Reservat nicht zum Schutz der Tiere, sondern zum lustvollen Abschießen derselben eingerichtet hatten. Auch heute noch sind einige Regionen im Selous tatsächlich Jagdreviere, aber nicht Siwandu. Hier wird nur mit der Kamera geschossen.


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Es sieht aus wie der Kurpark von Bad Nauheim, grünes Gras und lockerer Baumbestand, um den der Landrover durch sandigen Grund kurvt, um uns ins Camp zu bringen. Es ist eine getreuliche Kopie des Camps von Jongomero, nur dass es hier im Tiefland heißer ist und unser Haus nicht an einem trockenen Flussbett, sondern an einem großen See liegt. Ringsumher stehen junge, nur ca. 3 m hohe Bäume, die in der Trockenzeit ihr Laub abgeworfen haben und auf den Regen warten, um neu auszutreiben. Kurpark von Bad Nauheim im Herbst, sozusagen. Und noch ein Unterschied zu Jongomero: Hier gibt es keine Tsetse-Fliegen, dafür aber Zahnbürstenbäume. Die heißen vermutlich nicht so, haben aber Blüten, die genauso aussehen wie rote Zahnbürsten.



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Auch das Empfangsritual ist eine Kopie der Zeremonie von Jongomero, in Siwandu wartet danach aber ein neuer Thrill: Hier kannst du mit dem Boot auf den See raustuckern, eine willkommene Abwechslung zu den holprigen Safari-Pisten, die uns bisher die Knochen gestaucht hatten. Geh aber nicht auf eigene Faust oder ohne Begleitung ans Seeufer, denn das hier ist keine Kiesgrube, sondern Ostafrika: Das Ufer ist dicht gesäumt von bissigen Eidechsen, die man Krokodile nennt. Also brav in die Schaluppe, lass dich übers Gewässer tuckern. Boots-Safari nennt sich das, und wenn du mit einem Guide zu Fuß in den Wald gehst, heißt das Walking Safari, und wenn du ins Kino gehst, heißt das wahrscheinlich Cinema Safari, da merkt auch der Laie, dass "Safari" in Afrika ein Zauberwort ist. Es ist Swahili und heißt schlicht "Reise". "Safari njema" sagst du, falls du irgendwem eine gute Reise wünschen willst.


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Tief ist der See Nzerakera nicht, zumindest nicht während der Trockenzeit. Aber weit ist er und führt Süßwasser. Vom einen Ende zum andern braucht ein Boot mit Yamaha-Power nonstop etwa 30 Minuten. Wahrhaftige Trauminseln ragen aus dem Wasser, in dem sich hunderte von Flusspferden wohlfühlen. Kreisrund, 30 meter Durchmesser, postkartenschöne Palmen drauf --- aber keine Bikini-Girls, sondern lauter Krokodile, die sich am Strand sonnen oder auf Fischfang im warmen Wasser dümpeln. Wenn du unbedingt schwimmen willst, geh ins Pool des Camps und nicht in den See. Am Pool döst zwar auch ein Kroko, aber das ist aus Ebenholz geschnitzt und hat nur noch 3 Beine.


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Eine andere Insel ist ein Vogelparadies. Steile, felsige Ufer, struppige Büsche, die voll sind von Nistplätzen von Pelikanen, Störchen, Marabus und Ibissen, die zu tausenden die ganze Insel bevölkern. Die Ibisse, das sind die heiligen Vögel der alten Ägypter, weshalb sie auf Englisch "Sacred Ibis" heißen. Am Wasserrand noch mehr ägyptisches Gefieder, nämlich ägyptische Gänse, die einst wie die Araber vom Norden her eingewandert sind und sich inzwischen in Tanzania derart heimisch fühlen, dass man sie lieber tanzanische Gänse nennen würde, sofern das ohne diplomatischen Ärger möglich wäre. Außerdem wunderbunte Eisvögel und prollige Löffler, das sind Vögel, deren lange Schnäbel sich vorne verbreitern wie ein Spachtel. Nur wer noch keinen Löffel gesehen hat, der mag auf die abwegige Idee kommen, diese Viecher Löffler zu nennen.


