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OSTBLOCK....! war der erste Eindruck von Ulaanbaatar, der Hauptstadt der Mongolei. Grauer Himmel, braungraue Gebäude, graue Busse, braungrauer Staub, blätternder Putz an grauen Plattenbauten, lose Kabel, deckellose Gullis, wenige klapprige Ladas, düstere Geschäfte, marode Betriebe, Zweitakter-Smog, Schlaglöcher, großflächige Pfützen, Bettelkinder, Schlamm....

  

ostblock

EIN FARBFLECK IM GRAUBRAUNEN ULAANBAATAR: DAS NATIONAL DRAMA THEATRE

  

Ka macht trotz aller Tristesse ein unerwartet heiteres Gesicht. Wie das?
"
Ist doch ein tolles Klima hier, nicht zu heiß, nicht zu kalt..."
In der Tat, genau wie in Osnabrück. Der einzige Unterschied ist, dass hier mehr Mongolen rumlaufen als in Osnabrück, wo du dich freilich besser auf Türkisch verständigst als auf Mongolisch. Aber das kann sich ja noch ändern. Oder meinst du, Thomas Mann hätte schon geahnt, dass du als Deutscher bald einen Dolmetscher brauchst in Osnabrück? Da siehst du mal wieder, es gibt die unwahrscheinlichsten Sachen auf der Welt, das kann man sich heute noch gar nicht vorstellen. Immerhin standen die Mongolen vor wenigen Jahrhunderten schon kurz vorm deutschen Zoll. Aber ich will mich erst mal aus der Politik raushalten. Bleiben wir lieber beim Wetter, das ist ein unerschöpfliches Thema, bei dem jeder mitreden kann, auch ohne Dolmetscher. Also, wenn in Ulaanbaatar die Sonne rauslugt, kann man in T-Shirts rumlaufen, aber wenn es sich zuzieht und loströpfelt, greift man nach Pulli und Anorak. Am besten, man trägt alles mit sich, denn jeder Tag hat - ebenfalls genau wie in Osnabrück - meist von allem etwas. Jetzt frag mich bloß nicht, warum ich dann in die Mongolei gereist bin anstatt nach Osnabrück.

 

So, und der zweite Eindruck ? Eine Korrektur des ersten. Wir haben selten je zuvor einen so erfolgreichen ersten Tag in der wildfremden Hauptstadt eines wildfremden Landes unter wildfremden Leuten, deren Sprache wir nicht verstehen, erlebt wie heute in Ulaanbaatar. hymneMitten im Zentrum, hinter dem braungrauen Außenministerium, vor dessen Fassade die mongolische Nationalhymne zu Stein geronnen zu sehen (nicht zu hören !) ist, stehen ein paar ulkige Hüttlein mit grün bemoosten, geschwungenen Dächern in einer Art verwildertem Garten; wer das Eingangstor im Lattenzaun durchquert, betritt das Tempelmuseum des Choijin Lama. Das wurde 1903 als Kloster errichtet, aber nachdem sich die Mongolei 1924 zum Stalinismus bekehren ließ, hatten Klöster, Mönche und Lamas nicht mehr viel zu lachen. Nein, keine Missverständnisse, die Lamas, das sind doch nicht diese Viecher mit den miesepetrigen Gesichtern, die für deine kratzenden Pullover verantwortlich sind! Die hat noch keiner lachen sehen (die Llamas, nicht die Pullover!), und außerdem schreiben die sich mit zwei L. Das ist wie bei den Kamelen, bei denen es solche mit einem und solche mit 2 Höckern gibt. Und die mit einem Höcker nennen sich Dromedare, und nur die mit zweien sind so echte Kamele wie der Dagobert Lügentrump, aber ich wollte mich ja aus der Politik raushalten. Also, die Lamas mit einem Höcker, nein, jetzt hast du mich schon ganz durcheinander gebracht mit deiner blöden Fragerei - ich meine natürlich: die mit einem L sind diese glatzköpfigen Ayurveda-Heiligen, die auch dann noch freundlich kichern, wenn sie unter chinesische Herrschaft geraten und im Exil frieren müssen. Dafür werden sie dann bisweilen mit dem Friedensnobelpreis dekoriert.

