....verlässt Frank diese Gegend, in der man vor Weltkulturerben,
Elefanten
und bissigen Monkeys nicht sicher ist. Es geht wieder zurück,
nein, nicht nach Lüdenscheid, sondern nach Anuradhapura, wo er
zu
Anfang des vorigen Kapitels nicht reingelassen worden war. Er
revanchiert sich für die Schmach, indem er sich jetzt
in das
vornehmste Haus der Stadt einloggt, zehn Kilometer
außerhalb gelegen, aber eine Beschreibung wert. Normalerweise
behelligt Frank
seine Leserschaft
ja nicht mit Hotels, sondern nur mit typischen
Frank-Aventüren wie
Zweikämpfen mit Godzillas und Besichtigungen von Kliniken voll
schreiender Kinder, aber jetzt ist es Zeit, dem von mancherlei
Unbill rot angeschwollenen, fiebrigen Popeye-Arm eine kleine Kur zu
gönnen. Frank glaubt eigentlich nicht, dass seine
Gliedmaßen kurz
vor der Amputation stehen. Fieber an der Stelle, an der das Serum
eingefüllt wurde, ist logisch, da wird gerade eine
Schlacht zwischen Makakenbazillen und körpereigener
Selbstverteidigungsstreitmacht ausgefochten, das geht heiß
her.
Zum Luxus einer Tollwut-Impfung gönnt er sich also den Luxus
eines
Palm Garden Village Hotels und zieht in einen der Bungalows in der
weiten
Gartenanlage ein.
|
Du
weißt ja, es gibt so gut wie keine Mittelklasse
in Sri
Lanka. Du kannst in ein Guest house einziehen, wo dich Mosquitos
auslutschen, nur laukaltes Wasser aus der Leitung tröpfelt und
das
Klopapier selbst mitgebracht werden muss, wenn es im "shared bathroom"
etwas zu erledigen gibt. Oder du checkst halt in so einem Chalet Resort
ein, wo Frank sich gleich sehr heimisch fühlt, denn
für den
gleichen
Preis kann er auch im Zentrum von Tokyo nächtigen. Eigentlich
braucht er keinen Luxus; was soll der livrierte Geck, der sich auf sein
Gepäck stürzt und es aufs Zimmer trägt? Erstens
ist es leicht, zweitens hat es Rollen, drittens fährt es
sowieso im Aufzug
hoch und viertens muss er es beim Auschecken ja auch selber rollen.
Aber in solchen aufstrebenden Ländern meint man halt, mit solchem
von
Paris und New York abgegucktem Firlefanz den Gästen
die
Dollars abknöpfen zu können. Wenn auf jedem Zimmer ein PC mit WiFi
bereit
stände, das würde ich einen Service nennen. Aber was
soll's, ihm
gefällt das Chalet, in dem er hier wohnt, ein Riesenbett mit
Moskitonetz, aber auch Aircon und TV, im Bad Frösche und an
der
Decke Geckos. Er mag solche netten Untermieter, die ihn
nicht behelligen und nur selten Radau machen, ihm aber effektiv die
Spinnen, Fliegen und Kakerlaken
vom Leib halten. Ansonsten hat er hier seine Ruhe, wird morgens vom
Tirilieren unzähliger Vögel geweckt, kriegt zum
Frühstück und zum Dinner ein üppiges Buffet
mit
kulinarischen Spezialitäten aus
Sri
Lanka
und Sri
Zilien
(der Besitzer des Palmengartens ist Italiener) und sitzt wie Goethe in
Weimar im Lehnstuhl
vor der Tür in einem
scheinbar endlosen
Park, zwischen
dessen alten Bäumen zu Hunderten flinke Eichhörnchen
umherwirbeln. Und er traut
kaum seinen Augen, denn außer
den winzigen A-Hörnchen oder
B-Hörnchen mit ihren drolligen Streifen auf dem
Rücken
springt
auch ein Vieh die Bäume rauf und runter, das er erst
für
einen Biber hielt: Das Giant Squirrel, das in Sri Lanka
endemisch
ist und tatsächlich beeindruckende Ausmaße aufweist,
ein Eichhorn ohne -chen.
Wenn du diesem Pelztier den
Hausschlüssel vor die Nase
hältst, schnuppert es eingehend dran herum und vergewissert
sich,
ob es nicht doch eine Banane ist. Immerhin beißt es
nicht,
aber vermutlich ist es kurzsichtig.
|
Wenn
man mal erkundet, wie weit das 38
Hektar große Hotelterrain ist, gelangt man endlich an einen
Zaun,
wo der Park an einem Damm endet. Die Tore stehen offen, Frank
geht
raus auf den Damm und steht vor einem einsamen, stillen See, Natur wie
zur Zeit von Hermann dem Cherusker; kein Haus, keine Antenne, keine
Spur
menschlicher Tätigkeit zu sehen.
"Hier kommen manchmal abends wilde Elefanten zum
Wasserschlürfen",
hatte man ihn an der Rezeption gewarnt, "also größte
Vorsicht, es kann gefährlich werden am See."
Als fortgeschrittener Amateurzoologe kennt sich Frank
mit
Elefanten, und
mehr noch mit Makaken weidlich aus und weiß seit Habarana und
Sigiriya, wo die
wirklichen Gefahren lauern und dass überall da,
wo Elefanten aufkreuzen, gewaltige Misthaufen und tiefe
Plattfußspuren sichtbar sind. Aber davon ist am See weit und
breit nichts zu
finden. Die Elefanten sind jetzt alle im
Minneriya-Nationalpark, sie waren in der Ferne beim Vorbeifahren zu
sehen.
Aber eine Strahlenschildkröte kriecht durchs Gras, Iguanas
stelzen
am Ufer durch die wilden Kräuter. Ach, hier ist es
herrlich, hier möchte Frank
drei Tage lang bleiben.
Bitte sehr, Herr Eschersheimer. Sie dürfen sogar vier Tage
hier
bleiben, nur heben Sie sich den See
für abends auf und befassen sich tagsüber bitte mit
Kultur!
Na schön, deswegen ist er ja auch in diesen Ort mit
dem langen Namen
gekommen,
und Anuradhapura ist natürlich
wieder ein Weltkulturerbe, nach Sigiriya, Dambulla und Polonnaruwa
mittlerweile das vierte.
|
Aber
erst erzähle ich dir, wie man von Habarana aus da
hinkommt.