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Natürlich wollen wir hier nicht tagelang nur im Boot herumschippern, denn dieser NP hat eine andere Spezialität: Wenn du bisher noch keinem Elefanten oder Löwen begegnet bist, hier in Wassernähe kannst du sie schwerlich übersehen. Auch Leoparden sind hier keine Seltenheit, aber sie tarnen sich tagsüber gut oder pennen hoch in den Baumkronen, bevor sie in der Abenddämmerung auf Beutezug schleichen. Aber die Elefanten sind allgegenwärtig und stehen überall kauend und mampfend, knackend und schnaufend in der Landschaft herum.


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Ein italienisches Ehepaar, das heute im selben Safarimobil mitfährt, beschwert sich, dass wir immer nur Elefanten sehen. Löwen wollen sie. Der Fahrer macht kehrt, legt seinen Formel 1-Gang ein und rast 35 Minuten lang Volldampf durch die Prärie, biegt ab über einen kaum geplätteten Holperpfad, der uns fast durchs Dach katapultiert, und bleibt einige Minuten später neben einer großen Akazie stehen.
"Bitte sehr!"
Wie auf Bestellung lagert eine Löwensippe dort, eine Großfamilie, und kaut an einem zähen Büffel, während die Löwenmama ihre katzengroßen Jungen etwas abseits beim Herumtollen beaufsichtigt, damit nicht der Papa in einer seiner gefürchteten Launen mal wieder den Nachwuchs zerfetzt. 


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"Löwen nagen ihre Beute bis auf die Knochen ab. Was sie heute nicht schaffen, fressen sie morgen. Den Büffel haben sie gestern erlegt, da wusste ich, dass sie auch jetzt noch da sind", grinste der Fahrer, als ich mich erkundigte, woher er so genau wusste, wo die Löwen zu finden sind. Der angegraute Besucher aus Padova sah zufrieden aus.
"Mich kann man morgens bei den Löwen absetzen und abends wieder abholen, ich würde mich da den ganzen Tag nicht langweilen", meinte der Signore, während Signora vielsagend schwieg. Erst am Abend wurde sie gesprächig, als sie sich bei der Direktion lauthals darüber beschwerte, dass unser Fahrer ihr mit seiner temperamentvollen Hatz über Stock und Stein die Bandscheiben gestaucht habe. 


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Glücklicherweise sind wir anderntags diese allürenhafte Gesellschaft los und fahren allein durch die Botanik. Und wieder gibt es Löwen, die eigentlich immer in irgendwelchen possierlichen Posen schlafen, sofern sie nicht bei der Mahlzeit sind. Diesmal haben sie ihr Beefsteak gerade erst erlegt und sind damit beschäftigt, ihren Buffalo genießerisch aufzureißen.
Seltsam, die Löwen kümmern sich nicht die Bohne um Zuschauer. Andere Tiere gucken zumindest misstrauisch, was denn da angetöffelt kommt. Löwen gucken nicht mal. Gähnen höchstens.


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Nur ein kurzsichtiges Nilpferd glotzt uns an. Frisch aus dem wasserlinsengrünen Schlammtümpel aufgetaucht, ein Gesicht wie Papa Mumin. Es gibt meines Wissens Tiere, die wesentlich intelligenter aussehen. Nun ja, Assoziationen zu glatzköpfigen Zeitgenossen, die in der zweiten Aprilhälfte und im Umfeld von Fußballspielen in Stadien und Bierschänken lautstark auffallen, drängen sich auf, aber bleiben wir in Afrika, ohne diese abschweifenden Gedanken weiter zu verfolgen. 


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Als letztes eine Walking Safari, das ist was für Pflanzenkundler. Die Tiere rennen ja alle weg, wenn sich ihr ärgster, zweibeiniger Feind auch nur fern am Horizont abzeichnet. Selbst die riesigen Giraffen mit ihren langen Hälsen spurten elegant um die Büsche, wenn sie Wandersleute erspähen. Elefanten hätten es wohl nicht nötig, zu verduften, aber sie sehen vermutlich, dass der Typ an der Spitze des Gänsemarschs eine Flinte trägt --- sicher ist sicher. Elefanten sind ja durchaus nicht dumm und sehen auch intellektueller aus als die braunen Nilpferde mit ihren Bierbäuchen. So bekommen wir nur ein paar hübsche Waldblümelein zu sehen, staunen aber nicht schlecht, als kurz darauf mitten im Wald, wie ein Pilz aus dem Boden gewachsen, ein Tischleindeckdich im Dickicht steht, mit Obst, Kaffee und Eggs'n'bacon drauf. Das haben die Leute vom Camp für uns tief in der Wildnis, aber nicht fern vom Seeufer, aufgebaut, eine echte Überraschung!


