M A D A G A S I K A R A 

August 1992

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logobaobab


In Richtung Abendsonne muss der Strand sein. Auf schmalen Holzfällerpfaden kommen wir im letzten Abendlicht beim nahen Dorf Ifaty raus. Die Erwachsenen sind Vazaha wohl gewöhnt, die von den Strandbungalows herbeigestromert kommen, und die Kinder auch, aber deren Reaktion ist anders: Während die Malagasy-Mamas vor der Hütte seelenruhig in ihren Holzfeuer-Kochtöpfen weiterrühren und den Gruß "Salama" erwidern, kommen die Steppkes und Bengels allesamt herbeigerannt. 
Das französische Vokabular, das sie alle beherrschen:
"Monsieur, donnez-moi un cadeau, Madame, donnez-moi de l'argent, donnez-moi un bonbon, donnez-moi un stylo, donnez-moi, donnez-moi, donnez-moi...."
So eine Dauerbettelei von Leuten, die nicht wirklich in Not sind, sondern lediglich ihr traditionelles Leben führen wie wir auch, haben wir noch in keinem Land erlebt. Nicht nur Kinder stimmen angesichts von Ausländern sofort ihren Donnez-moi-Chor an, sondern mancherorts auch etliche Erwachsene, nur haben die ein verfeinertes Repertoire.

"Monsieur, donnez-moi un pourboire", jammert der Pousse-poussist, obwohl er seinem Gast just einen fünffach überhöhten Fahrpreis vorgeflunkert hat, "monsieur, un tout petit cadeau", bettelt der Hotelbus-Fahrer, der den Gast in seiner Luxuskarosse für stolze 20000 FMg zum Airport kutschiert hat, obwohl er später als vereinbart losgefahren, verspätet angekommen und unterwegs durch die Mitnahme einheimischer Passagiere um mindestens 3000 FMg reicher geworden ist. "Donnez-moi Hustenmedizin, donnez-moi Wehweh-Lutschbonbons", wo immer der weiße Mann auftaucht, soll er Almosen und Wohltaten verteilen. Sind da die Missionare dran schuld gewesen, die jeden Barfüßigen und Halbnackten in christlicher Tradition als Bedürftigen missverstanden und mit Rock und Stiefeln versehen haben? Die Lumpenkinder in Tibet lehnen es lachend ab, wenn man ihnen was geben will, im Gegenteil, sie schenken dir buddhistische Amulette; wenn du einem Papua ein Pflaster aufklebst, rennt er nach Haus und bringt dir umgehend eine Ananas dafür. Wie kommt es, dass die Malagasy dermaßen ihren Stolz verloren haben und alle das Donnez-moi-Lied singen? In Afrika, so scheint es, wird die europäische Charité als Macke des weißen Mannes interpretiert, der auch gratis hilft, spendet und zahlt, wenn man ihn richtig zu behandeln versteht und den Bogen raus hat, einen miserablen Eindruck zu erwecken. Madagaskar ist keines der afrikanischen Hungerländer; wohlgenährte Kinder mit Schleifchen im Haar, in Hemdchen und Röckchen beten reflexartig ihr "donnez-moi diesunddas" her, sobald sie ein weißes Gesicht erspähen; warum sich placken und den Buckel krümmen, wenn der weiße Dummkopf auch anders zum Zahlen und Spenden zu bewegen ist?

donnezmoi

Donnez-moi, donnez-moi !


Aber die Zeiten sind vorüber, da katholische Mütterchen warme Pullover für die nackten Negerlein*) in Afrika strickten oder die Eskimos**) in Alaska mit Kühlschränken versorgten, ohne zu ahnen, dass auch Afrikanerinnen stricken können und Iglus keine Steckdose haben. Wir werden jetzt zu Erziehern.
"Donnez-moi un stylo!"
"Ist gebongt, wenn du mir einen Fisch bringst. Oder eine Papaya."
Ungläubig staunende Gesichter, wenn die Gören genug französisch verstehen.

Kommt ein Bursche auf uns zu. "Monsieur!"
Mal gespannt, mit welcher Masche er an unsere Piepen will.
"Ich führe Sie in den Busch und zeige Ihnen die Baobab-Bäume!"
Hochinteressant. Und was kostet der Spaß?
"Zwei Stunden Bushwalk für zwei Personen, macht 40 000 FMg."
Wir lachen uns tot über das viele Geld, das wir gestern gespart haben, ohne es zu ahnen.

Kommt ein anderer mit einer Tasche und geheimnisvollem Gesicht.
"Monsieur, soll ich Ihnen zeigen, was da drin ist?"
Natürlich soll er. Muscheln, zugegeben, schöne, große, blank gewienert und dekorativ.
"Kaufen Sie die schönen Muscheln, als Souvenir von Madagaskar!"
Unsere Rucksäcke sind voll und schwer. Und essen kann man die Kalkschalen auch nicht. Meine Madagaskar-Souvenirs sind die Eindrücke, Fotos und das Reisetagebuch, aber das ist den Leuten zu abstrakt. Und zu wenig profitabel. Der weiße Massa hat schließlich seinen Daseinszweck verfehlt, wenn ihm nicht die Dukaten aus den Taschen rieseln.


