....rauscht Franks Lankamobil
auf seinen frisch aufgepumpten
Gummifüßen nach Südwesten, im Sonnenlicht
funkelnd, denn es
hatte nach der Rallye Anuradhapura-Trincomalee dermaßen
mitleiderregend ausgesehen, dass er es auf dem Stellplatz im Resort
von Nilaveli gewaschen hat. Dort stehen nämlich rund um den
Parkplatz einige Baracken, in denen die Chauffeurguides der anderen
Touristen in schäbigen Mehrbettzimmern nächtigen,
während ihre
reichen Herrschaften sich im Resort unter Palmen ergehen und Cocktails
schlürfen; und damit die armen Lakaien nicht umkommen vor
Langeweile,
hat man ihnen zum Zeitvertreib einen Autowaschplatz mit Schlauch,
Bürsten und Lappen neben den Parkplatz gebaut.
Gründe
für das muntere Dahinschnurren gibt es
mehrere, einmal
die fast leere, wundervoll glatte, perfekte Straße in
Richtung Habarana, und einmal das weit entfernte Ziel, das in den
hügeligen Ausläufern des Berglands gut 180 km
entfernt liegt
und Kandy heißt. Nein, das ist kein klebriges Bonbon, du
Knallbonbon, sondern der Name eines prominenten Kurorts, in dem sich zur Kolonialzeit
die in Colombo schwitzenden Briten an ihren freien Wochenenden
restaurierten. Weitere Gründe sind das vorgebuchte Hotel
irgendwo außerhalb
der Stadt, dessen Anschrift "Mahakanda, off Galaha Road, Hindagala,
Kandy" nicht sonderlich konkret, sondern nach Sucherei klingt, und
schließlich das Fest in Kandy, das sicher viel Verkehr und
Betrieb mit sich bringt, so dass es besser sein dürfte, früh anzukommen.
|
Auf
halber Strecke ein Wiedersehen mit der "elephant ride"-Kleinstadt
Habarana, danach das Makakenbiss-Sigiriya und das
Höhlenbuddha-Dambulla, wonach der Verkehr stärker und
die
Straße
schlechter wird. Zeitweise kriecht beinahe eine Art Stau über
die
kurvenreiche Chaussee, die sich an zahllosen, von Touristenbussen
umlagerten Herb
and spice gardens
vorbei die Hügel hinaufwindet. Die nächste
größere
Stadt heißt Matale und macht einen äußerst
unsympathischen Eindruck. Hier ist der Bürgerkrieg offenbar
noch
im Gang, ALLE Häuser auf beiden Seiten der
Einbahn-Hauptstraße sind durchlöchert und geknackt,
geborstene Wände, eingestürzte Fassaden, es sieht aus
wie in
Aleppo. Erst als Frank halb durch und weder unter
Mörserbeschuss geraten noch auf Al Qaida
gestoßen war, schwante ihm, dass
die
Hauptstraße offenkundig rigoros verbreitert und zu diesem
Zweck
sämtliche Häuser mitleidlos halbiert werden. Und
keine
Bürgerinitiativen,
keine Protestposter....!
In den Vororten von Kandy ist alles voller Moscheen, es
krächzen
Allah-Lautsprecher, die Threewheelers sind mit Koranslogans auf
Arabisch beschriftet und
befördern hennarot gefärbte Bärte und von
schwarzen
Kondomen mit Sehschlitz verhüllte Frauen von der Einbuchschule
zur Moschee, man könnte meinen, Frank habe sich verfahren und
sei
in
Pakistan gelandet.
Aber dann kommt, vier Kreuzungen später, die Stadt Kandy, und
jetzt könnte man meinen, er
habe sich verfahren und sei in Baden-Baden gelandet. Ein Kurpark mit
See, in dessen Mitte ein Springbrunnen seine Fontänen in den
wolkigen Himmel bläst, und ringsumher, am grünen Saum
der
sanft ansteigenden Hügel, mondäne Queens- oder Olde
Empire-Hotels, Frank reibt sich die Augen --- ich
glaub, ich steh im
Schwarzwald, das soll Sri Lanka sein ?
|
Der
Verkehrsstau nahe der Innenstadt und das Gewusel von Besuchern
erinnern Frank gleich
wieder daran, dass heute das wichtigste Fest der Stadt ansteht; es ist
vielleicht ratsam, erst mal die Unterkunft zu suchen, bevor man sich
ins Gewühl stürzt. Aber genug Zeit, um die
schöne Lakshmi
nach
dem Fest zu fragen, hat er noch.
|
![]() |
Frage:
Was
für ein Fest findet eigentlich heute in Kandy statt? Lakshmi:
Wir
Buddhisten feiern allmonatlich das
"Poya-Fest". Poya bedeutet
Vollmond, das ist die Vollendung der Mondphasen. Wir glauben,
dass dieser Tag Glück bringt für den kommenden Monat,
und
besuchen den Tempel zum Gebet. Das höchste Fest, das im ganzen
Land gefeiert wird, ist das Poya-Fest im 5.Monat, auf Sinhala heißt das Vesak
Poya. In Kandy wird der Festtag unseres Stadttempels traditionell
am Poya-Tag im 7.Monat (Esala Poya) begangen, weil ein Zahn des Buddha,
der in
Kandy verehrt wird, in diesem Monat nach Sri Lanka gelangt sein soll. Am
Abend dieses Festtages, der nach unserem alten Kalender auf
den heutigen 20.August fällt, findet in Kandy ein
großer
Umzug (Perahera)
mit Tanz, Musik, Fackeln und Elefanten statt, der erst am
frühen
Morgen endet.
|
Wow,
den muss sich Frank unbedingt ansehen. Gut, dass es erst am
Abend
mit dem Umzug losgeht. Vorher ist noch ein anderer Umzug zu
bewerkstelligen,
nämlich der in die vorgebuchte Unterkunft. Frank rauscht nach
Hindagala; dank seiner schlauen Karte findet er richtig hin, und auch
die
Straße
nach Galaha, die über den weiten, großzügig
über
grüne Wiesen angelegten Campus der Universität
führt.
Danach wird die Straße eng und windet sich durch etliche
Dörfer. Frank guckt sich die Augen aus
nach einem Schild, das
auf
ein Hotel namens Ceycrest hinweist, aber die Augen vom Verkehr
abzuwenden bringt nur ein panikartig
gackernd flüchtendes Huhn in
Lebensgefahr, aber keine
brauchbare Information.
Frank fragt mal einen Threewheeler-Driver, der gerade eine Frau mit
gefüllten Einkaufstaschen vor ihrer
Haustüre ablädt.
Ceycrest Hotel? Der Bursche hat keine Ahnung.
Aber die Frau.
