≪≪≪≪≪≪ M A D A G A S I K A R A ≫≫≫≫≫≫
August 1992
2
Zähneklapperfröstelkalt ist es früh um halb sieben am Busbahnhof von Toliara. Um den größten Teil unseres Banknotenbündels und einige weniger wichtige Gepäckstücke erleichtert (, die wir im MORAMORA zum Aufbewahren gelassen haben), schlottern wir in der Dunkelheit, die von wartenden Menschen, aber keinem busartigen Kraftwagen erfüllt ist. Im Morgengrauen erkennt man bald die Umrisse der winterlich in Decken gehüllten Malagasy, die es sich auf dem ölig-staubigen Boden zwischen Warenballen, Haustieren und unzähligen Kleinkindern unbequem gemacht haben und zum Zeitvertreib die zwei Vazaha mit ihren Rucksäcken beglotzen, wie die übernächtigt und frierend auf den verspäteten Bus warten. Die Sonne geht auf, die Schatten werden kürzer, die Kälte weicht, der Magen knurrt. Allein, es fehlt der Bus.
Nur ein Rad musste noch gewechselt werden
Halb neun zeigt die Uhr, als er endlich vorfährt. Ähnliches hatten wir auch in Peru erlebt und hofften, jetzt werde die Busmannschaft mit ähnlicher Verve ranklotzen wie in Südamerika, aber weit gefehlt: Moramoramoramoramora! Bis die zwei lahmdösigen Helfer die Körbe mit den Truthähnen, Reissäcke und Ölkanister der Passagiere aufs Dach gehievt und festgezurrt hatten, war es halb 10, und als die Fahrgäste, nach Namensliste handverlesen, endlich alle drinsaßen, hatte ich schon Kohldampf aufs Mittagessen. Vorher muss der gute Omnibus aber erst noch 100 l Diesel eingeflößt bekommen und nach wenigen Kilometern auf guter Asphaltstraße einen technischen Halt einlegen, halb auseinandergeschraubt und dann wieder zusammengeklempnert werden, auf dass er für die restlichen 240 km halten möge.
Ranohira mit seinen 2 Kirchen und 39 Häusern längs der Chaussee von Toliara nach Fianarantsoa ist zwar Provinz-Hauptdorf und verfügt stolz über ein eigenes Postamt, hat aber weder Strom noch Wasserleitungen. Das ist in der madegassischen Provinz nichts Außergewöhnliches. Gekocht wird über dem Holzfeuer, dessen Rauch täglich 24 Stunden aus jedem Lehmhaus kokelt, Licht bringen Kerzen oder, bei wohlhabenderen Haushalten, auch Petroleumfunzeln, und Wasser holen die Frauen aus einem der vier Dorfbrunnen, Eimer und Kanister auf dem Kopf balancierend.
Hotel- und Businessviertel im Stadtzentrum von Ranohira
Seine Attraktivität für fremdländische Besucher bezieht der Ort denn auch weniger aus seinem Charme, als vielmehr durch seine Lage am Fuß des Isalo-Gebirges, das von Madagaskar-Kennern einhellig als Nonplusultra gepriesen wird. Als wir im Abenddämmern dem Reisemobil entstiegen und erste Blicke auf die Front der Lehmhütten warfen, waren wir uns sofort einig: Lieber im Zelt übernachten. Die Reue kam rasch und war bitter; das linde Abendlüftchen legte in der Nacht dermaßen zu, dass wir samt Zelt beinahe davongeflattert wären, und die Temperaturen sanken auf ziemlich winterliche Werte.
Der Chor unserer klappernden Zähne muss weithin vernehmbar gewesen sein, denn als wir uns im Morgengrauen aus den Decken wickelten, standen schon zwei Jungs vor unserer Stofftür und wollten uns guiden. Na, den Weg in den Ort werden wir schon selber finden!
