DAS MANIKÜRTE AUTOMOBIL
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Der Westen von Korea war einst das Königreich Baekje. Aus dieser Zeit stammt die fast komplett erhaltene Stadtmauer von Suwon, die das im Tal liegende Städtchen auf den umliegenden Hügeln umschließt und bei schönem Wetter für einen ausgezeichneten Spaziergang im Grünen mit Aussicht auf Stadt und Umland bestens geeignet ist.
STADTMAUER VON SUWON
Punkt sechs Uhr früh weckt uns eine blaffende männliche Stimme, obgleich wir uns im "Lande der Morgenstille" wähnten, und ohne allzu viel Koreanisch zu können, ahnen wir schon, was der Platzwart des Golfclubs uns mitzuteilen hat. Ohne Hast rödeln wir schlaftrunken unser Zeug zusammen, denn als der Obergolfaufseher gewahrte, dass sich da ein vermeintlich amerikanischer Alliiertenschädel aus dem Schlafsack schälte, drehte er seinen Schimpf auf moderate Tonart herunter und schlurfte dann missmutig von dannen. 'Diese spinnerten Yankees...!', wird er sich dabei gedacht haben.
Im lauschigen Grün erfolgt Frühaufstehers Teezeremonie. Hierzu entbrennt ein Flackerchen, auf dem ein schwarzrußiger, beuliger Topf voll Wasser blubbert. Dank modernster Teebeutel-Technologie wird das Wasser rötlich eingefärbt, um Berge von Streuselkuchen in den leeren Magen zu begleiten. Streuselkuchen ist offenbar eine koreanische Erfindung, den im Angebot befindlichen Mengen nach zu urteilen. Zwei bestreuselte Fladen werden Boden an Boden aneinander gepappt, wobei als Leim Marmelade oder Buttercreme Verwendung findet, bisweilen noch um eine Füllung mit Rosinen oder Erdnüssen angereichert. Zum Schlemmen haben wir ausreichend Zeit, denn das nahe Folk Village, das größte seiner Art in Korea, öffnet seine Kassen erst um 8:30 Uhr.
Die etwa 250 Häuser in dem weiten Areal sind alle belebt; ihre Bewohner hausen allerdings in Seoul und strömen an uns vorbei, verschlafen dem Pendlerbus entquellend. Wenn die Tore sich für die Gruppentouristen, die vom Busparkplatz her angetrappelt kommen, und die wenigen Einzelgänger unserer Art auftun, hat sich das Angestelltenvolk längst in angestelltes Folk verwandelt und schmiedet, hämmert, spinnt und walkt, als antike Koreaner verkleidet, fotogen in den uralten Bauernhütten.
Nicht alleine Spinner und Weber tummeln sich auf dem umzäunten Gelände; ab 12 Uhr Mittag kriegt man noch mehr geboten: Da tschingderassabummt es auf einmal, und eine koreanische Bauernband führt Folklore auf, Tanz und Blasmusik wie auf der Alm. Zum Glück wird in Asien nicht gejodelt. Stattdessen kommen Akrobaten in historischen Kostümen, spannen ein Seil in mäßiger Höhe und turnen gekonnt darauf herum.
KOREANISCHE FOLKLORE
Eine Portion Guksu (warme Nudeln) Hausmacher Art im Wanst schlendern wir dem Ausgang zu; unverhofft stoßen wir dabei auf eine weitere Attraktion des folkloristischen Lunaparks: Ein verwunschenes Häusel, sieh mal an! Laut Inschrift spukt es darinnen bis 17 Uhr, sofern man ordnungsgemäß das Eintrittsbillet löst, danach hat die Gespenster-Gewerkschaft für Feierabend gesorgt. Na gut, ich wollte schon längst einmal Bekanntschaft schließen mit den hauchfeinen Herrschaften des geistlichen Standes!