*) bei Bedarf durch "afrikanischen Kinder" ersetzen

**) bei Bedarf durch "Inuit" ersetzen

Wieder einmal Tana, nicht etwa, weil es so schön war, sondern weil alle Wege nach Rom führen, das hierzulande Antananarivo heißt. Eine Schicht urbanen Smogs legt sich auf unseren Sonnenbrand. Drei Tage Tana, und wir sind von den Malagasy kaum noch zu unterscheiden. Was von Vorteil wäre, denn da wäre man in der kapitalen Marktwirtschaft und ihrem Gedränge weniger behelligt.

Steht auf einmal ein Typ vor dir. "Monsieur, monsieur!", ruft er und fuchtelt mit einem grünen Zweig herum, auf dem ein Chamäleon hockt und guckt wie Jean-Peaul Sartre, ein Auge stiert nach rechts oben, das andere lugt schräg nach links unten. Das giftgrüne Vieh sollen wir ihm abkaufen!? Da muss er uns noch eine Gebrauchsanleitung mitliefern, denn was sollen wir mit einem schielenden Chamäleon anfangen? Legt kein Ei, gibt keine Milch, essen kann man's auch nicht, Stubenfliegen haben wir keine, rohen Fisch frisst's nicht, und einen Privatzoo unterhalten wir derzeit auch nicht.

ranokid

Arm sind die Kinder in Madagaskar, aber Not leiden sie nicht


Derweil hat ein anderer auf direktere Weise dafür sorgen wollen, dass mir die Dukaten wortwörtlich aus der Tasche rieseln, indem er im Gewühle mit einer Rasierklinge an meiner Umhängetasche herumgeschnitzt hat, wie ich wenig später gewahre. Es wurmt mich gewaltig, nicht allein für reich und gutmütig, sondern auch noch für blöde gehalten zu werden. Wer trägt denn in seiner Tragetasche Bargeld und Juwelen spazieren? Mit den Hotelrechnungen, die sich im Isalo fürs Feueranmachen so gut bewährt hatten und daher in der aufgeschlitzten Außentasche gesammelt waren, kann der Langfing vermutlich nicht viel anfangen, aber die olle Tasche taugt damit endgültig nicht mehr fürs schnieke Tokyo. So ein Blödian. Ist das der Dank der Malagasy, dass wir sie verarzten und mit Spenden überhäufen? Ist das die madegassische Hospitalité, die wir bisher vergeblich suchten?

Begeben wir uns eine Weile in höhere Sphären, wo die Massas unter sich sind. In der Pâtisserie des angeblich sündhaft teuren Hôtel de France verwöhnten wir uns mit Naschwerk, das es nur in Tana gibt, und bei AIR MADAGASCAR sind wir mittlerweile zu VIPs geworden in der Abteilung für "Clientèle spéciale", zu der normalen Sterblichen der Zugang verwehrt ist, auch Ausländern. Wie das?
In unserer Einfalt hatten wir im AIR MAD-Büro von Toliara unsere nächsten Flüge vorbuchen wollen, aber dort verfügt diese Firma nicht allein über keinerlei Computer, sondern selbst die Telefone sind nur für Ortsgespräche taugliche Attrappen. Keine telefonische Verbindung nach Tana?! Ein Wunder, dass unter solchen Umständen überhaupt ein Inland-Flugnetz unterhalten werden kann. Der verlegene Bedienstete erbot sich, eine Depesche zu senden, aber wir sind viel zu mobil, um von madegassischen Telegrammen eingeholt zu werden. So setzte er ein Empfehlungsschreiben auf an Madame Clémence, la directrice der diskreten VIP-Abteilung in Tana, und wir bekamen von der Madame, die zweifellos noblere Klientel gewöhnt ist als Typen in schmuddeligen Jeans und abgelatschten Trekking-Tretern, ohne Schwierigkeiten die gewünschten Plätze in den vorgeblich längst ausgebuchten Flügen, wie Funktionäre im verblichenen Ostblock.

Wir hatten unterdessen schon Vorbereitungen getroffen, Tana auf schnellstem Wege wieder zu verlassen, und zwar in aller Frühe mit dem Überlandbus zur Ostküste. Um halb sechs, es war noch finster, wartete der freundliche, gebildete und fließend français parlierende Taxist, den wir am Vortag zufällig erwischt hatten, wie verabredet vor dem Hotel und fuhr uns zur gare routière, stolz darauf, für seine unverhoffte Zuverlässigkeit gelobt zu werden. Wie oft werden wir wohl noch durch die Schlaglöcher, in Antananarivo so zahlreich wie die Sterne am madegassischen Nachthimmel, rumpeln müssen?