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Beim Abendessen neben dem Pool schreit auf einmal ein kleines Kind von einer der Palmen herunter. Kann doch nicht sein!
"Ein Bushbaby", sagt ein Kundiger. Das ist eine Art Koboldmaki, ein harmloses Nachttier mit riesigen Augen, das seine Freunde ruft und dabei klingt wie ein greinendes Baby. Tagsüber schläft es im Laub der hohen Palmen, aber am Abend geht es futtern, immer zusammen mit Artgenossen, die sich gegenseitig rufen.
Ein Barbecue der allerbesten Art beschließt unseren Aufenthalt in Selous, denn schließlich bekommt man Hunger, wenn man den ganzen Tag zugesehen hat, wie die Löwen schlemmen.


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Mit dem Landrover verscheucht der Chauffeur die Giraffen von der Piste, auf der unser Flieger freilich erst mit mehr als einer Stunde Verspätung aufdotzt. Der Pilot, in Jeans und T-Shirts, entschuldigt sich, er sei für einen kranken Kollegen eingesprungen und habe erst noch woanders Leute abholen müssen. In der Tat, die Maschine ist voll, bis auf unsre beiden Sitze. Woher die anderen Passagiere kamen, weiß ich nicht, und wohin sie wollten, auch nicht, denn als der Propeller wieder ausrotierte, waren wir die einzigen, die wieder ausstiegen. Ich hörte nur, wie die Sitznachbarn bei der Landung sagten "pas encore, ici, cela s'appelle Ras Kutani". Mit großen, weiß getünchten Steinen war der Name unseres Ziels am Pistenrand ausgelegt.


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Ras Kutani ist gerade mal 30 km von Dar Es Salaam entfernt. Es ist der Traumstrand des Südens, eine idyllische Ansammlung von Bungalows an einem kilometerlangen, einsamen weißen Sandstrand, vom Hinterland getrennt durch eine Süßwasserlagune, über die wir samt Gepäck per Muskelkraft gerudert werden. Am Ufer das luftige Empfangsgebäude der allerbesten Touristen-Anstalt von Tanzania, wenn man den Internet-Ratings trauen darf. Sicher ist zumindest, dass das Management eine Vorliebe für blaue Kissen hat.


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Keine Safari mehr, kein Landcruiser-Geholper, keine Löwen, sondern Möven, keine Giraffen, nur noch Affen. Und Strand satt. Irgendwann muss ja, nach all den Strapazen, auch mal der Urlaub anfangen. Aber Frank kann einfach nicht länger als zwei Stunden am Strand hocken und Löcher in den indischen Ozean gucken. Schon greift er sich eines dieser ulkigen Plastikboote, setzt Ka mit rein und paddelt durch die Lagune, die aber nach 300 m in seichten Schlick übergeht. Die Affen im Busch ringsumher kichern, weil die beiden bleichen Fremden nasse Popos haben, denn der Kahn hat bedauerlicherweise einen Sprung im Plastikboden.


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Aber es ist warm, da kannst du solche Unbill schon mal ertragen und dich nach der U-Bootfahrt in den Dschungel stürzen, die Freiheit nutzend, dass man hier endlich einmal nach Lust und Laune herumstromern darf. Ein paar Limonen gepflückt, denn zuhause ist der Kühlschrank leer, da haben wir schon den Gang zum Gemüsehändler in Tokyo gespart, und dann, drei faule und verfressene Tage später, lassen wir uns wieder über die Lagune schippern und zum Airstrip chauffieren, wo eine nur viersitzige Piper, leicht wie eine Libelle, angeschwirrt kam und uns nur zehn Minuten später am Julius-Nyerere-Airport zum Umsteigen nach Tokyo absetzte. Drei Stunden Stau gespart. Und jetzt, nachdem wir gut angekommen sind, kann ich dir ja noch verraten, dass der Pilot, der uns zuletzt mit seiner Libelle durch die Lüfte spedierte, ein junger Flugschüler auf Übungsflug war, mit Fluglehrer nebendran....

Tutaonana tena, kwa heri! --- Bis demnächst wieder, tschüs!


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