 

Immerhin konnte sich die Anlage, im Gegensatz zu den meisten anderen Klöstern, als "Museum für die feudale und abergläubische Vergangenheit" in die Gegenwart retten, die auch in der Mongolei 1990 begann, und ist jetzt gut gefüllt mit religiösen Kostbarkeiten, die Gläubige heimlich und unter großem persönlichem Risiko versteckt hatten, um sie vor der Zerstörung zu bewahren. Stalin hatte nämlich in dem mongolischen Caudillo und Blutsäufer Choibalsan einen gelehrigen Jünger, dessen Schreckensherrschaft eine kaum minder blutige Spur in der Geschichte hinterlassen hat als die seines großen sowjetischen Vorbilds.

 

"Sain baina uu", sagt die Tante, die uns lächelnd im Tempel empfängt, ein Bündel Tickets in der Hand. Weiß der Geier, was das heißt. Türkisch hätte ich notfalls noch verstanden, aber Mongolisch, da bin ich ganz auf Thomas-Mann-Niveau. Wahrscheinlich meint sie "bitte blechen!" dollars

Nein, diesen Satz kann sie sogar auf Englisch. "Four dollars please". --- Dollars? Wir sind doch nicht in Texas! Wozu habe ich mir eigentlich heute morgen diese fledderigen Lappen mit den vielstelligen Ziffern in der Landeswährung Tögrög erfeilscht? Nun, wir kommen auch mit Tögrögs rein und bewundern dafür die fotogenen Tsam-Masken und die wertvollen, vergoldeten Buddhafigurinen des großen mongolischen Meisters Zanabazar aus dem 17.Jahrhundert.

Unter den Zeremonialinstrumenten in den Glasvitrinen liegt auch eine Ganlin-Flöte aus; das ist die Zauberflöte buddhistischer Exorzisten, die jeglichen Dämon unweigerlich bannen soll. Kein Wunder, denn sie wird aus einem höchst seltenen Material gefertigt, nämlich aus dem linken Oberschenkelknochen 18jähriger Jungfrauen. Kein anderes Material, so versichert jeder Mongole mit Nachdruck, kann ihren melancholischen Klang und selbstverständlich auch ihre unfehlbare Zauberkraft erreichen. Gegen Beelzebuben wie den Choibalsan scheint sie jedoch wirkungslos zu sein. Man hätte die Mongolen vielleicht ein bisschen eher mit Plastik vertraut machen sollen, das wirkt noch viel größere Wunder, zumindest in der Form von Kreditkarten.

 

"Und dafür wird jedesmal ein Mädchen geschlachtet?", erlaube ich mir zu fragen.

"Natürlich nicht", lautet die entrüstete Antwort. "In Tibet hat man früher junge Mädchen geopfert, aber wir Mongolen haben stets nur Mädchen genommen, die eines natürlichen Todes gestorben sind, an Krankheiten zum Beispiel."

