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WINDHOEK und Basters
Ethiopia...
...ist das falsche Wort, um einen Namibia-Bericht zu beginnen, aber Frank war schon immer ein wenig off the track, neben der Rolle, ohne bon sens und keine Spur von literarischem Talent; nimm es ihm nicht übel. Der ist eben so.
Also, Ethiopa gilt eigentlich als eines der Konflikt- und Hungerländer dieser
Zeit, trotz seiner kulturell bedeutenden Vergangenheit, aber trotzdem
--oder eben deswegen?-- setzt Ethiopian Air alles daran, dich auf dem
Flug von Tokyo nach Windhoek zu stopfen wie eine Foie-gras-Gans.
Wahrscheinlich leiden die Leute dort deswegen Hunger, weil sie die Paxe
von Ethiopian Airlines mästen müssen. Zwischen Tokyo und
Windhoek hatte der anschwellende Frank innerhalb von 20 Stunden
fünf volle Mahlzeiten zu vertilgen, weshalb er beim Betreten des
Flugfelds von Windhoek dankbar war für die karge, ausgetrocknete
Landschaft, die sich seinen ersten Blicken darbot und alles andere als
fruchtbar und nahrhaft anmutete. Wer dort ohne alles und mutterseelenallein ausgesetzt wird,
braucht keine Low-Carb-Diät mehr, sondern beginnt
unverzüglich mit einem längeren Intervall-Fasten.
Zwei eher kleinere Flugzeuge standen auf dem Airport etwas verloren herum, und zu
Fuß bewegten sich Frank und Kazuko bei Sonnenschein, frischem
Wind und angenehmen 23 Grad über das genannte Flugfeld auf einen
flachen und architektonisch unambitionierten Kasten zu, nicht, weil er
wie ein Empfangsgebäude aussieht, sondern weil alle anderen
Insassen des Gastronomiefliegers ebenfalls dorthin liefen.
Franks Freude über die trockene Wärme und den lauen
Windhauch seines ersten namibischen Mittags war nach einer Stunde
Wartezeit dank der extrem unfreundlichen Zeitlupendamen der
Passkontrolle, die sich vermutlich durch besonders bissigen Charakter
für den Job beim Immigration Office qualifiziert hatten, einer
beträchtlichen Unzufriedenheit gewichen. Das Leben legt es, wie
hieran deutlich wird, weniger darauf an, uns harte Schläge zu
versetzen, sondern kostet es vielmehr aus, uns sachte zu
verschleißen, zum Beispiel durch die groß angeschriebenen,
ironischen Worte "WELCOME TO NAMIBIA".
Vielleicht lag es an seiner
angesäuerten Stimmung, dass Frank auf der Fahrt ins Stadtzentrum
dem freundlichen Driver, der ihm aufgeregt "there is a baboon!" zurief,
nur ein mageres "yes" zur Antwort gab. Ihm war unklar, wieso sich ein
Einheimischer so aufregt wegen eines Pavians am hellbraun grasigen
Straßenrand im namibischen Buschland. Das Äffchen kommt doch spielend
über den Drahtzaun der Begrenzung des Farmgeländes
drüber. Ein Eisbär an diesem Ort hätte Frank jedenfalls
mehr beeindruckt, das steht fest.