Und das ist ein Riesenglück, denn nachdem sie dem
Dreirad-Dompteur
den
Weg verklickert hat, setzt der seinen Knattermann in Bewegung und
bedeutet Frank, hinterher zu fahren. Ich
sag dir, alleine hätte der das nie gefunden. Im
übernächsten Dorf,
das an einem
schrägen Hang klebt, geht ein unscheinbarer Pfad
steil nach
oben ab in die Wildnis. Den töffelt der Mensch
ungerührt hinauf,
obwohl der anfängliche Betonboden schon sehr bald in einen
steinigen
Feldweg übergeht und bei Gegenverkehr nur noch ein
Stoßgebet
helfen würde. Frank also feste hinterdrein, dem
kriselnden Pneu
alles Gute wünschend; sein Toyota Corosta dotzt ein paarmal mit dem
Boden
auf harten Grund, kraucht aber ächzend
die Serpentinen hoch, anderthalb oder zwei Kilometer, an etlichen
Haustüren von Bergbewohnern vorbei, dann bleibt die Karawane
vor dem
Tor
einer kleinen Villa stehen.
|
"Hier ist es", sagt der
Knattermensch. Echt,
ehrlich? Es steht nichts außen dran, kein Schild hat
unterwegs
auf ein wie auch immer geartetes Hotel oder Guest house hingewiesen.
Die Tür geht auf, ein freundlicher Herr im Sarong erscheint.
Sealand? Frank suchte ein Haus namens "Ceycrest". "Macht nichts, ist dasselbe", grinst er, "das hieß früher Sealand und jetzt Ceycrest, das ist alles." Franks Misstrauen legt sich erst,
als er auf dem Tisch ein Büchlein liegen sieht, auf dem in
großen Lettern der Name "CEYCREST" prangt. Der
Threewheeler-Chauffeur
bekommt ein Trinkgeld für die Mühe, dann tuktuckert
er
wieder
zu Tal.
"Mein Name ist Sena", strahlt der Sarong und zeigt Frank das gesamte
Haus,
das nur über zwei Gästezimmer verfügt;
notfalls kann
auch das Bügelzimmer noch ein Bett aufnehmen. Frank und Ka
sind die
einzigen
Gäste. Aber das Haus ist blitzeblank sauber, und von der
Veranda
aus schaut man auf einen gepflegten Schräghang-Garten und ein
atemberaubendes
Panorama; halb Sri Lanka breitet sich vor der Villa aus.
Sena scheint glücklich zu sein, Gäste zu haben.
Geschäftig bringt er Handtücher und frisches
Bettzeug,
serviert einen Obstsaft und Nüsse zum Knabbern. Er
möchte
sofort mit der Zubereitung des Abendmahls beginnen.
"Nein, nein, heute Abend wollen wir nach Kandy, den Festumzug ansehen.
Wir essen in der Stadt."
"Ja natürlich, die Perahera müssen
Sie sehen. Sie
können so lange bleiben, wie Sie wollen. Ich bleibe heute
Abend wach
und lasse Sie dann ein. Ich schreibe Ihnen etwas auf, damit Sie Ihrem
Taxifahrer Bescheid geben können, wo er Sie hinfahren soll."
Er hat sofort gerafft, dass Frank sich nicht mit dem eigenen
Wagen ins
Festgetümmel stürzen und dann in tiefster Nacht
zurückrattern will.
|
Frank vertraut sich
erstmals einem Sri Wiela an, der ihn für 800 Rp
wieder
zu Tal und nach Kandy spediert, knapp zehn Kilometer beträgt
die
Entfernung. In Kandy scheint was los zu sein; als die spotzende
Blechbüchse nicht mehr weiter kam und sich im Stau
festzufressen
drohte, ließ Frank den Jüngling
zurückfahren und
versuchte, zu Fuß irgendwo hinzugelangen.
Du musst wissen, dass Kandy nur 116 km von Colombo entfernt liegt.
Ohnehin versucht jeder, der in Colombo einen rollenden Untersatz zu
bewegen imstande ist, alle greifbaren Ausländer zu einer Tour
nach
Kandy zu
überreden. Selbst Besucher, die für ganz Sri
Lanka nur
sechs Tage opfern wollen, verzichten auf keinen Fall auf den
obligatorischen
Ausflug nach Kandy, denn die Stadt und der Tempel mit der
Buddha-Reliquie sind von Colombo aus das nächstliegende
Weltkulturerbe. Jetzt stell dir mal vor, wie es in der Stadt aussieht,
wenn das größte Fest des ganzen
Jahres gefeiert
wird. Ganz Sri Lanka scheint hier versammelt zu sein, mindestens, und
alle Touristen aus einem Umkreis von 2000 km auch. Sogar zu
Fuß
kommst
du dir vor wie in Mekka während der Hadj an der Kaaba, wo sich
die Islam-Pilger gegenseitig tottrampeln. Längst ist die ganze
Innenstadt für die Prozession präpariert, alle
Gehsteige der
Straßen, durch die der Umzug führt, sind mit
Sperrgittern
versehen, die man nur noch in dringenden Fällen und bald
darauf
gar nicht mehr durch-, über- oder unterqueren darf.
Im Gedränge wird man häufig angesprochen.
"Vom Balkon
über meinem Laden aus kann man alles perfekt sehen, 40 $ pro
Person für einen Sitzplatz", ist der Standard. Kurz vor Beginn
der
Perahera sinkt der Kurs für noch unverkaufte
Aussichtsplätze
auf 25 $, aber Frank will erst mal was essen. Nur --- alle Restaurants
sind zu, verrammelt vor den anbrandenden Menschenmassen. Frank sucht und
sucht, kann sich aber nur im Schneckentempo eine Bahn durch
die
schwitzende Leiberwurst schlagen, so lange, bis Ka frustriert das
einheimische Hotel in einer vom Trubel weit entfernten
Seitenstraße akzeptiert, in das sie sich sonst um keinen
Preis
hineinziehen ließe.
Ach so, da muss ich dir noch sagen, dass
in
Sri Lanka Örtlichkeiten, die offenkundig nicht für
Touristen gedacht
sind und "Hotel" oder "Café" angeschrieben haben, lokale
Speisegaststätten sind. Jedenfalls
bekommt Frank sein Curry, sogar ausnahmsweise
mit Besteck, auf
schiefen Tischen mit einer verschrappten Plastikdecke drauf; flotte
Bedienung, reichliche Portionen, billig und schmeckt wie
anderswo auch. Am Nebentisch hocken zwei Bonzen und spielen auf ihren
Smartphones irgendwelche games, anstatt fromm der Prozession
beizuwohnen, und als Franks Abendmahl zu Ende und es
halb acht und
stockfinster ist, scheint draußen endlich auch die Perahera
angefangen zu haben.
|
Ein
Raunen geht durch die Menschenmenge. Frank vermeint "de Zoch
kütt!"
zu hören, aber das war sicher doch etwas Singhalesisches, was
da
gerufen
wurde, und über die Leiber- und Köpfemauer hinweg
kann er
in weiter Ferne, vom Ausgang des Tempels kommend, Fackeln und
Tänzer ausmachen. Ka nicht, Japanerinnen sind
dafür zu
klein.