Ach, die lieben, lammfromm-friedlichen Mongolen! Ich tue so, als würde ich es glauben, und frage auch aus Höflichkeit nicht weiter, warum es ausgerechnet der linke Oberschenkelknochen sein muss und nicht der rechte. Vielleicht taugt der rechte nur für linkshändige Flötisten? Akustische Probleme dürften sich, soweit mir bekannt ist, im Falle eines rechten Oberschenkelknochens kaum ergeben, es sei denn, das Mädchen ist in Wirklichkeit ein alter Mann gewesen. Aber man soll auf Reisen außer der Hotelrechnung nicht immerzu alles hinterfragen, das verdirbt einem den ganzen Reisethrill. Schließlich will man sich ja auch entspannen und was erleben. Auch später schlucke ich deshalb diplomatisch und widerspruchlos all die patriotische Propaganda, die seit einem Jahrzehnt die sozialistische ersetzt. Statt Lenin gleißt jetzt Chinggis Khaan als mongolischer Schutzpatron, und selbst gebildete junge Leute behaupten ernstlich, dass die Welt um etliches friedlicher und glücklicher wäre, wenn das Mongolen-Weltreich unter diesem weisen und gütigen Führer bis zum heutigen Tage Bestand hätte. mongolDoch leider zählt auch der Khaan zu jenen politischen Amokläufern, die irgend einen Komplex mit "großen Taten" kompensieren wollten und mit einer Horde Krieger durch die Weltgeschichte trampelten wie eine Herde Ochsen, deren Leittier von einer Bremse gebissen worden ist, fremde Leute molestierten, Dörfer abbrannten, Frauen schändeten, gebrauchten Krempel klauten und sich als Helden fühlten, bis ihr Häuptling zu Fall kam und das zusammengeraffte Reich spätestens wenige Generationen später wieder zerbröselte. Gröfaze kommen und gehen, aber friedlich, weise und gütig ist bislang noch keiner gewesen.

Also, jetzt ist aber endgültig Schluss mit der Politik. Beim nächsten Ausrutscher klopf mir einfach eins vors Fressbrettchen, klar?

 

Wie in Tibet, wo die ein-L-igen Lamas heimisch sind, führt der Rundgang durch die Tempelhallen immer im Uhrzeigersinn durch den Bezirk, denn der mongolische Buddhismus ist vom genannten Zanabazar nach dessen langem Studienaufenthalt in Tibet in seine heutige Form gebracht worden. Anders als in Tibet endet der Weg im Choijin-Lama-Klostermuseum freilich sinnigerweise in einem runden Nomadenzelt, an dessen Eingang unübersehbar
SOUVENIRS

geschrieben steht und eine junge Dame die wenigen ausländischen Besucher so energisch zu sich winkt, als enthalte der Laden den bedeutendsten Schatz des Klosters. Sie ahnt nicht, dass wir den Nippes nur deswegen ausgiebig befingern, weil soeben ein tüchtiger Regenschauer losdrippelt, aber kurze Zeit später, als die Sonne wieder hervorlugte, hocken wir auf der Veranda des Cafés "Chez Bernard" und laben uns an Apfelstrudel und Zitronentee. An anderen Orten der Welt wäre dies keine Erwähnung wert, aber in einer Stadt wie Ulaanbaatar wirkt dieser Laden so deplatziert wie ein Ufo im Allgäu und ist mit Sicherheit das einzige Café in der gesamten Mongolei, das Aprikosen-Baiser-Schnitten, Nussecken und gedeckten Apfelkuchen feil bietet.

 

Ein Kameramann mit klobig-professionellem Equipment tritt an unseren Tisch und sagt in bayrisch gefärbtem Englisch:

"I come from the German magazine Deutsche Bäckerzeitung and want to make a photo. May I?"

From me out. Ich hatte mich mit Ka gerade auf Japanisch unterhalten, und der Bäcker-Paparazzo meinte wohl, Ka sei eine Mongolin und ich ein ansässiger Russe, der fließend Mongolisch spricht. Ich wünschte, das könnte ich. Immerhin habe ich nachgelesen, was "sain baina uu" heißt, nämlich schlicht und ergreifend "Guten Tag." Der Grundstein zu meinem mongolischen Wortschatz ist gelegt. Und mein Englisch reicht gerade aus, um zusammenzuzucken, wenn einer "to make a photo" sagt anstatt "to take a photo". Aber wahrscheinlich hat der Fotobäcker ja "I want to bake a photo" gemeint, und ich Dusseltier hab mich nur verhört.

