....versucht jede noch so schrappige Seifenkiste, sich unter Lebensgefahr
an Franks Automobil vorbeizuschlängeln, um vier Sekunden eher im Dauerstau an
der
Kreuzung stecken zu bleiben als er.
Frank hat aufgehört, sich darüber zu ärgern. Sollen die
Wilden ihren Spaß haben, ihm ist wichtiger, keine weiteren
Schrammen einzufangen und heil am Ziel anzukommen, das heute
erhöhter Aufmerksamkeit des Drivers bedarf. Er strebt
nämlich der höchsten Bergregion des flachen
Inselreichs zu. Obwohl die bergige Provinz nicht sonderlich groß
ist,
liegt
der Großteil davon auf der beeindruckenden Höhe
von circa
2000 m über dem indischen Ozean. Ka jubiliert. Endlich
Sommerfrische, denn da oben sollten die Temperaturen wahrhaftig
erträglich sein.
Bis Gampola rollt es sich glatt dahin, danach steigt die Route sanft
an, und ab Pussellawa schraubt sie sich richtig in den Himmel.
Die
Landschaft verändert sich, Eukalyptusbäume statt
Palmen, und statt des allgegenwärtigen Buschs
wird es lichter, erste Plantagen werden an den Hängen
sichtbar.
Was hier angebaut wird? Tulpen und Radieschen natürlich,
du
Dusseltier. |
Nein, auch kein Hanf oder Klatschmohn. Der wichtigste Exportartikel von
Sri Lanka ist der Tee,
und der gedeiht am besten in den hohen und höchsten Lagen, genau wie guter Kaffee. Du
brauchst nur eine Tasse unter den Teebeutelbaum zu halten, und schon
tröpfelt er dir den Trank hinein. Genial, was?
Du lässt dich nicht ins Bockshorn jagen von diesem vom wilden
Affen gebissenen und mit allerlei Spritzen gedopten Frank Eschersheimer? Na, dann muss Tee-Experte Frank wohl doch einen
spröden
Vortrag halten. Also, pass auf.
Die Teesträucher würden auch in der sumpfigen Ebene
nicht
eingehen, aber da
wachsen sie zu schnell, und die Blätter haben kaum Aroma.
Vielleicht gibt's da auch zu viele Blattläuse, weiß
der
Kuckuck. Das echte Zungenkribbeln, das die Gemeinde der Tee-Aficionados zu
Entzückensschreien verleitet,
entsteht erst bei langsamem Wachstum und starken Temperaturwechseln,
und die kannst du ab 2000 m Höhe am eigenen Leib
erspüren,
tagsüber warm und abends Heizöfchen und
Wärmflasche, wie
in Lüdenscheid im Oktober. Aber nur manchmal.
Meistens ist in Lüdenscheid
nur Heizöfchen und Wärmflasche angesagt, von wegen
tagsüber warm. Kann aber noch kommen, es ist ja globale Erwärmung angesagt, auch für Lüdenscheid.
Aber Frank schweift wieder ab. Also, der Tee, den man notfalls
auch in
der Ebene
pflücken kann, heißt "low grown", schmeckt nach
Bahndamm, Heuhaufen und Altkleidersammlung und ist nicht
exportfähig.
Nicht mal genussfähig. Da kannst du dir deinen Tee auch gleich
aus
dem gemähten Rasen von Lüdenscheid brauen. Aber
nichts gegen Lüdenscheid....
Um Kandy herum findet man auch vereinzelt Teegewächse, da ist
es
hügelig und zwei Grad kühler als in der Ebene;
das Zeug
nennt sich "mid grown" und wird von sehr armen oder sehr
ahnungslosen Durstigen zur tea time
gesüffelt, aber nicht ins Ausland verschifft, um die
Reputation
des Ceylon-Tees nicht zu gefährden. Auf den Tee-Auktionen in
aller
Welt landen nur "high grown" Produkte von da oben, wo wir gerade
hintuckern, die regelmäßig
deutlich höhere Erlöse erzielen als alle indischen
Kreationen.
Vielleicht liegt es ja auch daran, dass Ceylon-Tee vor allem in den
Ölscheichtümern beliebt ist und fast 90% der
Produktion im Sand
der arabischen Halbinsel versickert. Die Emire zahlen mit
dem Erdöl,
das Myriaden luftverpestender Tuktuks am Leben erhält und dem Frank als Auspuffmulk schon
die Nase
verklebt. Ihm wäre es lieber, diese Stinkomobile wären ohne
den Umweg über arabisches Öl direkt mit Tee zu betreiben.
Inzwischen schmerzen seine Arme, der Nacken ist verkrampft, mindestens
600 Serpentinenkurven und gefühlte 3000 m alpine
Höhe, aber
von Nuwara Eliya, dem wundervollen, geheimnisvollen
Höhenkurort,
ist nicht mal eine Kirchturmspitze zu sehen. Die Tankanzeige von Franks Gefährt steht bei Null, den Berg rauf schluckt der Toyota ordentlich
Sprit. Vielleicht gibt er sich ja auch mit Tee zufrieden?
Endlich taucht ein Schild am steilen Wegesrand auf.
|
Noch eine halbe Stunde Serpentinen, und das mit leerem Tank, es
geht endlos höher und
höher, dann erreicht Frank mit dem letzten Tropfen Treibstoff
die
einzige Tankstelle des Städtchens, an der kein
Tee ausgeschenkt wird.
Natürlich hat der Frank nichts vorgebucht, und das ist sein
Glück. Wo er auch anfragt, alles ist complet, full, sorry.
In
einem sehr hübschen, zentral gelegenen Hotelchen
weiß der
Manager aber was für spezielle Fälle.
"Wir haben einen Bungalow für durchreisenden Staff", sagt er,
was
immer das heißen mag. Zählt Frank zum
durchreisenden Staff?
"Das ist eine ganz normale Wohnung, nicht so schön wie das
Hotel hier, aber
Sie können da zum halben Preis wohnen. Der Hausmeister ist
immer
da und macht Ihnen jederzeit kostenlos Tee."
Ansehen kann man sich das Ding ja mal. Der Manager packt Ka&Frank in sein
eigenes Dienstvehikel und fährt sie, knapp 300 m nur, zu einem
Häusle in einem stillen Wohnviertel.
"Hier ist es", sagt er, stemmt das Tor auf und fährt durch
einen
Vorgarten vor die Tür. "Heute und morgen sind Sie, wenn Sie
wollen, die einzigen
Bewohner, am dritten Tag kommt noch ein junger Ire, der geschäftlich hier
zu tun hat. Aber das Haus hat drei Appartements,
gestört werden Sie dadurch nicht."