Natürlich sind das nur ein paar Meilen, mit dem Auto eine
halbe
Stunde. Aus dem einen Hotel raus und ins nächste rein, und
dann am
Pool dösen....? Irgendwie ist das nicht Franks Art, der
braucht erst wieder
ein Abenteuer, muss ja nicht unbedingt jedesmal ein Affenbiss sein. Zu
den Aventüren zähle ich nicht, dass man ihm beim
Auschecken eine Latte von
Rechnungen andrer Leute dazu addierte, die er nicht bezahlen mochte
und
dem trödelnden Personal symbolisch an den Kopf
warf, bis sie ihm
eine saubere Rechnung schrieben und es
wahrscheinlich bei den nächsten auscheckenden Touristen erneut
probieren, sich ein Extra-Trinkgeld dazuzuverdienen. Vielmehr wollte
er
die beiden in freier Natur in irgendwelche Felsen gemeißelten
Buddhaskulpturen suchen, die in seiner tollen neuen
Landkarte
verzeichnet stehen. Die eine davon, der Buddha von Awukana, wird auch
vom Guidebook empfohlen.
So rollt der taffe Oldtimer abseits der großen
Straße
durch
luschigen Tropenwald, über hoppelige Pisten und an munter
durchs
Grün plätschernden Flüsschen entlang, und
nun sag, was
du willst, trotz allenfalls sporadischer Beschilderung
gelangte Frank
mit
Hilfe der Superstraßenkarte in perfektem Timing ans Ziel. Der
Buddha
steht sich irgendwo am Rande des Ortes Awukana die
Füße in
den Bauch, und weil sich dort gerade ein Minibus voller
Blondschöpfe vor Franks
Kalesche
setzte, legte er den Plan weg, fuhr
dem Driverguide einfach hinterher und
stand wenige Minuten später im Schatten großer
Bäume
vor dem Zugang.
Ohne Sarong kommt man da nicht rein, sagt das kluge Büchel,
aber das muss
schon lange her sein. Frank
hat zwar in seiner Schultertasche seinen
Sarong (aus Indonesien), so ein Ding ist federleicht und taugt auch
für andere Zwecke, aber seit der Erfindung des Papiergelds
legen
die Buddhas und ihre Bonzen mehr Wert auf die Bargeld-Spenden der
Besucher als auf deren Kleidung. Es muss nur zwei-, dreimal
vorgekommen sein, dass ein Bus voller Touristen einfach weitergefahren
ist, weil kein Mensch einen Sarong dabei hatte oder mieten wollte, und
da haben sich die Bonzen ausgerechnet, wie viele Dollars
ihnen soeben
entgangen sind; seitdem verstummte schlagartig die Forderung nach
Anlegen der indigenen Tracht.
|
Leider geht es wieder schweißtreibend nach oben, aber
schwitzen
soll gesund sein und die Poren reinigen, und da Franks
Schwellglied, ich
meine natürlich seinen Arm, nicht
mehr schmerzt und keine Anzeichen von Verschlimmerung der Lage zeigt,
steigt er wohlgemut zu den Orangekitteln hoch, die ihm und Ka
für
750
Rp "Spende" pro Person Zutritt gewähren. Zu sehen ist
allerdings
nur ein ganz gewöhnlicher Tempel und eben die geschlechtslose Buddhafigur, die
aber erkennbar woanders fabriziert worden ist und nur dicht an
den
felsigen Hintergrund positioniert steht, mit diesem jedoch nicht
verwandt ist. Obwohl es ein gehöriger Aufwand gewesen sein
musste, das Ding den Berg hoch zu wuchten und da aufzurichten, wirkt es
heute für seine 750 Rp recht schlicht. Es sieht aus, als
wäre da früher ein Häusel drum herum
gewesen, und
vielleicht trägt Frank
mit seirer Spende ja nicht nur dazu bei, dass
die Bonzen noch rundlicher werden, sondern auch dazu, dass eines Tages
der obdachlose Buddha wieder ein Eigenheim beziehen kann.
Weil ein älterer Mönch etwas Englisch kann,
zeigt Frank
ihm
auf der Karte den anderen Felsenbuddha, den er noch besuchen wollte,
der aber im Guidebook nicht verzeichnet steht. Ja, den gibt es, sagt
der Alte in antikem und zahnlosem Englisch und zaubert eine Postkarte
aus seinem Kabuff hervor, die ihn abbildet. Nur wie man da hinkommt,
das wusste er nicht zu sagen, aber Frank
geht mal davon aus, dass auf seine Karte Verlass ist.
|
Ist aber nicht. Dass er bisher alles gefunden hatte, war reiner
Zufall. Die
Kartenherausgeber drucken die Symbole von Sehenswürdigkeiten
nämlich dahin, wo gerade Platz ist. Wenn du das Symbol
nördlich des
Flusses, aber vor der Bahnlinie verzeichnet findest, kann es ebenso gut
südlich des Flusses und hinter der Bahnlinie liegen. Frank
fährt
also drauflos und hat viel Muße, die Infrastruktur des
ländlichen Sri Lanka zu begutachten. Er weiß leider nicht
mal,
wie der Steinbuddha
auf Singhalesisch heißt, und das ist etwas misslich. Auf der Postkarte stand es
wahrscheinlich drauf, aber die hat der Urmönch wieder an sich
genommen. Nach endlosen Fahrten durch Felder und Wälder blieb
der versteinerte Buddha immer gleich fern, keine Piste führt
in seine
Richtung, bis Frank
nach langer, langer Fahrt plötzlich auf
einer
großen Chaussee nach
Anuradhapura herauskommt, kurz vor Thambuttegama.
|
Davon
lässt sich ein Frank doch nicht entmutigen! Von hier aus kann
man
nämlich auch zu dem mysteriösen Buddha gelangen, es
sind nur 20 km, von
denen 13 auf glattem Asphalt der Landstraße abgerollt werden.
Dann eine Nebenstraße, und von der Holperpiste geht es an der
zweiten
Abzweigung nach links. Schon war Frank
wieder
nahe dran. Nur leider ist
diese Nebenstraße eine Tortur für Pneus und Driver,
sie
besteht nur aus Asphaltresten, die wie scharfkantige Inseln aus dem
Staub und Schotter herausragen und hervorragende
Reifenkillerqualitäten aufweisen. Da der linke Vorderreifen
des
antiken Toyota bei jedem Tanken mitbetankt werden muss,
allerdings
mit Pressluft, damit er drei Tage lang alle Späße
mitmacht,
fährt Frank
wie auf rohen Eiern, weil er keine Lust auf Reifenwechsel am
tropenheißen Nachmittag hat. An einem
Schilderhäuschen mit
vor Langeweile gähnenden Uniformierten hält und fragt
er
nach
dem guten Buddha. Die Wachmänner sind begeistert, etwas
zu tun zu bekommen, und erklären wort- und gestenreich, aber
auf
Singhalesisch, dass er auf der richtigen Spur sei und an irgendeiner
Kreuzung nach rechts abbiegen müsse. Das Gleiche
hört er auch noch an einer Erfrischungsbude und bei einem
älteren
Herrn aus der Gegenrichtung, dem er tatkräftig aus einem sehr
tiefen Schlagloch
heraushelfen musste, und findet auch richtig die Abzweigung,
an der
sich
ein Tempel befindet. Dort saß ein junger Bonze ganz allein
vor sich
hin, vermutlich meditierte er im Tempelgarten.
