DAS MANIKÜRTE AUTOMOBIL

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Unser Eifer, der Grenze im Norden zuzustreben, wird schon durch den Belag der Chausseen deutlich gebremst. Bis nach Dosan Seowon, einer historischen konfuzianischen Studienstätte, spartanisch ausgestattete Hallen voller Schriftrollen, aber in luschig-üppige Natur gebettet, reicht der Asphalt, aber dann kehrt man besser nach Andong zurück. Vorbei an einem gigantischen Steinbuddha, vor dem eine Frau frommen Frühsport trieb, versuchten wir es mit der Nationalstraße Nr.5 zum Chungjuho-See im Woraksan-Nationalpark. Dieses ausgedehnte Gewässer in grünem Hügelland ist künstlich angelegt, ein Stausee zur Stromerzeugung. Alle erhaltenswerten Häuser, die dem See zum Opfer gefallen wären, hat man zu einem künstlichen Folk-Village auf einer Anhöhe zusammengetragen, alte Häuser mit alten Möbeln, in denen sogar alte Trachtengewänder hängen, die man, mangels Kustoden, auch anprobieren und sich, als Koreaner verkleidet, vor der Kulisse antiker Bauernkaten und blauem See ablichten kann.

 

hessendorf

ANHÖHE MIT LÄNDLICHER ARCHITEKTUR VOR DEM STAUSEE

 

Wenn dir in Japan eine Kellnerin wohlgesonnen ist, mauscht sie dir einen Rabatt in die Rechnung. Wenn dir in Korea eine Kellnerin wohlgesonnen ist, füllt sie dir jeden leer gewordenen Beilagenteller sofort wieder auf, bis du rundgemästet unter den Tisch rollst. Das Wohlwollen der rundlichen Bedienung im Gasthaus von Jecheon ist aber noch nahrhafter. Ka hat es ausgesucht, mit ihrer meist unfehlbaren Nase für das beliebteste Haus am Ort, das nämlich schon um 19 Uhr so voll von Gästen ist, dass man kaum noch einen Platz bekommt. Nicht genug damit, dass uns drei Damen mit leckeren Beilagen förmlich überhäuften; auch das Kalbi-Fleisch war so fettlos und hellrot wie gemalt und zu einem Riesenberg getürmt. Eine rundliche Mutti-Kellnerin wich uns nicht von der Seite und übernahm das Grillen, damit wir ohne Ablenkung die Delikatessen nur noch in uns reinzustopfen brauchten, und als wir stöhnend die letzten Scheiben des Rindfleischbergs bewältigt hatten, brachte sie umgehend gratis, als Zeichen ihres Wohlwollens, einen zweiten, nicht minder gigantischen Monte Beef herbeigeschleppt. Und all das für ca. 7 Euro, genau wie auf der Speisekarte angegeben. Auch die freundliche Bemutterung war gratis. Viele Leute in diesem Land sind verdammt nett und herzlich, das merkt man auch ohne Sprachkenntnisse. Schade nur, dass man sich nicht mal ordentlich für erwiesene Wohltaten bedanken kann; hier in tiefster Provinz ist Englisch leider nutzlos. Mehr als ein "kamsa hamnida" (vielen Dank) habe ich leider noch nicht im Repertoire.

In dem vom Meer umplätscherten Korea soll sich die für Ostasien eher untypische Fleischbrutzelei zu Zeiten mongolischer Vorherrschaft eingebürgert haben. Ob die Mongolen auch für den Knoblauch-Konsum und die scharfe Würze verantwortlich sind, ist mir nicht bekannt. Wer keine scharfen Speisen verträgt, mache jedenfalls um Korea einen großen Bogen, denn die roten Pfefferschoten brennen zweimal: Beim Eintritt in den Körper brennt der Mund, und beim Austritt brennt's noch einmal, aber nicht im Mund.

Zum Löschen der Brände und als Knoblauchtöter steht in ganz Asien unfehlbar die Teekanne griffbereit; nicht so in Korea. Irgendein Herrscher, der die Flaute in seiner Staatskasse zu beheben suchte, war einst auf die glorreiche Idee gekommen, die klammen Finanzen mit einer Teesteuer aufzupeppen, was zur Folge hatte, dass die Koreaner lieber aufs Teetrinken verzichteten als ihren King zu sponsern, und das hat bis heute Folgen: Man tröstet sich mit dem Sud aus gerösteten Getreidekörnern, der heiß, lauwarm oder auch eisgekühlt getrunken wird und wegen seines Röstgeschmacks ein wenig an kalten Kaffee erinnert.