Ka&Frank sehen sich das Haus und dann
einander an; Ka strahlt. Es ist
eine weitläufige Suite mit Schlafzimmer, riesigem Badezimmer
mit eigenem Vorzimmer,
ein Salon, in dem man eine Tangomeisterschaft austragen
könnte, mit einer wohnzimmergroßen, verglasten Gartenveranda, Garten und
Küche, und der alte
Hausmeister, der
herbeigeschlurft kommt, erinnert zwar nicht an Sena, ist aber
genießbar und dienstwillig. Der Bungalow hat keine Lobby und
kein
Restaurant, keine Lounge und kein livriertes Personal, ist
aber
das Allerschönste, das man sich wünschen kann, ruhig und sachlich und, vor
allem
im Preis (58 $), die ersehnte bürgerliche Mittelklasse;
eine
riesige, britische Villa mit Garten und Butler in einer noblen
Stadt.
"Frühstücken und speisen können Sie
jederzeit bei uns im
Hotel", ergänzt der Manager noch, als ob diese Offerte
nötig wäre, um Frank zu überzeugen. Der pappfade Toast mit Marmelade
als
Hotelfrühstück für Touristen ist nach vier
Tagen
Sena-Curry de luxe alles andere als verlockend, für das
Frühstück sorgt Frank schon selbst. Das erzählt er dem Herrn
Manager natürlich nicht.
|
Den Rest des Tages trifft man Frank beim Herumtapsen im Ort an, Orientierung. Eine
erstaunliche Stadt. Man sieht, dass sie von den Briten als
Sommerfrische und Einkaufszentrum für all die
Tee-Barone
gegründet worden ist, die hier ihre üppigen Einnahmen
in
Vergnügungen umsetzen wollten. Das Zentrum der Stadt, gleich
neben
der Bazargasse, in der sich alle Shoppes, Restaurants und
Märkte
befinden, ist der weitläufige Victoria Park, der beinahe
fließend übergeht in Cricket Stadium und Horse Race
Course.
Parallel zum Victoria Park, der Eintritt kostet (Einheimische 40 Rp,
Gäste 300 Rp, das nenne ich Gastfreundschaft!), liegt der
eingezäunte Golf
Course, for members only natürlich. Dahinter befindet sich der
städtische See, auf dem die Boat Races veranstaltet werden,
und
ein Football Ground hat gleich daneben auch noch Platz. Der Hang ist
betupft mit Villen, von grünem Rasen umgeben, die, vom
Abendnebel dekoriert, ebenso am Loch Ness stehen könnten und
selbstverständlich auch "Villa Loch View" und so
ähnlich
heißen.
An Sri Lanka erinnern nur der wie überall höllische
Verkehr,
die glockenförmige weiße Dagoba an der zentralen
Kreuzung
und das endlos jaulende Krächzen aus irgendeinem fernen Lautsprecher,
wenn die Stunde
näherrückt, in der Allah mit Lobpreisungen
gefüttert
werden muss. Im Bazar schaut sich Frank um, weil er selbst für sein Frühstück sorgen muss, und kauft
einige
Vegetable Rotis, Spring Rolls und ausgezeichneten Butter Cake,
dazu ein Bündel Trauben, das sollte ausreichen. Den Tee dazu
wird ihm sein Butler servieren.
|
Gleich hinter der Stadt erhebt sich der höchste Berg von Sri
Lanka, der Mt.Pidurutalagala (2524 m). Die Ortslage ist hoch, die Wolken
hängen tief, aber es sind Schönwetterwolken, die
abends die
Bergspitzen verhüllen. Es wird kühl, aber nicht kalt
in der
Nacht, und auf dem Weg in die exquisite Villa nach
dem Dinner im Restaurant Great India sieht man zwischen den Wolkenlücken jeden Stern, jeden Sputnik, nahe
und
ferne Galaxien, Exoplaneten und allerlei Weltraumschrott.
Heizöfchen
braucht man nicht, ordentliche Federbetten sind für die Nacht
ausreichend, und am Morgen bringt der Housekeeper
tatsächlich
eine währschafte Riesenkanne voll heißem high grown
Ceylon-Tee.
Den will sich Frank mal näher anschauen.
|
Heute ist Sonntag,
aber
einige Teeplantagen lassen auch sonntags Besucher ein und
führen
vor, wie aus einer Handvoll grüner Blätter ein
rechtschaffener Teebeutel
wird. Frank dödelt also wieder talwärts, bis sich nach
einem
Dutzend Kilometern und etlichen Haarnadelkurven die "factory" der Firma
MacWood Tea Estate zwischen den Wipfeln weit unten am Abhang blicken
lässt.
Es gibt auch bei Nuwara Eliya eine Teefabrik, Pedro's Estate, aber die
ist mehr für eilige Gruppenbesucher zuständig, die
das schon alles
vorgebucht haben, und verlangt von außerordentlichen
Gästen
deftige Gebühren. Außerdem hat der faule Pedro
sonntags zu.
Die anderen, zu denen auch MacWood gehört, machen die
Führung
kostenlos und vertrauen darauf, dass dadurch mehr Besucher kommen und
anschließend im großen Tea Shop nahe dem Parkplatz
tüchtig einkaufen. In Anbetracht der beiden Chinesinnen, die
soeben
voll bepackt
aus dem Laden kommen wie Lieschen Müller
beim Einkauf der Weihnachtsgeschenke beim Aldi in Lüdenscheid, scheint es, dass diese Rechnung
aufgeht.
|
Die
Dame, die sich als Führerin in Bewegung setzt, sobald vier
oder
fünf fremdländische Teefans beisammen stehen, spult
ihren auswendig gelernten
Sermon lustlos ab wie ein etwas zu schnell laufendes Tonband, eilt mit
Siebenmeilenstiefeln durch die Hallen, in denen es nach frisch
gemähtem Gras riecht. Da werden die grünen Blätter
auf ein
Fließband geschüttet, getrocknet,
fermentiert, zerhäckselt, entzweigt, sortiert und
verpackt, und die großartige Führung ist nach nur zwanzig
Minuten mit der gesamten Fabrik fertig, das nennt man gut
organisiert. Das
einzige, was sich ins franksche Gedächtnis eingegraben hat, ist,
dass ein
Blatt nur 24 Stunden benötigt, um als Teebeutel zu enden; auch
hier ist die Rationalisierung ziemlich effektiv. Jetzt hofft der Laie,
am Ende in der weiten Cafeteria eine kostenlose Probe der hier
gezüchteten Auslesen kredenzt zu bekommen, aber eine Cuppa
Tea
kostet hier genauso viel wie beim Raffles in Singapore.