Parkhaus für verdiente Revolutionäre
Früher oder später gelangt jeder Neuling auf dem Weg durch
die Hauptstadt Windhoek zu einem imposanten Gebäude im Stadtteil
Katutura, das sich elegant und goldglänzend in die
Nachmittagssonne reckt. Das moderne Design verdient zweifellos einen
Architekturpreis, und die Aussparungen in dem Sonnendach über dem
zentralen Atrium ergeben den Schriftzug SWAPO. Wenn du das für die
Abkürzung einer UN-Unterorganisation oder den Namen einer
chinesischen Automarke hältst, musst du nach 1980 eingeschult
worden sein und bei Vicky Paydear nachlesen, was Swapo bedeutet.
Nun
trifft die Dualität, die dem Daoismus zufolge das Grundprinzip
unserer Welt ist, fraglos auch auf Namibia zu. Kein Licht ohne
Schatten, kein Schatten ohne Licht, ohne rechts kein links, kein
kalt ohne warm, und ohne reich auch kein arm.... Je heller das
Glanzlicht des protzigen Swapo-Hauptquartiers funkelt, desto dunkler
der Schatten, den es wirft; konkret gesagt, just en face duckt sich das
verrottende State Hospital in die Vorstadt, von dem nur noch Teile nutzbar sind,
während die anderen allmählich für Ruinenforscher
interessant zu werden beginnen. Es könnte ratsam sein, lieber
gesund zu bleiben als dort eingeliefert zu werden. Eine gewisse
Symbolik mag der Fremdling auch darin erkennen, dass nur wenig weiter
entfernt davon die Windhoek Central Prison dem Swapo-Bau zu
Füßen liegt. Dass die regierende Partei, ebenjene Swapo, im
Parlament nur noch über eine sehr dünne Mehrheit
verfügt, könnte unter anderem auch mit solchen und
ähnlichen daoistischen Kontrasten zusammenhängen,
aber als Fremder aus Weitwegistan will ich mich lieber aus der
namibischen Innenpolitik heraushalten und konzentriere mich auf die
Fahrtstrecke, die soeben die Hans-Dietrich Genscher Street
entlangführt.

Der hier Geehrte muss die Entwicklungshilfe deutlich erhöht haben
Ein leichtes Unbehagen erfasst mich, denn ich hatte geglaubt, einzig
die Deutschen seien so närrisch, ihre Straßen, die einst
Birkenstraße, Gartenweg oder Domgasse hießen, immer öfter zu Bindestrich-Ungetümen wie
Bischöflich-Geistlicher-Rat-Josef-Zinnbauer-Straße
aufzublasen, worüber sich jeder Anwohner anlässlich des
Ausfüllens seines Antrags auf Bafög oder Hartz IV beim
Eintragen seiner Adresse zu Tode ärgert, was wiederum das
Schrumpfen der deutschen Bevölkerung beschleunigt. Ein
Gesetzentwurf, der Straßennamen auf zwanzig Buchstaben limitiert
und Bindestriche generell untersagt, hätte meine
Unterstützung. Und nun sehe ich mit Entsetzen, dass auch die
Namibier diesen deutschen Untertanengeist imitieren, Straßen,
Schulen, Airports, Brücken, Fabriken, Kliniken und womöglich
bald auch noch Bedürfnisanstalten, wiewohl ohne erkennbare
menschliche Eigenschaften, mit den Namen irgendwelcher korpulenter
Honoratioren nach Parteienproporz zu befrachten. Vielleicht
fließt ja viel Geld dafür in die leeren kommunalen Kassen.
Mit großer Erleichterung lese ich allerdings in Franks Notizen,
dass das Straßenschild zwei Kreuzungen weiter auf "Gensher"
lautet, und wieder ein Stück weiter zu "Gencher" mutiert. Das
Preußentum hat Namibia zum Glück also nur leicht gestreift
und nicht, wie ich bei Franks Schilderung der bummelstreikenden
Passkontrolleusen argwöhnte, tiefere Furchen in den afrikanischen
Seelen hinterlassen.

Damit kein falscher Eindruck entsteht: Windhoeks Innenstadt ist deutlich hübscher und moderner
Die Gencher-Finanzspritze reichte allerdings nur bis zum Stadtrand.
Für das sich daran anschließende Okuryangawa war die
Gensher-Spende offenkundig nicht spritzig genug. Dieser lyrisch
duftende Name bezeichnet ein namibisches Township, ---nein, kein
Stadtschiff, du Dodo, wo hast du denn Englisch gelernt?--- sondern in
diesem Fall eine der illegitimen Barackensiedlungen, die den
Stadtrand säumen, denn auch hierzulande übt die Hauptstadt
eine starke Anziehungskraft auf Leute aus, die es zu etwas bringen
wollen. Und das sind nun einmal nicht wenige, die sich am Stadtrand
eine Blechhütte zusammennageln; wer hätte denn keine Lust, es
zu etwas zu bringen? Man gerät dort, wenn samstags am
Straßenrand in Hakahana der Markt der Bewohner der Banlieues
gehalten wird, in einen veritablen Stau, denn die ersten verdienten
Dollars der Bewohner werden wie in allen Suburbs der Welt zuerst in
Statussymbole investiert. Du brauchst dich nicht zu wundern, dass dort
zwischen den Lattengitterkottergatterhütten auf staubigen
Bollerpisten Mercedesse und BWMs parken und schwarzhäutige
Beauties mit blond gefärbten Strähnen nailstudiogestylt an
den Marktständen entlangflanieren. Auch im Slum zeigt sich ein
daoistisches Oben und Unten.