Als er Frank
kommen sah, war natürlich Schluss mit Meditation. Die Frage
verstand er wohl, aber Frank
nicht seine Antwort, denn von
hier aus wurde es wohl etwas komplizierter mit der Wegbeschreibung.
Aber der Glatzkopf wusste sich Rat. Aus seiner Kutte zog er sein
Smartphone, holte
sich einen unbekannten Meister in die Leitung und
drückte Frank
dann das Ding in die Hand.
"From this temple you drive to the next village, dann nach rechts bis
zum Fluss. Nach der Brücke nach links auf den Damm rauffahren,
da
ist ein See zur linken Hand. Fahren Sie die Dammstraße immer
weiter, dann kommen Sie rechter Hand ins nächste
Dorf. Da fahren Sie auf dem
Dorfplatz nach links. Nach 200 m kommt eine Abzweigung, eine Sandpiste
nach rechts, die führt direkt zu dem Buddha, und der
heißt
Ras Vehera. Repeat it, Ras Vehera!"
Frank sagte
zwei-, dreimal "Ras Vehera" nach, dann war die
fließend
Englisch parlierende Stimme zufrieden. Wahrscheinlich hatte Frank mit
Avalokitesvara, dem Bodhisattva der Barmherzigkeit, persönlich
gesprochen. Der fügte noch hinzu:
"Wenn Sie sich irgendwo verfahren, fragen Sie nach Ras Vehera, dann
zeigt Ihnen jeder hier in der Gegend den Weg."
Das nennt man einen Service! Und dass jeder Mönch hier
außer
seiner Kutte, seinem Almosenbeutel und seinem Rosenkranz auch ein
Smartphone besitzt, ist eigentlich logisch. In den meisten
Ländern der Erde kommen die Kids
heutzutage schon mit Smartphone auf die Welt.
|
Nach einer knappen halben Stunde rollte
Frank,
perfekt geleitet, vor dem
Tempelchen aus. Ihm kam ein jovialer, feister Mönch mit
Brille
und ausgebreiteten Armen entgegengelaufen, und sein gut gelaunter Redefluss
ging, als er
Ka erblickte, mitten im Satz aus dem Englischen ins Japanische
über.
"Willkommen in meinem wundervollen Tempel, der ist gut und gerne eine
Spende von 100 Dollar wert, hohohohahaaa! Das freut mich, dass sogar
Besucher aus dem schönen, fernen Japan kommen! Da habe ich
zwei
Jahre lang studiert, in einer buddhistischen Akademie
natürlich,
und kann die Sutras auch auf Japanisch lesen, hahahahohooa!"
Ob sein wundervoller Tempel seine 100 $ wert ist, will Frank
erst mal
auschecken, und steigt die Stufen zu dem Felsbuddha hinauf, der
diesmal tatsächlich direkt in den Felsen gehauen
ist. Ein
Tempeldiener, den ihm der laute Bonze nachschickte, folgt mit
einem Schlüsselbund und schließt allerlei
Kämmerlein auf,
die in kleine Höhlen im Felsen führen, so eine Art
Miniatur-Dambulla. Hier ein liegender Buddha drin, dort eine Serie von
Sitzbodhisattvas, das Repertoire ist überall gleich, und auch
die
Deckenbemalung kennt Frank
mittlerweile, es ist Standard.
Wahrscheinlich findet auch ein Lankese in den Kirchen Europas sehr
schnell überall das Grundschema heraus. Neu war
für Frank,
dass
in der letzten Höhle ein kleines Tischlein stand, und auf
diesem
ein Block mit Spendenquittungen über 700 Rp. Aber Frank gibt
zu,
hier ist mehr zu sehen gewesen als bei dem bekannteren Kollegen von
Awukana. Sollte der Autor des Guidebooks einmal diesen Tempel finden
und in seinem Büchel verzeichnen, kriegt der
fröhliche Japanbonze
sicher auch seine 100 $ schnell zusammen.
|
Bevor Frank
aber von hier aus nach Anuradhapura abzischt,
möchte er
mal seine antike Mietkutsche preisen, die trotz ihrer stolzen 188 000
km
auf dem Zähler ohne Anzeichen von Missmut auch die
Rückfahrt über die charmante Kraterpiste
bewältigte. Und
die alleine heute auf den zahllosen Land- und Sandstraßen,
mit
etwas üblem Willen, durchaus 250 bis 300 Köter
hätte in
den Hundehimmel befördern
können, und 20 bis 30 Makaken dazu. Aber Frank
ist
ja ein
Hundefreund und auch bei Affenzähnen nicht allzu nachtragend,
und
hat daher die spärlichen Reste des bis auf den Grund
abgefahrenen
Bremsbelages emsig weiter reduziert.
Aber jetzt muss er die gute Lakshmi erst noch etwas fragen. |
![]() |
Frage:
Warum heißen die
Tempel mal -ya, mal Vehera, mal Vihraya ?
Lakshmi:
Für unsere Sprache Sinhala
gibt es keine
feste
Umschrift. Die Briten haben seinerzeit geschrieben, wie sie es
hörten, und
wir schreiben auch einfach so, wie wir es aussprechen. Ya bedeutet
einfach "Tempel", oft stellen wir ein "sri" davor, um unsre Ehrfurcht
auszudrücken. Und Vehera, Vihara oder Vihraya bedeutet
"Heiligtum", es ist im Prinzip dasselbe Wort. Aber wir haben auch
Dialekte. Je nach Region spricht man das eben Vehera oder Vihara aus;
die Schreibung Vihraya ist aus "Vihara" und "ya"
zusammengesetzt.
Wir sagen meist einfach nur "Vihara".
|
Anuradhapura
ist eine richtig große
Stadt und wird auch "The Sacred City" genannt. Alle heiligen
Städte sind für Ungläubige mit Vorsicht zu
genießen. Roma geht ja gerade noch, aber bei
Mekka und Jerusalem
musst du dir schon überlegen, ob du nicht lieber eine
schusssichere Weste anlegst. Wieder gibt es irgendwo teure Tickets zu
kaufen, aber Frank
testet erst mal, wie weit man ohne kommt, denn durch
den weit offenen Zaun, der das heilig gesprochene Gelände von
der
profanen Welt trennt, wuselt geschäftig das Volk und strebt
einem
offenbar besonders heiligen Tempel zu.
"Männereingang rechts, Frauen nach links". Wie in Mekka.
