MIT WILDEM AFFENZAHN....
titel 5

.... versucht jede noch so schrappige Seifenkiste, sich unter Lebensgefahr an Franks Automobil vorbeizuschlängeln, um vier Sekunden eher im Dauerstau an der Kreuzung stecken zu bleiben als er. Frank hat aufgehört, sich darüber zu ärgern. Sollen die Wilden ihren Spaß haben, ihm ist wichtiger, keine weiteren Schrammen einzufangen und heil am Ziel anzukommen, das heute erhöhter Aufmerksamkeit des Drivers bedarf. Er strebt nämlich der höchsten Bergregion des flachen Inselreichs zu. Obwohl die bergige Provinz nicht sonderlich groß ist, liegt der Großteil davon auf der beeindruckenden Höhe von circa 2000 m über dem indischen Ozean. Ka jubiliert. Endlich Sommerfrische, denn da oben sollten die Temperaturen wahrhaftig erträglich sein.
Bis Gampola rollt es sich glatt dahin, danach steigt die Route sanft an, und ab Pussellawa schraubt sie sich richtig in den Himmel. Die Landschaft verändert sich, Eukalyptusbäume statt Palmen, und statt des allgegenwärtigen Buschs wird es lichter, erste Plantagen werden an den Hängen sichtbar.
Was hier angebaut wird? Blumenkohl und Radieschen natürlich, du Dusseltier.

450

Nein, auch kein Hanf oder Klatschmohn. Der wichtigste Exportartikel von Sri Lanka ist der Tee, und der gedeiht am besten in den hohen und höchsten Lagen, genau wie guter Kaffee
. Du brauchst nur eine Tasse unter den Teebeutelbaum zu halten, und schon tröpfelt er dir den Trank hinein. Genial, was?
Du lässt dich nicht ins Bockshorn jagen von diesem vom wilden Affen gebissenen und mit allerlei Spritzen gedopten Frank Eschersheimer? Na, dann muss Tee-Experte Frank wohl doch einen spröden Vortrag halten. Also, pass auf.
Die Teesträucher würden auch in der sumpfigen Ebene nicht eingehen, aber da wachsen sie zu schnell, und die Blätter haben kaum Aroma. Vielleicht gibt's da auch zu viele Blattläuse, weiß der Kuckuck. Das echte Zungenkribbeln, das die Gemeinde der Tee-Aficionados zu Entzückensschreien verleitet, entsteht erst bei langsamem Wachstum und starken Temperaturwechseln, und die kannst du ab 2000 m Höhe am eigenen Leib erspüren, tagsüber warm und abends Heizöfchen und Wärmflasche, wie in Lüdenscheid im Oktober. Aber nur manchmal. Meistens ist in Lüdenscheid nur Heizöfchen und Wärmflasche angesagt, von wegen tagsüber warm. Kann aber noch kommen, es ist ja globale Erwärmung angesagt, auch für Lüdenscheid.
Aber 
Frank schweift wieder ab. Also, der Tee, den man notfalls auch in der Ebene pflücken kann, heißt "low grown", schmeckt nach Bahndamm, Heuhaufen und Altkleidersammlung und ist nicht exportfähig. Nicht mal genussfähig. Da kannst du dir deinen Tee auch gleich aus dem gemähten Rasen von Lüdenscheid brauen. Aber nichts gegen Lüdenscheid....
Um Kandy herum findet man auch vereinzelt Teegewächse, da ist es hügelig und zwei Grad kühler als in der Ebene; das Zeug nennt sich "mid grown" und wird von sehr armen oder sehr ahnungslosen Durstigen zur tea time gesüffelt, aber nicht ins Ausland verschifft, um die Reputation des Ceylon-Tees nicht zu gefährden. Auf den Tee-Auktionen in aller Welt landen nur "high grown" Produkte von da oben, wo wir gerade hintuckern, die regelmäßig deutlich höhere Erlöse erzielen als alle indischen Kreationen. Vielleicht liegt es ja auch daran, dass Ceylon-Tee vor allem in den Ölscheichtümern beliebt ist und fast 90% der Produktion im Sand der arabischen Halbinsel versickert. Die Emire zahlen mit dem Erdöl, das Myriaden luftverpestender Tuktuks am Leben erhält und
dem Frank als Auspuffmulk schon die Nase verklebt. Ihm wäre es lieber, diese Stinkomobile wären ohne den Umweg über arabisches Öl direkt mit Tee zu betreiben.
Inzwischen schmerzen seine Arme, der Nacken ist verkrampft, mindestens 600 Serpentinenkurven und gefühlte 3000 m alpine Höhe, aber von Nuwara Eliya, dem wundervollen, geheimnisvollen Höhenkurort, ist nicht mal eine Kirchturmspitze zu sehen. Die Tankanzeige von 
Franks Gefährt steht bei Null, den Berg rauf schluckt der Toyota ordentlich Sprit. Vielleicht gibt er sich ja auch mit Tee zufrieden?  Endlich taucht ein Schild am steilen Wegesrand auf.