Statussymbole taugen zu nichts, wenn man sie nicht vorzeigt
Immerhin bemüht sich die Stadtverwaltung, Straßen zu
asphaltieren, Stromleitungen zu legen und Wasser zuzuführen, kommt
jedoch mit dem Wachstum der Townships nicht mit. Simple Finanzspritzen
reichen da leider nicht mehr aus. Immerhin winken die Leute freundlich,
wenn sich ein Alien wie der Schnorrerfrank in diese Gegend verirrt.
Das in richtigen Trikots und nicht
wie anderswo in Afrika barfuß
ausgetragene Fußballmatch der Oberliga Windhoek Nord auf einem
sandigen, nur schwach gewellten Placken lässt nicht alleine
Rückennummern, sondern auch Namen wie Messi, Ronaldo, Neymar und,
leicht verblasst, sogar Beckenbauer erkennen und beweist, dass hier
wahrhaft professionelle Kicker zugange sind. Aber Frank, der sich
seiner Reisevita entsprechend in dieser Gegend besonders heimisch
fühlen sollte, fährt ausnahmsweise weiter und gerät,
weiter im Zentrum, an eine andere architektonische Attraktion, das
Museum der Unabhängigkeit, vor dem Kim Ilsung in Bronze steht
und mit hochgerecktem Arm den Weg in die sozialistische
Zukunft ausgerechnet in Richtung protestantische Kirche weist, mit
einem Buch in der Hand. Ob es sich um Harry Potter handelt oder um
Rosamunde Pilcher, war für den kurzsichtigen Frank nicht
erkennbar. Beim
Näherkommen bemerkte er als aufmerksamer Betrachter freilich, dass
es sich trotz unverkennbarer Ähnlichkeiten nicht um
den Heiligen von Pyeongyang, sondern um einen Herrn mit den
Gesichtszügen des Sam Nujoma handelt, die man schon von den
namibischen Geldscheinen und von dem vergoldeten Papa mit dem Baby auf
dem Arm kurz vor seinem Salto vom Dach des Swapo Headquarters her
kennt. Sowohl der Museumsbau mit seinen verglasten Aufzügen als
auch die Statue sind made in Pyeongyang, letztere ein standardisiertes
Exportmodell des notkoreanischen VEB Führerstatuen, bei dem auf
Wunsch des Bestellers nur die Gesichtszüge variiert werden
können.

Ein Zeuge Jehovas hält den "Wachtturm" hoch
Ein paar Schritte weiter stößt Frank auf die Schandtaten
seiner Vorfahren. Ob ein gewisser Ururgroß-Eschersheimer an den
Massakern an den Völkern der Nama und Herero durch die
Kaiserlichen, ob armiert oder mariniert, beteiligt
war, ist Frank vollkommen unbekannt. Ahnenforschung ist Franks Hobby
nicht, und er hat nie mehr über seine Vorfahren seit Adam-Eva & Sons
erfahren, als dass er je ein Achtel Wiener und magyarisches Blut in
seinen Adern hat, was sich bisher aber selbst beim Blutspenden weder
als Vor- noch als Nachteil erwiesen hat.
Nach Abzug der randalierenden Schnauzbärte war leider nur noch
ein Viertel der urspünglichen Bevölkerung am Leben. Vor dem
Denkmal der bedauernswerten Opfer des reichsdeutschen Genozids liegt
ein Kranz mit Schleife in Schwarzrotgold, den Angestellte der
deutschen Botschaft vermutlich einmal pro Woche aufpeppen, was gewiss
billiger ist als Schwarzrot-Geld, auf das die Nachfahren der Opfer
scharf sind. Es bringt ihnen zwar die Ahnen nicht zurück, aber Euros zu bekommen, erleichtert es ungemein, die traurige
Vergangenheit zu ertragen.
In der Tat sollte Germany sich nicht lumpen lassen und anstelle von
Kränzen und Entwicklungshilfe im Gießkannenprinzip die
Patenschaft für die Jugend eines afrikanischen Staates
übernehmen und etwa Schulen und Stipendien für Hochbegabte
finanzieren. Das hielte Frank Eschersheimer für sinnvoll, aber ihn
fragt ja niemand nach seiner Meinung, und außerdem wollte er sich
doch aus der Politik heraushalten.