Der Spuk beginnt allerdings schon vor dem Betreten: Drei Steppkes stehen mit bleichen Gesichtern schlotternd vor der Türe, Tickets in der Hand, und trauen sich nicht rein. He, ihr Jungs, ihr werdet doch nicht bibbern an diesem heißen Augusttag! Normalerweise haben sie mächtigen Respekt vor bärtigen Ausländern, aber jetzt ist ihnen so ein exotischer Langnas geheurer als die ungeheuren Dämonen in der Dunkelkammer, die nur darauf warten, kleine Buben zu fressen. Der Kühnste begnügt sich damit, von Ka an der Hand genommen zu werden, ein anderer aber klemmt mir wie ein Schraubstock am Bein, und den dritten Dreikäsehoch muss ich auf dem Arm durch die Dunkelheit schleppen, sein Gesicht so an meiner Schulter vergraben, dass er all die prächtigen Plastik-Schwellköppe und Schauer-Effekte dieser Fußgänger-Geisterbahn total versäumt. Jedesmal, wenn ich in dem Dämmerdunkel in eine Schaumgummi-Falle tappe und fahrstuhlartig einsinke, brüllt er mir einen gellenden Schreckensschrei ins Ohr. Wieder im Freien, sausen die Bengel davon wie der geölte Blitz, schnurstracks zu ihren grinsend draußen wartenden Papas.
Buyeo war einmal die Hauptstadt des Baekje-Reiches, lange ist's her. Entsprechend wenig hat den Zahn der Zeit überdauert, kein Vergleich zu Sillas Kapitale Gyeongju. Sehenswert ist der älteste künstlich angelegte Ziergarten in Asien außerhalb Chinas, dessen Zentrum, ein runder Tümpel mit künstlichem Inselchen und Lustpavillon mittenmang, per Steg mit dem Festland verbunden, die spätere japanische Gartenbaukunst beeinflusst haben soll.
LANDSCHAFTSPARK BEI BUYEO
Dem hat wohl die Sommerhitze den Verstand geschmolzen! Nein danke, geiziger Germane am Steuer. Wir bollern 100 m zurück, stopfen die Karre ins farnige Unterholz und wandern dann, 1000 Won gespart, durch den Wald zum Tempel, wo man uns sogleich 600 Won wieder abknöpfte. Aber dafür gibt's den Miruk-Bul zu sehen, den größten Buddha von Korea, ein steiniger Großkopfeter mit Ranghut auf dem Kopf, mehr als 1000 Jahre alt und über 18 Meter groß. Der ist seine 600 Won schon wert, zumal die alten Tempelbauten, Steinpagoden und Wanderwege ringsum im Preis enthalten sind.
DICKKÖPFIGER BUDDHA IM TEMPEL GWANGCHOKSA
Vom Big Bul aus geht's zum nächsten Tempel Beopjusa im Songnisan-Nationalpark, wieder lauschige, stille Waldesluft und Einsamkeit, die jedoch in der Umgebung des Tempels ein jähes Ende findet: Ringsherum ist "Songnisan Youth Town", eine Art von Schullandheim, flankiert von Hostels und Campings, und Myriaden von Schulbengeln und -mädeln bevölkern den Tempelgrund und umstreifen die alte fünfstöckige Pagode, offenbar nächst Gyeongju beliebtestes Ziel für Ausflüge und Klassenfahrten. Genau 1000 Jahre nach dem Riesenbuddha von Nonsan, im Jahre 1968, wurde im Beopjusa ein Konkurrenzmodell in Angriff genommen. Dieser Sitting Bul aus Beton ist aber noch im Bau befindlich und wird, das ist sicher, den alten Herrn vom Gwanchoksa an Größe erheblich übertreffen.
ALTE PAGODE UND JUNGE SCHÜLER IM TEMPEL BEOPJUSA
Beim Mittagessen in einem Landstädtchen namens Yeongdong gerieten wir, nach all den Schulkids, zur Abwechslung in ein Veteranen-Lokal, wo uns neugierige Oldies umringten und mit Tränen in den Augen von der guten alten Zeit der japanischen Okkupation schwärmten, auf zahnlosem, aber sonst einwandfreiem Japanisch. Na ja, ganz lieb waren sie ja und beschenkten uns am Ende mit Pfirsichen, obwohl wir mit den damaligen Okkupanten nicht verwandt sind; schließlich konnten sie nicht wissen, dass ihre Lobeshymnen auf die japanischen Besatzer wenig dazu angetan sind, Ka zu Begeisterungsanfällen zu verleiten. Sie trennten sich erst auf dem Parkplatz von uns, nachdem sie unsere Gebraucht-Gurke einhellig gepriesen und an der japanischen Matrikel ebenso eifrig herumbuchstabiert hatten wie wir an den koreanischen Speisekarten.