451

Noch eine halbe Stunde Serpentinen, und das mit leerem Tank, es geht endlos höher und höher, dann erreicht 
Frank mit dem letzten Tropfen Treibstoff die einzige Tankstelle des Städtchens, an der kein Tee ausgeschenkt wird.
Natürlich hat der
Frank nichts vorgebucht, und das ist sein Glück. Wo er auch anfragt, alles ist complet, full, sorry. In einem sehr hübschen, zentral gelegenen Hotelchen weiß der Manager aber was für spezielle Fälle.
"Wir haben einen Bungalow für durchreisenden Staff", sagt er, was immer das heißen mag. Zählt Frank zum durchreisenden Staff?
"Das ist eine ganz normale Wohnung, nicht so schön wie das Hotel hier, aber Sie können da zum halben Preis wohnen. Der Hausmeister ist immer da und macht Ihnen jederzeit kostenlos Tee."
Ansehen kann man sich das Ding ja mal. Der Manager packt Ka&Frank in sein eigenes Dienstvehikel und fährt sie, knapp 300 m nur, zu einem Häusle in einem stillen Wohnviertel.
"Hier ist es", sagt er, stemmt das Tor auf und fährt durch einen Vorgarten vor die Tür. "Heute und morgen sind Sie, wenn Sie wollen, die einzigen Bewohner, am dritten Tag kommt noch ein junger Ire, der geschäftlich
hier zu tun hat. Aber das Haus hat drei Appartements, gestört werden Sie dadurch nicht."
Ka&Frank sehen sich das Haus und dann einander an; Ka strahlt. Es ist eine weitläufige Suite mit Schlafzimmer, riesigem Badezimmer mit eigenem Vorzimmer, ein Salon, in dem man eine Tangomeisterschaft austragen könnte, mit einer wohnzimmergroßen, verglasten Gartenveranda, Garten und Küche, und der alte Hausmeister, der herbeigeschlurft kommt, erinnert zwar nicht an Sena, ist aber genießbar und dienstwillig. Der Bungalow hat keine Lobby und kein Restaurant, keine Lounge und kein livriertes Personal, ist aber das Allerschönste, das man sich wünschen kann, ruhig und sachlich und, vor allem im Preis (58 $), die ersehnte bürgerliche Mittelklasse; eine riesige, britische Villa mit Garten und Butler in einer noblen Stadt.
"Frühstücken und speisen können Sie jederzeit bei uns im Hotel", ergänzt der Manager noch, als ob diese Offerte nötig wäre, um 
Frank zu überzeugen. Der pappfade Toast mit Marmelade als Hotelfrühstück für Touristen ist nach vier Tagen Sena-Curry de luxe alles andere als verlockend, für das Frühstück sorgt Frank schon selbst. Das erzählt er dem Herrn Manager natürlich nicht.

suite

Den Rest des Tages trifft man 
Frank beim Herumtapsen im Ort an, Orientierung. Eine erstaunliche Stadt. Man sieht, dass sie von den Briten als Sommerfrische und Einkaufszentrum für all die Tee-Barone gegründet worden ist, die hier ihre üppigen Einnahmen in Vergnügungen umsetzen wollten. Das Zentrum der Stadt, gleich neben der Bazargasse, in der sich alle Shoppes, Restaurants und Märkte befinden, ist der weitläufige Victoria Park, der beinahe fließend übergeht in Cricket Stadium und Horse Race Course. Parallel zum Victoria Park, der Eintritt kostet (Einheimische 40 Rp, Gäste 300 Rp, das nenne ich Gastfreundschaft!), liegt der eingezäunte Golf Course, for members only natürlich. Dahinter befindet sich der städtische See, auf dem die Boat Races veranstaltet werden, und ein Football Ground hat gleich daneben auch noch Platz. Der Hang ist betupft mit Villen, von grünem Rasen umgeben, die, vom Abendnebel dekoriert, ebenso am Loch Ness stehen könnten und selbstverständlich auch "Villa Loch View" und so ähnlich heißen.
An Sri Lanka erinnern nur der wie überall höllische Verkehr, die glockenförmige weiße Dagoba an der zentralen Kreuzung und das endlos jaulende Krächzen aus irgendeinem fernen Lautsprecher, wenn die Stunde näherrückt, in der Allah mit Lobpreisungen gefüttert werden muss. Im Bazar schaut sich 
Frank um, weil er selbst für sein Frühstück sorgen muss, und kauft einige Vegetable Rotis, Spring Rolls und ausgezeichneten Butter Cake, dazu ein Bündel Trauben, das sollte ausreichen. Den Tee dazu wird ihm sein Butler servieren.

nuwarae markt

Gleich hinter der Stadt erhebt sich der höchste Berg von Sri Lanka, der Mt.Pidurutalagala (2524 m). Die Ortslage ist hoch, die Wolken hängen tief, aber es sind Schönwetterwolken, die abends die Bergspitzen verhüllen. Es wird kühl, aber nicht kalt in der Nacht, und auf dem Weg in die exquisite Villa
nach dem Dinner im Restaurant Great India sieht man zwischen den Wolkenlücken jeden Stern, jeden Sputnik, nahe und ferne Galaxien, Exoplaneten und allerlei Weltraumschrott. Heizöfchen braucht man nicht, ordentliche Federbetten sind für die Nacht ausreichend, und am Morgen bringt der Housekeeper tatsächlich eine währschafte Riesenkanne voll heißem high grown Ceylon-Tee.
Den will sich 
Frank mal näher anschauen. Heute ist Sonntag, aber einige Teeplantagen lassen auch sonntags Besucher ein und führen vor, wie aus einer Handvoll grüner Blätter ein rechtschaffener Teebeutel wird. Frank dödelt also wieder talwärts, bis sich nach einem Dutzend Kilometern und etlichen Haarnadelkurven die "factory" der Firma MacWood Tea Estate zwischen den Wipfeln weit unten am Abhang blicken lässt.
Es gibt auch bei Nuwara Eliya eine Teefabrik, Pedro's Estate, aber die ist mehr für eilige Gruppenbesucher zuständig, die das schon alles vorgebucht haben, und verlangt von außerordentlichen Gästen deftige Gebühren. Außerdem hat der faule Pedro sonntags zu. Die anderen, zu denen auch MacWood gehört, machen die Führung kostenlos und vertrauen darauf, dass dadurch mehr Besucher kommen und anschließend im großen Tea Shop nahe dem Parkplatz tüchtig einkaufen. In Anbetracht der beiden Chinesinnen, die soeben voll bepackt
aus dem Laden kommen wie Lieschen Müller beim Einkauf der Weihnachtsgeschenke beim Aldi in Lüdenscheid, scheint es, dass diese Rechnung aufgeht.