Mit Schleife in Schwarzrotgelb
Es ist kühl hier vor dem 'Tintenpalast', dem
Parlamentsgebäude, in dem die Angeordneten fleißig
Schriftsätze abfassen. Neuerdings aber mehr am PC als mit Tinte. Das hohe Haus ist sonntags
ebenso geschlossen wie der Netto-Markt in Bielefeld-Gadderbaum,
denn Namibia liegt während der EU-Sommerzeit in exakt derselben
Zeitzone wie Oberammergau oder Pellworm. Frank kramt seine Jacke hervor
und zieht sie über seinen Pulli. Windhoek liegt in 1600 m
Höhe, und dass es im Juli Winter ist, muss man für die
Leser, die ihn schwitzend auf dem afrikanischen Äquator
balancierend wähnen, immer wieder aufs Neue betonen oder besser
betonieren. Nein, Frank schwitzt nicht, sondern fröstelt,
während im Licht der schwachen Abendsonne die namibische Flagge
und diejenige der Afrikanischen Union schlaff nebeneinander über
dem Parlamentspark baumeln, dessen Instandhaltung vermutlich zu
teuer käme, wenn sich dort Hinz und Kunz und Frank und Ka ergehen
und die Mülleimer mit ihrem Unrat füllen dürften,
weshalb der Park für Einheimische wie für germanische
Besucher, die nicht Genscher, Gensher oder Gencher heißen,
gleichermaßen off limits ist.

Der menschenleere Park vor dem Tintenpalast
Aber jetzt tippt dem Frank jemand leicht auf die Schulter. Und nochmal,
bevor er sich auch nur umdrehen kann. Niemand zu sehen. Nun klopft ihm
der unsichtbare Jemand sogar feucht ins Gesicht. Nein, das darf doch
nicht wahr sein! Im trockensten Land von Afrika, in der trockensten
Zeit des gesamten Jahres verschlucken dunkle Wolken die rostrote
Abendsonne und tröpfeln Frank ihr kostbares Nass auf diverse
Gesichtspunkte! Murphy's law hat also auch im Südwesten von Afrika
Gültigkeit. Klar, die Wolken, die wollen nur spielen, aber der
Schauer, den die Sonne beim eiligen Untergehen gleich wieder vertreibt
wie ein lästiges Insekt, produziert einen vollständigen
Regenbogen und beweist, dass man hier sogar für
LGBTQndsoweiter-Leute ein Herz hat. Noch ein Punkt für Namibia.
Dass es in Windhoek einen Sam Nujoma Drive gibt, nimmt nicht wunder,
aber dass dieser die Robert Mugabe Avenue kreuzt und die nördliche
Parallelstraße den Namen Fidel Castro Street trägt, hat
durchaus einen gewissen haut goût. Es ist wie verhext. Ich wollte
mich aus der Politik heraushalten, und jetzt fragst du mich nach den
Verdiensten des vor wenigen Jahren endlich in Richtung Friedhof
abgetretenen zimbabwischen Permadiktators Mugabe, der hier mit einem
prominenten Straßennamen gewürdigt wird. Klar, im Guinness
Book of Records steht der Name Robert Mugabe mehrfach verzeichnet, als
Urheber der galoppierendsten Inflation Afrikas und des temporeichst
vollendeten Ruins eines einst unter dem Namen South Rhodesia
wirtschaftlich stabilen Landes, in dem die Weißen zu Millionären
wurden und die Schwarzen...., ach ja, du kennst sicher die Prinzipien
der Kolonisatoren, brauchst bloß auf den
schwarzrotgelbschleifigen Kranz oder nach Palästina zu gucken. Um
es kurz zu machen, rangen in den 1970er Jahren in Rhodesien die ZANU
und die NA, und in Südwestafrika die SWAPO um Unabhängigkeit
und Entmachtung der Apartheidköppe, und Mugabe war damals noch ein
smarter Freiheitskämpfer, der den Genossen Sam Nujoma redlich
unterstützte. Innerhalb weniger Jahre zwischen 1980 und 1994
hießen die Präsidenten von Azania (RSA) aber unversehens
Nelson Mandela, von Namibia (SWA) Sam Nujoma, und von Zimbabwe (South
Rhodesia) Robert Mugabe. Aber nur dieser mutierte nach dem Tod seines
adipösen Innenministers, Kampfgefährten und Rivalen Joshua
Nkomo zu einem unappetitlichen Allmein aus der
Lukashenko-Maduro-Assad-Liga. Aber ebenso wie dem Fidel von der
rumreichen Zigarreninsel, dem der so denkwürdige wie treffende
Ausspruch "Los yanquís ya no son los dueños del mundo"
(die Yankees sind doch nicht die Herren der Welt!) entfuhr, erweist
Namibia auch dem späteren Tyrannen Mugabe bis zum heutigen Tag
seine Dankbarkeit für Hilfe in Zeiten großer
Not.