So geht das nicht, ein Trick muss her, aber wie? Andere
Leute kommen auf ähnliche Ideen und haben wie die
Blattläuse jeden
noch so verborgenen Laternenpfahl, von dem aus ein halbwegs lohnender
Blick möglich ist, ausfindig gemacht und besetzt. Keine
Chance. Jetzt sind Balkonplätze nicht mehr im
Angebot oder unerreichbar, denn die
Stadt ist abgeriegelt, die Straßen gesperrt, der Verkehr
verbannt
und die Fußgänger entlang der
Umzugsstraßen komplett
unter Kontrolle. Weil Frank so spät dran ist, steckt er nicht
eingeklemmt im Mulk, sondern kann sich regen, aber nur in
finsteren Seitengassen und hinter den Rücken der
Zuschauermauern.
Irgendwie gelangen Frank & Ka, immer da entlang latschend, wo es halbwegs
leer aussieht, auf die Rückseite des großen Tempels,
der mit
Girlanden von Glühbirnchen illuminiert ist wie der
Nürnberger
Weihnachtsmarkt. Zwei kostümierte Jünglinge mit
bloßem
Oberkörper, über den sie Handtrommeln
gehängt haben,
schlurfen vorbei. Frank sofort hinterher, denn wo
die hingehen,
gibt
es sicher noch mehr von der Sorte.
Es ist nicht weit. Hier, in einer Ecke hinter dem Tempel, versammeln
sich die Bandas, üben auf einer fast leeren, aber gut
beleuchteten Straße, die sich zu einem kleinen Platz
verbreitert, ihre Tänze und formieren sich dann, um
durch den Hintereingang in den Tempel und von da aus zur Perahera zu
gelangen.
|
Das ist's, was Frank sucht. Der Umzug,
schön und gut. Aber hier
hat er die Leute in ihren Kostümen direkt vor der Nase, sie
lassen
sich bereitwillig fotografieren und wummern probehalber auf ihren
Holzbottichen, und dann kommt ein Mensch mit einem langen Rohr herzu,
an dessen Spitze ein ölgetränktes Tuch als Fackel
hell
lodert,
und die Truppe formiert sich. Die Generalprobe genügt Frank, genau
wie in der Oper. Bei der Aufführung ist man
eingeklemmt
zwischen
einem verschnupft hüstelnden weißhaarigen Herrn und
einer
durchdringend nach Chanel No5 riechenden, über ihre Armlehne
noch
hinausquellenden, üppigen Walküre, während
du dich bei
der
Generalprobe in deinen Sitz fläzen und nach Belieben auch mal
lauthals
zu voller Orchesterbegleitung mitsingen kannst, ohne dass es
irgendjemanden stören würde.
Auch Ka ist zufrieden, hat aber was Interessanteres gefunden
als
die Trommler mit ihren Arm- und Ohrringen. An der Tempelmauer, schwach
beleuchtet von der
Fest-Illumination, zertrampeln nämlich zahlreiche Elefanten
den Rasen und schmatzen
hörbar frisches Grün. Sie kommen auch bald dran und
nehmen am
Umzug teil. Wie Sena hinterher erzählte, wissen die
Jumbos
mit ihrem guten Gedächtnis, was heute auf sie zukommt, ein
Festmahl mit anschließend nächtlichem Spaziergang.
Sie
mögen das sehr, den Trubel die ganze Nacht hindurch, das ist
ja viel
besser
als angekettet in einem Verschlag zu stehen. Und wenn die Nacht zu Ende
ist und sie wieder (per Lastwagen) in ihre Heimatprovinzen verfrachtet
werden, sind sie alle deprimiert und traurig, denn sie wissen, dass es
leider ziemlich lange dauert, bis das
erfreuliche Ereignis wiederkehrt.
|
Während
sich der Vollmond über das Tempeldach schiebt, wird ein
Elefant
nach dem andern hergerichtet für seinen Auftritt. Die Tiere
kennen
das und lassen alles geduldig über sich ergehen. Sie bekommen
brokatene Decken übergezogen, die sogar Ohren und
Rüssel
bedecken, dann einen Baldachin auf den Buckel für ihren
Chauffeur,
eine Batterie unter den Bauch für die Schnüre mit
Leuchtdioden,
die einen grauen Elefanten glatt in einen lebenden Christbaum
verwandeln, nur dass es derzeit nicht schneit, sondern noch immer um
die 28 Grad sind.
Frank will dich nicht
langweilen mit der Beschreibung der Akrobaten,
Musiktruppen, Abordnungen der hinduistischen Tamilen,
Tänzerinnen,
Stelzengänger, Pfauenkostüme, Fahnenschwenker und
Feuerrad-Artisten, aber so eine
lankesische Perahera ist mehr Carnaval als Fronleichnam, das steht
fest.
Gegen halb elf fühlten sich Franks Beine an wie nach drei
Stunden
Museumsbesuch, außerdem dachte er an Sena, der in seinem
Domizil wacht und wartet. Auch Ka hatte genug Perahera
gesehen, weshalb sie sich allmählich fort von ihrer
Stellung bewegten,
in Richtung Stadtrand. Weil die gesamte
Innenstadt abgeriegelt ist, muss man zwangsläufig zu
Fuß
irgendwo raus, um sich ein Taxi oder Threewheeler zu schnappen. Aber
wohin man sich wendet, immer endet der Weg an irgendeiner
Straße,
die
von einer Menschenmauer gesäumt ist, weil sich hier der
frommfröhliche Tatzelwurm bald hindurchwindet. Alles voller
Polizisten, die für Sicherheit sorgen und keinen nirgendwo
nicht durchlassen, schließlich könnte man mit einem
der
aufgepeppten Dickhäuter kollidieren.
|
Also
kehrt, in eine andere Richtung. Frank und Ka traben fast 40 Minuten durch
die
nächtliche, aufgepuschte Stadt, bis sie in der Richtung, die
der
Umzug erst ganz zum Schluss erreichen wird, einen der
Ordnungshüter
überreden können, sie mal schnell auf die andere
Straßenseite zu lassen, denn von da aus sieht man am
Berghang, jenseits eines Bahnübergangs, Lichter fahrender
Autos.
Da oben ist die gesamte Straße gesäumt von Dreirad-Motorrikshas;
die
Fahrer stehen in Gruppen beisammen und klönen. Sie warten auf
das
Ende der Prozession, wenn die ineinander verschlungenen Millionen alle
möglichst bald und schnell irgendwohin nach Hause gebracht
werden
wollen. Frank belabert den ersten besten,
einen älteren Herrn, bis 5 km hinter das
Unigelände zu fahren, den Weg kennt er
ja.