Dreifaches Erstaunen am heutigen Morgen: Es hat geregnet in der Nacht, der üblicherweise ölhaltige Staub der asphaltlosen Buszentrale hat sich in schwarzpfützigen, ebenso ölhaltigen Schlick verwandelt und sieht aus wie die Wüste von Kuwait im Golfkrieg. Verblüffend ferner, dass wir mit nur 15 Minuten Verspätung davonrollten, obwohl uns beim Eintreffen am Bushafen kund getan wurde, das Fahrzeug sei entzwei gegangen und Ersatz müsse erst organisiert werden. Und die dritte Überraschung: Jeder Fahrgast bekam 2000 FMg zurückgezahlt, weil das Ersatzvehikel enger sei als das kaputte Busch-Taxi. Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Vielleicht ist ja heute auch mal wieder ein Glückstag?

Was uns bevorsteht, liest sich in den Reiseführern etwa so:

"DIE OSTKÜSTE. Tropische Klimazone, üppige Vegetation und dichter Urwald. Während es in den Wintermonaten im übrigen Land kaum je regnet, gibt es an der Ostküste nur zwei Klimazeiten: Die Regenzeit und die nasse Jahreszeit...", undsoweiter blablablaaa...

Kann ja heiter wolkig werden, wenn der Regen letzte Nacht die Ouvertüre war für wilde Ost-Schauer. Womöglich muss gar der Parapluie, seit Curepipe angeschimmelt und angerostet, wieder ausgegraben und aktiviert werden?

Das VW-Bus-große Ersatzmobil macht gewaltig Fahrt. Madegassische Fahrer auf dem Pilotensessel katapultieren ihre Chaussee-Raketen offenbar besonders schnittig über die verkehrsarme Piste, wenn es regenglatt glitscht und gischtet, die Kiste zum Bersten voll ist und in den Dörfern Hunde, Hühner und Kinder in panikartigem Entsetzen Reißaus nehmen. Keine Stunde sind wir denn auch gefahren, da steht ein Haufen Volk am Rande der Chaussee und guckt belämmert in das Reisfeld 10 m unterhalb des Fahrdamms, in dessen Schlamm ihr Sammeltransporter verendet ist. Unser Pilot macht keine Anstalten anzuhalten und zu helfen, streichelt nicht mal andeutungsweise das Bremspedal, sondern trampelt voll auf den Power-Pilz, hupt sich die Bahn frei, und dann Augen zu und durch....!

So tauchte aus dem nebligen Drizzelregen des kühlen Hochlands kurz nach 9 Uhr schon jene ominöse Brücke auf, die, wie Schilder unterwegs mehrfach angedroht hatten, nur vor 9, von 12 bis 13 und nach 17 Uhr passierbar sei, wegen Bauarbeiten an der einzigen Fahrspur. Jetzt wurde auch klar, warum unser Busdompteur so einen Lemurenzahn drauf hatte: Die Bauarbeiter hatten schon ihre Brechstangen zur Hand und sahen wild entschlossen aus, die Brücke zu demontieren, aber just bevor sie damit Ernst machten, wutschten wir durch auf die andere Seite. Der Monsieur auf dem Sitz neben mir murmelte auf französisch:
"Da haben wir aber verdammtes Glück gehabt, ich habe schon manche Stunde hier vergammelt!"
Tatsächlich also ein Glückstag heute. Jetzt ging auch unser rasender Chauffeur die kurvige Abfahrt zur Ostküste milder an. Dennoch verdrehten die Serpentinen den Insassen auf den hinteren Sitzen offenbar den Magen, geräuschvoll reiherte einer nach dem andern aus dem Seitenfenster.

Das Dorf, dessen Lage zufällig ergibt, dass die Morgenbusse aus Tana hier genau zur Mittagsstunde eintrudeln, hat sich ganz auf die Reisegastronomie eingestellt. Die Hütten auf beiden Seiten der Straße sind zugleich Marktstände und Imbissbuden, mit großzügig bemessenen Parkplätzen versehen. Wer sich nicht niedersetzt und den durchs Seitenfenster entleerten Magen mit einem warmen Reismenü verwöhnen mag, der wandert die Händlerstände entlang und wählt zwischen Ananas, Bananas und Papayas, Durian und Rambutan, Pomeranzen, Mandarinen und Limousinen aus, was der Wald so bietet und das Herz begehrt. Wer Räucheraal zu frischem Brot mag, wird hier ebenso bedient wie der Liebhaber von Yams-Fritten oder gerösteten Kokos-Raspeln, und sogar Wienerwald-Hendl-Schenkl liegen für Kunden und Fliegen gleichermaßen verlockend bereit, zu Preisen, die auf die Barschaft der Einheimischen zugeschnitten sind.