"Das Rotkraut ist schon wieder teurer geworden!" - Markt am Straßenrand in Hakahana
Irgendwann nach einer Anzahl von diäthaltigen Tagen meldet sich
Franks Magen wieder und verlangt nach Füllung, wenn auch nicht in
äthiopischer Unmenge. Ein bildschönes Gartenrestaurant, Joe's Beer Garden,
offeriert allerlei Delikatessen und preiswertes Bier,
selbstverständlich nach dem preußischen Reinheitsgebot
gebraut, aber das georderte Fish'n'chips, als kleiner Snack intendiert,
entpuppte sich als beinahe delfingroßes Fischgetüm, das den
Tellerrand deutlich überragte, auf einem Diwan frittierter
Kartoffeln, eine Portion, die für die kommenden drei Tage vollauf
ausreichend gewesen wäre --- auch in Namibia wird
Gastfreundschaft offenkundig durch die Größe der Portionen
definiert... Seufz. Mit Wehmut entsann sich Frank des Kantens
Gruyère, von dem er sich einst als studentischer Hitchhiker im
Mittelmeerraum fünf Tage lang ernährt hatte, mit Feigen vom
Baum und Trauben vom Weinberg als Beilagen....
Von benachbarten Tellern erfuhr Frank, dass es beim Kudu-Steak weniger
gigantische Portionen gab; vielleicht sind die Kudus ja, anders als
beispielsweise die Schnorrer, eine bedrohte Spezies.
Beim Verlassen der geschmackvoll und gemütlich eingerichteten
Lokalität, in der ein (hoffentlich) ausgemustertes
Straßenschild vom Schrottplatz mit der Aufschrift "Wilhelm Pieck
Street" als Dekoration diente, stieg Frank durch das Gärtchen mit
Kieswegen und Brückchen über gluckernde Bächlein und
Teiche, in denen sich prachtvolle Karpfen tummelten. Womöglich, keimt ein Verdacht in Franks Gewissen,
schwamm dort ja vor seinem Riesenbutt-Menü einer mehr...?