teeplantage

Die Dame, die sich als Führerin in Bewegung setzt, sobald vier oder fünf fremdländische Teefans beisammen stehen, spult ihren auswendig gelernten Sermon lustlos ab wie ein etwas zu schnell laufendes Tonband, eilt mit Siebenmeilenstiefeln durch die Hallen, in denen es nach frisch gemähtem Gras riecht. Da werden die grünen Blätter auf ein Fließband geschüttet, getrocknet, fermentiert, zerhäckselt, entzweigt, sortiert und verpackt, und die großartige Führung ist nach nur zwanzig Minuten mit der gesamten Fabrik fertig, das nennt man gut organisiert. Das einzige, was sich ins franksche Gedächtnis eingegraben hat, ist, dass ein Blatt nur 24 Stunden benötigt, um als Teebeutel zu enden; auch hier ist die Rationalisierung ziemlich effektiv. Jetzt hofft der Laie, am Ende in der weiten Cafeteria eine kostenlose Probe der hier gezüchteten Auslesen kredenzt zu bekommen, aber eine Cuppa Tea kostet hier genauso viel wie beim Raffles in Singapore.
Ka steht derweil im Laden und dreht etwas ratlos Teepackungen mit diversen Aufschriften wie Broken Orange Pekoe oder Single Estate Fannings hin und her; vermutlich hat die Tee-Tussi diese Bedeutungen auch mit heruntergeleiert, aber erstens war ihr Englisch nicht astreines Oxford, und zweitens war sie, während dem 
Frank allmählich die Bedeutung von Dust und Broken ins Gehirnschmalz einsickerte, schon bei den Silver Tips angelangt.
"Wir sollten die Führung nochmal machen", meint er ernsthaft.
"Bei dieser Quickie-Tante?"
Es gibt noch mehr Factories und Tea Estates. Aber vorher muss er die charmante Lakshmi noch etwas fragen, das ihm nicht aus dem Sinn gehen will.

laxmi       Lakshmis kleines Srilanka-Lexikon   
Frage:         Alle Plantagen sind menschenleer. Wer pflückt den Tee?
Lakshmi:   Die Teepflückerinnen arbeiten in Gruppen nach einem festen Pflückplan, der ihnen jeden Tag eine andere Stelle zuweist. Es sind fast nur Frauen, Tamilinnen. Den Singhalesen war diese Arbeit einst nicht gut genug, sie verlangten zu viel Lohn, deshalb haben die Briten arbeitslose Tamilinnen geholt. Sie leben mit ihren Angehörigen in elenden Hütten am Rand der Plantagen und werden bis heute schrecklich ausgebeutet. Sie müssen Tag für Tag 20 Kilo Blätter pflücken und bekommen dafür gerade mal lumpige 3 $ Lohn, aber nicht pro Stunde, sondern pro Tag. Deshalb ist selbst guter Tee bei euch zuhause recht billig, obwohl sich die Plantagenbesitzer eine goldene Nase dran verdienen.   

Mehrere Etagen tiefer, aber immer noch relativ weit oben im "high grown" Bereich, liegt die Blue Fields Plantage. Nur das Dach der Factory ist blue, die fields sind genauso grün wie alle anderen auch. Aber hier zeigt den Besuchern eine sehr liebenswürdige junge Dame in einem blau-goldenen Seiden-Sari eingehend die Fabrik und beantwortet auch Fragen.

ne tea process

Das Förderband fährt die Blätter in Zeitlupe unter einem Gebläse durch, dann werden sie gewendet und weiter ventiliert oder einfach an der Frischluft getrocknet, zehn Stunden lang. Danach kommen sie in eine Presse, die die Blätter rollt und zerdrückt, so dass der restliche Blattsaft im nächsten Prozess bei 90° in einer Hitzekammer fermentiert. Eine Maschine entfernt anschließend die harten Blattrippen und Stengel, und als nächstes werden die Blätter per Laser-Scan automatisch nach Farben sortiert. Die hellbraun fermentierten nennt man Pekoe oder auch, wegen der Farbe, Orange Pekoe, was aber im Prinzip dasselbe ist, und die dunkelbraunen heißen Fannings. Pekoe-Blätter werden nun auf Teekrümelgröße zerkleinert und heißen fortan Broken Pekoe, der lose in riesige Säcke (60 Kilo) verpackt und zur Auktion gegeben wird. Fannings hingegen, der beim Auskochen bitterer schmeckt, kommt zusammen mit Dust, wie man den Staub vom Boden der Zerkleinerungsmaschinen nennt, in die Teebeutel, weil solcher Tee traditionell und vor allem in Britannien mit viel Milch getrunken und gezuckert wird, weshalb er nach süßem Spülwasser schmecken würde, falls kein bombenkräftiges Aroma im Beutel ist. Dust ist am billigsten und schmeckt am bittersten, er ist auch verantwortlich für den Satz in deiner Teetasse.
So wird aus 5 Kilo Teeblättern ein Kilo Tee, wofür die Teepflückerin, wenn den Frank die Mathematik nicht im Stich lässt, 0,75 $ bekommt, 90 $ pro Monat. Davon werden vermutlich noch Miete, Steuern, Versicherung, Gewerkschaftsbeitrag, Kantinenessen und Schuldenzinsen abgezogen, also trink deinen Tee mit Bedacht und denk an die ausgebeuteten Frauen.
Außerdem wird noch Green Tea hergestellt, bei dem die Blätter nicht fermentiert, sondern nur getrocknet sind, und Silver Tips, das sind die kaum aufgerollten allerzartesten Knospen an der Spitze der Zweige, die, ebenfalls unfermentiert, einen fast farblosen Sud, den sogenannten White Tea, ergeben. Hundert Gramm Silver Tips kosten 100 $, das ist sozusagen die Trockenbeerenauslese der Teeproduzenten.

tea lady

Im Prinzip kannst du deinen Tee auch im Supermarkt einkaufen; der einzige Unterschied, wenn du auf der Plantage direkt kaufst, ist, dass du Single Estate bekommst und keine Mischung (blend), die beim Export zwecks Aufrechterhaltung einer gleichbleibenden Qualität die Regel ist. Frank ist kein Teeologe, ihm schmeckt jeder Tee so ziemlich gleich, bitter, wenn man ihn zu lang hat ziehen lassen, dünn, wenn er nur aufgegossen wurde, und kalt, wenn man ihn nicht sofort trinkt, hahaha.
Weil so ein Teevortrag auch die Zuhörer durstig macht, sehen alle die gute Lady erwartungsvoll an und werden
von ihr nicht enttäuscht. Bitte nehmen Sie hier Platz, sagt sie in der modern eingerichteten, hellen Cafeteria und lässt den Gästen, Service des Hauses, nein, keinen Kaffee, du Dummbeutel, sondern Tee servieren. Käsekuchen und Afternoon Cookies Assorted kann man an der Kuchentheke dazu kaufen. Natürlich süffelt Frank jetzt keinen dahergelaufenen Lipton's Aldi-Fixbeuteltee, sondern erschnuppert mit Kennermiene einen echten High Grown Single Estate Broken Orange Pekoe.
Zum Dank für die Freundlichkeit erledigt Ka hier ihre Einkäufe für die japanischen Teekenner in der Verwandtschaft, während
Frank sich einen weiteren Luxus leistet und ein 25gramm-Döslein Silver Tips ersteht, muss ja mal probiert werden.
Nein, das nachstehende Bild zeigt NICHT 
Franks gesammelte Einkäufe, sondern exportbereite king size Teebeutel....