Sooo kurzfristig denkt man in Madagaskar aber nicht. Sie wollen uns wie treue Hunde tagelang durch Busch und Steppe, über Klüfte und Klippen geleiten, unseren Rödel tragen und uns alles zeigen; natürlich nicht vollkommen gratis. Man muss nämlich seine Guides entlohnen, für deren Essen und Unterkunft sorgen und dafür auch zusätzliche Zelte mieten. Dies erfordert zusätzliche Träger, für die wiederum zusätzliche Kochtöpfe, Essvorräte und anderer Krempel in die Wildnis geschleppt werden müssen, und eh man sich's versieht, bläht sich die harmlose Wanderung zu einer 20-köpfigen Expedition auf, und das ist das Allerletzte, was wir uns wünschen. Führer und Träger, nein danke! Wir haben unsere Säcke ohnehin bis auf das notwendige Minimum entschlackt, da brauchen wir doch keine Sherpas dafür, und die in Tana erworbenen Messtischblätter im Maßstab 1 : 100 000 verzeichnen jeden dicken Baum und ersetzen gefräßige Schwafelführer.
...sogar mit Stromleitung
Ein gemütlicher, dicker Herr empfängt uns stolz in einer Hütte mit der halb abgeblätterten Aufschrift
SERVICE
DES EAUX ET FORÊTS |
Mit amtlicher Miene lässt er sich unsere teuer bezahlte Lizenz zum Betreten des Nationalparks vorzeigen, auch die Pässe und Flugtickets, als wäre er der Präfekt von Südmadagaskar, bevor er mit sichtlichem Bedauern kundtut, dass er seit geraumer Zeit nicht mehr für den NP zuständig sei; wir sollten uns an den Wirt des Hotels "Les joyeux lémuriens" wenden. Mit jovialer Handbewegung sind wir entlassen, die Audienz ist beendet. Vor der offenen Tür und dem glaslosen Fenster warten unbeirrt unsere künftigen Guides und verfolgen uns aufmerksam zum genannten Hotel. Das ist ein zweistöckiges Lehmziegelhaus, eine holzgezimmerte Treppe ist außen angebracht und führt zu einer schilfüberdachten, ebenso hölzernen Veranda am Obergeschoss. Da steht ein langer Tisch und an dessen Kopfende ein mit Papieren überladener Schreibtisch, und dahinter thront ein Mensch, der wie ein nur unwesentlich schlankerer Zwillingsbruder des ersten Ex-Amtmannes aussieht, aber ohne dessen Freundlichkeit.
"Wo sind Sie denn
einquartiert?", knurrt er uns an, die Nationalpark-Lizenz
interessiert ihn nur am Rande. Von der Veranda aus hat man einen
guten Blick über die gegenüberliegenden Bauten. An
jeder
zweiten Eingangstür hängen "Hotely"-Schilder, es ist
kaum zu fassen.
"Da drüben etwa,
wo sie doppelt so viel verlangen wie ich, he?"
Ich kann ihn beruhigen,
wir sind schließlich letzte Nacht im Eigenheim beinahe
erfroren.
Seine Laune bessert sich nur wenig.
Für unser
Trekking im
Bergmassiv könnten wir noch zwei Decken gebrauchen. Ob er uns
welche leiht?
"Kommt nicht in
Frage. Wer garantiert mir, dass Sie die wiederbringen?
Außerdem
habe ich keine Decken übrig."
Nach einer kunstvollen
Pause brummelt er aber verschmitzt:
"Wenn Sie Gäste
meines Hauses wären, sähe das ganz anders aus.
Für meine
Gäste tue ich alles. Da würde ich im Dorf
genügend Decken
zusammenbekommen bis morgen früh."
Dem Schlitzohr blitzt
der Schalk aus den Augen. Ich kapiere den Wink mit dem Zaunpfahl,
und sogar Ka zieht weiteren Frostnächten im Zelt das
Abenteuer eines madegassischen Dorfgasthofs vor.
Blick vom Fenster des Gasthofs von Ranohira
Die Stuben seines
Hauses gleichen unseren Bauernstuben des vorigen Jahrhunderts.
Gekalkte Wände, ein roh gezimmertes Bett, Bohlendecke und
-fußboden, handgefertigt Stuhl, Spiegel und Tisch, zwei
Kerzenständer drauf. Ein glasloses Fenster mit
hölzernem Laden
und dickem Riegel dran. Sieht aber alles sehr, sehr sauber aus, viel
besser, als man dem Haus von außen ansehen würde.