Das Krokodil ist nicht echt, aber der dekorative Austin Mini über dem Eingang
Die Einwohner des Inselstaats Nouvelle Calédonie nennen sich
stolz 'Kanaken'. Es sind freundliche Leute, die, trotz gut
bestückter Supermärkte voller Fromages und Vins de France zu
denselben Preisen wie in der Auvergne oder Picardie, gegen die
französische Bevormundung aufbegehren, was ihnen niemand
außer Monsieur Macron verübeln dürfte. Ihnen ist es
saucisson, äh, wurscht,
dass der Name ihres Volkes in
hooligandeutschen Kreisen und im Abfalleimer für Dummköpfe, kurz AfD, als verächtlich gemeinte Sammelbezeichnung
für
außereuropäisch aussehende Mitbürger missbraucht
wird.
Die
Bewohner der namibischen Stadt Rehoboth haben den Spieß ebenfalls
herumgedreht und nennen sich nicht ohne Stolz 'Basters". Das ist
Afrikaans und bedeutet, pardon, 'Bastarde'. In der Tat begegnet man
dort nicht nur schwarzhäutigen Brazzas und Sistas wie im sonstigen
Südwesten Afrikas; eine eklatante Häufung von Mischlingen
aller Altersstufen lässt sich in Rehoboth schwerlich
übersehen. Bevor du aber beginnst, das Sexualleben der wenigen
weißen Farmer der Region oder deren Testosteronspiegel
unchristlicher Umtriebe zu verdächtigen, weise ich darauf hin,
dass Mischlinge sowohl in der weißen Betonkopffraktion als auch
in der afrikanischen Stammestradition als Mängelexemplare, als
minderwertige Menschen, kurzum, als Bastarde diskriminiert wurden.
Gegen Ende des 19.Jhs. taten sich solche Mischlinge aus etlichen
Regionen Afrikas zusammen, begaben sich auf die Suche nach einem Ort,
an dem sie unbehelligt unter ihresgleichen leben konnten, und
ließen sich in Rehoboth nieder. 1872/74 gaben sich ihre Kapteins
eigene Gesetze, die im Rahmen einer gewissen Selbstverwaltung noch
heute respektiert werden. Ein weiterer Punkt für Namibia, das
damals noch nicht so hieß, aber diese Leute dort duldete und in
Ruhe ließ. Dass sie heute die uneingeschränkte namibische
Staatsangehörigkeit und alle Bürgerrechte besitzen, macht
verständlich, dass sie sich mit einem gewissen "Standesstolz" als
Basters bezeichnen.

Mängelexemplare? - Die Basters sind wirklich liebenswert!
Mit einem freundlichen Lächeln wechselte eine junge 'Bastardin'
Franks 100 N$ Banknote, damit er die 5 N$ für die Toilettendame im
Supermarkt, nein, Minimarkt, berappen konnte.
Da sollte ich noch anmerken, dass man
derzeit für 100 € rund
2000 N$ (Namibian Dollars) erhält und Franks Hundertdollarschein
daher nur gerade mal einen Heiermann wert ist. Und wenn aus der einen
oder anderen Banknote anstelle des allgegenwärtigen Sam Nujoma ein
gewisser Nelson Mandela hervorgrinst und am Rand das Wort "Rand"
eingedruckt steht, handelt es sich nicht um den Anfang der
Gebrauchsanleitung für den faltigen Lappen, sondern um einen
Geldschein aus Südafrika, der zum selben Kurs kursiert und
dasselbe Format aufweist wie die namibische Valuta.
"Aua!", sagte Lukas, der Fahrer, sah aber weitgehend schmerzfrei und
guter Dinge aus. Frank hatte heute seinen cleveren Tag und entsann sich
der kürzlich studierten Landkarte, auf der südöstlich
von Windhoek die Auas-Berge verzeichnet waren. Vielleicht meinte der
freundliche Driver ja auch den Heroe's Acre, den Heldenacker, wo die gefallenen Kämpfer der
namibischen Freiheitskriege in karger, aber hügeliger Wildnis auf
einer Anhöhe bestattet liegen. Ihren Seelen wird offenbar ein
beträchtliches Spukpotenzial zugetraut, und damit die Leichen im
Keller der Swapo nicht womöglich irgendwelche einstigen
Betriebsgeheimnisse ausplaudern, ist der Zutritt für Unbefugte
strengstens untersagt. Ob Frank befugt ist oder nicht, lässt sich
aus seinem Einreisevisum nicht eindeutig herauslesen, aber weil es
unwahrscheinlich ist, dass er dort verblichenen Bekannten begegnet, rollte er, ohne "Aua!" zu antworten, weiter in
südlicher Richtung von Windhoek davon.

Wenn man die Städte hinter sich lässt...
Zum Abschluss dieses Kapitels gestatte ich mir eine kurze Bemerkung zu diesem Afrika-Trip des Frank Eschersheimer: