"Hast du denn gar kein
Mitleid mit der armen Gazelle?", fragt
mich soeben einer der Leser. Ehrlich gesagt: Eher nein. Klar, es ist
für einen der Empathie fähigen Menschen kein
erhebendes Bild, mit anzusehen, wie eine anmutige, zierliche Gazelle
mit ihren
großen Steifftier-Augen und weichem Kraulefell
überfallen und totgebissen wird. Aber erstens laufen
im
Serengeti Millionen von Gazellen rum, zweitens waren die beiden
Opfer wirklich unfassbar dämlich und selbst an ihrem
Schicksal schuld; sie benahmen sich so, als wollten sie sagen "bitte
schön, friss mich", und drittens ist das eben die Natur. Auch
die Gazelle hat ihre Chance, steinalt zu werden, sofern sie sich klug
genug
verhält. Falls man alle Gazellen schützen wollte,
würden die Geparden
verhungern, die vertragen nun mal kein vertrocknetes Gras. Und
schließlich ernähren die Geparden, die den Rest
liegen lassen, wenn sie
satt sind, alle Geier, Schakale und Hyänen noch mit, die
ebenfalls
unabdingbar zur originären Fauna Ostafrikas gehören.
Es gibt in unsrer Welt sogar Lebewesen, die ihre Beutetiere eigens
mästen und nudeln, Steaks, Pastete und Wurst draus machen,
ihnen die Muttermilch wegsaufen und ihre Eier stehlen und zu Omeletts
und Sachertorte verarbeiten, und die wenigsten haben Mitleid mit den
armen Opfertieren.
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