Schuhe aus, Leibesvisitation. Aber der Uniformierte
lässt Frank
dann mit einem freundlichen Grinsen durch. Ohne Ticket und ohne
Heiligenschein. Schaut nicht
mal in Franks
Schultertasche rein, die freilich auch keine Bombe,
sondern nur eine dicke Wasserbottel, einen Sarong und ein Paar
Flipflops
enthält.
Tempel sind schließlich Barfußgebiet. Aber Ka
sieht er
draußen
lamentieren. Sie wird von einer drallen Amazone gerade rausgeschmissen.
Dabei ist sie als Japanerin doch viel buddho-affiner als der langnasige
Frank.
Er geht wieder raus.
"Ich soll meine Latschen da abgeben bei der Schuhmafia, die
fürs
Bewachen Geld verlangt. Ich habe sie in meine Tasche gestopft, da ist
die giftige Torhüterin wild geworden, geht nicht, Blasphemie,
Todsünde, Buddha beleidigt...! Die kriegt garantiert
Kommission
für jedes Paar Schuhe, das sie da drüben abliefern
lässt. Aber guck dir die Einheimischen an, die tragen ihre
Sandalen sogar in der Hand. Mir kommt es nicht auf die paar lumpigen
Rupien an, aber ich will nicht als doofe Touristin verarscht
werden."
Grobe Worte aus zartem Mund. Frank stopft ihre Gummisohlen noch in
seine
Tasche, und dann gehen sie beide
durch. Der Zerberus bei den Männern ist nicht so giftig und
schaut
auch diesmal nicht in Franks
Beutel. Er wundert sich bloß,
dass der
dauernd raus und rein will. Wahrscheinlich denkt er, Frank
sei vom
wilden Affen gebissen, womit er durchaus nicht falsch liegt. Aber
die bleichen fremdländischen Touristen ticken
halt anders, da blickt man nicht so durch.
|
Für
den Namen des Tempels reichen Franks
spärliche
Sinhala-Kenntnisse,
denn Sri Maha Bodhiya bedeutet so viel wie der "Heilige Tempel des
Großen
Bodhi-Baums", der sich tatsächlich im Zentrum des
Tempelbezirks
erhebt. Die Sage (das Guidebook behauptet etwas unkritisch, es sei
Realität)
berichtet, dass die ersten Mönche, die den
Buddhismus nach Sri Lanka überlieferten, einige Samen des
Bodhi-Baums, unter dem der historische, seinerzeit noch männliche
Gautama Siddhartha (verheiratet und Vater eines Sohns namens Rahula)
meditierend
die
Erleuchtung fand und zum (geschlechtslosen?) Buddha mutierte,
mitgebracht und eingepflanzt hätten, und
dass
dieser Baum hier nun seit mehr als 2000 Jahren bis heute in vollem Saft
stehe, auch in Kriegs- und Dürrezeiten gehegt und bewacht, als
ältester historisch dokumentierter Baum des Sonnensystems. Ob
der
Mensch in der hellbraunen Uniform mit dem Colt an der Hüfte
der
heutige Baumwächter ist, ist schwer zu sagen, aber falls hier
Tag
für Tag so viele Tausende Pilger wie heute den antiken
Lindenbaum
umschwärmen und verehren sollten, müsste schon eine
wahre
Streitmacht
mit Kettensägen anrücken, um dem Baum was
anzutun.
Man braucht nur dem Pilgerstrom zu folgen, der sich vom Tempel des
Großen Bodhi aus in Richtung Osten bewegt. Nicht alle gehen
barfuß, aber viele ziehen zwischen den nahe beieinander
liegenden
Heiligtümern ihre Schlappen erst gar nicht wieder an. Die
erstaunlich wenigen Touristen, die sich darunter mengen,
füttern
und fotografieren Makaken. Frank
nicht. Er hegt seit einiger Zeit ein
gewisses Misstrauen gegen Makaken. Er spendiert den
kartonartigen
Frühstückstoast, wenn es mal partout keinen
Curry gibt,
den Eichhörnern im Palmengarten, denen er jedoch auch nicht
sonderlich mundet. Um sich überwiegend davon zu
ernähren, muss man wohl schon von den britischen Inseln
stammen.
Aber zurück zu den Pilgern. Wo die alle hinwollen, ist
sonnenklar,
denn die riesige Ruwanveli Dagoba, die größte
Dagoba, die Frank
je erblickt habe, überragt auch die Wipfel der
höchsten
Bäume.
|
Lakshmi,
Hilfe, da will ein Leser wissen, was eine Dagoba ist! Wie
so
ein Ding aussieht, ist aus obigem Foto ersichtlich, und dass es die in
allen denkbaren Größen gibt, kannst du dir
vorstellen, es
gibt ja auch allerhand große und kleine, dicke und
dünne,
schiefe und gerade Kirchtürme.
|
![]() |
Frage:
Was
ist in so einer Dagoba eigentlich drin? Lakshmi:
Nichts. Dagobas
sind nur ein Symbol
des Buddhismus. Sie sind hohl und symbolisieren das All und
das
Nichts. Im Altertum waren
es wohl
Grabhügel, heute enthalten sie bestenfalls eine klitzekleine
Reliquie, vielleicht irgendeines heiligen Buddha-Schülers.
Aber
die befindet sich ganz oben, am Ansatz der vergoldeten Spitze. Die
Dagoba selbst wird oft als das Nichts, der Kosmos, die buddhistische
Lehre, die Erleuchtung, der Glaube, die Spiritualität, kurzum,
als
Symbol der buddhistischen Erkenntnis gedeutet. In
Indien nennt man sie "Stupa". Wenn du
in Japan lebst, wirst du wissen, dass in Ostasien die Pagode die
gleiche Bedeutung hat wie bei uns die Dagoba. Pagoda oder Dagoba, ist
doch ganz dasselbe, nicht?
|
Hohl und
nichts drin. Frank musste an
die Köpfe bestimmter Zeitgenossen denken. Vielleicht
symbolisieren die ja auch kosmische
Erleuchtung. Aber zurück zur anuradhapurischen
Realität. Wenn
sich das also derart verhält, dann taugt das weiße
Nockerl
wohl nur von außen zum Fotografieren. Frank meditiert
eine
Weile
darüber, wie viele Eimer Farbe wohl zum Renovieren
vonnöten
sind, kommt jedoch zu keiner Erleuchtung, vor allem auch deswegen, weil
das von der Sonne effektiv aufgeheizte Pflaster rund um den Bau der
Barfuß-Meditation abträglich ist und das Tempo der
Fortbewegung forciert. Am Fuß des runden Riesenbaus
schlüpft er schleunigst in einige zugängliche
Nischen, um seinen
Fußsohlen etwas Erholung im Schatten zu verschaffen,
findet
dort aber nur das übliche Ensemble aus Liegebuddha und
Konsorten,
das er aus anderen Tempeln auch schon gut kennt. Sehr antik scheinen
die knallbunten Skulpturen nicht zu sein, aber beliebt bei den
Pilgern, die Frank bald
wieder ins Freie drängeln.