Ka steht derweil im Laden und dreht etwas ratlos Teepackungen mit
diversen Aufschriften wie Broken Orange Pekoe
oder Single Estate
Fannings
hin
und her; vermutlich hat die Tee-Tussi diese Bedeutungen auch mit
heruntergeleiert, aber erstens war ihr Englisch nicht astreines Oxford,
und zweitens war sie, während dem Frank allmählich die
Bedeutung
von Dust und Broken ins Gehirnschmalz einsickerte, schon bei den Silver Tips angelangt.
"Wir sollten die Führung nochmal machen", meint er ernsthaft.
"Bei dieser Quickie-Tante?" Es
gibt noch mehr Factories und Tea Estates. Aber vorher muss er die
charmante Lakshmi noch etwas fragen, das ihm nicht aus dem Sinn
gehen will.
|
![]() |
Frage:
Alle Plantagen sind
menschenleer. Wer pflückt den Tee? Lakshmi:
Die Teepflückerinnen arbeiten in Gruppen
nach
einem festen Pflückplan, der ihnen jeden Tag
eine andere
Stelle zuweist. Es sind fast nur Frauen, Tamilinnen. Den Singhalesen
war diese Arbeit einst nicht gut genug, sie verlangten zu viel Lohn,
deshalb
haben die Briten arbeitslose Tamilinnen geholt. Sie leben mit ihren
Angehörigen in elenden Hütten am Rand der Plantagen
und
werden bis heute schrecklich ausgebeutet. Sie müssen Tag
für Tag 20 Kilo Blätter pflücken und
bekommen dafür
gerade mal lumpige 3 $ Lohn, aber nicht pro Stunde, sondern
pro Tag. Deshalb ist
selbst guter Tee bei euch zuhause recht billig, obwohl sich die
Plantagenbesitzer eine goldene Nase dran verdienen.
|
Mehrere
Etagen tiefer, aber immer noch relativ weit oben im "high grown"
Bereich, liegt die Blue Fields Plantage. Nur das Dach der Factory ist
blue, die fields
sind genauso grün wie alle anderen auch. Aber hier zeigt den Besuchern
eine
sehr liebenswürdige junge Dame in einem blau-goldenen Seiden-Sari eingehend die Fabrik
und
beantwortet auch Fragen.
|
Das
Förderband fährt die Blätter in
Zeitlupe unter einem Gebläse durch, dann werden
sie gewendet und weiter ventiliert oder einfach an der Frischluft
getrocknet, zehn Stunden lang. Danach kommen sie in eine Presse, die
die Blätter rollt und zerdrückt, so dass der
restliche
Blattsaft im nächsten Prozess bei 90° in einer Hitzekammer fermentiert.
Eine
Maschine
entfernt anschließend die harten Blattrippen und Stengel, und
als
nächstes werden die Blätter per Laser-Scan automatisch
nach Farben
sortiert. Die
hellbraun fermentierten nennt man Pekoe oder auch, wegen der Farbe,
Orange Pekoe, was
aber im Prinzip dasselbe ist, und die dunkelbraunen heißen Fannings.
Pekoe-Blätter werden nun auf
Teekrümelgröße
zerkleinert und heißen fortan Broken Pekoe, der lose in
riesige
Säcke (60 Kilo) verpackt und zur Auktion gegeben wird.
Fannings
hingegen, der beim Auskochen bitterer schmeckt, kommt zusammen mit
Dust, wie man den Satz vom Boden der
Zerkleinerungsmaschinen nennt, in die Teebeutel, weil solcher Tee
traditionell und vor allem in Britannien mit viel Milch getrunken und gezuckert wird, weshalb er
nach süßem Spülwasser schmecken
würde, falls kein
bombenkräftiges Aroma im Beutel ist. Dust ist am billigsten
und
schmeckt am bittersten, er ist auch verantwortlich für den
Satz in
deiner Teetasse.
So wird aus 5 Kilo Teeblättern ein Kilo Tee, wofür
die
Teepflückerin, wenn den Frank die Mathematik nicht im Stich
lässt, 0,75 $ bekommt, 90 $ pro Monat. Davon werden
vermutlich noch
Miete, Steuern, Versicherung, Gewerkschaftsbeitrag, Kantinenessen und
Schuldenzinsen abgezogen, also trink deinen Tee mit Bedacht und denk an die ausgebeuteten Frauen.
Außerdem wird noch Green Tea hergestellt, bei dem die
Blätter nicht fermentiert, sondern nur getrocknet sind, und
Silver Tips, das sind die kaum aufgerollten allerzartesten Knospen an
der Spitze der Zweige, die, ebenfalls unfermentiert, einen fast
farblosen Sud, den sogenannten White Tea, ergeben. Hundert Gramm Silver
Tips kosten 100 $, das ist sozusagen die Trockenbeerenauslese der
Teeproduzenten.
|
Im
Prinzip kannst du deinen Tee auch im Supermarkt einkaufen; der einzige
Unterschied, wenn du auf der Plantage direkt kaufst, ist, dass du Single Estate bekommst und keine Mischung (blend), die beim
Export zwecks Aufrechterhaltung einer gleichbleibenden
Qualität
die Regel ist. Frank ist kein Teeologe, ihm schmeckt jeder Tee so ziemlich
gleich, bitter, wenn man ihn zu lang hat ziehen lassen, dünn,
wenn
er nur aufgegossen wurde, und kalt, wenn man ihn nicht sofort trinkt,
hahaha.
Weil so ein Teevortrag auch die Zuhörer durstig macht, sehen alle die gute
Lady erwartungsvoll an und werden von
ihr nicht
enttäuscht. Bitte nehmen
Sie hier Platz, sagt sie in der modern eingerichteten, hellen Cafeteria
und lässt den Gästen, Service des Hauses, nein, keinen Kaffee, du Dummbeutel, sondern
Tee servieren. Käsekuchen und Afternoon
Cookies Assorted
kann man an der Kuchentheke dazu kaufen. Natürlich
süffelt Frank jetzt keinen dahergelaufenen Lipton's Aldi-Fixbeuteltee, sondern erschnuppert mit
Kennermiene einen echten High Grown Single Estate Broken Orange Pekoe.