Gut, machen
wir sein Spielchen mit!
"Eine
Übernachtung vor dem Trekken haben wir noch in Ranohira. Wenn
es
für uns heute noch ein Frühstück geben
sollte, würde mir Ihre
Stube eventuell zusagen. Aber die Decken liegen mir wirklich am
Herzen...."
"Ja doch, essen
kann man bei uns immer, ich sag sofort in der Küche Bescheid!
Und die Decken? Ich hab noch nie einen meiner Gäste
enttäuscht!"
Schon hastet er, ein
Geschäftchen witternd, die Holzleiter runter. Hinter dem Haus
ist ein kleiner Hof mit einem Baum in der Mitte, an dem ein
armseliger, in Ranohiras Morgenfrische heftig bibbernder Lemur
angekettet ist. Sollte das der letzte Überlebende der
"Joyeux lémuriens" sein? Sehr joyeux sieht er
jedenfalls nicht aus. Die Rückseite des Hofes, in dessen Staub
und Schlamm sich auch noch Hühner und Enten suhlen, bilden ein
paar niedrige Hütten, Wohnung und Küche des
Lemurenwirtes und
seiner Familie. Und die Klos für die Gäste: Von
Latten
umgatterte Löcher im Lehmboden.
Als aber das frische,
noch backofenwarme Brot vor uns stand und der Kaffee duftig
dampfte, reservierten wir uns das Zimmer für heute Abend; den
Ausschlag gab die Hausherrin, eine abgearbeitete, hagere Frau um
die 50 Jahre, mit rollendem RRRRR im
gebrochenen Französisch, aber mit einem so
herzlichen Lächeln und gewinnendem Blick, als seien alle
Gäste
ihre eigenen Kinder. Bei dieser madegassischen Madame werden wir
gut aufgehoben sein.
Vor dem Haus warten noch
immer "unsere Guides". Ich frage sie, wo die Post
ist, obwohl ich das Gebäude längst gesehen habe. Dann
tun wir
so, als müssten wir noch mal ins Hotel und sehen durch die
Zaunlatten, dass die gelangweilten Jungs tatsächlich in
Richtung
Postamt verschwinden, wo sie vermutlich den ganzen Tag auf uns
warten werden. Wir verlassen das Haus nämlich umgehend in der
Gegenrichtung und beginnen ohne Eskorte unseren heutigen
Spaziergang in den Nationalpark.
Zukünftige Guides ?
Die
Wanderkarte ist so
vorzüglich, dass wir auch unbegleitet bis zum Fuß
des Berges
gelangen, und von da an gibt es ohnehin nur noch einen einzigen
Pfad. Das Gebirge hat man von Ranohira aus stets vor Augen, ein
bisschen welliges Grasland und ein paar Reisfelder liegen
dazwischen. Das Ziel für heute ist in einer
behäbigen,
dreistündigen Altherren-Wanderung bequem zu erreichen, denn
das
zerklüftete Isalo-Massiv ist kein Himalaya, sondern eher ein
etwas schroffer, felsiger Odenwald. Ranohira liegt in 830 m
Höhe, und wir klommen gerade mal bis 930 m, den
ausgetrampelten
Pfad stets vor Augen. Aber die Landschaft ist grandios: Das
Massiv ist "ruiniforme", durch Erosion zu den tollsten
Formen zerfressen. Da liegen Plateaus, die sehen aus, als seien
sie von Khmer-Tempeln übersät, in andere
Felsformationen hat
der Zahn der Zeit dorische Säulen wie auf der Akropolis
genagt,
und die drüber wegziehenden Wolken tuschen scheckige Muster
auf
den Steingarten. Immer kurioser auch die Flora, jetzt wird es
langsam doch madegassisch-exotisch: Weiche, grasartige Kakteen
mit kleinen roten Blüten, fleischige Sukkulenten in harten
Felsnischen, und dann halten wir die Luft an: Eine dicke,
metallisch glänzende Granate mit glimmender Lunte liegt vor
uns,
fast mitten auf dem Weg! Und noch mehr, hier eine und da
eine..... ----- blühende Mini-Baobabs! Fast kugelrund, in
für
vernünftige Pflanzen idiotischem, metallic-grauem Lack
glänzend, mit ein paar Warzen und Auswüchsen wie der
Planet des Petit Prince und zwei bis drei
luntenartig
lang gezogenen Stängeln, an deren Spitze eine leuchtendgelbe
Blüte wedelt.
Eine dicke, metallisch glänzende Granate mit glimmender Lunte liegt auf dem Weg....
Diese
drolligen
Gewächse halten sich nur an spinnwebdünnen
Haarwurzeln fest,
und wer mit dem Lachen über solche Missgeburten von Pflanzen
fertig ist, kann den handballgroßen Olli ohne weiteres liften
und sich nur wundern, dass diese Bonsai-Baobabs nicht bei jedem
Stürmchen davonkullern wie die Köpfe der
französischen
Revolutionäre.
Zuletzt führt der Pfad hinab in eine Oase, wo ein gluckerndes, farngesäumtes Bächlein ein paar Meter in die Tiefe purzelt und ein paradiesisch schönes, wie von Gartenkunstmeistern angelegtes, tiefes Bassin bildet, in dem man nach Herzenslust baden kann. Tun wir aber nicht, denn ringsum geht es ziemlich hoch her. Nur vier Ausländer, aber ein gigantischer Tross von Führern und Trägern. Als wären sich zwei afrikanische Busch-Expeditionen begegnet.
"Mr. Livingstone,
I suppose?", bin ich versucht zu zitieren, aber die Malagasy
kommen mir zuvor.
"Sans guide?", fragen sie fassungslos.
"Na und?",
sage ich. Die Gesichter, mit denen sie uns nachblicken, besagen
deutlich: So eine Frechheit gehört verboten, auf eigene Faust
hier herumzustromern, ohne uns ordentlich Knete zu zahlen.....!
Auf dem Rückweg
begegnen uns noch vier weitere Safaris, bepackt, als gehe es auf
Rhinozerusjagd, und jedesmal fragen die Malagasy entgeistert:
"Sans guide?"
Als uns auch noch zwei
Deutsche, die hinter einem laut furzenden
Gepäckträger
dreinlatschen und im Mutterlaut ihre Kommentare dazu abgeben,
fragen, wieso wir denn so ganz alleine da herumliefen, kann ich
nicht an mich halten.
"Passt nur gut
auf, dass die Lemuren euch nicht beißen! Und dass ihr euch
nicht gar verlauft in diesem wilden Urwald! Welche Achttausender
wollt ihr denn mit eurem trompetenden Sherpa erklimmen?"
Ich gestehe ihnen aber
mildernde Umstände zu, denn sie waren alle von Toliara oder
Tana
aus in Package-Touren samt Chauffeur und Lakaien in Landrovern
hergekutscht worden, vorgebuchtes Komfort-Abenteuer.
Ohne Safaris und furzende Sherpas ist der Isalo-NP paradiesisch
Der lange Tisch auf der
petroleum-befunzelten Veranda der "Fröhlichen Lemuren"
füllt sich langsam mit Vazaha-Volk. Sechs Italiener, je ein
britisches und ein französisches Pärchen, ein
Australier und
wir beide. Keiner von denen ist auf de-luxe-Safari. Sonst
würden
sie nicht beim Lemurenwirt nächtigen. Der Australier mit
seiner
Rum-Bottel (das Zeug verdünnt er vorsichtig mit Cola, die hier
fast doppelt so viel kostet wie die gleiche Menge Rum) turnt
schon seit drei Wochen allein durch die Isalo-Felsen, und die
andern kichern ebenfalls über die emsigen Guides. Die
Mutti-Madame verwöhnt uns mit eigenhändig
gewürzter Suppe und
hervorragender Hausmacher-Kost und schleppt dann eine Wanne voll
heißen Wassers von der Feuerstelle her, damit wir uns bei
Kerzenlicht hinter einem Lattenzaun säubern können
vorm
Schlafengehen. Trotz des äußerst schlichten Komforts
ist auch
Ka, die an Herbergen normalerweise andere Ansprüche zu
stellen pflegt, mit der freundlichen Hausmutter hochzufrieden -
die Betten sind frisch bezogen, neue Kerzen und Streichhölzer
liegen bereit. Aufrichtigen Respekt der fleißigen Madegassin!