65kiloteebeutel

So, weil Frank ohnehin schon weit zu Tal geraten ist, will er mal nicht wieder dieselbe Strecke raufschuckeln, sondern fährt durch Seitentäler und über Nebenstraßen, um mehr vom Highland zu sehen. Auch hier weit und breit nur Teefelder, ganze Hänge sind entholzt und mit Teebüschen übersät, und wenn nicht ab und an ein See durch die Botanik blinkte, wäre es beinahe langweilig. Überall steht in großen Lettern angeschrieben, wessen Plantage man gerade durchfährt.
Also, dass es langweilig wird, das hätte 
Frank nicht sagen sollen. Er erreichte nämlich soeben die große A7, die auch nach Nuwara Eliya führt, vom Südwesten her, und liebe Erinnerungen an die Strecke Anuradhapura - Trincomalee werden wach. Er wäre besser auf den Nebenstraßen geblieben, die sind zwar schmal, aber immerhin asphaltiert. Ich sage dir, wenn er nicht per Zufall eine --leider auch nicht bessere-- Abkürzung gefunden hätte, die ihm volle 13 Kilometer Gejuckel über Schottergrubenkraterschlamm ersparte, würde er womöglich jetzt noch durch die teehaltige Ökologie jaulen und hätte einen wunden Popo von der Achterbahn. Er ist schließlich kein Tee-Nager mehr.
Unterwegs wurde Ka
&Frank aber eine nette Begegnung zuteil. Frank erspähte am Hang, nicht weit unterhalb der unsäglichen Chaussee, eine Gruppe Teepflückerinnen, die sich wie Raupen durch das Buschwerk fressen; willkommene Gelegenheit für eine Pause. Frank sieht ohnehin im Urlaub gern anderen Leuten bei der Arbeit zu.
Kaum kommt das arme, von Schlamm und Staub gezeichnete Fahrzeug vom Stamme der Toyotas samt mitgeführter Staubwolke zum Stillstand, drehen alle Pflückerinnen wie auf Kommando die Hälse um und sehen 
Frank mit Kamera am Straßenrand stehen. Das gab ein lebhaftes Hallo! An der großen Chaussee nach Kandy fahren täglich Hunderte von Touristomobilen entlang; wer da Tee pflückt, den lassen neugierige Blondschöpfe kalt, aber hier gerieten die Frauen beinahe aus dem Häuschen über den unverhofften Besuch. Der misslaunige und schmerbauchige Aufseher, der sie lieber feste an der Arbeit gesehen hätte, war machtlos, während seine Schützlinge sich winkend und rufend in Franks Richtung in Bewegung setzten, als hätte er ihre Lohntüten in der Hand.

tea estate

Die flinkste posiert vor seiner Kamera mit frisch gepflückten Blättern in beiden Händen wie eine Miss Pekoe oder ein Model für den Reiseprospekt, andere laufen zu Ka und wollen mit ihr zusammen fotografiert werden. Alle haben sie den indischen Punkt auf der Stirne, nein, nicht den umweltfreundlichen grünen Punkt, du Dödi, sondern den roten, der böse Geister und aufdringliche Männer fern halten soll; es sind also tatsächlich Tamilinnen. Eingedenk ihrer karg entlohnten Arbeit drückte Frank der Modelfrau schnell ein Trinkgeld in die Pfoten mit den blattlausgrünen Fingern, aber für die anderen, immerhin knapp dreißig emsigen Damen, die auch alle angewackelt kamen, hatte er beim besten Willen kein Kleingeld in der Tasche; mit US $ Noten kann er auch nicht um sich werfen, denn dann müsste er anschließend selber mitpflücken, um sich die nächste Mahlzeit zu verdienen. Es ist schon ein Dilemma.

pfluckerin

In Nuwara Eliya wird auf dem Bolzplatz soeben das Fußball-Endspiel um den Silbernen Teekessel ausgetragen, eine von barfüßigen Fans frenetisch angefeuerte heimische Truppe im Kampf gegen irgendwelche bärtigen Allah-Jünger, die sich aber im Quran besser auskennen als mit dem Regelwerk oder dem Referee keine 70 Jungfrauen liefern wollten. Jedenfalls wird nach jedem Foul einer vom Platz gestellt, so lange, bis die einheimische Mannschaft gewinnt, gerade rechtzeitig, bevor es so dunkel wird, dass man bei der anschließenden Keilerei tüchtig zulangen kann, ohne Furcht, identifiziert zu werden.
Während die Überlebenden an der provisorischen Tribüne ihren Teepott überreicht bekommen, spaziert 
Frank in der Dämmerung rund um die Pferderennbahn, auf der zahlreiche Löcher und viel Unkraut davon zeugen, dass hier schon länger kein Derby mehr stattgefunden hat. Lankesen spielen lieber Cricket. Aber etliche Pferde weiden da und laufen frei herum, obwohl nur ein vielfach lückenhaftes Holzgeländer sie von der Straße samt Verkehr trennt, aber erstens schmeckt das Gras im Rund viel frischer als der Asphalt auf der Straße, und zweitens kommt am Abend ein Typ und sperrt sie irgendwo weg. Es sind aber keine Rennpferde, sondern sie werden den Touristen für eine sehr teure Zeitlupenrunde "horse riding adventure" um die Rennbahn angedient.