Zum Dank für die Freundlichkeit erledigt Ka hier ihre
Einkäufe für die japanischen Teekenner in der
Verwandtschaft,
während Frank sich einen weiteren Luxus leistet
und ein 25gramm-Döslein
Silver Tips ersteht, muss ja mal probiert werden.
Nein, das nachstehende Bild zeigt NICHT Franks gesammelte
Einkäufe, sondern exportbereite king size Teebeutel.... |
So,
weil Frank ohnehin schon weit zu Tal geraten ist, will er mal nicht
wieder dieselbe Strecke raufschuckeln, sondern fährt durch
Seitentäler und über Nebenstraßen, um mehr
vom Highland
zu sehen. Auch hier weit und breit nur Teefelder, ganze Hänge
sind
entholzt und mit Teebüschen übersät, und wenn nicht
ab und an ein See durch die Botanik blinkte, wäre es beinahe
langweilig. Überall steht in großen Lettern
angeschrieben,
wessen Plantage man gerade durchfährt.
Also, dass es langweilig wird, das hätte Frank nicht sagen
sollen. Er erreichte nämlich soeben die große A7, die auch
nach
Nuwara Eliya führt, vom Südwesten her, und liebe
Erinnerungen
an die Strecke Anuradhapura - Trincomalee werden wach. Er
wäre
besser auf den Nebenstraßen geblieben, die sind zwar schmal, aber immerhin asphaltiert. Ich sage dir, wenn er
nicht per Zufall eine --leider auch nicht bessere-- Abkürzung
gefunden hätte, die ihm volle 13 Kilometer Gejuckel
über
Schottergrubenkraterschlamm ersparte, würde er
womöglich
jetzt noch durch die teehaltige Ökologie jaulen und hätte einen
wunden
Popo von der Achterbahn. Er ist schließlich kein Tee-Nager mehr.
|
Unterwegs wurde Ka&Frank aber eine nette Begegnung zuteil. Frank erspähte am
Hang,
nicht weit unterhalb der unsäglichen Chaussee, eine Gruppe
Teepflückerinnen, die sich wie Raupen durch das Buschwerk fressen; willkommene Gelegenheit für eine
Pause. Frank
sieht ohnehin im Urlaub gern anderen Leuten bei der Arbeit zu.
Kaum kommt das arme, von Schlamm und Staub gezeichnete Fahrzeug vom Stamme der Toyotas
samt
mitgeführter Staubwolke zum Stillstand, drehen alle
Pflückerinnen wie auf Kommando die Hälse um
und sehen Frank mit Kamera am Straßenrand stehen. Das gab ein lebhaftes Hallo! An der großen Chaussee nach Kandy
fahren
täglich Hunderte von Touristomobilen entlang; wer da Tee
pflückt, den lassen neugierige Blondschöpfe kalt,
aber hier
gerieten die Frauen beinahe aus dem Häuschen über den unverhofften Besuch. Der misslaunige
und schmerbauchige Aufseher, der sie lieber feste an der Arbeit gesehen
hätte, war
machtlos, während seine Schützlinge sich winkend und
rufend in Franks
Richtung in Bewegung setzten, als hätte er ihre
Lohntüten in
der Hand.
|
Die
flinkste posiert vor seiner Kamera mit frisch gepflückten
Blättern in beiden Händen wie eine Miss Pekoe oder ein Model für
den
Reiseprospekt, andere laufen zu Ka und wollen mit ihr zusammen
fotografiert werden. Alle haben sie den indischen Punkt auf der
Stirne, nein, nicht den umweltfreundlichen grünen
Punkt, du Dödi, sondern den roten, der böse
Geister und aufdringliche Männer fern halten soll; es sind also
tatsächlich
Tamilinnen.
Eingedenk ihrer karg entlohnten Arbeit drückte Frank
der Modelfrau schnell ein Trinkgeld in die Pfoten mit den
blattlausgrünen Fingern, aber für die anderen, immerhin knapp
dreißig emsigen Damen, die auch alle angewackelt kamen, hatte er beim besten Willen kein
Kleingeld in der Tasche; mit US $
Noten kann er auch nicht um sich werfen, denn dann müsste er
anschließend selber mitpflücken, um sich die
nächste
Mahlzeit zu verdienen. Es ist schon ein Dilemma.
|
In Nuwara Eliya wird auf dem Bolzplatz soeben das
Fußball-Endspiel um den Silbernen Teekessel ausgetragen, eine
von
barfüßigen Fans frenetisch angefeuerte heimische
Truppe im
Kampf gegen irgendwelche bärtigen Allah-Jünger, die
sich aber
im Quran besser auskennen als mit dem Regelwerk oder dem Referee keine
70 Jungfrauen liefern wollten. Jedenfalls wird nach jedem Foul einer
vom Platz gestellt, so lange, bis die einheimische Mannschaft gewinnt,
gerade rechtzeitig, bevor es so dunkel wird, dass man bei der
anschließenden Keilerei tüchtig zulangen kann, ohne
Furcht,
identifiziert zu werden.
Während die Überlebenden an der provisorischen
Tribüne
ihren Teepott überreicht bekommen, spaziert Frank in der
Dämmerung rund um die Pferderennbahn, auf der zahlreiche
Löcher und viel Unkraut davon zeugen, dass hier schon
länger
kein Derby mehr stattgefunden hat. Lankesen spielen lieber Cricket.
Aber etliche Pferde weiden da und laufen frei herum, obwohl nur
ein vielfach lückenhaftes Holzgeländer sie von der
Straße samt
Verkehr trennt, aber erstens schmeckt das Gras im Rund viel frischer
als der Asphalt auf der Straße, und zweitens kommt am Abend
ein
Typ und sperrt sie irgendwo weg. Es sind aber keine Rennpferde,
sondern sie werden den
Touristen
für
eine sehr teure Zeitlupenrunde "horse riding adventure" um die Rennbahn angedient.
|
An der Straßenecke nahe bei Franks Suite ist ein
Müll-Sammelplatz,
dessen Plastiktütengebirge regelmäßig zweimal die Woche von der
Stadtreinigung
entsorgt wird. Hinter den Müllbeuteln erblickt Frank ein Komposthäufchen aus Gras und
Blättern, auf dem friedlich aneinandergeschmiegt zwei winzige
Hundebabys schlummern. Während er dabeisteht und sich das
Idyll
anschaut, wacht das schwarze Welpentier auf, klettert aus dem Nest und
kommt schwanzwedelnd zu ihm her. Ka hat wieder fürs
Frühstück eingekauft und gibt dem Kerlchen ein
bisschen vom
frischen Gemüseteigröllchen ab. Frank bemerkt trotz der
Dunkelheit, dass von weither ein großer Hund herbeigelaufen
kommt. Nein, er will nichts abbekommen, auch nicht beißen
oder spielen, sondern es ist die Mama der
Welpen, die sich Sorgen macht, dass man ihr den Nachwuchs klaut. Aber
keine Angst, die buddhistischen Menschen hier lassen die Tiere in Frieden, weder die
Müllabfuhr noch freche Buben tun den Kleinen irgendetwas an
oder
vergreifen sich an dem Nest.