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Die Botanik verändert sich allmählich


Das nebelgekühlte Obst zeigt, dass wir vom Tana-Plateau, wo Kirsch- und Pfirsichbäume blühen, schon weit heruntergekommen sein müssen, denn was hier an Früchten feil ist, gedeiht in subtropischen Breiten. Auch die Vegetation ist erheblich palmiger geworden --- nur Urwald ist nirgendwo zu sehen, bis hinunter nach Brickaville, wo die Straße die Ostküste erreicht und dann nach Norden abknickt, in Richtung Toamasina. Sicher mag es hier mal Dschungel gegeben haben, aber die madegassische Fruchtbarkeit ist zu beachtlichen Menschen-Zuwachsraten detoniert, weshalb Plantagen, Felder und angepflanztes Grün hier den Urwald nur vortäuschen. Gewiss, die Vegetation ist üppig, aber nur wer noch keinen tropischen Regenwald gesehen hat, fällt drauf rein und glaubt, er stehe im Wald. Das buschige Geschling am Pangalanes-Kanal, der sich parallel zur Küstenlinie in Nord-Süd-Richtung hinzieht, ist kaum jungfräulicher als die entschlaftablettene Marilyn Monroe, und die exotischen Gewächse auf dem welligen Hügelland sind kaum unberührter als die Plumeau-Expertin Madame de Pompadour. Sogar die malerischen Fächerplamen, die AIR MAD sich zum Markenzeichen erkoren hat und die hier anmutig die Plantagen überragen, sind nichts als Edelkokotten unter den baumigen Dirnen im Pseudo-Urwald, den der Mensch, rodend und kokelnd, zu willigen Diensten gezwungen hat; da schwelen Köhler-Meiler, werden Holzkohle, Nutz- und Brennhölzer fabriziert, Bananen, Papayas und Lychees geerntet und Ölpalmen gehegt. Und wo die Leute Nutzwald züchten, da müssen die Lemuren flüchten.

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Madegassische Fächerpalme


Die Perle der madegassischen Ostküste heißt Toamasina; was Le Touquet für Pariser, Brighton für Londoner und Westerland für Hamburger ist, das ist Toamasina für betuchte Antananariver. Die wichtigste Bahnstrecke des Inselreichs verbindet die Hauptstadt mit ihrem Seebad, wo sich Tana-geschädigte, welsche Siedler zu Kolonialzeiten schon ihren Sonnenbrand holten.

Wer dem Reiseführer traut und glaubt, die unweit des Busterminals verzeichnete Herberge zu Fuß erreichen zu können, erntet von dem Kordon der Pousseure, die den Rucksack-Menschen umringen, lautes Gelächter. Es sind, der trügerischen Karte zum Trotz, 6 lange Kilometer in einer deutlich anderen Richtung, die auch geübte Poussierer außer Pousste bringen. Das Hotel Miramar, zu deutsch "Seeblick", verfügt über leicht gebaute Chalets, in denen es schon einmal vorkommt, dass ein Frosch auf der Klobrille hockt und dich angrinst, wenn auch du mal austreten willst, und hat einen großen Swimmingpool im Rasengarten, denn der Gast tut gut daran, sich mit Pool und Blick auf den indischen Ozean zu begnügen. Die nähere Bekanntschaft mit dem nahen Meer ist nur extremen Fischliebhabern zu empfehlen, die gerne mal von einem Hai geküsst werden möchten. Diese Raffzähne kommen hier nämlich, von Müll und Touristen angelockt und von keinem Korallenriff gehindert, bis zum Strand und verschmähen angeblich auch bleiche und behaarte Vazaha-Beine nicht.

Weil alle Straßen der Ostküste als Sackgassen enden, heben wir uns den Genuss des Charmes von Toamasina für den Rückweg auf und erkunden Möglichkeiten, auf die idyllische Insel Nosy Boraha zu gelangen. Reguläre Fährverbindungen gibt es keine, man muss den wöchentlich einmal fahrenden Frachter erwischen, fliegen oder sich von den Fischern in ihren Segel-Pirogen übersetzen lassen. Das kann, je nach Windstärke und Seegang, bei 30 km Entfernung eine ziemlich lustige Seefahrt werden, zumal die Pirogen, günstiger Strömungen wegen, das Wagnis um 3 Uhr morgens in Angriff nehmen.

Fliegen? --- Auf Wochen ausgebucht. Frachter? --- 5 Tage warten. Also Piroge??? ---

Wir lagen vor Madagaskar und hatten die Pest an Bord......

piroge

............einer Piroge.....??


Wer wagt, gewinnt. Auf geht's! Manompana heißt das Dorf, wo man die Pirogen-Kapitäne mit ein paar bunten Geldscheinen zur großen Fahrt bewegen kann, liegt 250 km nördlich von Toamasina jenseits des Endes der asphaltierten Chaussee und ist mit etwas Glück und Taxi-Bé vielleicht irgendwie zu erreichen. Der Wagen, dem wir uns anvertrauen, ist ein Peugeot 404 Pritsche; auf der Ladefläche sind zwei Holzbänke montiert, die 8 Fahrgästen Platz bieten, aber erst nachdem 23 Personen reingenudelt waren, setzte sich die Droschke in Bewegung.