nuweliya

An der Straßenecke nahe bei 
Franks Suite ist ein Müll-Sammelplatz, dessen Plastiktütengebirge regelmäßig zweimal die Woche von der Stadtreinigung entsorgt wird. Hinter den Müllbeuteln erblickt Frank ein Komposthäufchen aus Gras und Blättern, auf dem friedlich aneinandergeschmiegt zwei winzige Hundebabys schlummern. Während er dabeisteht und sich das Idyll anschaut, wacht das schwarze Welpentier auf, klettert aus dem Nest und kommt schwanzwedelnd zu ihm her. Ka hat wieder fürs Frühstück eingekauft und gibt dem Kerlchen ein bisschen vom frischen Gemüseteigröllchen ab. Frank bemerkt trotz der Dunkelheit, dass von weither ein großer Hund herbeigelaufen kommt. Nein, er will nichts abbekommen, auch nicht beißen oder spielen, sondern es ist die Mama der Welpen, die sich Sorgen macht, dass man ihr den Nachwuchs klaut. Aber keine Angst, die buddhistischen Menschen hier lassen die Tiere in Frieden, weder die Müllabfuhr noch freche Buben tun den Kleinen irgendetwas an oder vergreifen sich an dem Nest.
Am Morgen der Abfahrt bekommen die Hundekinder 
Franks Frühstücksreste, und die Hundemama schaut aus einiger Entfernung wachsam, aber unbesorgt zu.
Die Jungs, die das Vordach über dem Eingang unsres Bungalows reparieren, sehen, wie wir die Taschen einladen. Einer kommt runtergeklettert und erbietet sich,
schnell unser Auto zu waschen. Einfach so. Zugegeben, es kann eine Dusche durchaus gebrauchen, aber erstens ist Frank kein Plantagenbesitzer, der seine Lakaien herumkommandiert; sein Auto würde er schon selbst waschen. Und zweitens sähe man dann wieder die kleine Schramme vom ersten Tag, und die soll besser bis zur Rückgabe des Wagens unter einer kräftigen Schicht Straßenstaub verschwunden bleiben. Frank bedankt sich aufrichtig bei dem tüchtigen Jüngling, und dann geht es weit, weit runter, den ganzen Tag talwärts bis ans Meer, es sind alleine in der Vertikalen 2 km Höhenunterschied.
Wegen des Straßenzustands ergibt sich ein beträchtlicher Umweg; bei Nonagama erreicht 
Frank am Nachmittag die Südküste der Insel und donnert dann die glatte, aber sehr verkehrsreiche Straße nach Westen in Richtung Matara, das eine richtig große Stadt ist. Dort ist wieder die Hölle los, zwei Tuktuks beharken sich und krachen beinahe voll ineinander, aber eines kann sich mit einem kühnen Schlenker vollgas auf die Gegenfahrbahn retten, wo Frank gerade angetuckert kommt. Charmant. Ka hält sich schon fest, macht die Augen zu und ist auf den großen frontalen Knall gefasst, aber Frank zieht intuitiv nach rechts, wo sich wie durch ein Wunder gerade eine Lücke im Gegenverkehr auftut, und entkommt im Not-Rechtsverkehr dem finalen Crash, der das Blech-Dreirad garantiert in einen Schrotthaufen verwandelt hätte.


sudkuste


Darauf braucht man erst mal eine Erholung. Die findet sich in der Apa Villa, ein kleines Strandbungalow-Hotelchen mit Pool im Garten, das zwischen der Landstraße und dem Meer eingeklemmt ist. Zum Glück liegen die Bungalows, wo 
Frank schon wieder eine Suite bezieht, auf der Strandseite, und die Brandung braust stärker als der Verkehr. Auch hier hat der Tsunami von 2004 heftig zugeschlagen, so dass Frank ein leichtes Unbehagen beschleicht, aber so ein Tsunami rollt sicher nicht alle Tage herbei, und in der zweiten Nacht sorgt Frank sich schon mehr darum, wo denn die Lücke im Mosquitonetz war, wegen der er in der ersten Nacht um den Schlaf gebracht wurde.
Ganz schön, so ein Strandbungalow, aber nicht gerade billig. Genauer gesagt: Sündhaft teuer. So schön der Garten samt Pool ist, so schwach ist das im Preis enthaltene Frühstück. Gut, Obst gibt es in Fülle, aber das ist auf dem Markt so gut wie kostenlos. Zwei trockenfade Bierdeckel, die hier Toast heißen, ein bisschen Butter, Ei und Marmelade, das soll ein Frühstück sein? Das ist
Frank von Sri Lanka nicht gewöhnt. Das Abendmahl ist schon üppiger, mehrere Gänge mit Steak, Carpaccio, Lasagna und Terrine, so ein international zusammengestoppeltes Food, das keinen Gaumen beleidigt, den Gast dick und seine Geldbörse schlank macht, kostet lässige 3000 Rp pro Person, ohne Getränke. Für den Betrag kann man in einem einheimischen Lokal fünfmal essen, zu zweit, mitsamt Bier oder Wein. Der Manager fragt am dritten Abend tatsächlich, warum Frank nicht im Hotel speist, aber erstens hat er nur B&B gebucht und zweitens müsste er nicht bis nach Sri Lanka reisen, um Sushi, Pasta und Cordon bleu zu essen. Das gibt's mittlerweile sogar in Lüdenscheid. Und Vorspeisen, Suppe und Dessert braucht er so kurz vorm Schlafengehen auch nicht.
Die Strafe für Franks Hochmut, das teure Dîner zu verschmähen und woanders einheimisch zu essen, ist der versalzene und halb verkohlt gegrillte Fisch, den er vorgesetzt bekam, und außerdem muss er mit seinem biervollen Bauch auf der Todespiste in der Dunkelheit zurückfahren, was auch bei nur 3 km schon ein Alptraum ist. Nur dank Buddhas Barmherzigkeit und Franks Fahrweise mit geschlossenen Augen ist er noch jedesmal ohne Schrammen und plattgefahrene Haustiere und Fußgänger heil zurückgekommen.
Und was macht 
Frank am Strand die nächsten vier Tage ? BILD-Zeitung lesen, Eichhörnchen füttern, im Pool plantschen, meditieren, den Frachtern zusehen, die in Zeitlupe auf der Asienroute vor Lankas Südküste entlangtuckern?  Das ist doch nichts für den Frank, dessen Affenbiss zügig verheilt....