Am Morgen der Abfahrt bekommen die Hundekinder Franks
Frühstücksreste, und die Hundemama schaut aus einiger Entfernung
wachsam, aber
unbesorgt zu.
Die Jungs, die das Vordach über dem Eingang unsres Bungalows
reparieren, sehen, wie wir die Taschen einladen. Einer kommt
runtergeklettert und erbietet sich, schnell
unser
Auto zu waschen.
Einfach so. Zugegeben, es kann eine Dusche durchaus gebrauchen,
aber erstens ist Frank
kein
Plantagenbesitzer, der
seine Lakaien herumkommandiert; sein Auto würde er schon selbst waschen. Und
zweitens sähe man dann wieder die kleine Schramme vom
ersten
Tag, und die soll besser bis zur Rückgabe des Wagens unter
einer
kräftigen Schicht Straßenstaub verschwunden bleiben. Frank
bedankt sich aufrichtig bei dem tüchtigen Jüngling, und dann geht es weit, weit runter, den ganzen Tag
talwärts bis ans Meer, es sind alleine in der Vertikalen 2 km
Höhenunterschied.
|
Wegen des Straßenzustands ergibt sich ein
beträchtlicher
Umweg; bei Nonagama erreicht Frank am Nachmittag die
Südküste
der Insel und donnert dann die glatte, aber sehr verkehrsreiche
Straße nach Westen in Richtung Matara, das eine richtig
große Stadt ist. Dort ist wieder die Hölle los, zwei
Tuktuks
beharken sich und krachen beinahe voll ineinander, aber eines kann
sich mit einem kühnen Schlenker vollgas auf die Gegenfahrbahn retten,
wo Frank gerade angetuckert kommt. Charmant. Ka hält sich schon
fest, macht die Augen zu und ist auf
den großen frontalen Knall gefasst, aber Frank zieht intuitiv
nach rechts, wo
sich wie durch ein Wunder gerade eine Lücke im Gegenverkehr auftut,
und
entkommt im Not-Rechtsverkehr dem finalen Crash, der das Blech-Dreirad
garantiert in einen Schrotthaufen verwandelt hätte.
|
Darauf braucht man erst mal eine Erholung. Die findet sich in der Apa
Villa, ein kleines Strandbungalow-Hotelchen mit Pool im Garten, das
zwischen der Landstraße und dem Meer eingeklemmt ist. Zum
Glück liegen die Bungalows, wo Frank schon wieder eine Suite
bezieht, auf der Strandseite, und die Brandung braust stärker
als
der Verkehr. Auch hier hat der Tsunami von 2004 heftig zugeschlagen, so
dass Frank ein leichtes Unbehagen beschleicht, aber so ein Tsunami rollt sicher
nicht alle Tage herbei, und in der zweiten Nacht sorgt Frank sich schon mehr darum, wo
denn die Lücke im Mosquitonetz war, wegen der er in der ersten
Nacht um den Schlaf gebracht wurde.
Ganz schön,
so ein
Strandbungalow, aber nicht gerade billig.
Genauer gesagt: Sündhaft teuer. So schön der Garten
samt Pool
ist, so schwach ist das im Preis enthaltene
Frühstück. Gut,
Obst gibt es in Fülle, aber das ist auf dem Markt so gut wie
kostenlos. Zwei trockenfade Bierdeckel, die hier Toast heißen, ein bisschen
Butter, Ei und Marmelade, das soll ein Frühstück sein?
Das ist Frank von Sri Lanka nicht gewöhnt. Das
Abendmahl ist
schon üppiger, mehrere Gänge mit Steak, Carpaccio,
Lasagna
und Terrine, so ein international zusammengestoppeltes Food,
das keinen Gaumen beleidigt, den Gast dick und seine Geldbörse schlank
macht,
kostet lässige 3000 Rp pro Person, ohne Getränke.
Für
den
Betrag kann man in einem einheimischen Lokal
fünfmal essen, zu zweit, mitsamt Bier oder Wein. Der Manager
fragt am dritten Abend tatsächlich, warum Frank nicht im Hotel
speist, aber erstens hat er nur B&B gebucht und zweitens müsste er
nicht bis nach Sri Lanka reisen, um Sushi, Pasta und Cordon
bleu zu essen. Das gibt's mittlerweile sogar in Lüdenscheid. Und Vorspeisen,
Suppe und Dessert braucht er so kurz vorm Schlafengehen auch nicht.
Die
Strafe für Franks Hochmut, das teure Dîner zu
verschmähen und woanders einheimisch zu essen, ist der
versalzene und halb verkohlt gegrillte Fisch, den er vorgesetzt bekam, und
außerdem muss er mit seinem biervollen Bauch auf der
Todespiste
in der Dunkelheit zurückfahren, was auch
bei nur 3 km schon ein Alptraum ist. Nur dank Buddhas Barmherzigkeit
und Franks Fahrweise mit geschlossenen Augen ist er noch jedesmal ohne
Schrammen und plattgefahrene Haustiere und Fußgänger
heil
zurückgekommen.
Und was macht Frank am
Strand die
nächsten vier Tage ? BILD-Zeitung lesen, Eichhörnchen füttern, im Pool
plantschen,
meditieren, den Frachtern zusehen, die in Zeitlupe auf der Asienroute
vor Lankas Südküste entlangtuckern? Das
ist doch
nichts für den Frank, dessen
Affenbiss zügig verheilt....
|
Gleich nach dem Frühstück orgelt er mit seiner unverwüstlichen Blechkiste aus
dem Touristenghetto über die brodelvolle Piste in Richtung
Galle,
was kein saftbitteres Organ, sondern die Kapitale der
Südküste ist. Englische native speakers nennen den
Ort
ohnehin Gorl, aber die Einheimischen nennen ihn Gal-le, und bekannt ist
er als letztes Weltkulturerbe, das Frank auf dieser Insel abhakt.
Dann hat er sechs von acht visitiert, die beiden anderen sind
Naturparks, in die man nur mit Safarimobil und lizensiertem
Driverguide reinkommt, was Frank freilich nicht vorhatte.