Ebenfalls
ticketlos kommt man auch bis zum Isurumuniya Vihara, aber
falls
man auch noch hinein will, muss man sich spendabel zeigen. Zu sehen
bekommt man
in dem Tempelchen nicht viel, darf aber über ein
Alu-Leiterchen
auf den Felsen steigen, der sich hinter dem Heiligtum erhebt, und den
frischen Luftzug samt Blick über die Landschaft
genießen.
Aber glaub bloß nicht, dass die Eintrittsspende zum Fenster
rausgeschmissen sei, denn in einem unscheinbaren Nebenbau stehen ein
paar
alte Sandsteinbrocken, an denen sich ein antiker Steinmetz ausgelassen
hat. Und ihm gelang, neben etlichen Kinnari- und Apsara-Darstellungen,
ein wundervolles Relief, das ein Liebespaar zeigt
und als eine der seltenen leicht erotischen antiken
Darstellungen Sri
Lankas berühmt wurde.
|
Am
Abend
wurde Frank
vor dem Eingang seines Chalets von einer Art Gartenschlauch
erwartet; bei näherem Hinsehen entpuppt er sich allerdings als
endlose schwarze Schlange, die sein Häuslein bewacht hatte,
sich
aber beim Anblick der rechtmäßigen Mieter eilig
verzieht.
Gleich spaziert Frank
mal wieder zum Seeufer und wartet
auf den Sonnenuntergang. Bis dahin ist aber noch Zeit, also macht sich
der deutsche Müller lustvoll ans Wandern. Der Damm wird bald
niedriger,
und der Weg mäandert durch leichtes Unterholz. Noch ist es
hell
genug, um nicht aus Versehen auf gartenschlauchartiges Getier zu
treten. Weil solche Reptilien nachtaktiv sind und mit Einbruch der
Dämmerung
losringeln, achtet Frank
jedenfalls mehr auf den Weg vor seinen Hufen als
auf das, was ihn hinter der Ecke des nächsten Busches
erwartet.
Nein, hör auf, keine Makakenherde, du hast wohl einen
Makakenkomplex! Und auch kein Leopard, der Frank
jetzt verschlingen
will.
Aber ein
lautstarkes Aufflattern ziemlich groß gewachsener
Federviecher.
Ein Pfauenpaar! Und weiter vorne noch zwei, erst laufen sie davon wie
bei uns die Fasanen, und wenn sie genug Anlauf haben, schwirren sie
lautstark übers Gebüsch davon. Die können
also
tatsächlich fliegen mit ihrer Federschleppe! Pardon, also
stören
wollte Frank
ja nicht. Aber es ist schon ein interessantes Erlebnis,
Pfauen in freier Wildbahn aufzustöbern.
Langsam schlendert er wieder zurück. Im Schein der
letzten Abendsonne stolziert noch ein einzelner Hagestolzpfau
am
gegenüber liegenden Seeufer, leider zu weit entfernt
für die
Kamera. Und als Frank
sich
durch die Ufervegetation schlägt, um den
Sonnenuntergang am See einzufangen, kräht der Pavone etwas auf
Singhalesisch und flattert so unbeholfen auf und davon wie
ein Brathähnchen am Spieß.
Es ist womöglich der erste Sonnenuntergang ohne Wolken am
Horizont. Es bleibt aber zu konstatieren, dass Frank
bisher seinen Regenschirm
nicht verwendet hat. Zweimal gab es kurze Schauer, zehn bis
fünfzehn Minuten, vielleicht auch mal in der Nacht, aber das
waren
eher willkommene Abkühlungsduschen als richtiger Regen.
|
Beinahe
hätte Frank
vergessen, dass er ja mal
wieder ein General Hospital besichtigen wollte. Und das in Anuradhapura
empfiehlt er dir mit Nachdruck.
Er fährt also rein wie Graf Koks von
der Gasanstalt, parkt seinen angestaubten Schlitten vermutlich auf
der Stellfläche des Chefarztes und steuert dann das
nächstbeste Gebäude an in der Hoffnung, jemand
würde ihn
schon irgendwie in die richtige Abteilung spedieren, wenn er da
aufmarschiert wie Napoleon. Diesmal kam ein Arzt auf ihn
zugeschossen,
klein, gedrungen, bebrillt, aber sehr lebhaft. Kaum hatte er einen
Blick auf Franks
Impfpass geworfen, nickte er erfreut und zog ihn in
ein helles, weites, wundervoll klimatisiertes Behandlungszimmer. An der
Wand lauter Poster mit
Abbildungen von Vipern und Nattern, auf Englisch beschriftet.
Auch
bei einem Kobrabiss wird man hier ambulant gerettet. Man sollte sich
aber
sputen, denn die Zeit, die nach dem Biss einer Kobra verbleibt, liegt
bei zehn bis fünfzehn Minuten, und wenn man es in dieser Zeit
nicht bis in
diesen Raum des General Hospital schafft, ist es günstiger,
direkt
den Sargschreiner aufzusuchen.
Waaaoo. Da ist Frank
seinem Makaken noch dankbar dafür, dass er
keine Kobra war.
"Ärmel hochkrempeln", meint der Doktor, der offenbar genau
für Leute wie Frank
zuständig ist. Er hält
schon das
Plastikkondom in der Hand, in dem die Einwegspritze steckt. Da
erscheint in
der
Tür eine
streng dreinblickende ältere Lady und sagt, dass Frank
eigentlich erst mal als Patient angemeldet
und registriert werden müsste. Das versteht Frank, obwohl es
Singhalesisch ist. Ist ja auch logisch, aber der Doktor war so froh,
mal wieder einen Fall erhascht zu haben, dass er Frank
glatt vom
Vorplatz weg unter die Spritze engagiert hätte. Etwas
verärgert
murrend führt er seinen Patienten zu einer anderen strengen
Lady, die Franks
Impfpass mustert und den Fall in dem großen Patientenbuch
notiert; dann hat der gute Doktor sein Opfer wieder, was seine Laune
sichtlich aufhellt. Zack, eine Impfung in den rechten, zack, eine in
den
linken Oberarm, tut gar nicht weh, was? Ja, ich bin halt ein Profi,
sagt sein Gesicht. Dann kritzelt er seine Unterschrift und das Datum
der zweiten Injektion auf Franks
Impfpass, drückt ihm die
Pfote und
wünscht gute Weiterfahrt.
"Und heute nichts arbeiten!"Danke, hatte Frank auch nicht vor. Und die Bezahlung? Was denn, für so ein Spritzlein nehmen wir doch kein Geld!