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Afrika geht mit den
Hühnern zu Bett und ist bereits beim ersten Hahnenschrei wach.
So konnten wir trotz des frühen Aufbruchs den schon auf uns
lauernden "Guides", die wir am Vortag ins Bockshorn
gejagt hatten, nicht entgehen. Kurz vor dem Verlassen des Ortes
holten sie uns ein, einen dritten Typ mit sich führend.
"Je suis le
directeur du service des eaux et forêts", sagte der in
strengem Ton. "Es ist verboten und völlig ausgeschlossen,
dass jemand ohne kundigen Führer den Nationalpark betritt."
Jetzt galt es,
geistesgegenwärtig zu sein. Wir hatten zum Glück nach
eingehendem Studium der Karten gestern beschlossen, nicht den
direkten Fußweg, sondern die einige hundert Meter
längere,
dafür aber für Allrad-Vehikel befahrbare Piste zu
wählen, denn
um unser Trekking-Ziel zu erreichen, ist erst ein etwa 35 km
weiter Weg, also eine gute Tageswanderung, zu bewältigen,
bevor
man endlich in den Berg einsteigt. Auf der Piste haben wir
theoretisch ein Fünkchen Hoffnung, dass irgendwas
Motorisiertes
angetuckert kommt und uns mitleidig aufliest. Nun führt der
Weg
bis zum Beginn dieser Piste zufällig genau in die
Gegenrichtung,
also fort vom Bergmassiv. Ich erwiderte also gelassen:
"Wie kommen Sie
auf die Idee, dass wir zum Nationalpark wollen? Wir sind auf dem
Weg nach Andriamanero, wo wir zu einer Hochzeit eingeladen sind.
Zum Isalo-Park geht es doch in die andere Richtung, oder?"
Die Burschen standen
starr vor Verblüffung. Wir ließen sie stehen und
latschten
einfach weiter, weg von Berg und Ort, und als ich mich nach 10
Minuten Weges wieder umsah, standen sie noch immer am
nämlichen
Ort und äugten uns argwöhnisch nach, machten jedoch
keine
Anstalten, uns zu folgen. Wir scherten uns nicht mehr drum, bogen
später ab in die Richtung zum Isalo und
tippelten uns bis zur Mittagszeit die Sohlen heiß. Zum
Glück
war es leicht bewölkt. Wellige, rotbraune, fast baumlose
Savanne, so weit das Auge reicht. Mir ist es ein Rätsel, woher
die Leute das Holz für ihre Kokelei nehmen, von den Balken
für
Treppen, Veranda, Möbel usw. ganz zu schweigen. In der Gegend
von Ranohira haben wir jedenfalls bisher an baumartigen
Gewächsen nicht mehr als 17 verkrüppelte Knorzen
erblickt. Ein
dunkler Streifen am Horizont entpuppte sich auch nicht als
schattiges Wäldchen, sondern als Zebu-Herde. Bei der Begegnung
hatte der Hirte alle Mühe, sein Rindvieh auf Kurs zu halten,
denn die Hornochsen sind offenbar genauso neugierig wie die
nackerten Dorfkinder.
Zebu-Herde im Grasmeer der baumlosen Savanne
Obwohl es im hiesigen
Winter nachts empfindlich kalt werden kann, brennt tagsüber
die
Sonne doch gewaltig auf die Wanderköpfe; als die Hitze schier
unerträglich wurde und unsere Mittagsrast fällig war,
brummelte
auf einmal von der bisher vollkommen menschenleeren, einsamen
Staubpiste her Motorengeräusch, und zwei bis zum Dach bepackte
Allrad-Jeeps, aus denen Blonde und Blondinen lugten, holperten an
uns vorüber. Ein Dutzend Führer, Träger,
Dolmetscher, Fahrer
und Steppenköche, die auf dem Dach hockend
durchgeschüttelt
wurden, winkten uns zu, und dann wurde der Spuk von einer
mächtigen Staubfahne wieder verschluckt.