Aber nur am Tag. Bei Nacht sieht das alles anders aus, dunkler zumal.
Nach zwei km hinter dem Campus beginnt der Driver, misstrauisch zu
werden, und fragt wiederholt, ob Frank sicher sei, sein Ziel zu
kennen.
Klar doch, er hat sich den Meilenstein gemerkt, 5 km sind es hinter der
Uni, und es sind erst zweie gefahren.
Ein km weiter ist es stockfinster, kaum noch Verkehr, nur dunkler Tann.
"Wirklich hier?", fragt der Chauffeur. Und dann alle 200 m erneut.
"Sind wir jetzt nah?", oder "kommt Ihnen das bekannt vor?"
Fahren soll er, es sind noch knapp 2 km. Schließlich hält er an. "Ich glaube, wir sind falsch hier. Hier gibt es doch keine Hotels." "Fahr zu, Mann, ich kenn das doch, wir kommen ja von hier."
Nichts zu machen, der Fahrer streikt. Er glaubt, der bleiche Frank würde ihn
in
die Wildnis führen und ihm dann sagen, sorry, wir
müssen
leider zurück, das Ziel liegt in der Gegenrichtung. Da kannst
du
nichts machen. Frank gibt ihm die Handynummer von
Sena, und der
Tuktukator ruft an.
Danach macht er schweigend seinen Knattermann an und fährt
weiter.
Er kann es offenbar nicht verwinden, dass Frank Recht hatte. Nach gut
einem Kilometer kommt die Abzweigung, jetzt geht es den Berg hoch. Da
findet er seine Sprache wieder.
"Hier rauf? Mit dem Threewheeler? Das kostet aber einen Zuschlag!" "Ich bin von hier aus für 800 Rp in die Stadt gefahren worden, mehr kann ich nicht offerieren, das ist der übliche Preis."
"Ich ruiniere mir hier mein teures Fahrzeug. Sie wissen ja nicht, wie
kostspielig die Instandhaltung ist!", jammert er. Frank hört es sich
amüsiert an, denn während des Lamentos fährt
er immerhin brav den
steilen Berg rauf. An einer Ecke steht jemand mit einer Laterne. Sena
erwartet uns schon, klopft dem Driver auf die Schultern, gut gemacht! Frank gibt ihm 1000 Rp, aber er
zetert, die Mühe sei mindestens
1200 wert, aber 800 waren ausgemacht, mehr als 1000 kann er
nicht im Nachhinein verlangen. Außerdem verdient er heute
Nacht
in Kandy sicher noch viel mehr.
Brümmelnd wendet er sein spotzendes Dreirad und fährt
in einer Staubwolke wieder zu Tal.
Sena strahlt, seine Gäste wiederzuhaben. Im Fernseher in der
guten Stube
läuft eine live-Übertragung der Perahera, Frank
kann sich
noch alles ansehen, was ihm entgangen ist, bis Ka die Augen
zufallen.
|
Jetzt
schau dir mal an, was es in Sri Lanka zum Frühstück
gibt.
Chicken Curry mit Reis nennt sich das. Bohnengemüse,
Hühnercurry, Reis, Salat, Chutney und Dhal, ein Linseneintopf,
der Frank als erbittertem
Gegner deutscher Linsensuppen
nur schwer über die Zunge geht und auf dem schönen
Foto auch
nicht mit drauf ist. Das Chicken ist gut
gewürzt, schmeckt jedoch überhaupt nicht nach
Curry. Jede Berliner
Currywurscht
hat mehr Currypulver dran als die fein mit Cardamom, Turmeric und
Koriander gewürzten Gerichte in Sri Lanka. Und
rat mal, wer das
lukullische Essen kocht im Ceycrest Guesthouse. --- Sena
persönlich, der
Manager. Er hat noch einen sehr dunkelhäutigen, fast schwarzen
Assistenten, Philipp, einen Tamilen christlichen Glaubens, der aber
kaum Englisch spricht und auch nicht sonderlich helle ist, aber
geduldig alles tut, was man ihm sagt.
|
![]() |
Frage:
Was
für ein Gewürz ist Curry, gibt es eine Currypflanze? Lakshmi:
Currypflanze?
"Kari", in der englischen Schreibweise "Curry", ist unser Wort für "warme
Mahlzeit". Es gibt viele Curries.
Fisch-Curry,
Tomaten-Curry, Lamm-Curry, Eier-Curry,
Linsen-Curry, und jedes Curry ist anders
gewürzt. Was du in deiner Heimat als Curry powder kaufen
kannst,
ist eine Gewürzmischung, die vor allem Kurkuma (auch Turmeric,
Gelbwurz), von dem sie ihre gelbe Farbe
bekommt, Kardamom, Koriander,
Pfeffer, Nelken, Zimt und einiges mehr enthält. Die
Würze wird bei
uns
aber in jedem Haushalt, in jedem Restaurant und für
jedes Gericht unterschiedlich angemischt. Du hast sicher
gesehen,
dass
Eier-Curry eine hellgrüne Sauce hat, während Lamm-
oder
Rinder-Curry eine dunkle, beinahe trockene Würze aufweist. Nur
Curries,
die auch Chili enthalten, sind scharf. Jedes Curry schmeckt vollkommen
anders, und Currypflanzen wirst du in ganz Südasien vergeblich
suchen.
|
Sena hingegen ist ein
Arbeitstier,
das alles selber macht. Er kocht, putzt, wäscht, bezieht die
Betten, repariert Dach und Zaun, gärtnert, zieht sich sein
Gemüse und managt das Haus
fast
im Alleingang.
"Ich arbeite gern, wirklich. Und noch lieber helfe ich anderen Leuten.
Wenn ich Urlaub habe und bei meiner Familie bin, mache ich alle
Arbeiten in Haus und Garten, die meine Frau nicht schafft, und wenn wir
ihre Eltern besuchen, repariere ich auch da gleich die Regenrinne und
die
Haustür. Ich mache alles, das macht mir Spaß."
Sena kann außer Singhalesisch und Englisch auch Hindi und
Tamilisch; sogar ein paar Sätze Arabisch, denn er hat eine
Zeitlang als Krankenpfleger in Saudi-Arabien gearbeitet. Er
ist
ein ganz lieber, sympathischer Kerl, der den Gästen zu jeder
Tages- und
Nachtzeit mit Freuden einen Tee hinstellt, mit irgendwelchen
leckeren, meist selbstgemachten Snacks dazu.