Ob Weiße auf Malagasy-Frauen besonders sexy wirken? Jedenfalls schloss die üppig geformte, ausnahmsweise kinderlose junge Dame, neben, oder vielmehr auf der ich zu sitzen kam, mich innig in die Arme, drückte mir ihren Busen um die Ohren und wollte, allen Schlaglöchern und Holpersteinen zum Trotz, nimmer von mir ablassen. So saß ich immerhin warm und weich gepolstert, während es Ka hinters Fahrerhäusel verschlagen hatte, wo ihr der steife Fahrtwind die Seele aus dem Leib blies. 85 km lang hatte die tropische Schönheit Muße, an mir herumzuknuddeln, denn die Enge ließ keinerlei Gegenwehr zu. Jedes Strampeln bedeutet einen Tritt in den Bauch eines Mitfahrers, jede Hand- oder Armbewegung in dem unüberschaubaren Leiberknoten kann zum Nasenstüber für den Nachbarn werden oder als unsittliches Befummeln einer der überaus zahlreichen Frauen in dieser rollenden Sardinenbüchse ausgelegt werden.

Unsere Rucksäcke waren schneller draußen als wir. Als wir uns dem Menschen-Container und den Umarmungen liebevoller Mitmenschen entzogen hatten, gewahrten wir zu unserem Erstaunen zwei Knirpse, die unsere Beutel bereits geschultert hatten und uns angrinsten:
"Wir sind die Träger und Führer!"
Wo waren die denn hergekommen? Ringsumher nur Wald und Busch sowie ein Feldweg, versehen mit einem riesigen Schild:

** LE RÉCIF **

Bungalows, chalets, plage

Cuisine exotique du chef 

Mein Gepäck ist absolut zu schwer für so einen Dreikäsehoch, ich trage es lieber selbst. Andrerseits sollte man es bei den kleinen Kindern anerkennen, dass sie nicht betteln, sondern sich ihr Trinkgeld erarbeiten wollen. Bis zu den verheißenen Chalets und exotischer Cuisine sind es immerhin ein paar hundert Meter, und an Kas Huckebeutel haben die Jungs genug zu schleppen.

Nicht übermäßig comfortable sind die Bungalowchalets im Récif, aber auffallend blitzefunkelsauber. Sogar der Sand vor der Hütte ist glatt geharkt, und zwei Bedienstete im Blaukittel mit langen Spießen in der Hand sind weder Wachsoldaten auf der Abwehr von Mosquitos noch auf der Jagd nach Tintenfischen, sondern hasten jedem zu Boden fallenden Blatt nach, spießen es auf und befördern es zum Komposthaufen. Die Lösung dieses wunderlichen Rätsels, man ahnt es wohl schon: Der Chef des Etablissements ist Schweizer. Na, wenn auch die exotische Cuisine so excellent ist wie die Reinlichkeit in und um unserem Strandhüttli, machen wir hier erst einmal ein Päusli, bevor wir weiterzockeln. Was den Helvetier von den Almen zu den Palmen gelockt hat, war nicht zu ergründen, denn er pflegte sich in seiner "hutte du chef" zu verschanzen, aber die madegassische Madame mit Chefin-Allüren, die das Personal zu nimmer erlahmendem Putzwienern scheuchte, konnte eigentlich nur als Gemahlin eines Schwyzers auf die abstruse Idee verfallen sein, den Sandstrand dreimal täglich mit dem Rechen bearbeiten zu lassen.

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Le Récif, das Schweizer Logis in Madagasikara


Im Prinzip sind alle Strände der Welt gleichermaßen vom Meer gesäumt, mit Rändern aus Seetang, Muschelsplitt, Sandkrebsen, Ölschlick und Zivilisationsmüll, den der Ozean als unzustellbar an die Absender zurückspediert. Sogar säuberlich beharkte Strände werden nach einer Stunde Faulenzens ziemlich langweilig, auch wenn die Palmen des
Récif wirklich jedem Urlaubsprospekt zur Ehre gereichten. Vom Dösen und Postkartenschreiben hungrig, lechzten wir nach der angekündigten exotischen Cuisine du chef und sehen schon Krebse in Kokossauce paddeln, träumen von Hummersalat auf Ananas oder Muscheln mit Yams-Fritüre, die dem Gourmet die Seezunge rausstrecken, doch als der gelbe Mond wie ein dicker Lampion kopfüber zwischen den Palmen am nachtblauen Südseehimmel baumelte und die Dünung silbrig schimmernd ihre seetangduftende Abendbrise über unsere Teller wehen ließ, da blubberte auf selbigen ein banaler Gulasch auf Reis, mit reichlich Fett am Zebu-Hack, und daneben gab's nur noch ein Tellerli Tomatensalat.