Seufzend tippelten wir
weiter. Einsamkeit und Stille hatten wir uns gewünscht,
spitzen
aber jetzt doch die Öhrchen sehnsuchtsvoll nach
Dieselgeboller,
ob nicht noch ein womöglich leeres Safarimobil durch die
Savanne
gepflügt käme; der Stadtmensch kann eben nicht aus
seiner Haut!
Wie bestellt brummelte es ein Viertelstündchen
später aufs
Neue; Rush-hour auf dem Steppenpfad? Ein Allrad-Gefährt mit
nur
drei einheimischen Insassen an Bord packte uns und unsere
Huckepäcke mit ein. Leider kann ich kein malagasy und nickte
deshalb zustimmend, als ich aus den Worten des Fahrers den
Ortsnamen Andriamanero herauszuhören glaubte, den ich heute
morgen selbst zu meiner dreisten Lüge missbraucht hatte. Von
da
sind es bis zu unserem Tagesziel nur noch 8 km. Beschwingt
stiegen wir in der Ortsmitte dieses Lehmhüttenweilers aus und
gaben dem Piloten der Knochenmühle ein Trinkgeld im Glauben,
er
sei hier am Ziel angelangt. Umso verblüffter glotzten wir der
Staubwolke hinterdrein, als er ohne uns in der selben Richtung
weiterfuhr, der Saftkopp. Und wir? Was sollen wir in
Andriamanero? Eine Hochzeit wurde leider nicht gefeiert
unsretwegen. Mit dem Missgeschick hadernd schultern wir unseren
Rödel und stapfen in der Nachmittagssonne, von pudelnackten
Schokoladenbabys und barfüßigen Steppkes bestaunt,
den frischen
Reifenspuren hinterdrein.
Moramora, immer mit der Ruhe! Es ist halb zwei, nur noch 8 km liegen vor uns, ist doch schon mal gold. Der Weg führt einen schmalen Fluss entlang in eine schattige Oase. Das Gewässer muss durchwatet werden, dann kämpfen wir uns durch knöcheltiefen, brennend heißen Sand, noch immer dem entfleuchten Luftverpester hinterhertrauernd, japsen durch schattenlose Ebene am nächsten Dorf Tameantsoa vorbei, wo uns ein altes Ehepaar auf dem harten Acker, die Hacken fallen lassend, nachstarrt, als seien wir geradewegs vom Mars herbeimarschiert. Zu Fuß kommen Ausländer hier anscheinend nicht öfter entlang als der Halleysche Komet.
Das Gewässer muss durchwatet werden
Die Viehtränke ist der ideale Zeltplatz
Das
Abendmenü:
Auf
einem japanischen Grillrost steht ein thailändischer Topf, mit
chinesischer Suppe gefüllt, die über einer Glut, mit
Papua-Zündhölzern entfacht, unter madegassischem
Sternenhimmel
blubbert, auf dass ein deutscher Fahrensmann sich den Wanst damit
fülle.
Steinig und steil, trocken und heiß war der menschenleere Pfad, der anderntags zu bewältigen war, bis wir am Nachmittag das erste Ziel erreichten. Weil wir uns der Führer entledigt hatten, mussten wir, wenn es über steinigen Grund ging, bisweilen schon mal suchen, bis wir den kaum sichtbaren Pfad wiederfanden, aber die mit Wegsuche verlorene halbe Stunde ist nichts gegen den Vorteil, ohne labernde oder furzende, drängelnde oder belehrende Mitesser unterwegs zu sein. Ich würde gewiss eher auf das Trekking verzichten als noch Tagelöhner mitschleppen. Ohne Aufpasser kann man Fotos und Pausen machen, wann man will, essen, furzen und pinkeln, wo man will, selbst entdecken und untersuchen, was man will, und all das ohne einen Laut außer dem Brausen des Windes und dem Singen der Vögel. Im Isalo gibt es kein Dorf, keine Hütte, keinen Generator. Hier töffelt kein Buschtaxi, knattert kein Hubschrauber. Auf dem Plateau ein Grasmeer, im Wind sanft wogend, in dem sich der Pfad fast verliert, ringsum zerklüftete Felsen und halsbrecherische Canyons.
Auf dem Plateau ein Grasmeer, im Wind sanft wogend