Bevor wir, vollgenudelt ins Zelt am Flussufer geschlupft, uns vorsichtig, damit nicht auch noch der Schlafsack aus allen Nähten kracht, aufs Öhrli legen, ist es wieder einmal Zeit fürs Sandmännchen mit einer weiteren Mär aus dem Schatzkästlein koreanischer Volkssagen.

 


Vor langer, langer Zeit kam Nationalheld Kim Sunsin mit seinen Heerscharen
auf dem Wege zu einer entscheidenden Schlacht durch ein kleines, abgelegenes Bergdorf
und ließ zu aller Verwunderung vor einem unscheinbaren,
verlassenen und halb zerfallenen Bauernhaus Halt machen.
Er schickte einen Gefolgsmann in den verwilderten Garten und befahl ihm,
 aus dem Brunnen Wasser zu schöpfen. Er kostete es und murmelte dann gerührt:
"Es schmeckt noch genauso köstlich wie früher."

Da begriffen seine Leute, dass sie vor dem Haus standen, in dem Kim als Kind aufgewachsen war, 
und dass auch ihr General ein Sohn einfacher Bauern war, nicht anders als sie alle.

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GEBURTSHAUS DES NATIONALHELDEN KIM

 

Je nördlicher die Breiten werden, desto wehrhafter präsentiert sich das Land. Nicht allein, dass wir, an eine Meeruferstraße zurückgelangt, seit Samcheok den Ozean nur durch einen stacheldrahtigen Maschenzaun besichtigen können; auch die Kontrollpunkte der olivgrünen Zeitgenossen nehmen merklich zu. Unversehens erweitert sich die Chaussee zu einer grenzenlosen Betonfläche, die unschwer als Behelfsrollbahn für Jäger, Bomber, Helikopter und ähnliches bissiges Fluggeziefer identifizierbar ist. Andernorts sind enge Täler mit einer Art Staumauer verbarrikadiert. Die Straße führt duch ein mächtiges Betontor hindurch, aber auf der anderen Seite kriegt man keine stausee-nassen Füße, sondern stellt fest, dass mit einer vermutlich schon vorbereiteten Sprengladung das Tor zum Einsturz gebracht und das Tal auch für ziemlich hartschalige Panzer unpassierbar gemacht werden kann.

Von Gangneung aus schraubt sich ein Expressway von Meeresniveau auf Aussichtsturmhöhe in den Nationalpark um den Mount Odaesan (1563 m). Zu dessen Füßen liegt im tiefen Wald, wie stets von zahllosen Campern belagert, der Tempel Woljeongsa. Allein um den schelmisch feixenden steinernen Bodhisattva zu besichtigen, dem allem Mord und Totschlag dieser Welt zum Trotze seit Jahrhunderten sein paradiesisch-glückseliges, vergnügtes Lächeln nicht vergangen ist, lohnt der Ausflug in die Berge, wenngleich die kriegerischen Zeiten auch die Tempel des Nordens nicht verschont haben; an den Verkaufsständen ist es jedenfalls leichter, MGs und Handgranaten aus Plastik für die patriotischen lieben Kleinen zu erstehen als schlichte Postkarten, die generell in Korea nicht sonderlich im Schwange zu sein scheinen.

 

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SELIGES LÄCHELN - TEMPEL WOLJEONGSA

 

Ein weiterer Abstecher ins Inland, noch 50 km weiter nördlich, wo man die bösen Kommunisten nun schon beinahe riechen kann; Südkorea endet hier in dem wie stets gebührenpflichtigen Nationalpark um den Mount Seoraksan, der den Tempel Sinheungsa umfasst. Dieser scheint, mehr als alle anderen Bergtempel, eine erstrangige Attraktion zu sein: Es wimmelt nur so von Besuchern aus allen Landesteilen. Schnell kriegen wir heraus, was die Leute herbeilockt: Mit einer Seilbahn kann man vom geräumigen Tempelvorhof aus auf einen der steinigen Bergzinken gondeln und von da aus eine herrliche Aussicht auf die Berge und Täler genießen, eine Landschaft wie auf chinesischen Tuschebildern. Außerdem ist die Klippe übersät mit Tempelchen, Klausen und Kapellen, zu denen schattige Schleichpfade führen. Ein Duft von Weihrauch durchwabert den Wald und mischt sich in den Bul-Bul-Singsang (Bul = Buddha) sûtralesender Bonzen. Von Heiligtum zu Heiligtum steigen wir aus der kühleren Höhe in die schwülere Tiefe, und just, als wir einen idealen Platz zum Zelten entdeckt hatten, fing es an zu tröpfeln. Wir flüchten ins Auto und von da in ein Hotel, denn die heimtückische Regenattacke, wahrscheinlich einer Intrige der Nordkoreaner zuzuschreiben, die nichts unversucht lassen, um ihre Landsleute im Süden zu piesaken, legt an Heftigkeit noch erheblich zu.