Maisan bedeutet Pferdeohren-Berg, und wer je ein Pferdeohr gesehen hat, wird angesichts dieser zwei Felsberge mitten in der flachen Landschaft zustimmen, dass kein anderer Name dafür in Frage kommt. Man braucht keine Landkarte mehr, sobald man von weitem dieser Öhrchen ansichtig wird, so ulkig ragen sie aus der Landwirtschaft. Immer drauf zugefahren, bis man zu dem gebührenpflichtigen Parkplatz am Fuße der Solitäre gelangt.
WENN DU PFERDEOHREN ERBLICKST, IST DER MAISAN NAH
Für jeden der 500 Won Parkgebühr muss man eine Stufe erklimmen, bis man zwischen den Pferdeohren steht, mitten im Gedränge koreanischer Senioren und deren Nachkommenschaft. Man sollte aber nicht meinen, die seien alle wegen der Cola-Verkäufer, die oben die schwitzenden Schnaufer angrinsen und in Versuchung führen, die 500 Stufen heraufgekrochen; der steinerne Ohren-Gaul hat es nämlich faustdick und dicker hinter seinen Löffeln: 181 Stufen geht es hinter dem rechten Öhrli wieder runter, und dann tut sich vor dem Auge des entgeisterten Entdeckers ein bizarrer Steingarten aus Fantásien auf. Die Trulli von Alberobello würden vor Neid erblassen! In Ostasien ist es mancherorts Brauch, an heiligem Ort einen Stein abzulegen, den man zuvor wie ein Tonband mit einem Bittgebet besprochen hat. Andere Gläubige legen weitere Steine dazu und obendrauf, das gibt es auch in Nippon. Aber in dem erdbebengeplagten Reich hat eine derartige Steinanhäufung ihre natürlichen Grenzen. Hier jedoch, rings um den skurrilen Tempel Tapsa, der einer okkulten Glaubensrichtung des Buddhismus angehört, waren eifrige Steinehäufer jahrhundertelang zu Werke gewesen und haben eine Mondlandschaft aus Geröll, zum Teil höher als die Tempelgebäude, geschaffen. Türme, Pyramiden, Pilaster, Gebirge und Kamine, und alles aus lose aufeinandergelegten Brocken, die rings um die Pferdeohr-Felsen aufzuklauben waren. Aus der Vogelperspektive muss das wie eine Art Ameisenhaufen aussehen. Diese Kultstätte verheißt Alten, Siechen und Lendenlahmen langes Leben und womöglich gar einen zweiten Frühling. Was doch Glaube und frommer Eifer außer Selbstmordattentaten noch alles zuwege bringen können!
OKKULTER STEINGARTEN HINTER DEN PFERDEOHREN: TAPSA
Fern von Steinzeit und Pferdeohren verbrachten wir eine ungestörte Nacht im Zelt bei Jeonju, tief im Wald. Statt der Sonntagsglocken weckten uns Zikaden und Grillen. Auch wir fingen an zu grillen, genauer gesagt auf dem Grill den Morgentee zu sieden, und dann grillten und gellten wieder die Zikaden im Stadtpark von Jeonju, ohrenbetäubend wie rostige Rasenmäher. Die Spezialitäten dieser Stadt sind das alte Stadttor und das bis nach Japan berühmte Bibimbap; letzteres ist was zum Essen, ein peppiges Vegetarier-Menü aus Sojabohnenkeimen und, ja was denn sonst, Paprika und Knoblauch.