Da nun die leiblichen Nöte leidlich gestillt sind, will als nächstes der unersättliche Bildungsdurst gelöscht werden. Noch einen Tag lang am Ufer schwitzen und Löcher ins blaue Meer zu gucken, das haben wir schon im Moramora und im Bambou nicht fertig gebracht. Heftig werden die Sandalen geschnürt und ein nur wenig lädiertes T-Shirt umgehängt, denn heute ist der Tag des Herrn.
Der Trampelpfad, der vom
Récif wegführt, mündet nach ein paar Gehminuten zwischen luschigem Busch auf eine weite Wiese, die heute Schauplatz der Fußballliga Madagaskar-Ost, mindestens Halb- oder Dreiviertelfinale, ist. Das Spielgerät hat entfernte Ähnlichkeit mit einer ein wenig groß geratenen Kartoffel, ist aus erdigem Leder und etwa so oft geflickt wie die Reifen der Überlandbusse, und diesem holprigen Leder-Ei wetzt eine Meute von Dorfjugend zwischen 11 und 28 Jahren nach, und ein des Weges kommender Hund macht auch gleich mit, bellend, fetzend und hetzend. Was könnte man den Jungs für eine Freude machen mit einem gebrauchten, meinetwegen sogar platten Fußball im telegenen Schwarzweiß-Look! Die würden die ausgelutschte Huddel hegen und pflegen wie einen Schatz, flicken und nähen, neu anstreichen und noch in drei Generationen damit kicken.
Die eine Mannschaft ist am nackten Oberkörper von der anderen, Hemdchen tragenden Equipe zu unterscheiden, und Schiedsrichter ist derjenige, auf den alle wütend eindreschen, wenn er das Spiel zu unterbrechen wagt. Die Mehrzahl kickt barfuß, einige haben auch Turnschuh-Oldtimer vom Müllplatz in Tana importiert, und die beiden Söhne des Dorfschulzen (?) tragen sogar Treter mit Adidas-Streifen, jeder einen. Hier fallen Tore im wörtlichen Sinne, aber die Holzpfähle werden flugs wieder zusammengenagelt, bis der nächste Lattentreffer erneut die Balken auf den Torhüter niederregnen lässt. Das ist der wahre Thrill, wir können uns gar nicht losreißen von der Gaudi, bis Ka auf einmal uuiiuuuiiiihh!! brüllt und davonsprintet, weil eine vom Schlachtenrummel verschreckte Schlange ihre rotbraune Haut in Richtung Eckfahne in Sicherheit bringen wollte, wo Ka saß. Wer fürchtet sich vor so einem verängstigten Reptil? Mitleid haben sollte man mit dem Vieh, das sich wahrscheinlich friedlich irgendwo am Mittelkreis sonnte, als die afrikanische Ballhatz losbrach. Außerdem gibt es keine Giftschlangen auf Madagaskar, aber harmlose dafür umso mehr.

Durch sanft gewellte, locker bewachsene Heidelandschaft führt der Weg an einem kleinen Palmhüttendorf vorbei zur asphaltierten Chaussee, die wie in Ranohira den Fußgängern gehört. Ein, zwei Kilometer in Richtung Toamasina liegt ein größerer Weiler, ein Marktflecken, wo wir uns fürs Mittagspicknick versorgen.

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Dorfmarkt am Sonntagvormittag


Die Leute gucken uns nur groß an, grüßen freundlich, die Kinder lachen uns zu, und niemand stimmt den sonst überall verbreiteten, vielstrophigen Donnez-moi-Choral an. Eine sympathische Gegend; es gibt offensichtlich nur wenige Vazaha, die hier zu Fuß durch die Vegetation streifen und die Sitten der Leute verderben. Immerhin, Missionare müssen schon hier gewesen sein, denn in einer Baumgabel hängt neben einem Langhaus eine Bimmel und muss noch viel wachsen, um eine richtige Kirchturmglocke mit tiefer Stimme zu werden. Aber Papas mit Schuhen und weißem Hemd, an jeder Hand ein Tochterpüppchen mit Schleifchen in den krausen Löckchen, mit Rüschenbluse und Faltenröckchen, hier wird der Sonntag noch geheiligt! Und schon erschallt ein vielstimmiger Chor aus der Langhütte und schlägt einen Schwarm entsetzter Spatzen auf dem Dach in panikartige Flucht.