Die gallige Stadt,
vielleicht 8 km
von Franks Rockefeller-Logis entfernt,
liegt an der Südwestecke der Insel und verfügt
über ein
kleines Kap, das sich vorzüglich zur Errichtung eines Forts
eignet, um die Süd- und Westküste und die dort
entlangsegelnden Schiffe ins Visier der niederländischen
Kanonen
zu bekommen. Schon die Portugiesen hatten das Kap ummauert, die
Holländer und Briten weiter dran gebosselt und Kanonen draufgestellt. Die Mauer des
Forts
ist beinahe vollständig erhalten,
und innerhalb der Mauern liegt die Altstadt, die mit ihren netten
Gässchen voller Lädchen und Restaurants an die
berühmte
Stone town von Zanzibar erinnert.
Dieses überwiegend hübsch restaurierte
Altstadtidyll mit seinem portugiesisch-holländisch-britischen
Kolonialcharme wird von einem
weißen Leuchtturm an der Spitze des Kaps überragt, dem Wahrzeichen der Stadt.
|
Wahrscheinlich meinst du jetzt, in der Altstadt herrsche das gleiche
oder noch mehr Chaos als in vergleichbaren Städten, aber zu Franks
Überraschung ist dieser Stadtteil weitgehend in der Hand von
Künstlern
und Ausländern, Hoteliers und Tandbutikern, und in manchem
Arts'n'Crafts-Shoppe
kann es dir passieren, dass der Oheim oder Onkel des bärtigen
Besitzers in der Ladenecke auf einem Teppich auf dem Boden hockt und in
dem einzigen Buch schmökert, das er in seinem ganzen Leben je
gelesen hat. Aber ansonsten ist alles auf
Tourismus ausgerichtet, das wirkliche Leben findet außerhalb
der
Mauern des Forts statt.
Frank macht einen Rundgang die Mauer entlang; in weniger als einer
Stunde ist er wieder am Ausgangspunkt und kann von oben auf Kirchen
und Moscheen, Dachterrassen und Hotels, Gartenrestaurants und
Spielplätze schauen, die Stadt döst ganz beschaulich
in der
Mittagshitze, und durch die engen Gassen schieben sich mehr Kameraleute aus aller
Welt als spotzstinkige Threewheeler. Auf einer Bastion, unter der
das Meer an spitzige Felsen gischtet, hält ein rastalockiger
Jüngling einen Vortrag vor einer Gruppe einheimischer
Touristen.
Dann reißt er sich das T-Shirt vom Leib, rennt auf die Schar
seiner Zuhörer los, die sich erschrocken vor ihm teilt, und
fliegt
dann elegant über die Brüstung in die tosende Tiefe,
vom
Entsetzensschrei etlicher älterer Damen begleitet.
Alles nur Show, Richtung und Winkel exakt berechnet, landet er genau
zwischen den Felsen an einer tief ausgehöhlten Stelle im
glasklaren Meer und taucht ein paar Sekunden später prustend und lachend
wieder auf. Ein Kumpel kassiert ein paar lapprige Scheine von den
erleichterten Zuschauern.
Ja, du hast richtig gelesen. Einheimische Touristen. In alten,
ausrangierten Linienbussen trudelt alle paar Stunden eine Ladung von
Besuchern aus anderen Landesteilen ein, Galle scheint auch in Sri Lanka
ein beliebtes Reiseziel zu sein.
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Von der Mauer des alten Forts blickt man auf der Landseite auf
die
"andere Stadt" der Einheimischen, wo Busse, Zwei- und
Dreiräder
die Straßen beherrschen und allen weißen Linien zum
Trotz
kreuz und quer fahren, wo schmale Fischerboote am Ufer liegen und
zwischen Boothafen und Straße die Fischer ihren
nächtlichen
Fang verhökern. Packpapier gibt's am Kiosk
gleich nebenan. Weiter zum Meer hin, rund um den
Leuchtturm, sind Muttis und Omamas mit vielen, vielen Kindern auf
seichtem, sandigem Strand am Plantschen, während von oben
Blondinen
und Backpacker mit dem Zoom statt mit Kanonen auf die Badenden zielen.
Die limitierte Hotellerie von Galle ist gewiss nicht für die
Heerscharen von Ausländern verantwortlich; die kommen vielmehr alle aus
der nahen Bucht von Unawatuna, die wegen ihres endlosen Sandstrands,
klaren Wassers und ruhigen Wellengangs als Nonplusultra eines
Badeurlaubs auf Sri Lanka gilt. Entsprechend reihen sich hier
unzählige Resorthotels aneinander, und die meisten sehen erheblich
billiger aus als Franks raffgierige Nobelanlage.
Tagsüber ist Unawatuna total
uninteressant. Sonnencreme und Sonnenbrand zu besichtigen am Strand,
nicht anders als in Gran Canaria. Der einzige Unterschied ist
vielleicht, dass hier pausenlos fliegende Händler durch den
Sand
stapfen und versuchen, an den Liegestühlen Holzgeschnitztes
oder
Postkarten loszuwerden, und schwitzende Frauen im Sari mit spitzenbesetzten
Tischdecken und Muschelkettchen überm Arm. Ob sie aus ihren
schweren Rucksäcken und Warenkörben, die sie
über den
heißen Sand schleppen, den genervten Bikini-Girls je etwas
verkaufen? Sie sind zwar lästig, aber ein wenig tun sie Frank
auch wieder leid bei
ihren Versuchen, mit ehrlicher Arbeit ihren Unterhalt zu verdienen. Wer irgendwelche Souvenirs braucht, kann sie in
Unawatuna
kaufen, ohne sich aus dem Liegestuhl zu erheben, und wer Lust hat,
kann sich
ohne weiteres auch Ausflüge nach Nuwara Eliya, Kandy, Colombo
oder
Trincomalee arrangieren lassen, hier gibt es alles, was der Tourist so
benötigt, von billigen Flipflops bis zum ausgestopften
Elefanten.
Aber vor allem, was Ka besonders interessiert, die schönsten
Restaurants mit Tischen auf dem Sandstrand, jede Menge frisches
Meeresziefer, westlich oder als Curry serviert, abends bei Laternenschein am Rand
des indischen Ozeans.