apa villa

Gleich nach dem Frühstück orgelt er mit seiner unverwüstlichen Blechkiste aus dem Touristenghetto über die brodelvolle Piste in Richtung Galle, was kein saftbitteres Organ, sondern die Kapitale der Südküste ist. Englische native speakers nennen den Ort ohnehin Gorl, aber die Einheimischen nennen ihn Gal-le, und bekannt ist er als letztes Weltkulturerbe, das 
Frank auf dieser Insel abhakt. Dann hat er sechs von acht visitiert, die beiden anderen sind Naturparks, in die man nur mit Safarimobil und lizensiertem Driverguide reinkommt, was Frank freilich nicht vorhatte.
Die gallige Stadt, vielleicht 8 km von 
Franks Rockefeller-Logis entfernt, liegt an der Südwestecke der Insel und verfügt über ein kleines Kap, das sich vorzüglich zur Errichtung eines Forts eignet, um die Süd- und Westküste und die dort entlangsegelnden Schiffe ins Visier der niederländischen Kanonen zu bekommen. Schon die Portugiesen hatten das Kap ummauert, die Holländer und Briten weiter dran gebosselt und Kanonen draufgestellt. Die Mauer des Forts ist beinahe vollständig erhalten, und innerhalb der Mauern liegt die Altstadt, die mit ihren netten Gässchen voller Lädchen und Restaurants an die berühmte Stone town von Zanzibar erinnert.
Dieses überwiegend hübsch restaurierte Altstadtidyll mit seinem portugiesisch-holländisch-britischen Kolonialcharme wird von einem weißen Leuchtturm an der Spitze des Kaps
überragt, dem Wahrzeichen der Stadt.

galle lighthouse

Wahrscheinlich meinst du jetzt, in der Altstadt herrsche das gleiche oder noch mehr Chaos als in vergleichbaren Städten, aber zu 
Franks Überraschung ist dieser Stadtteil weitgehend in der Hand von Künstlern und Ausländern, Hoteliers und Tandbutikern, und in manchem Arts'n'Crafts-Shoppe kann es dir passieren, dass der Oheim oder Onkel des bärtigen Besitzers in der Ladenecke auf einem Teppich auf dem Boden hockt und in dem einzigen Buch schmökert, das er in seinem ganzen Leben je gelesen hat. Aber ansonsten ist alles auf Tourismus ausgerichtet, das wirkliche Leben findet außerhalb der Mauern des Forts statt.
Frank macht einen Rundgang die Mauer entlang; in weniger als einer Stunde ist er wieder am Ausgangspunkt und kann von oben auf Kirchen und Moscheen, Dachterrassen und Hotels, Gartenrestaurants und Spielplätze schauen, die Stadt döst ganz beschaulich in der Mittagshitze, und durch die engen Gassen schieben sich mehr Kameraleute aus aller Welt als spotzstinkige Threewheeler. Auf einer Bastion, unter der das Meer an spitzige Felsen gischtet, hält ein rastalockiger Jüngling einen Vortrag vor einer Gruppe einheimischer Touristen. Dann reißt er sich das T-Shirt vom Leib, rennt auf die Schar seiner Zuhörer los, die sich erschrocken vor ihm teilt, und fliegt dann elegant über die Brüstung in die tosende Tiefe, vom Entsetzensschrei etlicher älterer Damen begleitet.
Alles nur Show, Richtung und Winkel exakt berechnet, landet er genau zwischen den Felsen an einer tief ausgehöhlten Stelle im glasklaren Meer und taucht ein paar Sekunden später prustend und lachend wieder auf. Ein Kumpel kassiert ein paar lapprige Scheine von den erleichterten Zuschauern.
Ja, du hast richtig gelesen. Einheimische Touristen. In alten, ausrangierten Linienbussen trudelt alle paar Stunden eine Ladung von Besuchern aus anderen Landesteilen ein, Galle scheint auch in Sri Lanka ein beliebtes Reiseziel zu sein.

galle mau

Von der Mauer des alten Forts blickt man auf der Landseite auf die "andere Stadt" der Einheimischen, wo Busse, Zwei- und Dreiräder die Straßen beherrschen und allen weißen Linien zum Trotz kreuz und quer fahren, wo schmale Fischerboote am Ufer liegen und zwischen Boothafen und Straße die Fischer ihren nächtlichen Fang verhökern. Packpapier gibt's am Kiosk gleich nebenan. Weiter zum Meer hin, rund um den Leuchtturm, sind Muttis und Omamas mit vielen, vielen Kindern auf seichtem, sandigem Strand am Plantschen, während von oben Blondinen und Backpacker mit dem Zoom
statt mit Kanonen auf die Badenden zielen. Die limitierte Hotellerie von Galle ist gewiss nicht für die Heerscharen von Ausländern verantwortlich; die kommen vielmehr alle aus der nahen Bucht von Unawatuna, die wegen ihres endlosen Sandstrands, klaren Wassers und ruhigen Wellengangs als Nonplusultra eines Badeurlaubs auf Sri Lanka gilt. Entsprechend reihen sich hier unzählige Resorthotels aneinander, und die meisten sehen erheblich billiger aus als Franks raffgierige Nobelanlage.  
Tagsüber ist Unawatuna total uninteressant. Sonnencreme und Sonnenbrand zu besichtigen am Strand, nicht anders als in Gran Canaria. Der einzige Unterschied ist vielleicht, dass hier pausenlos fliegende Händler durch den Sand stapfen und versuchen, an den Liegestühlen Holzgeschnitztes oder Postkarten loszuwerden, und schwitzende Frauen im Sari mit spitzenbesetzten Tischdecken und Muschelkettchen überm Arm. Ob sie aus ihren schweren Rucksäcken und Warenkörben, die sie über den heißen Sand schleppen, den genervten Bikini-Girls je etwas verkaufen? Sie sind zwar lästig, aber ein wenig tun sie 
Frank auch wieder leid bei ihren Versuchen, mit ehrlicher Arbeit ihren Unterhalt zu verdienen. Wer irgendwelche Souvenirs braucht, kann sie in Unawatuna kaufen, ohne sich aus dem Liegestuhl zu erheben, und wer Lust hat, kann sich ohne weiteres auch Ausflüge nach Nuwara Eliya, Kandy, Colombo oder Trincomalee arrangieren lassen, hier gibt es alles, was der Tourist so benötigt, von billigen Flipflops bis zum ausgestopften Elefanten. Aber vor allem, was Ka besonders interessiert, die schönsten Restaurants mit Tischen auf dem Sandstrand, jede Menge frisches Meeresziefer, westlich oder als Curry serviert, abends bei Laternenschein am Rand des indischen Ozeans.