"Alles gratis, esst nur alles auf, ich berechne das doch nicht!"Frank zögert
nicht deshalb, weil er sich vorm Bezahlen
fürchtet,
sondern weil er sich gemästet fühlt. Senas
Frühstück und Abendessen reicht für drei bis
vier
Personen, und dann noch Nussgebäck oder Kokosmehlkuchen, wo
soll
das nur enden?
|
Alle sitzen zusammen auf der
Terrasse, der Blick schweift über Berg
und
Tal, und unten fließt der Rhein, der hier aber Mahaweli
heißt. Aus ganz weiter Ferne hört man
abends aus der
Ferne den Muezzin wimmern, leichter Rauchgeruch weht aus dem Tal, wo
die Anwohner ihr Laub und organische Abfälle verbrennen.
"Ich habe gerne Gäste. Alle haben was Nettes zu
erzählen, ich
interessiere mich für alles. Wenn ihr wieder wegfahrt, bin ich
drei Tage lang ganz allein hier, schrecklich einsam. Philipp
kommt nämlich nur, wenn Gäste hier sind. Erst
nächste Woche kommen
wieder drei Amerikaner."
Senas einziger Kummer ist, dass seine Frau, eine Englischlehrerin, mit
seiner kleinen Tochter in der Heimat Badulla wohnt, das ist sehr weit
weg, er kann seine Familie nicht oft sehen. Aber er vertraut
auf den Beistand des Buddha, dessen Hausaltar immer mit frischen
Gartenblumen geziert ist. Morgens und abends kniet Sena eine
Viertelstunde vor dem Altar und betet oder meditiert. Wenn er daraus
seine Kraft und Fröhlichkeit und Hilfsbereitschaft
schöpft, denkt Frank auch bald daran zu
meditieren.
Er will aber nicht den ganzen Tag lang nur klönen und
macht
deshalb sein eigenes Taxi startklar. Es gibt auch im Umland viel zu
entdecken.
"Nehmt Regensachen mit", sagt Sena, "am Tag nach der Perahera regnet es
immer."
Es sind nur ein paar Wölkchen am Himmel, der genauso aussieht
wie
jeden Tag, und mittags wird es sicher heiß. Nach Regen
sieht das
nicht aus. Frank behält seine
Zweifel aber für sich.
In der Umgebung von Kandy gibt es allerlei Sehenswürdigkeiten
abzuklappern, so richtig geeignet für einen Tagesausflug, denn
in
der Stadt selbst dürfte, direkt nach dem Fest, mit
Aufräumen
und Abbauen, Auschecken und Heimreisen der Besucher ein
beträchtliches Chaos herrschen.
|
Nach einem großen Bogen um Kandy rauscht Frank durch
linde,
hügelige Berglandschaft, durch Dörfer, die Obst oder
Reis
anbauen, eine wahre friedlich-ländliche Idylle. Bis zum Ort
Embekka ist alles gut ausgeschildert, und auch den kleinen, aber alten
Devala-Tempel aus dem 14.Jh findet er gleich. Ein paar
wenige einheimische Besucher tummeln sich
auf dem Gelände, ein Bonze hockt am Eingang und kassiert eine
kleine Spende, die er mit einer eintrittskartenartigen Bescheinigung
quittiert. Die lankesischen Bonzen sind genauso einnahmefreudig wie
ihre japanischen Kollegen.
Die Attraktion des bescheidenen
ländlichen Tempels ist
die offene Vorhalle, die nämlich ausnahmsweise auf
hölzernen
Säulen ruht. Und die stammen aus grauer Vorzeit und sind
angeblich aus
einem alten Königspalast zur Tempelzier recycelt worden und
mit sehr
hübschen antiken Schnitzereien verziert.
Der nächste ländliche Tempel aus der gleichen Zeit
ist über schmale,
löcherige Nebenstraßen und Feldwege zu erreichen;
den Weg
wies dem ratlosen Frank der ergraute und zerfurchte
Besitzer eines Kiosks, indem er
sein Smartphone aus dem Kittel zupfte und ihm per Navi den Weg auf dem
Screen zeigte.
Unterwegs werden die Wolken immer dichter, eine schwüle Hitze
brütet über den palmgesäumten Feldern. Trotz
Navi zwei,
dreimal verfahren, aber dann kommt Frank an, im
feuchtheißen
Grün ein einsamer Parkplatz, von dem aus steile Stufen, in
einen
gewaltigen Felsen gehauen, nach oben führen.
|
Und
kaum ist Frank oben, pladdert es los, es bleibt nicht mal
Zeit, die
obligatorische Spendenquittung zu erwerben. Er sprintet flugs
unter das nächste Dach, wo wacklige Tische und von
Wind und
Wetter gezeichnete antike Stühle zum Empfang bereit
stehen.
Einige einheimische Besucher finden hier ebenfalls Obdach, und der Herr
der Designer-Möbel stellt die krakeelenden Kinder mit Cola und
Eis
aus der Kühlbox ruhig, denn es scheint sich nicht um ein
Antiquariat, sondern um eine Art
Erfrischungsbude zu handeln. Frank darf sitzen bleiben, obwohl
er
nur sein eigenes, steriles Wasser nuckelt, aber Eis ist in
manchen Regionen der Welt recht bakterienanfällig und kann
Fremde
mit affenbissgeschwächtem Immunsystem leicht down knocken.
Der Wind weht die
Regenfäden auch unter das seitlich offene
Dach, aber es ist eine willkommene Abkühlung. "Wie hat Sena nur voraussagen können, dass es heute regnet?", fragt Ka verwundert. "Der wird im Fernsehen den Wetterbericht gesehen haben." Aber insgeheim fand Frank es doch ziemlich cool, die Prophezeihung des Regens am Tag nach der Perahera.
Die Spezialität des frisch geweißten
Lankatilaka-Tempels
ist, dass er zwei Eingänge hat. Wer von der einen Seite her
den
Bau betritt, begegnet einem gewaltigen Sitzbuddha, der gülden
vor
sich hinstarrt, und wer von der anderen Seite eintritt,
gelangt in
einen hinduistischen Tempel, aus dessen Nischen Brahma,
Vishnu und Ganesha den kamerabehängten Visitor
beglotzen.
|
Nach
dem Ende der zwanzigminütigen Regenpause konnte Frank den
abziehenden schwarzen Wolken hinterdreinschauen und sich im
Tempel
selbst davon überzeugen, dass sich die unterschiedlichen
Himmlischen in der Tat besser vertragen als ihre Anhänger auf
Erden. Stell dir mal vor, was für einen Rabatz es
gäbe, wenn
der hintere Teil der Al Aqsa Moschee in Jerusalem in eine Synagoge,
die Sixtinische Kapelle neben dem Petersdom zur Hälfte in eine
Moschee, oder die
Ayasofya in İstanbul wieder halb zur orthodoxen Kirche Hagia
Sophia
umgewidmet
würde. Wir sind hier also ganz nebenbei Zeugen eines Wunders
gewesen, das sich anderswo auf Erden schwerlich so zutragen
dürfte, denn in der gesamten Galaxis existiert nichts
Intoleranteres und Kriegerischeres als Religionen. Der
Spaß
am religiösen Multikulti endete aber, als man danach
trachtete, Frank
auch noch am Hintereingang eine Spende abzuknöpfen. Also,
soooo
viel ist ihm diese Art von Wundern nun doch nicht wert. Der
Wächter
hatte ein Einsehen. Vielleicht verdankte Frank seine Nachsicht aber auch
der Tatsache, dass just vor dem hinduistischen Eingang ein Kleinbus
voller Blondlinge hielt, bei deren Dollars der Spendenkassierer eilig der buddhistischen
Konkurrenz zuvorkommen wollte.