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Auch bei vier Tagen Aufenthalt
langweilt man sich
in Galle eigentlich
nie. Es gibt immer etwas zu entdecken, das alte
Gerichtsgebäude,
das maritime Museum, hübsch restaurierte alte Villen,
Kunstgalerien und wechselnde Ausstellungen,
aber Frank hat einen Lieblingsplatz gefunden, an dem er stundenlang
sitzen kann und trotzdem immer Kurzweil hat. Wenige hundert Meter vom
Leuchtturm entfernt, auf dem Weg entlang der Fortmauer, stehen einige
riesige alte Bäume mit kleinen Sitzmäuerchen unter dem
Laubdach.
Hier, nahe dem hochtrabend "Place Vendôme Hotel" genannten
Guesthouse, steht das Dreirad des Eisverkäufers, hier ist der
Parkplatz der klapprigen Busse der Besucher aus dem Inland, hier hockt
der Schlangenbeschwörer mit seinen Kisten voller Kraits und
Kobras, hier agiert der Klippenspringer, und hier ist der Sammelpunkt
der Besuchergruppen aus Jaffna oder Kurunegala, hier setzt sich eine
Frau im Sari neben Frank und raunt ihm ins Öhrchen, sie
könne
aus seiner Handfläche seine gesamte Zukunft ablesen.
"Zukunft?" Frank musste grinsen. "Ich habe mehr
Vergangenheit als Zukunft."Ein Alter, der ein bisschen Englisch kann, setzt sich dazu. "Glauben Sie an solche Wahrsagerei?", fragt er. Frank muss sich nicht lang besinnen.
"Ich kann selbst ziemlich gut wahrsagen und vertraue deshalb nur solchen Wahrsagern,
die aus meiner Hand auch fehlerfrei meine Vergangenheit ablesen können. Bei anderen bin ich skeptisch."
"Sie können selbst wahrsagen? Wo haben Sie das gelernt?" Gelernt? Frank kann das einfach,
das muss man nicht lernen. Eine gehörige Portion Flunkerei
gehört schließlich zur Wahrsagerei mit dazu.
"Sie kommen aus Trincomalee, nicht wahr?", sagt Frank.Der Alte reißt verdutzt den Mund auf. "Woher wissen Sie das?"
"Wahrsagerei, ganz einfach. Ich bin darauf spezialisiert, sowas aus dem
Gesicht abzulesen, das nennt man Physiognomie-Deutung; ich brauche
keine Handflächen", sagt Frank gelassen, mit todernstem Gesicht. Als
der
Alte noch
nicht hier saß, hatte er von einer Frau aus demselben Bus
erfahren, dass die Gruppe aus Trinco gekommen sei. Aber noch mehr
wahrzusagen wäre sehr riskant, also wechselt er das Thema.
"Ich war auch in Trinco. Eine schöne Stadt, aber sehr
heiß. Ich habe das Konesvaram-Heiligtum besucht...."
Dass auch das Hospital von Trinco zu dem guten Eindruck der Stadt beigetragen hatte, braucht Frank ja nicht zu
erzählen,
das hätte auch die Englischkenntnisse des Gegenüber
überfordert. Aber wo, wenn nicht hier, kann man mal ganz
relaxt
mit normalen Lankesen reden und scherzen, ohne zu Taxifahrten oder Glasbodenschiffen
und Whale watching aufgefordert zu werden?
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Der Fakir mit seinen Kobras kennt Frank und Ka schon, wenn sie auch am zweiten
und dritten Tag wieder ein Stündchen an ihrem Kontaktforum
unter dem großen Baum sitzen und dem Volk
zuschauen. Eine Mama aus Trincomalee setzt sich zu Ka und zerrt
ihren widerstrebenden Buben herzu, damit er sich zwischen Mama
und
Ka hockt, und der Papa macht dann ein Foto "unser Bub mit
fremdländischen Touristen", na klar doch, Frank macht ja auch
Fotos
von den Lankesen, und wenn sie mit ihm und Ka ihren Spaß haben
wollen,
den gönnt er ihnen. Die nächste Mama will ihre
beiden
Zwillingstöchterlein, gleich gekleidet und mit rosa Schleifchen im
Haar, partout neben Frank placieren, aber so ein bärtiger
Brillenfrank sieht vermutlich aus wie der böse Riese aus dem
Bilderbuch, der kleine Kinder frisst, weshalb sich ein schrilles Duett
erhebt, denn keines der Kinder hat den Mut, sich in die Nähe
dieses bleichen Ungeheuers zu
begeben, so sehr die Mama, die Tante und die Oma ihnen auch zureden.
Selbst Frank charmantestes Lächeln hat nur den Effekt, dass
sich
der Heulchor zum Fortissimo steigert.
Bei älteren
Mädchen hat er offenkundig ein wenig
mehr Erfolg. Die Gruppe von Studentinnen, die auf der Mauer tollen und
sich gegenseitig abfotografieren, ist so lieb, samt barfüßiger Professorin auch für ihn
all ihren Charme aufzubieten und freundlich zu posieren. Sie kommen aus Colombo und sind auf
Studienfahrt.
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Das letzte Abendmahl
auf dem
Strand von Unawatuna, es ist windstill, Frank steckt die
Füße
tief in den warmen Sand, um nicht noch von Mosquitos zerbissen zu
werden. Und die letzte nächtliche Rückfahrt von Galle
zu seinem Bungalow; Frank macht wie immer die Augen zu und betet zu Buddha,
aber diesmal wurde er nicht erhört. Nicht dass er ein
Tuktuk aufgespießt oder einen Köter geplättet hätte, aber kaum 200 m vor dem
Ziel winkt ihm jemand mit einem roten Leuchtstab zu. Kein Anhalter, sondern eine
Polizeikontrolle. Frank unterdrückt seinen bierseligen Schluckauf, aber
es kommt kein Alkoholtest, wie Ka schreckensbleich vermutet. Solche Pusteröhrchen haben die hier
vermutlich gar nicht im Repertoire.
"Sie haben in der letzten Kurve die weiße, durchgehende
Mittellinie überfahren", wurde ihm in schauderhaftem Englisch
kundgetan. Zum Kichern...., bei der Art des
wilden Kreuzundquerfahrens hier in diesem Land! Frank ist schleierhaft, wie der Schupo das aus 400 m Entfernung gesehen haben will, es ist
stockfinster, abgesehen von den Scheinwerfern der vorbeidonnernden
Kamikazebusse. Frank geht mal davon aus, dass er einfach leicht anzuhalten
war, weil er sich möglichst von den wilden Pulks fernhält
und
alleine vor sich hintuckert, sofern es die Verhältnisse
zulassen. Er ist sicher, da will sich ein offizieller Typ einfach ein
Trinkgeld verdienen. Er zeigt dem Uniformierten Führerschein
und
Wagenpapiere.