 

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AUSSICHT VOM GIPFEL DES TEMPELPARKS SINHEUNGSA

 

Im Norden endet die Welt am eisernen Bambusvorhang, im Osten plantscht das vergitterte Meer, vom Süden kommen wir her - es bleibt als Wegrichtung also nur noch der Westen zur anderen Küste der Halbinsel, wo uns der Smog von Seoul erwarten wird. Wir wählten grenznahe Straßen, mussten aber meist wieder umkehren. Nicht, weil in der Tat auf jedem Hügel irgendwelches Schießgerät unter Tarnnetzen hervorlugt und hinter jedem Busch grünmelierte Stoppelhopper vergraben sind, der Verkehr hauptsächlich aus US-Jeeps zu bestehen scheint und jedes Dorf, statt wie sonstwo mit Kirchen und Tempeln, hier mit Spelunken, Nightclubs und Bordellen für die gelangweilten Grenzwächter gespickt ist, die schon 40 Jahre lang vergebens auf einen richtig spannenden kommunistischen Angriff warten, sondern weil jede noch so einladend anmutende Straße nach einer Weile in eine holprige, unasphaltierte, pneukillende Piste mündet. Ende der Welt.

"Yes, yes, no aspalt", bestätigt der junge MG-Träger an einer der zahllosen Straßensperren, der uns schon lässig durchwinken wollte. Nun aber nickt er zu seinem kargen, f-losen Englisch so heftig, dass ihm der Helm von seinem jungenhaften Schädel zu rutschen droht, und strahlt dermaßen vor Stolz, sich auf Englisch mit richtigen Ausländern verständigt zu haben, als hätte er uns soeben die Nachricht von einem erfolgreichen Attentat auf Kim Ilsung übermitteln dürfen. Der aber lebt und lebt und ist schuld daran, dass wir schon wieder an einer Schotterpiste steckengeblieben sind und 28 km zurücktöffeln müssen. Brav rollen wir der Stadt Chuncheon auf der glatten Hauptstraße entgegen. Die Besonderheit dieses grenznahen Städtchens: Die gesamten 2 km, die den Bahnhof von der Innenstadt trennen, okkupert eine riesige US-Kaserne, mauerumschlossen und stacheldrahtbewehrt, von einem Kordon schummriger Venus-Bars und Playmate-Clubs umzingelt und in den Abendstunden von Brigaden knapp geschürzt einherstöckelnder städtischer Verkehrsbetriebe belagert, nach dem Motto "make love, not war, pay cash". Wer immer vom Bahnhof aus in die Innenstadt gelangen will oder umgekehrt, hat einen Umweg von 4 km um das dreiste Militär-Areal herum in Kauf zu nehmen.

Wenn man immerzu den berühmten 38. Breitengrad entlangstreicht wie ein Tiger im Käfig, wieder und wieder nach Norden ausbrechend wie ein störrischer Esel, als ob es irgendwo ein Schlupfloch zu den Diamantbergen Geumgangsan im Norden der Halbinsel gäbe, nur um ein ums andere Mal im Nichts militärischer Sperren oder im Geröll endender Chausseen steckenzubleiben, gelangt man schließlich zur Nationalstraße Nr.1, die Seoul mit Pyeongyang verbindet.
Pyeongyang ?
Ja, PYEONGYANG, sagt jedenfalls der Wegweiser nach Norden. Ist ja chic, da wollten wir doch immer schon hinfahren!
Flott geht die Fahrt nach Norden bis Munsan/Paju, ein beschauliches Städtchen am Fluss Imjingang, aber dort steht unter dem Wegweiser nach Pyeongyang in etwas kleinerer Schrift "Panmunjeom, Freedom-Bridge". Erfahrungsgemäß ist das Kleingedruckte oft das Wichtigste, denn diese "Brücke der Freiheit" über den Imjingang ist das Symbol koreanischer Eintracht: Über diesen Namen sind sich Nord und Süd ausnahmsweise einig. Wie so oft in der Welt wird die Freiheit auch hier durch Wachtürme, Stacheldraht und Minenfelder kenntlich gemacht, und auf einem großen Parkplatz vor dem Schlagbaum an der Brücke der? aus der? in die? über die? Freiheit endet unser Ausflug nach Pyeongyang. Selbst von Panmunjeom ist weit und breit nichts zu sehen, da dürfen nur UN-Fahrzeuge und offizielle Delegationen hin, aber keine naseweisen Zaungäste im privaten PKW. Wenn wir mit unserer Rostlaube bis nach Pyeongyang gekommen wären, hätte es alle Male für einen Eintrag in eingangs erwähntes Guinness-Buch gereicht. Aber immerhin, wer von der geschätzten Leserschaft ist schon mal mit dem eigenen Auto bis zum Stacheldraht vor Panmunjeom vorgedrungen? Wo doch sonst auf dieser Welt kaum ein stilles Örtchen von teutonischen Benzinschluckern und Meilenfressern verschont bleibt....