Auf dem Weg nach Süden haben die Zikaden ausgeknarzt, denn die Provinz Jeolla ist Koreas Schottland. Man könnte hier durchaus Whiskey destillieren, so emsig regnet es, und durch den Regen zu gondeln, niedrig schwebende Wolkenfetzen vor malerischer Bergszenerie durch die Wind- und Regenschutzscheibe zu betrachten, kann ja auch ganz interessant sein. Aber lehnen wir uns zurück und lauschen wieder einmal dem Märchenonkel, dem beim Vorbeifahren an Namwon wieder eine Geschichte einfällt, die hier gespielt haben soll.
Vor langer, langer Zeit lebte
in Namwon eine Kurtisane, die eine bildhübsche Tochter
hatte mit Namen Chunhyang (Frühlingsduft). In diese verliebte sich Mongnyong, der Sohn eines hohen Adligen, und weil wegen des indiskutablen Standesunterschieds an die Einwilligung des Herrn Papa nicht zu denken war, heirateten die beiden in aller Heimlichkeit. Kaum hatten sie einander ewige Treue gelobt, wurde Mongnyongs Vater samt Familie in die Hauptstadt berufen, und die Liebenden wurden getrennt. Dem Gouverneur von Jeolla kam der Ruf von Chunhyangs Schönheit zu Ohren, und er befahl die Kurtisanentochter als Gespielin in seinen Palast. Sie aber widersetzte sich seiner Order, um ihrem heimlichen Gatten die Treue zu wahren. Um ihren Widerstand zu brechen, ließ der Gouverneur sie einsperren und foltern, aber trotz aller Qualen blieb sie unbeugsam. Jahre später wurde Mongnyong zum neuen Gouverneur von Jeolla ernannt, und als er nach Namwon kam und seine Liebste suchen ließ, fand man sie halbtot im Kerker. Und wie es im Märchen eben zugeht, wurde der böse Ex-Gouverneur bestraft und Mongnyong, gerührt von Chunhyangs Liebesbeweis, nahm sie zu sich und ehrte sie höher als jede königliche Prinzessin. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute und essen Knoblauch und Kimchi. |
Als wir den Scheibenwischer
abstellten und die Sonne hervorlugte, plitschten wir gerade durch
die Pfützen und Lachen am Ortseingang von Gwangju. Pfützen ja,
aber von wegen Lachen: Das Massaker an demonstrierenden Studenten
in den 70er Jahren, für das diese Stadt unter dem Regime des Bak Jeonghui traurige Berühmtheit erlangte, ist eher zum
Heulen. Der Diktator hatte auch den Führer der verbotenen
Opposition, Kim Daejung, aus Japan entführen und zum Tode
verurteilen lassen, aber internationalen Protesten und
amerikanischer Intervention verdankt es Kim, dass er heute noch
lebt und später selbst Präsident wurde. Ein Attentat auf Bak
schlug 1974 fehl, kostete aber bedauerlicherweise seine Ehegattin das
Leben. Erst 1979 gelang es, auch den Diktator zu ermorden.
Gegen die Fluten, die in der Jeolla-Region vom Wolkenhimmel prasseln, ist schottischer Regen nur eine Art von Nebel. Auch eine Fahrt nach Mokpo, Ausgangshafen für Ausflugsdampfer zu den Tausenden vorgelagerter Inselchen, war nicht von Sonnenschein verklärt; jedes Eiland trug wacker sein Wolkenhäubchen, und der Fischmarkt am Hafen stand unter einer derartigen Dusche, dass selbst die Oktopus-Tinte verwässert wurde. Dagegen hilft nur ein währschaftes Bulgogi, und das ließen wir uns trotz Wolkenregens und Dauerbruchs nicht nehmen. Der Wetterbericht verhieß noch mehr von der Sorte; zum städtischen Museum schafften wir es noch, indem wir zum Sprint vom und zum Parkplatz Momente abpassten, in denen die Sturzfluten mal Atem schöpfen mussten. Den Tempel Songgwangsa erreichten wie aber per Landstraße nicht. Nach 35 km Fahrt über eine schauerlich zugerichtete Chaussee, teils überflutet, teils unter Wasser, kamen uns Automobilisten entgegen, die uns mit Lichthupe und Handzeichen kund taten, dass irgendwo weiter vorne die Piste endgültig abgesoffen sei; ob Erdrutsch oder Sintflut, das erfuhren wir mangels Sprachkenntnissen leider nicht. Da der Regen eher noch einen Gang zulegte, konnten wir uns dazu gratulieren, glücklich bis Gwangju zurückgelangt zu sein. Viel länger dürfte diese Landstraße dem Unwetter nicht mehr standgehalten haben.