Also, wenn du in Sri Lanka von irgendwelchen Wehen geplagt
wirst, geh nach Anuradhapura! Die sind da schwer auf Draht im General
Hospital. Mehr als zehn Minuten hat das Ganze nicht gedauert. Komm mal
als asiatischer Pilger nach Lüdenscheid in die Klinik; da
bist du zwar auch nach zehn Minuten wieder draußen, aber
unbehandelt,
weil du keine Versicherung hast.
Danke, Doktor.
So bekommt der Chefarzt seinen
Parkplatz umgehend zurück, und Frank
fährt jetzt gut gelaunt zum
nächsten Termin in der profanen Stadt. Da findet sich
ein
Internet-Café, denn Frank
muss, seine festen Vorsätze
kurz
ignorierend, eine mail verschicken. Er hatte sich
nämlich
entschlossen, doch schon für die nächste Etappe eine
gute
Unterkunft zu reservieren, und den freundlichen Manager des
Ruwala-Resorts von Kalpitiya angerufen. Der hatte ihm ja seinen
Geheimtip empfohlen und erklärte sich tatsächlich
bereit,
für Frank
anzufragen, war aber sehr skeptisch.
"Wenn Sie da ankommen, wird in der Stadt gerade das wichtigste Fest des
ganzen Jahres gefeiert. Ich weiß nicht, ob die da noch ein
Zimmer
frei haben. Sehr groß ist das Haus nämlich nicht."
Aber gestern Abend, als Frank
ihn noch mal kontaktierte, hatte er
freudig gemeldet, alles sei klar, Ka und Frank
seien willkommen. Nur
bräuchte er
eine Sicherheit, denn normalerweise wird bei der Reservierung eine
Anzahlung fällig. Frank
müsste ihm also eine mail
schicken, und
darin Passnummer und Heimatanschrift mitteilen, als ein Minimum an
Sicherheit für ihn.
So, mail verschickt, kurz die website des reservierten Hotels
aufgerufen und die genaue Anschrift notiert, und fertig. Der
freundliche Nerd, der das Café managt, war
erstaunt, dass Frank
nach wenigen Minuten schon wieder aufstand. Macht
gerade
mal 20 Rp, das sind 0,13 €. Frank
gibt ihm 100 Rp, da
freut
er sich. Und weil Frank
nichts arbeiten darf, testet er mal das Swimming
pool, das im Palmengarten-Hotel unter duftenden
Frangipaniblüten ruht; Schwimmen hat ihm der Doktor nicht
verboten.
|
Es
plantschen ein paar bleiche Kids drin, die französisch
parlieren,
und eine Teeniegruppe in Badehosen und Bikinis, die Arabisch spricht.
Eines der Mädchen trägt keine Badekleidung und geht
auch
nicht ins Wasser, sondern hockt mit übergezogener Kapuze im
tiefsten Schatten auf seinem Liegestuhl. Die anderen spritzen mit
Wasser nach ihr und fordern sie auf mitzuschwimmen, woraufhin sie in
ihr Chalet verschwindet und nach einer geraumen Weile wieder erscheint,
in einen violettblauen Taucheranzug gehüllt. Dachte Frank
zumindest, aber Scuba diving im Pool? Allmählich
wird ihm
klar, dass es sich um einen Burkini, den islamischen Badeanzug
für Frauen
handelt, er hat so ein Ding sein Lebtag noch nie gesehen. Schleierhaft
war allerdings,
was Mohammedaner in Anuradhapura, der Sacred City des Buddhismus,
wollen.
Wahrscheinlich
nur im Astronauten-Look
im Pool plantschen.
Franks
Arm tat das Chlorwasser offenbar gut; die Rötung geht
zurück, Fieber spürt er nicht länger, die
Wunde ist so
weit geschlossen, dass er das Pflaster abzoppeln kann, und die
Popeye-Schwellung nimmt zumindest nicht mehr zu. Bald
ist er wieder fit genug, um von einer Kobra oder einem Alligator
gefressen zu werden. Das verschiebt er aber auf später. Er
besorgt lieber erst mal die 25 $ Tickets für
den kostenpflichtigen Rest von Anuradhapuras heiliger Stätte.
Dass
es sich überwiegend wieder nur um Ruinen handelt, fand er
etwas
enttäuschend, aber es ist schattiger im weiten Park als in
Polonnaruwa, und niemand verlangt, hier barfuß zu laufen.
Die Touts, die sich am Twin pond mit beiden Armen voller Souvenirs auf
jeden fremdländischen Ankömmling stürzen,
wollen Frank
gleich
mit Kitsch
überhäufen, jeder will der erste sein, was den
Vorteil hat,
dass man später weitgehend in Ruhe gelassen wird.
Schon wieder ein Swimming pool, brummst du jetzt, aber die Bassins sind
antik
und waren für rituelle Reinigungen der
frühbuddhistischen Mönche gedacht; auch jetzt ist
noch
ein grünschlammiger Wasserrest, nein nicht von damals, sondern
vom letzten Monsun übrig, aber
darin schwimmen keine Besucher, sondern Plastiktüten und leere
Flaschen.
|
Ein
paar hundert Meter entfernt davon sitzt der älteste in Sri
Lanka
erhaltene Buddha Samadhi unter seinem Sonnendach und sehnt sich
vermutlich nach dem Pool, sagt es aber nicht, denn erstens meditiert er
und zweitens ist er versteinert.
Der alte Herr weilt hier als letzter Überlebender des alten
Anuradhapura, das 380 vC als Hauptstadt des ersten buddhistischen
Königreichs gegründet wurde. Aus der gleichen Zeit
stammt
auch die riesige Abhayagiri Dagoba, die gerade mit UNSECO-Hilfe
restauriert wird und noch nicht so weiß getüncht ist
wie
ihre höchst lebendige, von Pilgern umschwärmte
Schwesterdagoba Ruwanveli. Frank
weiß leider noch immer nicht,
wie viele Eimer Kreidesaft dafür vonnöten sind.