unawatuna

Auch bei vier Tagen Aufenthalt
langweilt man sich in Galle eigentlich nie. Es gibt immer etwas zu entdecken, das alte Gerichtsgebäude, das maritime Museum, hübsch restaurierte alte Villen, Kunstgalerien und wechselnde Ausstellungen, aber Frank hat einen Lieblingsplatz gefunden, an dem er stundenlang sitzen kann und trotzdem immer Kurzweil hat. Wenige hundert Meter vom Leuchtturm entfernt, auf dem Weg entlang der Fortmauer, stehen einige riesige alte Bäume mit kleinen Sitzmäuerchen unter dem Laubdach. Hier, nahe dem hochtrabend "Place Vendôme Hotel" genannten Guesthouse, steht das Dreirad des Eisverkäufers, hier ist der Parkplatz der klapprigen Busse der Besucher aus dem Inland, hier hockt der Schlangenbeschwörer mit seinen Kisten voller Kraits und Kobras, hier agiert der Klippenspringer, und hier ist der Sammelpunkt der Besuchergruppen aus Jaffna oder Kurunegala, hier setzt sich eine Frau im Sari neben Frank und raunt ihm ins Öhrchen, sie könne aus seiner Handfläche seine gesamte Zukunft ablesen.
"Zukunft?" 
Frank musste grinsen. "Ich habe mehr Vergangenheit als Zukunft."
Ein Alter, der ein bisschen Englisch kann, setzt sich dazu.
"Glauben Sie an solche Wahrsagerei?", fragt er. 
Frank muss sich nicht lang besinnen.
"Ich kann selbst ziemlich gut wahrsagen und vertraue deshalb nur solchen Wahrsagern, die aus meiner Hand auch fehlerfrei meine Vergangenheit ablesen können. Bei anderen bin ich skeptisch."
"Sie können selbst wahrsagen? Wo haben Sie das gelernt?"
Gelernt? 
Frank kann das einfach, das muss man nicht lernen. Eine gehörige Portion Flunkerei gehört schließlich zur Wahrsagerei mit dazu.
"Sie kommen aus Trincomalee, nicht wahr?", sagt
Frank.
Der Alte reißt verdutzt den Mund auf.
"Woher wissen Sie das?"
"Wahrsagerei, ganz einfach. Ich bin darauf spezialisiert, sowas aus dem Gesicht abzulesen, das nennt man Physiognomie-Deutung; ich brauche keine Handflächen", sagt 
Frank gelassen, mit todernstem Gesicht. Als der Alte noch nicht hier saß, hatte er von einer Frau aus demselben Bus erfahren, dass die Gruppe aus Trinco gekommen sei. Aber noch mehr wahrzusagen wäre sehr riskant, also wechselt er das Thema.
"Ich war auch in Trinco. Eine schöne Stadt, aber sehr heiß. Ich habe das Konesvaram-Heiligtum besucht...."
Dass auch das Hospital von Trinco zu dem guten Eindruck der Stadt erheblich beigetragen hatte, braucht 
Frank ja nicht zu erzählen, das hätte auch die Englischkenntnisse des Gegenüber überfordert. Aber wo, wenn nicht hier, kann man mal ganz relaxt mit normalen Lankesen reden und scherzen, ohne zu Taxifahrten oder Glasbodenschiffen und Whale watching aufgefordert zu werden ?

kobrafakir

Der Fakir mit seinen Kobras kennt 
Frank und Ka schon, wenn sie auch am zweiten und dritten Tag wieder ein Stündchen an ihrem Kontaktforum unter dem großen Baum sitzen und dem Volk zuschauen. Eine Mama aus Trincomalee setzt sich zu Ka und zerrt ihren widerstrebenden Buben herzu, damit er sich zwischen Mama und Ka hockt, und der Papa macht dann ein Foto "unser Bub mit fremdländischen Touristen", na klar doch, Frank macht ja auch Fotos von den Lankesen, und wenn sie mit ihm und Ka ihren Spaß haben wollen, den gönnt er ihnen. Die nächste Mama will ihre beiden Zwillingstöchterlein, gleich gekleidet und mit rosa Schleifchen im Haar, partout neben Frank placieren, aber so ein bärtiger Brillenfrank sieht vermutlich aus wie der böse Riese aus dem Bilderbuch, der kleine Kinder frisst, weshalb sich ein schrilles Duett erhebt, denn keines der Kinder hat den Mut, sich in die Nähe dieses bleichen Ungeheuers zu begeben, so sehr die Mama, die Tante und die Oma ihnen auch zureden. Selbst Frank charmantestes Lächeln hat nur den Effekt, dass sich der Heulchor zum Fortissimo steigert.
Bei älteren Mädchen 
hat er offenkundig ein wenig mehr Erfolg. Die Gruppe von Studentinnen, die auf der Mauer tollen und sich gegenseitig abfotografieren, ist so lieb, samt barfüßiger Professorin auch für ihn all ihren Charme aufzubieten und freundlich zu posieren. Sie kommen aus Colombo und sind auf Studienfahrt.