REGEN UND WOLKENHÄUBCHEN IN DER PROVINZ JEOLLA
A propos Unwetter --- auch hierzu weiß der Frank eine koreanische Saga zu berichten.
Vor langer, langer Zeit schlug
dem großen General Kim Sunsin das letzte Stündlein,
denn auch Nationalhelden sind ---außer in Nordkorea--- nicht unsterblich. Seine drei Söhne gelobten, drei Jahre lang als Einsiedler in tiefe Bergwildnis zu ziehen, um dort für sein Seelenheil zu beten. An einsamem Ort bauten sie ein Laubhüttlein und verbrachten dort viele Monate nur mit Fasten und Gebeten. Die
drei Jahre waren beinahe um, als sie in einer schlimmen
Unwetternacht, |
BRÜCKENTORPAVILLON AM TEMPEL SONGGWANGSA
Den Tempel Songgwangsa erreichten wir doch noch, wenn auch über die Autobahn und von der Gegenseite her. Auffällig ist sein Zugangstor, ein Unikum in der herkömmlichen Tempelarchitektur: Ist das nun ein Tor oder eine Brücke über den Bergbach oder ein Lustpavillon? Wahrscheinlich alles zugleich. Neben der Halle der 10000 Buddhas ---gezählt haben wir sie nicht, aber es sind wahrhaft Massen von goldigen Mini-Bul-Figürinchen drin--- enthält das Heiligtum noch eine witzige Besonderheit, nämlich mehr euroamerikanische Mönche als koreanische Kollegen. Da hatte einst ein buddhistischer Bonze in asiatischer Toleranz einen blonden Zen-Freak zugelassen, und diesem einen folgten Scharen von Hippies und Junkies, Yogis und Yoghurts, Zen-Adepten und Erleuchtungsjüngern, die hier glatzköpfig und in malvenfarbene Betttücher gehüllt, lang- und hochnasig hin- und hertraben, ihre touristischen Landsleute keines Blickes würdigend, mit meditativ gefurchter Stirn und der weltabgewandten Attitüde des allwissenden Erleuchteten. Ihre Eltern können unbesorgt sein: Der einsame Tempel im Walde des ewigen Regens ist kein Poona, Joints und Girls müssen draußen bleiben, und die gute feuchte Luft sowie die vegetarische Biokost sind der Gesundheit durchaus nicht abträglich.
ZEHNTAUSEND GÜLDENE BUDDHAS
Je wilder das Wetter, desto wilder schlemmen wir. Da uns die Natur mit nur wenig Erleuchtung und Neigung zu meditativer Wurzelkost ausgestattet hat, trösten wir uns in Suncheon mit Maeuntang, einer koreanischen Bouillabaisse, die man jedem Besucher ausdrücklich empfehlen kann, sofern er Meeresziefer und fetzige Brühe mag. In der höllisch gepfefferten Brühe des Maeuntang tummelt sich, was immer das Meer so hergibt, mit Ausnahme rostiger Ölfässer natürlich, und unter den dreizehn Sorten von Beilagen, die das Menü garnierten, blieben uns Garnelen, Scholle und Kimchi aus Ginseng im Langzeitgedächtnis haften. Und der Preis von ca. 10 Euro für den ganzen Schmaus.
Unsere Flucht vor den Fluten der Südwestprovinzen trieb uns nach Osten, auf Busan zu. Noch zwei Tempelchen voller Steinpagoden, Steinlaternen und anderen Steinereien, und dann rollten wir, mehrfach geduscht unterwegs, wieder im wolkenverhangenen, trüben Ausgangsort unserer Korea-Rundfahrt ein. Hotel und Essen sind hier, das merkten wir nach den Erfahrungen mit den Kleinstädtchen in der Provinz, deutlich teurer als anderswo. Nach einem kargen Abendmahl in einem touristischen Lokal, das uns um viele Won erleichterte, kauften wir uns noch eine Ladung Gimbap (Reisklößchen) und ein paar Dosen Bier, um nicht hungrig einzuschlafen zu müssen.