Als
nächstes erwartet ihn der "moon stone". Nicht dass du jetzt
meinst, hier sei Mondgestein verarbeitet worden. Aber vor
jeder Treppe, die den Zugang zu einem Tempel bildet, liegt wie eine
Fußmatte ein halbkreisförmiger Abschlussstein, der
wegen
seiner Form auf Englisch "moon stone" genannt
wird. Halfmoon stone wäre freilich korrekter. Überall, in Polonnaruwa wie in Anuradhapura,
tappst
jeder barfüßige Tourist über solche mit
Reliefs und
Mustern verzierte antike Mondsteine, wenn er einen Tempel entern will,
aber hier liegt ein besonders schöner, der mit einem Reigen
von
Zodiac-Tieren und einer Gänseherde umfasst ist. Zumindest
hier
darf man nicht drüberlatschen.
|
Es
folgt in einiger Entfernung das alte und schlichte Tempelchen Lankarama
mit seiner kleinen, aber geweißten Dagoba und geborstenen
Säulen ringsumher, die einst ein Dach trugen, und wenn man
noch
ein Stück weiter fährt und zum nächsten
Tempel gelangt,
ist man schon wieder aus der ticketpflichtigen Zone heraus. Man sieht
es daran, dass sich in Richtung Thuparamaya ein dichter,
überwiegend weiß gekleideter Pilgerstrom mit
Blumengebinden voranbewegt. Frank
lässt sich
von dem Sog mittreiben
zu dem ältesten aktiven buddhistischen Tempel Sri Lankas, der
wie
eine vergrößerte Kopie des Lankarama aussieht. Auch
hier fotogene
Steinsäulen und Unmengen von dicken Bonzen und
Gläubigen, die sich nach Ablegen der
Blumen vor der einfachen Buddhastatue fromm bis zum Boden verbeugen
oder gar niederknien und lange ins Gebet vertieft verharren.
Wie
in den christlichen Kirchen sind es überwiegend
ältere Frauen, die von der Sorge ums Haushaltsgeld, um
ungezogene
Enkel oder ihre Karriere im Jenseits umgetrieben
werden.
Trotz Gedränges herrscht eine wundersam friedvolle
Atmosphäre. Frank sucht sich ein Plätzchen im
Schatten,
wo man
auf einer Stufe hocken und dem Trubel zusehen kann. Zwischen den
betenden Frauen, wirklich
mittenmang, liegt
ein kleines
Kätzchen und schläft tief und friedlich, ohne sich an
dem
Getrappel und Gescharre der Kommenden und Gehenden zu stören,
und
niemand tritt dem Tier auch nur versehentlich auf den Schwanz.
|
Eigentlich
sollte Frank
es jetzt eine geraume Weile ohne Hitze, Strapazen
und Dagobas aushalten können, da muss ich dir beipflichten. In
der Tat könnte er ein wenig Abwechslung durchaus
vertragen, anstatt immer nur
durch
Anuradhapura zu pilgern.
Je blasser sein Affenbiss wird, desto tatendurstiger setzt er sich ans
Volant und steuert durch das Verkehrschaos der profanen Innenstadt
nach Mihintale, um dort barfuß
herumzupilgern. Na, jetzt fang bloß nicht an zu meckern,
schließlich befinden wir uns im buddhistischen Herzland, da
gibt
es nun mal kein Disneyland, und weitere Hospitäler zur
Besichtigung finden sich auch nicht.
Bleibt also nur Mihintale, ein etwa 25 km entferntes Nest, wo
wieder uralte Götzen zu bestaunen sind.
1800 Stufen sind es laut Guidebook, die zu bewältigen
sind,
Ka macht ein angesäuertes Gesicht. Aber man ist ja
motorisiert; obwohl Franks braver Toyota das Stufensteigen (noch) nicht
im Repertoire hat, findet er eine brandneue, wundervoll asphaltierte
Straße, die in mehr als halber Höhe in einen
kostenlosen
Parking mündet. Von da aus sind es nur noch 430 Stufen,
gesäumt von
Frangipani-Bäumen und Händlerständen mit
Opfergaben,
Sandelholzstückchen und
Souvenirs. Reißenden Absatz finden nur die Opfergaben, denn
auch
an diesem Heiligtum sind ausländische Touristen in der
Minderzahl;
die meisten Besucher sind fromme Singhalesen.
Oben begrüßt Frank
ein antikes Tempel-Ensemble,
dessen Ingredienzen dir schon bekannt sein dürften: Dagoba,
Sitzbuddha, Bodhi-Baum, Liegebuddha, Makaken und eine Heerschar bunter
Bodhisattvas. Die Lage des Ganzen ist allerdings recht anmutig. Wie du
dir aus der Anzahl der Stufen denken kannst, hat man das Ensemble auf
einen der wenigen Hügel dieser Gegend gepflanzt.
|
Da
oben wachsen, zu allem Überfluss, einige Felsen aus dem Grund,
und
auf jedem dieser Felsen hockt irgendwas. Auf dem einen der
weiße
Buddha, auf einem anderen die dickbauchige Dagoba, und auf dem dritten
steht
im kräftigen Höhenwind
ein Fahnenmast, der aussieht wie eine Antenne des
Geheimdienstes. Zum Ärger des Buddhas ist dieser Felsen
offenbar der
attraktivste;
vermutlich klimmen
die meisten Leute den beschwerlichen Weg nach oben
aus dem gleichen Grund wie der Frank, nämlich aus Neugier, was
es
da wohl zu sehen gibt, weil da so viele Leute sind. Ergebnis
der
Recherchen: Nichts. Bekanntlich ist das Nichts die Essenz der
buddhistischen Lehre. Nichts - außer einer Aussicht aus einem
geringfügig anderen
Winkel als von den anderen Felsen aus und einer kräftigen
Brise, so steif, dass es Frank
fast vom Stengel bläst.
Zum
Buddha klettern nur diejenigen hinauf, die Opfergaben, meist
Blütengirlanden, darbringen wollen. Kaum ist die Gabe
niedergelegt, kommt eine kräftige Windböe und fegt
sie nach
hinten den Hang hinunter, wo sich die Makaken drum balgen. Perfekt.
Jetzt ist nämlich Platz für die Gaben der
nächsten
Pilger, die ihre Girlanden fromm niederlegen, und wieder
pustet
der missmutige Buddha, sobald sie ihm den Rücken
zukehren, ungnädig
das Zeug auf den Komposthaufen am Makakenhang.
Ach so, der
Frank ist
noch nicht fertig. Zwischen den Felsen gibt es
nämlich auch noch was, einen Platz von der
Größe eines
Fußballfelds, aber auf Höhe des
Anstoßkreises stehen
die Überreste eines Rundtempelchens. Die handlich kleine
weiße Dagoba und einige Stützsäulen
rundherum sind noch
da. Angeblich ist dem König, als er sich hier zu ergehen
geruhte,
ein buddhistisches Himmelwesen erschienen und hat ihn bekehrt.
Kommt Frank
bekannt
vor, das hat man wohl aus der Sauluspaulus-Biographie
abgekupfert, so wie es bei heutigen Doktorarbeiten vielfach Mode ist.