Wie an der Westküste gibt's viele Pfade durchs Gestrüpp, aber weder bleigraue Dornbüsche noch rostbraune Baobabs, kein Sand und keine Dürre. Hier ist alles erdig-weich unter den Füßen und saftig grün ringsumher. Da schmatzen Zebus fetten Klee, da lodern die Flamboyant-Bäume mit ihren riesigen feuerroten Blüten, tratschen Frauen im Palmwedel-Schatten vor ihrer Palmwedel-Hütte, auf Palmwedeln hockend und Palmwedel-Matten flechtend. Richtig friedlich, sonnig und schattig zugleich, schon wieder ein Paradies entdeckt?
Man wünscht sich ja manchmal angesichts unserer zernarbten und verpesteten Industrielandschaft, man könnte die Zeit zurückdrehen und in einer Natur leben, wie sie vor Jahrtausenden mal war, so fein und rein und grün und schön. Auf Madagaskar kann man sich diesen Traum wahr machen, wenn auch nicht gerade in der Giftküche von Tana, muss aber schwer aufpassen, wenn man nicht böse erwachen will: Da wallt man frohgemut und heiter durch die grüne Au, bis der Weg einen Knick macht und mittenmang in einen Tümpel hineinführt. Der einheimische Holzsammler, der ohnehin barfuß geht, stapft munter pfeifend durch die Brühe, die ihm allenfalls bis ans Knie reicht, aber wir? In jedem stehenden Gewässer, lehrt das Reisebuch, hausen Blutegel, lauern Hepatitis, Bilharziose und tausend andere Tücken und Mücken, und man muss nur einmal ausglitschen, dann gehen Kamera und Barschaft, Pass und Flugtickets baden. Alles schon erlebt, alles schon dagewesen, aber zu den angenehmen Erinnerungen zählt das wahrhaftig nicht. Kurzum, wenn man im Paradies heimisch werden will, muss man dafür schon seinen Touristenfummel abschreiben, wie der Holzsammler barfuß und wertsachenlos fürbass schreiten und im Palmwedelhäusel hausen, von Flöhen gebissen und von Mosquitos ausgelutscht.
Seufz. Wir machen kehrt, streben aufwärts führenden Pfaden zu, aber wenn's rauf geht, dann geht's auf der anderen Seite wieder runter. Wir mäandern eine geschlagene Stunde von Sumpf zu Tümpel, ohne vorwärts zu kommen, und enden doch immer wieder vor Seerosen und Sumpfdottergewächsen, zwischen denen es gluckst und quakt. So schön kann unberührte Natur sein, voller Blumen und Schmetterlinge, aber auch der verehrte Leser begreift gewiss, dass ich bei all meiner Naturliebe als erstes einen Weg anlegen würde, auf dem man trockenen Fußes vorankommt, wenn diese Gegend mir gehörte.
Es gelang uns schließlich doch, ohne Hilfe der Landstraße aus dem Wasserlabyrinth auszubüchsen und brachen an einer schmalen, schilfigen Stelle genau vor der Nase einiger wäschewaschender Frauen aus dem Unterholz, die sich über ein irre gelaufenes Zebu, einen wilden Eber oder ein (hier freilich nicht heimisches) Rhinozeros wohl weniger gewundert hätten als über die ulkigen Bleichgesichter, die da am Sonntagnachmittag durchs Röhricht getrampelt kamen. Wer wollte es ihnen übel nehmen, dass sie sich halb tot lachten? Hätte ich auch getan.

Es reicht mit den Irrungen auf alternativen Pfaden; wandern wir noch ein paar Meilen auf dem stillen Asphalt im kühlen Abendhauch, der von einer Sonntagsschule jenseits des Tales fröhlichen Kindergesang herüberweht. Mit gemischten Gefühlen sehen wir im Abendrot dem heutigen Dîner im Récif entgegen, denn das gestrige konnte ja auch ein Ausrutscher gewesen sein. Vielleicht hat der brave Schweizer Gardist des Küchenherdes gespart für ein währschaftes Sonntagabend-Mahl. Auf dem Rückweg dunkelte es allmählich, das letzte Stück Weges lag in tiefer Finsternis. Das heißt, nicht ganz: Es begann zu unserer Verwunderung ringsum zu blitzen und zu blinken; Glühwürmchen mit gelben Laternchen irrlichterten über Moor und Wiese, geisterten lautlos durch Dunst und Dunkel und leuchteten uns heim, so gut sie es mit ihren Glimmerlämpchen vermochten.

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Es funkelt in der Dämmerung


Ja, und das frugale Abendessen? Ich darf es vorweg nehmen, "cuisine exotique", das galt nicht den Touristen, sondern offenbar den Einheimischen. Für die ist ein biederer Goulaschreis gewisslich arg exotisch, nicht minder das Poulet mit weißen Bohnen oder der fette Schweinebraten mit Erbsen. Wo sonst kann man schon auf Madagaskar Walliser Hausmacherkost genießen? Wir sind wahrscheinlich allzu waldschratige Alternativ-Reisende, dass wir unbedingt den Aal und den Oktopus, die Austern, Shrimps und all die Flossen und Kiemen verkosten wollen, unter denen sich die Stände auf den Märkten biegen. Wer Eintopf unter Palmen mampfen mag, dem sei das
Récif wärmstens empfohlen; uns indes ist solche Feinkost zu exotisch, und außerdem wollen wir endlich auf Nosy Boraha gelangen.

Der Anfang war keineswegs verheißungsvoll: Eine halbe Stunde verging an der Landstraße, ohne dass ein wie auch immer geartetes motorgetriebenes Fahrzeug die paradiesische Stille und reine Luft behelligt hätte, und was dann dahergetuckert kam, war ein so abenteuerlich überladenes, auf den Felgen krauchendes Museumsstück, dass wir darum beteten, der Fahrer möge NICHT anhalten, um uns mit reinzupferchen. In der Tat schien er durchaus geneigt zu sein, auch an uns noch zu verdienen, aber wir nahmen die unbeteiligte Miene fröhlicher Wandersleut auf der Rast an und ließen so den Kelch an uns vorüberknattern. Als wir nach einer geschlagenen Stunde endlich vom Fleck kamen, steckten wir -- von sitzen kann keine Rede sein -- in einem leidlich moderneren Massentransporter, krumm und schräg zwischen schwitzende Leiber eingeklemmt, und holperten mit Karacho neuen Aventüren entgegen. Nur wenige Minuten dauerte es, da hatten wir jene ächzende Antiquität einge- und überholt, die wir zuvor verschmäht hatten.

taxibeErst 46 Passagiere, der Wagen ist ja noch halb leer !