Ein letzter Punkt auf unserem Reiseplan muss noch abgehakt werden vor der Überfahrt nach Nippon: Kimchi kaufen, als Reisemitbringsel für die gesamte Verwandt- und Bekanntschaft. Aber leichter gesagt als getan: Hinter jedem Haus stehen zig meterhohe irdene Krüge voller Kimchi, mit dem man in Korea den langen, frischgemüselosen Winter überbrückt, und jedes Gasthaus hat den Keller voll von dem koreanischen Sauerkraut, das bei keiner Mahlzeit fehlen darf, aber weil jeder Haushalt sein Kimchi selber herstellt, ist in keinem Supermarkt oder Kaufhaus auch nur ein Fitzel davon zu finden. Wir rennen uns die Sohlen schief und laufen spähend durch die Ladenzeilen von Busan, aber wo immer es nach Kimchi riecht, kommen die Duftfäden aus Restaurantküchen. Als die Sonne, zum ersten Mal seit vielen Tagen, den Fischmarkt aufheizte und alle fischmarktfauligen Rüchlein wiederbelebte, hatten wir die Suche schon aufgegeben. Da hockte jedoch am Rande des Marktes eine hutzelige Bäuerin mit Kopftuch großmutterseelenallein vor einer Riesentonne Kimchi und wartete vergebens auf Kundschaft. Heute machte sie den Umsatz der Woche, denn wir haben viel Platz in unserer Rollkommode, und Kimchi ist bei sachgemäßer Kühlung nahezu unbegrenzt haltbar.
Die Zöllner, ob in Busan oder in Shimonoseki, wissen schon, was in dem großen, weichen, nach Knoblauch müffelnden Plastiksack drinne ist, denn so riechen alle Taschen und Koffer japanischer Touristen, die aus Korea zurückkehren. Mit buddhistisch-meditativer Gelassenheit füllen wir die schon bekannten 10000 Formulare aus, während sich eine Viererbande von Putzfrauen auf unser Vehikel stürzt, um es wieder zu entbazillisieren, und sei es, dass sie mit Schwamm und Schlauch viel geübter sind als wir, sei es, dass das Wetter der letzten Tage gute Vorarbeit geleistet hat, jedenfalls strahlt unser knoblauchduftiges Kimchimobil so blendend frisch in der Hafensonne wie selten zuvor in seinem langen Autoleben, und das alles für 2500 Won Trinkgeld.
6690 Kilometer Reiseweg zeigte der Kilometerzähler an, als wir wohlbehalten und ohne Schramme vor unserer Wohnung in Matsudo ausrollten. Brütende Schwüle, keinen Deut besser als auf dem Hinweg, lastete auf Japan und trug dazu bei, dass wir mit wehmütigem Seufzen an Koreas Klima zurückdachten. Das Kimchi kam einen Tag später an, im Kühlwagen eines privaten Paketdienstes, aufgegeben in Shimonoseki. Sicher ist sicher im Hochsommer, und außerdem senkt es den Wiederverkaufswert eines Kraftwagens, wenn er nach Knoblauch riecht anstatt nach Schmieröl.
Tja, und die Berge von Zahnbürsten und Arbeitshandschuhen, die sich als Gaben von Hotels und Tankstellen angehäuft haben, die benutzten wir noch lange Zeit weiter, die brauchbarsten Souvenirs, die man je aus fernen Ländern mitbekommen hat. Nur an den Kaugummis, dem Kundendienst der Restaurant-Kassen, da kauen wir nicht mehr dran rum. Wir hätten es eigentlich tun müssen, wenn uns daran gelegen wäre, in jenes bekannte Guinness-Buch zu gelangen, als Weltmeister im Dauerkaugummikauen.
Aber dafür sind wir eigentlich nicht nach Korea gefahren.