Jetzt will ich dir aber auch
das Brahmabuddha-Paar des Lankatilaka
einträchtig nebeneinander präsentieren, damit du
dem Frank
das
glaubst.
|
Frank besuchte noch mehr Tempelchen an dem Tag und traf auch noch auf zwei
weitere kurze, aber heftige Regenschauer. Am späten Nachmittag
versuchte er wagemutig, nach Kandy reinzufahren, war am
Ende
aber nach
über einer Stunde Eingeklemmtseins im nahezu reglosen Stau
froh,
nach einer genialen Wende ohne neue Schrammen wieder rauszukommen.
Lieber sieht er von der Terrasse in seinem überaus gastlichen Logis über
Berg
und Tal dem Sonnenuntergang zu und guckt sich nach Senas
selbstgepresstem Fruchtsaft und unglaublich
reichem und vorzüglichem Abendessen eine Stunde lang einen
Bollywood-Film im TV an, auf Hindi, mit singhalesischen Untertiteln,
und trotzdem erstaunlich interessant und mit peppiger Musik.
"Es hat tatsächlich geregnet heute", entfährt es Ka,
während Sena das Essen serviert.
"Ja, ich wusste es doch. Nach der Perahera regnet es immer. Der Buddha
ist so erfreut über das Fest zu seinen Ehren, dass er am Tag
danach Wasser schickt, um die Stadt wieder zu reinigen."
Sena sagt das mit großem Ernst, sein Glaube ist
unerschütterlich. Seine Gastfreundschaft auch. Er hat den
Beutel
mit den schmutzigen Klamotten in unserem Zimmer gefunden, alles in die
Waschmaschine gestopft und es getrocknet und gebügelt auf
unser
Bett gelegt. Zuweilen geschehen auch auf Erden wahrhaftig noch Zeichen
und Wunder.
|
Du
wirst es kaum glauben, aber Frank lenkt sein ächzendes
Fahrzeug
erneut durch die Kaftan-Vororte von Kandy in Richtung Matale. Noch
immer meidet er Kandy, wer weiß, wie lange es dauert, bis
sich
der ewige Stau auflöst und die Überreste
des
großen Festumzugs beseitigt sind. Matale, die Stadt mit der
charmanten Infrastruktur der zerborstenen Hausfronten entlang der
Hauptstraße, hat noch eine Kehrseite, die Frank bisher
nicht
kennen gelernt hat. Parallel zur kriegsähnlich zerfledderten
Magistrale in Südrichtung verläuft noch eine
Straße,
durch welche der Verkehr in der Nordrichtung kanalisiert wird, und die
ist offenbar vor geraumer Zeit schon verbreitert worden. Alle
Gebäude funkelnagelneu und modern, die Straße breit
und
hell, und wenn die erste Begegnung mit Matale an Aleppo
erinnerte, so erinnert die zweite eher an Dubai. Na ja, nicht ganz.
Was ihn hierher führte, war weniger Kas dringender Wunsch nach
einem
Postamt, weil sie per Postkarten ein Lebenszeichen an die bange
Verwandtschaft spedieren wollte, als vielmehr, wie könnte es
anders sein, ein bedeutendes buddhistisches Heiligtum, das sich am
Stadtrand an den Hang des weiten Tales schmiegt.
|
Keine
Ahnung, warum Felsen
auf den
lankesischen Buddhismus so eine
starke Anziehungskraft ausüben, aber wo immer Einstein, äh, ein Stein aus
dem
Erdreich ragt, vom Himmel oder einer nahen Bergkuppe herabgefallen ist,
wird er vertempelt und buddhifiziert. Und wenn sich dann noch zwischen
dem Gestein ein Bodhibaum findet, ist ein neuer Wallfahrtsort geboren.
Frank & Ka sind beileibe nicht die einzigen, die barfuß die
Treppen
hinaufschwitzen, aber sie sind die einzigen
Ausländer,
die hier eine Spende von 250 Rp hinterlassen.
Das ist
erstaunlich
wenig für diese weite Anlage, wenn man bedenkt, dass Fremden
anderswo in wesentlich mickrigeren Heiligtümern glatt das
Dreifache
abgeknöpft wird, ohne mit der Bonzenwimper zu zucken.
Für diesen
Spottpreis darf man die
gerühmten Deckengemälde
bewundern; sie stellen die Hölle dar, wie ein
schlichter
Buddhist sie sich vorstellt, und Frank kann bestätigen, dass die
Unterschiede zur christlichen Hölle nur gering sind. Er kann sich
dabei allerdings nicht auf persönliche Erfahrungen berufen,
sondern auf einen gewissen Herrn Alighieri, der als Tourist einmal
dagewesen ist. Im Übrigen sind die an der Wand dargestellten
Folterpraktiken längst von der Realität
überholt, die Fantasie der Künstler reichte offenbar
bei
Weitem nicht aus, um all das darzustellen, was Menschen einander
anzutun imstande sind. Dagegen wirken die putzigen Teufelchen mit ihrer
Punkfrisur und dem Vampirgebiss reichlich
amateurhaft, noch nicht mal eine praktische Kettensäge haben
sie
zum Zerlegen der Sünder, sondern rackern sich per Hand ab.
Auch das übliche
Trio von Buddhas in allen Lagen war
hier zu finden, aber jetzt pass auf. In der Ferne ist nämlich
am
Berghang ein güldener Sitzbuddha zu erkennen, der auf einem
anderen Einstein, schon wieder, hockt und den Verkehr im Tal
beobachtet, und weil
Ka am Morgen über Bewegungsmangel geklagt hatte, da sie
immerzu im eigenen PKW auf Wanderschaft ist, schlägt Frank vor, den
Goldi mal zu besuchen. Im Tempelgarten steht ein Schild mit einem Pfeil
in Richtung Berghang: "to Holy Buddha statue 1 km".
|
Ein Kilometer, Wankill Mieter, 15
Minuten zu Fuß, sagt Ka und nickt. Das
liegt innerhalb ihres Toleranzbereichs. Frank sollte dazu sagen, dass
dieser Wegweiser der einzige mit englischer Beschriftung ist,
während es an dem Berghang, in dessen unterem Bereich noch
viele
Wohnhäuser standen, von Fußwegen und Abzweigungen
nur so
wimmelt. Etliche Fehlversuche enden vor bellenden Hunden und
wäschetrocknenden Matronen; die Rüden weisen die Besucher ab,
die Matronen versuchen, ihnen per internationaler
Gebärdensprache
den Weg zum Heil zu weisen. Wo Frank hinwollte, brauchte er keiner zu
sagen, das war sonnenklar. Irgendwann fand er heraus, dass bestimmte
Sinhala-Kringel auf Schildern, die er für Werbetafeln
hielt, offenbar auf das hinwiesen, was er suchte, den Buddha
on the rocks. Er kam auch hin, aber das war gut anderthalb Stunden
später, denn der Weg ist steil und beschwerlich.