 

Der Gute ahnte nicht, dass er frisch eingetroffene Greenhorn-Touristen, zum Teil sogar aus dem Heimatland von Semmeln und Brezeln gebürtig, ablichtete; den Abonnenten der "Deutschen Bäckerzeitung" unter euch, die mit Erstaunen Frank Eschersheimers Konterfei abgebildet sahen, sei hiermit versichert, dass ich nicht als Sieger eines mongolischen Baumkuchen-Wettessens, sondern auf Grund eines Missverständnisses, das aufzuklären ich einfach zu faul war, zu der Ehre eines illustrierten Zeitungsartikels gekommen bin. Jetzt hätte ich ja gern mal gewusst, was die deutsche Bäckerzeitung in Ulaanbaatar treibt; wahrscheinlich finanzierst du mit einem Cent pro frischer Frühstücks-Semmel die Weltreisen des Kamerakonditors mit, aber wenn ich den jetzt in meinem Mainzer Mutterlaut gefragt hätte, "ei horschemal, was mäschste eischentlisch bei de Mongoole?", wäre ich Gefahr gelaufen, dass er mein Foto dann ganz umsonst gebacken und den Artikel ungeschrieben gelassen hätte.

 

Es findet sich auch ein nicht-musealer Tempel in Ulaanbaatar, so weit hat sich der Buddhismus inzwischen erholt. Am Stadtrand trotzen mehrere heilige Hallen des weitläufig angelegten Gandantegchinlen Khiid (kurz: Gandan-Tempel) dem mongolischen Nieselregen.

 

MÖNCHE BEIM MINENRÄUMEN ? ... GANDAN-TEMPEL

 

ganbulIm Nordtempel blickt ein 26 m hoher und 20 Tonnen schwerer, vergoldeter Stehbuddha auf die Köpfe zahlloser Pilger herab, die eifrig Räucherwerk und Bargeld opfern. Den Gandan-Tempel hatten die Kommunisten stehen gelassen, um ausländischen Besuchern "Kultur" vorführen zu können, und heute sind schon wieder 150 Mönche aktiv, lesen in dämmrigen Hallen bei Talglicht ununterbrochen Sûtras und löffeln Suppen aus, die ihnen fromme Omas ehrfürchtig einbrocken. Um durch den Suppenmarathon nicht buddhagleich anzuschwellen, verschaffen sich die Bonzen Bewegung, indem sie jeden einzelnen der Pilger weihen und segnen, und weil auch wir neugierigen Eindringlinge vom Pilgersog in die heilige Umlaufbahn gedreht wurden, kamen wir ebenfalls in den Genuss diverser mongolischer Weihen und wurden gründlich von allem weltlichen Schmutz desinfiziert. Kann ja nichts schaden. Der letzte Mönch klatschte mir seine Sûtra-Rolle auf den Schädel, und falls mich nach meinem Ableben einst der Teufel holen will, wird er sich zuvor erst noch mit irgendeinem Bodhisattva prügeln müssen, so viel steht fest.

 

Ka war höchst entzückt, als wir das State Department Store in Augenschein nahmen und feststellten, dass man dort eine bescheidene Auswahl an nützlichen Dingen und, im 4.Obergeschoss, eine ganze Etage voller Arts'n'crafts, Mongolenstiefel, Postkarten, Pferdesättel, T-Shirts, Knochenflöten aus Plastik und Nomaden-Talmi finden kann, deutlich billiger als in den Kitscherias in und an, vor und hinter den wichtigsten Sehenswürdigkeiten.

Als uns der nächste Schauer überfiel, wanderten wir gerade die Straße vor dem National Drama Theater entlang. Juli und August sind nun einmal die Regenmonate in der Mongolei. Das Guidebook tröstet verzagte Gemüter, dass der Regen selten lang anhalte und schnell wieder aufklare. Doch jetzt pladderte der Abendguss dermaßen heftig vom Himmel, dass wir uns unter die Arkaden des Nationaltheaters flüchteten, denn simple Schirme sind einem solchen Wolkenbruch nicht gewachsen. Auch andere Leute sprinteten durch die Pfützen herbei, begaben sich jedoch ins Innere des Musentempels. Was wird heute gegeben? Puschkin auf Mongolisch?