Zur heißesten Mittagsstunde rollte unser Fahrzeug an der Endstation aus, in Soaniera-Ivongo, wo der Asphalt der beachtlich schlaglöcherfreien Landstraße am Ufer eines breiten, braunen Urwaldgewässers endet. Da gilt es, mit der Fähre rüberzuschippern, genauer gesagt, auf einem Floß mit urtümlicher Kraftmaschine dran, aus Zeiten, als der Außenbordmotor noch nicht erfunden war. Just versuchte ein voll beladener LKW, sich dem gebrechlichen Holzgefährt anzuvertrauen, und siehe da, er passte drauf, wenngleich das Floß nunmehr weitgehend UNTER Wasser schwamm, während die Gummifüße des Lasters von brauner Brühe umspült wurden. Wir neigten dazu, lieber eine Stunde der Rückkunft der Untersee-Fähre zu harren, an der wir durchaus unsere Zweifel hatten. Der Blick durchs Fernglas fiel jenseits des Gewässers auf eine sandige Rutschbahn, die sich das Ufer hinaufwand, um dann im dichten Busch zu verschwinden. Da, so sprach der Mensch, der uns hier hergefahren hatte, fahren keine Taxis, weder Bé noch Brousse. Da muss man per Anhalter oder per pedes weiterkommen.

Einige clevere Bürschlein wussten was Besseres. Sie hätten eine Piroge, damit würden sie uns rüberbringen, ja sogar um das Kap schippern. Von da aus sind es dann nur noch 17 km zu Fuß bis zu der Landzunge, wo die großen Übersee-Pirogen liegen, die zur Insel übersetzen. Um 6 Uhr seien wir garantiert auf Nosy Boraha. Klingt verheißungsvoll und verlockend. Wie lange dauert denn die Fahrt bis zum désembarque, dem Ausgangspunkt des langen Marsches? Die Story von dem "um 6 Uhr auf Nosy Boraha" riecht mir nämlich arg faul. Allein die Überfahrt mit dem Segelkahn soll mindestens 3 Stunden dauern, und 17 km Marsch mit Gepäck über Stock und Stein, das haut einfach nicht hin, so viel Mathematik hat mir der Pauker am Gymnasium mit großer, weitgehend leider vergeblicher Anstrengung doch in den harten Schädel zwängen können.
"Bis zum désembarque? Zwei Stunden ungefähr...."
Ich weiß Bescheid. Entweder wollen uns die Kerlchen vergackeiern oder uns bis 6 Uhr MORGENS als Pirogenpilotenpiraten, Führer, Träger, Sherpas und Lakaien auf verschlungenen Pfaden und krummen Umwegen ausmelken. 
Der wagemutige Laster sucht gerade die Sandpiste am andern Ufer, das er zu meinem grenzenlosen Erstaunen heil erreicht hat, zu erklimmen. Von da aus sind es bis Manompana, dem Pirogenhafen, nur 12 km; und da sollen wir die grinsenden Schlitzohren mit ihrer Piroschka anheuern, um dann noch 17 km durch die Botanik zu trappeln? Nachdem ich dann noch hörte, was das freundliche Anerbieten denn kosten solle, frage ich mich, ob wir vielleicht mit Abgesandten des Entwicklungshilfe-Ministeriums verwechselt worden sind, die überflüssige Millionen aus Steuergeldern an frierende Afrikanerlein verteilen möchten.


boraha

Palmige Ostküste mit Blick auf Nosy Boraha


Als die Fähre wieder da war, tat sie einen gurgelnden Laut, und der Stottermotor verstummte. Der Schiffer rödelte sein wertvolles Stück im Uferschilf fest und hub sich von dannen, zum Mittagessen. Da stehste da und machst ein langes Gesicht. Wegen zwei Fußgängern fährt der sowieso nicht, tröstete uns ein Mensch aus der Crew des rückfahrtbereiten Taxi-Bé. Es ist schon fast 13 Uhr, die Sonne brennt aufs Gehirn, das Gepäck drückt auf die Schultern, die Fähre pausiert, und die 12 km drüben ohne Aussicht auf Fortkommen, da sämtlicher Verkehr in unserer Richtung vom Wohlwollen des Fährmanns abhängt, der sich vermutlich gerade zum Mittagsschlaf aufs Ohr legt....

Wir guckten uns an, grinsten und stiegen dann wie verabredet in den Minibus. Lassen wir die blöde Insel halt sausen, es gibt auf Madagaskar noch mehr zu sehen! Noch am gleichen Abend, zwei überfahrene Küken und einen plattgemachten Gockel hinter uns wissend, waren wir wieder in Toamasina und fuhren diesmal nicht per Pousse-pousse, sondern, schneller und erheblich billiger, per Taxi ins Miramar. Das einzige Pousse-pousse heute ist der Name des neu eröffneten Restaurants für italienische und madegassische Küche im Zentrum der Stadt, adrett, hell, nicht teuer und ein paar Fliegen weniger als anderswo, da lässt sich dem Tag noch ein versöhnliches Ende abgewinnen.


 

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