Hinter dem Buddha
entspringt ein kühler Quell, der jedem Pilger sehr
willkommen ist, und den Makaken auch, die darauf warten, dass Frank
jetzt hier ein Picknick veranstaltet. Den Gefallen tut er ihnen
nicht, aber die Schulklasse mit Lehrerin, die auf Schulausflug genau
zu Füßen des Buddhas ihre Curries auspacken.
Wuppdich, da
war Frank die Äffchen los. Es dauert nicht lang, da kommen
drei
Schüler aus der Klasse auf Frank und Ka zu und bieten ihnen ihre noch
ungeöffneten Lunchpakete an. Ist das nun der Einfluss des auf die Sünder
herabäugenden barmherzigen Buddhas, dass sich die lankesische
Schuljugend für das Wohlergeben fremder Oldtimer
verantwortlich
fühlt, oder hat ihnen das die Lehrerin gesagt? Frank
findet
es furchtbar lieb, aber weil er von Sena morgens mit Pfannkuchen und
Curry und Obst genudelt worden war, kriegt er selbst bei gutem
Willen bis zum Abendmahl nichts mehr runter. Ganz herzlichen Dank, ihr
Jungs.
Wenn Frank daran denkt, wie manche Fremde, die auf Barmherzigkeit ihrer Mitmenschen angewiesen sind, in Deutschland behandelt werden, schämt er sich zutiefst vor all den vielen unbekannten Menschen, die ihn hier in fernen Landen mit Wohltaten überhäufen. |
Runter ging es schneller, nachdem Frank an dem Quell die letzten
Schweißperlen durch Süßwasser ersetzt
hatte. Vor
allem Ka hat einen Affenzahn drauf, denn sie sehnt sich nach dem
Aircon ihrer Blechkutsche, in der freilich auf dem schattenlosen
Parkplatz das Benzin im Tank beinahe kochte.
Die Fahrt führt noch eine Weile durch sehr schöne Landschaft auf
der
Suche nach einem weiteren Tempel, der sich aber nicht zeigen will. Stattdessen fand sich ein Tuktuk, das aus unerfindlichen
Gründen
mit allen drei Rädern nach oben in einem Wasserreisfeld lag;
Driver
und
drei Fahrgäste standen drum herum und sahen belämmert
dabei zu, wie das Ding baden
ging. Das Erstaunliche daran ist, dass es erst der zweite Unfall war,
den Frank zu Gesicht bekamen; bei der extrem abenteuerlichen lankesischen
Fahrweise würde es in Deutschland alle zwei
Minuten scheppern. Hier ist das mehr ein Sport, und falls du
dich
nicht in den Straßengraben verdrückst, wenn im
Gegenverkehr
zwei Amok fahrenden Busse ein Wettrennen veranstalten, rammen sie dich
eben, im Bewusstsein ihrer überlegenen Masse, voll aus dem
Weg. Frank fährt extrem defensiv und lässt alle Kavalkaden, die noch kurz
vor der unübersichtlichen Kurve unbedingt überholen
wollen,
vorbei. Frag deinen Psychologen, warum am Steuer bei diesem Machosport
der längst ausgestorben geglaubte Neandertaler noch aus uns
herauslugt.
|
So, irgendwann muss man aber doch noch nach Kandy, denn das
zu
bestaunende Weltkulturerbe ist nicht die Perahera, sondern der Tempel
mit Namen Sri Dalada Maligawa, in dem ein Zahn des Buddhas verwahrt
wird. Wie der es nach Kandy schaffte, das ist wieder eine andere
Geschichte. Wahrscheinlich ist ein antiker Zahnarzt bestochen
worden. Dem Frank ist
jedenfalls kein Buddha mit Zahnlücke
aufgefallen bisher. Ein antiker Palästinenser soll
einmal gesagt haben, dass dem Glauben nichts unmöglich sei. Dem gibt es
nichts hinzuzufügen.
|
Rund um den Zahntempel
zeugen immer noch Berge von Müll von
dem
verflossenen Fest. Überall werden Tribünen abgebaut
und
Stände zerlegt, nur diejenigen mit den Opfergaben und
Blumenarrangements sind noch aktiv und werden wohl nie geschlossen,
denn ob Feste oder Lose, hier ist immer ein Pilgergedränge.
Die Spende, die Frank an
der Kasse für ausländische
Besucher
entrichtet, wird in ein notizbücheldickes Ticket umgewechselt.
Ein
Postkarten-Set?
Mann, Frank, du lebst wohl hinterm Mond? Da ist eine DVD drin mit dem Titel "Welcome To The Sacred Temple Of The Tooth Relic", die dir nach einer Werbung des Board Of Tourism alles über Kandy, Tempel und heilige Zähne erzählt, wahlweise in nahezu allen Sprachen des Globus. Wozu brauchen wir da noch Guides? Ka&Frank sind zur rechten Stunde gekommen, denn dreimal täglich wird der heilige Gral enthüllt, in dem angeblich der Zahn vor sich hinmodert. Schon ist der Tempel rammelvoll, aber man wird von einem schwachen Sog ins Obergeschoss gezogen, in dem kaum noch ein Flecken unbesetzt ist. Der Sog, so stellt sich heraus, entsteht durch die Frommen, die vor dem Zahnschrein Blumen ablegen wollen. Die lange Tafel ist beinahe meterhoch von Blumen überhäuft, denn der Spenderstrom reißt wohl nur nachts ab, und hinter der Tafel stehen fünf oder sechs Leute mit Harken, die kaum mitkommen, die vor wenigen Minuten erst abgelegten Blüten in gigantische Müllsäcke zu schaufeln. Aus der Halle im Erdgeschoss ertönt ein Laut, als ob Dudelsackpfeifer da ans Werk gingen, es ist die Ouvertüre zur Enthüllung von Sankt Backenzahn, auf kurzen Flöten von zwei Burschen in Festtracht geblasen. |
Keine
Angst, die Dentisten, nein, die Flötisten blasen auch in einer Stunde noch, wenn der Zahn wieder im
Kiefer steckt. Frank bleibt erst mal oben, wo soeben eine Schar
von
Bonzen aus einem Nebengemach ins Allerheiligste schreitet. Eine kurze
Zeit später geht ein entzücktes Raunen und
ergriffenes
Seufzen aus tausend Kehlen durch die Halle, denn der Tabernakel wird
geöffnet. Nein, da siehst du keinen Zahn wie beim Flötisten, nein, ich meine natürlich Dentisten,
sondern eine goldene Minidagoba, und da drinnen ruht, vielleicht, des
Buddhas Weisheitszahn, vielleicht aber auch nur ein kariöser
Affenzahn. Oder ein Nichts, das die zahnmedizinische Spiritualität symbolisiert.