"Mongolian music and dance", radebrechte die uniformierte Dame an der Abendkasse und gewährte uns für 5000 T (knapp 5 Euro) Asyl vor Schauern und Pfützen im nur spärlich besetzten Zuschauerraum und Zutritt zu einer eindrucksvollen Parade mongolischer Volkskunst.


orchesterDie Highlights neben Instrumental- und Gesangsdarbietungen waren der Tsam-Tanz, eine buddhistische Zeremonie zur Vertreibung übler Dämonen, wozu grimmig aussehende, aber höchst kunstvolle und farbige Pappmaché-Masken und prächtige Tanzkostüme getragen werden, und ein Orchester aus mongolisch gekleideten Virtuosen, die nur einheimische Instrumente spielten, aber damit unter anderem auch eine ungarische Rhapsodie und die "Carmen"-Ouvertüre hinbekamen. Aufhorchen ließ uns ein Solo-Sänger, der sich selbst auf der Morinkhuur, einer Art Kniegeige, begleitete und dazu zweistimmig sang. Ja, ein Solist, der zweistimmig sang! In der Mongolei erlernen manche Männer einen Kehlkopfgesang, den Khoomi, bei dem zwei Töne gleichzeitig erzeugt werden können, ein tiefer Vibrationston und ein hoher, beinahe pfeifender Zweitton; klingt echt geil.

 

Eine andere mongolische Kunst ist Mädchen vorbehalten: Nur 7 oder 8 Jahre alt war die Göre, die in einem glitzernden Zirkuskostüm hereinspaziert kam und dann ihren Körper schlangengleich verdrehte und verknotete, als seien die Naturgesetze vorübergehend außer Kraft gesetzt. Elegant setzte sich das Kind mit dem Po auf den eigenen Kopf oder nahm, professionell lächelnd, mit den Füßen eine volle Teetasse samt Untertasse vom Kopf und setzte das Geschirr dann vor sich auf den Boden nieder. "Kontorsionistin" kann man nur im zarten Kindesalter werden und sollte damit allerspätestens in der Pubertät aufhören.

 

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MÄDEL, WO IST BEI DIR VORN UND HINTEN, OBEN UND UNTEN?


Nach der Vorstellung kündete ein tiefes Abendrot vom Ende der Sintflut, und eine ausgedehnte Seen- und Flusslandschaft dort, wo zuvor Straßen und Gehwege waren, verrät, dass der Kanalisation von Ulaanbaatar durchaus noch eine grandiose Zukunft bevorstehen könnte. Um das per e-mail vorgebuchte Hotel nicht schwimmend erreichen zu müssen, unternahmen wir weitschweifige Spaziergänge über trockenere Umwege und lernten dabei die Innenstadt ausführlich kennen. Jetzt will ich dir noch verraten, dass es derzeit in der Mongolei 27 E-mail-Anschlüsse und 8 Internet-Cafés gibt, alle in Ulaanbaatar.

 

So, wenn das heute mal kein guter Tag war! Buddhistisch geweiht und von der bayrischen Semmelpresse abgelichtet worden, einem zweistimmigen Sänger und einer biegsamen Akrobatin mit Gummiknochen, für Ganlin-Flöten völlig ungeeignet, begegnet, das ist doch für den Anfang ganz prächtig! Doch damit sind die Höhepunkte des ersten Tages noch nicht erschöpft, denn am Nachmittag waren wir auf gut Glück ins "Nomads"-Büro in einem heruntergekommenen Geschäftshaus an der Hauptstraße Enkh Taivny Örgön Chölöö hereingeschneit und hatten den unglaublichen Dusel, uns einer zehntägigen Tour dieses Veranstalters in die Gobi anschließen zu können, die just morgen früh startet.