gallef studentinnen

Das letzte Abendmahl auf dem Strand von Unawatuna, es ist windstill, 
Frank steckt die Füße tief in den warmen Sand, um nicht noch von Mosquitos zerbissen zu werden. Und die letzte nächtliche Rückfahrt von Galle zu seinem Bungalow; Frank macht wie immer die Augen zu und betet zu Buddha, aber diesmal wurde er nicht erhört. Nicht dass er ein Tuktuk aufgespießt oder einen Köter geplättet hätte, aber kaum 200 m vor dem Ziel winkt ihm jemand mit einem roten Leuchtstab zu. Kein Anhalter, sondern eine Polizeikontrolle. Frank unterdrückt seinen bierseligen Schluckauf, aber es kommt kein Alkoholtest, wie Ka schreckensbleich vermutet. Solche Pusteröhrchen haben die hier vermutlich gar nicht im Repertoire.
"Sie haben in der letzten Kurve die weiße, durchgehende Mittellinie überfahren", wurde ihm in schauderhaftem Englisch kundgetan.
Zum Kichern...., bei der Art des wilden Kreuzundquerfahrens hier in diesem Land! Frank ist schleierhaft, wie der Schupo das aus 400 m Entfernung gesehen haben will, es ist stockfinster, abgesehen von den Scheinwerfern der vorbeidonnernden Kamikazebusse. Frank geht mal davon aus, dass er einfach leicht anzuhalten war, weil er sich möglichst von den wilden Pulks fernhält und alleine vor sich hintuckert, sofern es die Verhältnisse zulassen. Er ist sicher, da will sich ein offizieller Typ einfach ein Trinkgeld verdienen. Er zeigt dem Uniformierten Führerschein und Wagenpapiere. 
"Die Papiere sind in Ordnung, aber für den Verstoß ist ein Bußgeld fällig," radebrecht er. Trotz der Dunkelheit kommt es 
Frank vor, als sei ihm die Sache mit einem vermeintlichen Briten am Volant etwas unlieb, das Englisch-Reden und überhaupt. Wenn er es geschickt anstellt, kommt Frank da womöglich elegant raus, er muss den schwitzenden Bullen nur sein Gesicht wahren lassen.
"Können Sie mir den Strafzettel bitte an meine Adresse in Colombo senden, ich möchte das schriftlich haben und ins Englische übersetzen lassen, dies ist nämlich ein Firmenwagen", sagt 
Frank, denn er sah, dass der Uniformierte einen Formularblock unterm Arm klemmen hat. Der guckt Frank geradezu erleichtert an. Der Schupo, nicht der Formularblock.
"Ach, Sie sind Resident? Ja gut, aber Sie müssen das Geld innerhalb von zehn Tagen überweisen."
Frank gibt ihm die Adresse des Autovermieters an und zeigt ihm den Umschlag, in dem der Mietvertrag steckte. Von Autoverleih steht da nämlich nichts außen drauf, sondern nur "Quickshaws Travel and Tourist Agency".
"Das ist mein Office", sagt 
Frank, "nächsten Montag bin ich wieder in Colombo, da können Sie es hinschicken."
Der Dorfpolizist lässt sich widerstandslos den gewaltigen Grizzly aufbinden, notiert sich sicherheitshalber noch 
Franks Nummernschild und wünscht ihm dann gute Fahrt. Anschließend wird er vermutlich nichts nach Colombo senden, sondern das Formblatt zerknüllen, (hoffentlich umweltfreundlich) entsorgen und sich als Nächstes ein einheimisches Opfer suchen.

masken

Dieser amtliche Wunsch zu einer guten Fahrt ging nicht nur auf den letzten 200 m bis zum Hoteleingang, sondern auch
am andern Morgen auf der Rückfahrt nach Colombo in Erfüllung. Anfangs war nur wenig Verkehr, und bald kam Frank an der Stelle vorbei, an der 2004 ein ganzer Zug vom Tsunami fortgespült worden war; die Südküste ist weitgehend flach und hatte die vollste Wucht der Naturkatastrophe abbekommen. Streckenweise ist die Straße auch mehr als zehn Jahre später noch von Hausruinen gesäumt; in den einstigen Gärten weiden Rinder. Auf halbem Weg zur Hauptstadt liegt das Städtchen Ambalangoda, das als Heimat der Maskenschnitzer bekannt ist. Frank macht am Maskenmuseum Halt und guckt im Workshop auch den jungen Maskenschnitzern bei der Arbeit zu, zusammen mit einer Gruppe Studenten, wie sie an allen Sehenswürdigkeiten anzutreffen sind. Lankesische Studiker verbringen ihr Studium offenbar sehr praxisnah mit zahlreichen Reisen und Besichtigungen.
Jetzt berichtet dir Frank noch, wie er beim Zurückbringen des Wagens die kleine Schramme vom ersten Tag durch geschicktes Parken und die nicht mehr entfernte Schlamm- und Schmutzschicht von Nuwara Eliya so perfekt tarnte, dass er seine Kaution vollständig ausgezahlt bekam. Der Manager hatte ihm vermutlich gar nicht zugetraut, den Wagen nach drei Wochen überhaupt heil abzuliefern; 
Frank kam es vor, als betrachtete er ihn mit deutlich mehr Respekt als zuvor.
Falls aus Galle wider Erwarten tatsächlich ein Knöllchen auf 
Franks Namen eintreffen sollte, kann er es ihm ja nach Tokyo nachsenden, dachte Frank bei sich. Es wäre, neben seinem Impfdokument, ein originelles Souvenir aus Sri Lanka.

leute

Frank hätte noch viel machen können; im Guidebook wird Manches empfohlen, eine Bus- oder Bahnfahrt sollte man unbedingt einmal erlebt haben, der Sowieso-Wasserfall und der Sonnenaufgang im Dingsbums-Park sind spektakulär und wilde Elefanten gehen im NN-Nationalpark zur Tränke, aber das Guidebook ist überwiegend für junge Leute geschrieben, die außer im Badezimmer unter der Dusche noch keinen Wasserfall gesehen haben. Nach Venezuela interessiert dich kein Wasserfall mehr, nach Peru keine Überlandbusfahrt, nach China brauchst du keine Abenteuer-Zugreisen mehr, nach Tanzania keine Elefanten in weiter Ferne. Trotzdem hat jedes Land seine eigenen Reize, immer findet man etwas Neues; eine Teefarm hat Frank noch nie gesehen und eine Perahera auch nicht. Und manches davon steht nicht mal in den ausführlichsten Reiseführern, zum Beispiel engere Bekanntschaften mit einem wilden Affenzahn und Besichtigungen tropischer Kliniken.
Am Ende legt 
Frank sogar für die lästigen Touts ein gutes Wort ein; sie verdienen halt damit ihren Unterhalt, und erfahrungsgemäß sind auch die lungernden Gestalten an den schummrigen Ecken am Abend keine Dunkelmänner, die dir den Hals abschneiden wollen, sondern warten auf den Bus oder auf Bekannte, das ist alles. Vielleicht haben sie einfach keine Glotze in ihrer Hütte und gucken deshalb nah statt fern. Die Leute sind nun mal arm und sehen deshalb mitunter schmuddelig aus, sie können dich auch mal nerven, aber entführen oder fressen wollen sie dich nicht. Es sind mehrheitlich Leute wie du und ich, sag einfach dem Kerl einen Gruß oder lach ihn an, dann lacht er zurück, es ist alles so einfach, wir Menschen sind ja alle ähnlich gestrickt. Und wenn du einmal wirklich in der Klemme steckst und irgendwas brauchst, dann kannst du dich in Sri Lanka drauf verlassen, dass dir womöglich ein nerviger Tout, ein Eckensteher oder eine Frau mit weißem Kopftuch ganz uneigennützig zu Hilfe eilt.
Das ist natürlich ---hoffentlich--- in Lüdenscheid auch nicht anders....

Keine Ahnung, was Frank heute bloß mit Lüdenscheid hat. Schließlich war er in Sri Lanka und nicht im Sauerland.

moench



tuk