Mache Leute sinken auf die Knie, wo der
verfügbare Platz es zulässt, andere trippeln mit
gefalteten
Händen in einen schmalen Gang, der rund um die Reliquie
herumführt. Auch Ka, die aus Unachtsamkeit zu nahe am
Gral
stand, wird mit durch den Gang gequirlt. Die Frau hinter ihr, die
vermutlich schon seit 6 Uhr früh anstand, hatte Ka
angefaucht,
die sich neugierig zwischen die weiß gekleideten Pilger
drängelte, aber ein Tempeldiener ging gleich dazwischen und
erzählte der Dame irgendetwas, vermutlich, dass wir
für unsere
Eintrittsbillets, pardon, Spendenquittungen, mindestens das 7fache
berappen, woraufhin die Pilgerin ein
liebenswürdiges Lächeln aufsetzte und Ka mit in
die
heilige Runde schob. Danach geht es wieder die knarzende Holztreppe
hinunter ins Erdgeschoss, wo die Jungs noch immer ihre
Dudelsacktöne pfeifen.
|
Hier ist wirklich, neben
Anuradhapura, das Zentrum des lankesischen
Buddhismus. Alleine
die Pilger zu sehen, die in allen Ecken und Nischen, vor jedem Buddha
und Bodhisattva hocken oder knien, tief in Gebete versunken, ist schon
den Status eines Weltkulturerbes wert. In einer anderen Kammer
erblickte Frank in einer mit Gittern abgeteilten Ecke die
Elefantenkostüme
der
Perahera aufgeschichtet liegen. Nur zwei Männer sind damit
beschäftigt, sie zusammenzufalten und für das
kommende Jahr
zu verstauen. An der Prozession haben knapp hundert Elefanten
teilgenommen, die
alle ihre riesigen, mehrteiligen Anzüge trugen. Frank
schätzt, dass alleine das Zusammenlegen und
ordnungsgemäße
Verstauen eine gute Woche in Anspruch nehmen dürfte.
Draußen ist auch viel los. Da gibt es Brunnen, um sich die
Füße zu waschen, was man nicht --wie Frank-- NACH,
sondern
VOR dem
Betreten des Heiligtums tun sollte, aber der ist eben ein dummer Agnostiker,
von Buddhas Güte noch kaum gestreift. Und es stehen da Schalen,
mit
Sand gefüllt, in die man Räucherstäbchen
stecken kann,
es duftet nach Sandelholz und Aloe und allen Düften des
Orients mit Ausnahme von Curry.
Nein, Hunger hatte Frank nicht, das war jetzt nur eine Zufalls-Assoziation.
Und dann steht unter dem Bodhibaum noch ein Glashaus, in dem aber nicht
mit Steinen geworfen wird, sondern lange Reihen von
Metallgerüsten
aufgereiht sind, auf die man Fettnäpfchen stellt und per Docht
und
Feuerzeug in ein Lichtlein umfunktioniert. Neugierig steckte Frank seinen
Kopf da
hinein, zog ihn aber gleich wieder zurück nach draußen. Die Sonne, die auf
das Glasdach brennt, und die Ölfunzeln im Innern entwickeln
eine
derartige Hitze, dass man darinnen auch Pizza backen
könnte.
|
Da ist Frank die letzte
Halle doch sympathischer. Kühler
Marmorboden,
weiße Säulen, Halbdunkel, eine Batterie Buddhas
vorne, aber
nur wenige, aber umso frömmere Gläubige. Er lässt sich auch
eine Weile nieder, um über schattige Orte an heißen
Tagen zu
meditieren.
Wieder im Freien,
entdeckt er kurz vor dem
Ausgang eine weite, offene Halle mit einem leichten Dach aus
Holzschindeln. Sie dient trotz ihres offenkundig reichlich
antiken Alters offenbar nur dem Zweck, sich im Schatten niederzulassen
und Pause zu machen, was Frank ausgiebig tut. Da sitzen Familien mit
Muttis, die ihren Babys die Brust geben, Grundschüler, die
pausenlos futtern, Ausländer, die im Guidebook
blättern, Pilger, die vom heiligen Rundgang ins Schnaufen
gekommen sind,
und direkt neben Frank lässt sich eine Gruppe junger
Mädchen
nieder, augenscheinlich Studentinnen, die einander ihre Hausarbeiten oder
Referate vortragen, kommentieren und korrigieren; so ein
heiliger Tempel hat offenbar auch weltliche Funktionen, vom Buddhazahn
zum Affenzahn ist es nur ein kleiner Schritt.
Dass Frank sie heimlich fotografiert, merken die barfüßigen, langhaarigen Mädels nicht, so emsig sind sie in ihre Studien vertieft. |
Sena
ist aufrichtig betrübt, dass der Abschied naht. Er hatte Frank und Ka
als seine persönlichen Gäste mit großer
Herzlichkeit
verwöhnt und wie ein Wachhund auf der Couch im Wohnzimmer
geschlafen, für den Fall, dass sie nachts noch einen Wunsch
hätten. Vielleicht mied er ja auch sein Zimmerchen im
Untergeschoss, weil sich am Vorabend eine Kobra vor seinem Eingang
zusammengeringelt hatte. Auch Philipp, der gestern seinen 42.Geburtstag
begangen hatte,
drückt ihnen mit einem bedauernden Grinsen die Pfoten. Auch Frank
wäre
ehrlich
gesagt gerne noch hier geblieben, das Guest house ist perfekt und die
beiden Gastgeber sind wirklich ausgesprochen liebenswert. Die Welt wäre
mit Sicherheit bedeutend angenehmer und friedlicher, wenn es mehr
Männer wie Sena gäbe. Und dass man Frank
für vier
Nächte, viermal zwei Frühstücke und dreimal
zwei Abendessen insgesamt nur 280 $ berechnete, ist kaum zu
glauben.
Als er den staubigen Feldweg hinunterbollerte, sah er im
Rückspiegel, dass sich Sena tatsächlich die Augen
auswischte.
|
![]() |
![]() |