 

Normalerweise ist es weit unter unserer Würde, uns Gruppenreisen anzutun, aber in der Mongolei geht es nur dann anders, wenn man über sehr viel Zeit, Geduld, Nerven und Kraft verfügt. So gibt es im ganzen Reich keine einzige Mietwagen-Firma, keine Straßenkarte, nur neun Wegweiser und vier Verkehrsampeln, und die befinden sich alle in Ulaanbaatar. Man kann sich trotzdem einen Jeep mieten, aber nur mit Fahrer. Oder mit dem Bus in die Provinz fahren. Busse in die Provinz fahren nur zwei- bis dreimal pro Woche, und wenn man mit viel Glück oder Geschick den richtigen erwischt hat, landet man in einem öden Lattenzaun-Nest und muss sich eben dort einen Jeep oder ein Pferd leihen, um zu irgendwelchen Sehenswürdigkeiten zu gelangen. Nun hat indes jeder Jeep seinen Fahrer, jeder Gaul seinen Horseman. Und in der Provinz kann niemand Englisch oder Türkisch; mehr als ein paar Brocken Russisch darf man an Fremdsprachenkenntnissen nicht erwarten. Und dann muss man noch an sein Gepäck denken, wohlgefüllt mit Zelt, Schlafsack, Anorak, Pullis und Decken, denn auch im August können die Nächte empfindlich kalt sein, und all der gehaltvolle Rödel will auch transportiert werden. Man könnte natürlich auch per Anhalter reisen. Das Guidebook führt für hartgesottene Tramper auch die durchschnittliche Anzahl motorisierter Vehikel an, die in eine bestimmte Richtung pro Tag unterwegs sind. Gut frequentierte Chausseen kommen auf bis zu 45 Fahrzeuge, in entlegeneren Winkeln des weiten Landes "sollte man sich auf eine Wartezeit von 3 bis 5 Tagen einrichten und genug Verpflegung mitnehmen".

 

Und die Chausseen... In der gesamten Mongolei existieren knapp 300 km asphaltierte Straßen, vorwiegend im Umkreis von Ulaanbaatar. Ansonsten fährt jeder einfach quer durch die Steppe, orientiert sich an Telegrafenleitungen, markanten Bergzügen, Flussläufen oder an den Fahrspuren anderer Fahrzeuge und holpert über Fels und Kies, schmatzt durch Bach und Sumpf, kratzt über Dorngestrüpp und bleichende Knochen, mahlt durch Sand und Schlamm, dotzt durch Querrillen und Bodenfurchen, umfährt glotzende Yaks und käuendes Rindvieh, jagt Reiher und Gazellen, bis das Kühlwasser verdampft oder der letzte Ersatzreifen platt ist. steppeSo wunderbar kann unberührte Natur sein. Für solche Scherze sind wir inzwischen einfach zu alt. Abenteuer bringt auch die Gruppentour zur Genüge, denn um das charmante Wegenetz dieses Landes kommt auch der Gruppentourist nicht herum. Und da man sich eh zu seinem Jeep einen Fahrer und einen Führer mitmieten, zur Geldersparnis dies lieber zusammen mit anderen Leuten arrangieren und sich zur Sicherheit bei Pannen besser in zwei Jeeps auf den Weg machen sollte, befinden wir uns mit unserer Expedition in größter Nähe zur selbst organisierten Reise: Wir sind nur sechs Ausländer; Javier und Roberto aus Gijón (Asturia, Spanien), Mauro und Fabiana aus Roma und wir beide. Hinzu kommen Tuvshinzaya (kurz: Tuvshin), eine 21jährige Studentin der Betriebswirtschaft, die sehr gut Englisch spricht und alles erklärt, übersetzt und managt, und Doky und Khoika, die Fahrer der beiden Jeeps russischer Bauart.