 

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ENDE DER WELT - FREIHEITSBRÜCKE BEI PANMUNJEOM

 

Ja, über die Freiheit sind sich beide Seiten einig. Sie würden mit ihrer jeweiligen Freiheit auch liebend gern die Gegenseite überhäufen, sofern sich diese nur überhäufen ließe. An Versuchen hat es jedenfalls nicht gemangelt. Dies bezeugt das "Freiheits-Museum" in Sichtweite des Stacheldrahts, das alle Teufeleien der Roten dokumentiert, mit denen sie die Grenzhüter des Südens munter halten, auf dass denen ihr Job nicht langweilig werde. Jedes Flugblatt, das über den Zaun geflattert kam, jeder Tunnel, mit dem die kommunistische Propaganda den Kapitalismus im westlichen Süden unterwühlbohren wollte, der Koreakrieg und seine Schrecken und, im gleichen Aufwasch, was immer sonst Korea und seinen Bewohnern an Üblem widerfahren ist, von der Grausamkeit der japanischen Kolonialherrschaft bis zum Schicksal des von den Sowjets über Sachalin abgeschossenen KAL-Jumbos, alles ist für Patrioten und Nachwelt in Glasvitrinen aufbereitet. Nur Kublai Khaan und seine Invasoren werden nicht genannt; weil sie das gute Kalbi-Beef importiert haben, wurde ihnen wohl verziehen.

Vermutlich steht auf der nördlichen Seite der Brücke ein nahezu identisches Museum, das zu besichtigen uns leider nicht vergönnt war. Stattdessen guckten wir uns den vor sich hinrostenden Zug an, der an der unterbrochenen Bahnlinie hält, als ob nur mal das Signal rot wäre und die Fahrt nach Pyeongyang, den Schildern an den Wagen entsprechend, in wenigen Minuten fortgesetzt würde. Lok und Wagen sind freilich nicht die allerneuesten Modelle, woraus man ersieht, dass das Signal schon länger auf Rot stehen muss.

Man sollte es nicht meinen, aber die Teilung Koreas hat auch eine entschieden gute Seite. Weil sich die Brüder derart spinnefeind sind, dass ein Nebeneinander-Hermarschieren der Grenzhüter auf Rufweite wie an der deutschen Naht nicht zu denken ist, wurde beiderseits der Demarkationslinie ein kilometerbreites Niemandsland installiert, das kein Sterblicher je betreten darf. In nur 40 Jahren hat sich in dieser entmenschten Zone ein Biotop entwickelt, das mittlerweile als Asiens bedeutendstes Naturschutzgebiet gelten kann. Wo sonst können sich Flora und Fauna, unbehelligt sogar von Coleopterologen, nach Lust und Laune entfalten, beinahe wie zur Kreidezeit? Sollte der Bambusvorhang je löcherig werden, dürfte die staunende Menschheit dort womöglich auf Mammut und Ammonit, auf Schachtelhalm und Einhorn, auf Säbelzahntiger und Archaeopteryx, auf Marx und Engels, auf Drachen und Dinosaurier stoßen, wer weiß....

Uns erwarten zunächst die Benzindrachen und Dieselsaurier des Großstadtgetümmels von Seoul, um das man in Korea kaum umhin kommt. Motorisierterweise unabhängig, können wir es uns leisten, ein Hotel in Sinchon, außerhab der innenstädtischen Staus, zu suchen, nahe der Uni im Studentenviertel. Der Bursche am Empfang, der uns japanisch parlieren hört, ein netter Kerl, aber offenbar ohne patriotischen Gefühle, bittet darum, an der Konversation teilnehmen zu dürfen, denn mit Eifer büffelt er das Idiom des Nachbarlandes, ohne sich darum zu scheren, dass am heutigen Nationalfeiertag des Entrinnens aus dem Joch der brutalen Unterdrückung durch ebenjenes Nachbarland gedacht wird. Er sollte sich mal ins Nationalmuseum oder ins Bordellviertel begeben, da ist Japanisch schon fast Umgangssprache.