"Die Papiere sind in Ordnung, aber für den Verstoß
ist ein
Bußgeld fällig," radebrecht er. Trotz der Dunkelheit
kommt
es Frank vor, als sei ihm die Sache mit einem vermeintlichen Briten am Volant etwas unlieb, das Englisch-Reden und überhaupt. Wenn er es
geschickt anstellt, kommt Frank da womöglich elegant raus, er muss den schwitzenden Bullen nur sein
Gesicht wahren lassen.
"Können Sie mir den Strafzettel bitte an meine Adresse in
Colombo
senden, ich möchte das schriftlich haben und ins Englische
übersetzen lassen, dies ist nämlich ein Firmenwagen",
sagt Frank, denn er sah, dass der Uniformierte einen Formularblock unterm Arm klemmen hat. Der guckt Frank geradezu erleichtert an. Der Schupo, nicht der Formularblock.
"Ach, Sie sind Resident? Ja gut, aber Sie müssen das Geld
innerhalb von zehn Tagen überweisen." Frank gibt ihm die Adresse des Autovermieters an und zeigt ihm den
Umschlag, in dem der Mietvertrag steckte. Von Autoverleih steht da nämlich nichts außen drauf,
sondern nur
"Quickshaws Travel and Tourist Agency".
"Das ist mein Office", sagt Frank, "nächsten Montag bin ich
wieder in Colombo, da können Sie es hinschicken."
Der Dorfpolizist lässt sich widerstandslos den gewaltigen Grizzly aufbinden,
notiert sich sicherheitshalber noch Franks
Nummernschild und
wünscht ihm dann gute Fahrt. Anschließend wird er vermutlich
nichts nach Colombo senden, sondern das Formblatt zerknüllen,
(hoffentlich umweltfreundlich) entsorgen und sich als Nächstes ein
einheimisches Opfer suchen.
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Dieser amtliche Wunsch zu einer guten Fahrt ging nicht nur auf den letzten 200 m bis zum
Hoteleingang, sondern auch am
andern Morgen auf der Rückfahrt nach Colombo in Erfüllung. Anfangs war nur wenig Verkehr, und
bald kam Frank an der Stelle vorbei, an
der 2004 ein ganzer Zug vom Tsunami fortgespült worden war;
die
Südküste ist weitgehend flach und hatte die vollste
Wucht der
Naturkatastrophe abbekommen. Streckenweise ist die Straße
auch
mehr als zehn Jahre später noch von Hausruinen
gesäumt; in
den einstigen Gärten weiden Rinder. Auf halbem Weg zur
Hauptstadt
liegt das Städtchen Ambalangoda, das als Heimat der
Maskenschnitzer bekannt ist. Frank macht am Maskenmuseum Halt und guckt
im Workshop auch den jungen Maskenschnitzern bei der Arbeit zu,
zusammen mit einer Gruppe Studenten, wie sie an allen
Sehenswürdigkeiten anzutreffen sind. Lankesische Studiker verbringen ihr Studium
offenbar sehr praxisnah mit zahlreichen Reisen und
Besichtigungen.
Jetzt berichtet dir Frank noch,
wie er beim Zurückbringen des Wagens die kleine Schramme vom
ersten Tag durch geschicktes Parken und die nicht mehr entfernte
Schlamm- und Schmutzschicht von Nuwara Eliya so perfekt tarnte, dass
er seine Kaution vollständig ausgezahlt bekam. Der Manager
hatte ihm vermutlich gar nicht zugetraut, den Wagen nach drei Wochen
überhaupt heil abzuliefern; Frank kam es vor, als
betrachtete er ihn mit deutlich mehr Respekt als zuvor.
Falls aus Galle wider Erwarten tatsächlich ein Knöllchen auf Franks
Namen
eintreffen sollte, kann er es ihm ja nach Tokyo nachsenden,
dachte Frank bei sich. Es wäre, neben seinem Impfdokument, ein originelles
Souvenir aus Sri Lanka.
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Frank hätte noch viel machen können; im Guidebook
wird Manches empfohlen, eine Bus- oder Bahnfahrt
sollte man unbedingt einmal erlebt haben, der Sowieso-Wasserfall
und der Sonnenaufgang im
Dingsbums-Park sind spektakulär und wilde Elefanten gehen im
NN-Nationalpark zur Tränke, aber das Guidebook ist
überwiegend für junge Leute geschrieben, die
außer im
Badezimmer unter der Dusche noch keinen Wasserfall gesehen haben. Nach
Venezuela interessiert dich kein Wasserfall mehr, nach Peru keine
Überlandbusfahrt, nach China brauchst du keine
Abenteuer-Zugreisen mehr, nach Tanzania keine
Elefanten in weiter Ferne. Trotzdem hat jedes Land seine eigenen
Reize, immer findet man etwas Neues; eine Teefarm hat Frank noch nie
gesehen und eine Perahera auch
nicht. Und manches davon steht nicht mal in den
ausführlichsten
Reiseführern, zum Beispiel engere Bekanntschaften mit einem wilden
Affenzahn und Besichtigungen tropischer Kliniken.
Am Ende legt Frank sogar für die lästigen Touts
ein gutes Wort ein; sie verdienen halt damit ihren Unterhalt, und
erfahrungsgemäß sind auch die lungernden Gestalten
an den
schummrigen Ecken am Abend keine Dunkelmänner, die dir den Hals abschneiden wollen, sondern warten auf
den Bus oder auf Bekannte, das ist alles. Vielleicht haben sie einfach
keine Glotze in ihrer Hütte und gucken deshalb nah statt fern.
Die
Leute
sind nun mal arm und sehen deshalb mitunter schmuddelig aus, sie
können dich auch mal nerven, aber entführen oder
fressen
wollen sie dich nicht. Es
sind mehrheitlich Leute wie du und ich, sag einfach dem Kerl einen
Gruß oder lach ihn an, dann lacht er zurück, es ist
alles so
einfach, wir Menschen sind ja alle ähnlich gestrickt. Und wenn
du
einmal wirklich in der Klemme steckst und irgendwas brauchst, dann kannst
du dich in Sri Lanka drauf verlassen, dass dir womöglich ein nerviger Tout,
ein
Eckensteher oder eine Frau mit weißem Kopftuch ganz uneigennützig zu Hilfe eilt.
Das ist natürlich ---hoffentlich--- in Lüdenscheid auch nicht
anders....Keine Ahnung, was Frank heute bloß mit Lüdenscheid hat. Schließlich war er in Sri Lanka und nicht im Sauerland. |
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