 

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JUNGE FRAU IN CHIMA JEOGORI (Nationaltracht)

 

Lustig ist das Studentenleben, in Seoul nicht anders als in Gött- oder Tübingen. Boutiquen ringsumher, Discos und Kaschemmen, und junges Volk schiebt sich durch die schmalen Gässchen. Auffällig germanophil scheint die hiesige Studentenschaft zu sein, dem Andrang vor Bierhallen wie "Berlin-Hof", Kaffestüberln namens "ETWAS", der Wursteria "Heidelberg", dem Tanz- und Schunkelhaus "BBB---BACH, BRAHMS, BEATLES" oder dem Butzenscheibenfachwerkgasthaus "Altstadt" nach zu schließen. Obwohl diese exotischen Namen, anders als in Japan, sämtlich orthographisch korrekt angeschrieben stehen, meiden wir diese Schuppen, denn es ist nicht auszuschließen, dass du auf der Speisekarte zehn Minuten lang Hangeul-Schriftzeichen entzifferst, bis du merkst, dass die Glyphen "a boarisch Sauhaxn" bedeuten. Da würden die Haxn vor Schreck zu Eisbein gefrieren. Lieber suchen wir uns was Einheimisches, das Guidebook hat einen Tipp parat. Aber schwer zu finden in diesem Gassenlabyrinth. Ein funkelnagelneuer Daewoo hält neben uns an, als wir den Stadtplan konsultieren. Der Fahrer, ein Familienvater mit Gattin und Nachwuchs im Fond, fragt auf Englisch, ob wir was suchten. Ja, das kennt er, wo wir hinwollen, aber da liegt die Bahnlinie dazwischen, der Fußgängertunnel ist dahinten. Kurzerhand packt er uns noch mit rein und fährt uns bis vor die Tür, in ausgezeichnetem Englisch konversierend, während die Gattin nur lächelt und nickt, wie in Japan.

Überhaupt, wäre hier nicht alles in Hangeul angeschrieben, ich käme mir vor wie in Tokyo. Großstadt ist Großstadt. Die durcheinanderwuselnden Studenten könnten meine Schüler sein, ich halte unwillkürlich nach bekannten Gesichtern Ausschau. Nur sprechen sie eben koreanisch. Die Geschäfte sind genauso chic, nur die Preise sind viel billiger, die Jungs genauso keck und punk, die Mädels genauso hübsch und saftig, der Verkehr genauso nervtötend. Und dazu hat Seoul noch einen besonderen Akzent, der an Roma erinnert: Platanen, die manche Avenue säumen und dem Auspuffgewölk trotzen, grüne Hügel in ständiger Nähe, helles Sonnenlicht ohne die japanische Schwüle, Paläste und Hochhäuser in der Innenstadt... Vom Verkehr umbrandet bröckeln hier zwar kein Kolosseum oder Titusbogen vor sich hin, stattdessen aber die antiken Stadttore Dongdaemun und Namdaemun, und statt des römischen Zuckerbäckerdenkmals Vittorio Emmanuele reckt sich hier der neoklassische Palazzo Protzo aus dem Smog, den die japanischen Kolonisatoren im Grundriss der Schriftzeichen für NIPPON als Herrschaftssitz mitten ins Zentrum geklotzt haben und der heute das Nationalmuseum beherbergt. Für die meisten Koreaner ist der Bau indes noch immer der reinste Gesslerhut; demnächst soll er abgerissen werden.

 

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BLICK VOM PALAST IN SEOUL AUF DIE BERGE

Nationalmuseum, Palastpark, Volkskundemuseum, Museum für moderne Kunst (mit viel Nam Jun Paik, aber auch Uecker, Beuys und Co.), Seoul Grand Park (eine Kombination aus Lunapark und Disneyland), man muss alles gesehen haben. Ein paar Tage Seoul voller Kultur, Kulinarien und Einkäufe, aber dann will unser Töffelchen wieder Gassi fahren und sich nicht länger die Gummifüße auf städtischem Pflaster plattstehen.

 

weiterlil toeff trabi
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