Auf
einmal ertönt ein Disco-Beat aus dieser
Richtung. Wieder ein Himmelswesen? Zwei verwegen
kostümierte, aber irdisch aussehende Burschen kommen aus dem
Kloster, das am Spielfeldrand, auf Höhe der
Trainerbank, zu finden ist, und wummern auf irgendwelchen hohlen
Geräten ihren fetzigen Sound zu Ehren der Gottheit, die aber
nicht
zu sehen ist. Sicher hält sie Siesta.
|
Das
tut Frank
auch, denn heute ist es ziemlich heiß, und auf dem
äußerst windgeschützten, staubigen Platz
mit nur wenig
Schatten erst recht. Er meditiert darüber, dass er
irgendwie
allmählich die Raffel voll hat von Dagobas und Buddhas, an
denen
in und um Anuradhapura wahrhaftig kein Mangel herrscht. Auch die
Makaken
auf und an und rund um diese heilige Stätte sind ihm nicht
recht
geheuer, sie wecken etwas unangenehme Erinnerungen. Das Tier, das ihm
oder dem er am nächsten kam, benahm sich freilich gesittet,
vor
allem deswegen, weil es ein Weibchen mit Baby und Punkfrisur war und
aufpassen musste, dass ihm der Nachwuchs nicht die Nippel abbiss.
Ansonsten betteln hier sogar die Perlhühner bei den Besuchern
um
Almosen.
|
Frank einigte sich mit Ka darauf, dem singhalesischen Buddhaland
vorübergehend ade zu sagen und in eine ganz andere Ecke zu
tuckern,
nach Trincomalee, wo die Tamilen wohnen, und die sind
überwiegend
Hindus. Da sie aus Indien kamen, leben sie im Norden von Sri Lanka, der
Indien am nächsten liegt. Ihre Hauptzentren sind Jaffna und
Trincomalee. Jaffna ist zu weit und zu olivgrün, denn es
ist
noch immer von der lankesischen Armee besetzt. Mit Checkpoints und
Militärkontrollen soll jede neue Tamilenrevolte im Keim
erstickt
werden. Trincomalee liegt näher und ist wieder weitgehend
zivil.
Auf geht's, mal schnell nach Trinco, denkt Frank,
denn die Landstraße geht
schnurgerade durch flaches Terrain; es ist noch immer die
wunderbar
glatte, breit ausgebaute Rennstrecke A 12.
|
Wie man sich doch irren kann! Es war die schlimmste Rallye,
die Frank
sein
Lebtag mitgemacht hat. Das hat er natürlich davon, dass er
unbedingt selber fahren will und auf einen Chauffeur verzichtet. So ein
Driverguide ist zwar oft eine schwatzhafte Landplage und lotst dich
überall hin, wo du um gar keinen Preis hinwillst, aber
dafür
hätte er die Route über Habarana genommen und nicht
wie Frank
in seiner Einfalt die Direttissima. Von Puttalam über
Anuradhapura
bis Mihintale kennt er die Strecke, wunderbar, nichts dran
auszusetzen, wenn man mal von der abenteuerlichen Fahrweise absieht,
die hier generell Franks
Nerven strapaziert. Aber hundert
Meter nach der Stelle, an der man in Mihintale zu der heiligen
Mischpoke auf ihrem Hüppel abbiegt, beginnt die Folter
für
Auto, Fahrer und Beifahrer. Bis nach Trincomalee sind es von da aus
volle 110 km Strecke, und ich schwöre dir, auf der gesamten
Strecke waren die Bauarbeiter zeitgleich am Werkeln, um aus der Piste
eine Straße zu machen. Alle 250 m war ein Regenabfluss
vorgesehen,
der über eine hölzerne Behelfsbrücke
gequert, aber
manchmal auch per Schlenker durch die Prärie umfahren
werden musste. Die Strecken dazwischen boten alles, was auf Erden
jemals "Straße" genannt worden ist, von Schotter
über Sand,
Asphaltresten aus der Bronzezeit, Fels und Wurzelwerk bis hin zu
erdigstaubigen Naturwegen. Alle naslang eine Sippschaft Baumaschinen im
Einsatz, und zur Verhütung
übermäßiger Staubfahnen
krochen über die Strecken vielfach Kesselwagen, die den Staub,
je
nach Geschwindigkeit des Fahrzeugs, entweder zu glitschigem oder
matschigem Schlamm bewässerten, und Frank
mittenmang durch.
Frag Frank
nicht, wie die Landschaft zwischen Mihintale und Trincomalee
aussieht, dafür hat er kein Auge, sondern sucht nur den
tiefsten
Sümpfen und trutzigsten Kanten auszuweichen, in Gedanken
seinen
schwächelnden Pneu streichelnd und ihm Mut zuredend. Dass er
für die
Strecke viereinhalb Stunden benötigte, weil er nicht alleine
unterwegs war, sondern sich das Vergnügen mit eiligen Bussen
und
schweren Tanklastzügen
teilen durfte, kannst du dir sicher
vorstellen, aber für den Zustand der "Straße" und
das
Aussehen seines Toyota, als er endlich
die unbeschreibliche
Rumpeltortur verließ, reicht deine Fantasie bei weitem
nicht
aus. Wirf einen Blick auf das Foto und gib es ruhig zu, dass du dir die
Magistrale A12 so nicht vorgestellt hast. Frank
nämlich auch
nicht.
|
Frank
ist einfach drei
Jahre zu früh nach Sri Lanka
gekommen. 15
km vor Trincomalee nahm er Reißaus, denn da gibt es wieder
einen Tempel auf dem Lande, und nach dieser A12 kann ihn kein
noch so steiniger
Feldweg mehr schrecken.
Ihm
schwante schon, dass es hier, im
Tamilenland, für buddhistische Tempel wie das Velgama Vihara
während des Bürgerkriegs nicht allzu lustig gewesen
sein
dürfte, aber der Bonze, der die "freiwillige" Spende kassierte
und
dafür drei Postkarten rausrückte, wies die Besucher
darauf
hin, dass
hier nicht nur antike Buddha-Relikte, sondern auch eine Fotoausstellung
aus dem Bürgerkrieg zu besichtigen sei. Frag mich nicht, wer
da
wen massakriert hat, aber das Gelände, auf dem wir gerade
stehen,
hat etliche Hektoliter Blut geschluckt. Angesichts der Leichenberge auf
den
Fotos werden Frank
die Makaken beinahe sympathischer als der blutsaufende
homo sapiens, aber weißt du denn, ob der Boden, auf dem du
üblicherweise stehst, sitzt, fernsiehst, googelst oder
duschst,
nicht ebenso
blutgetränkt ist? Seit der Steinzeit gab es zahlreiche
Gelegenheiten, einander an die Gurgel zu gehen, und seit der Erfindung
von Messer, Muskete und Guillotine wurde das Metzeln ja
zeitweise
systematisch betrieben. Wer weiß, was die Zukunft alles
bringt,
denn heutzutage legen schon Ziegenhirten und andere Amateure
Sprengfallen und Autobomben; wenn da erst mal Profis ans Werk gehen,
brauchen wir keine Reisen mehr zu planen.
|
Aber ich
fürchte, Frank schweift vom Thema ab.
Also, nach dem Ruinentempel
mit
seinem leprösem Buddha und Leichenbergen braucht er erst mal
einen
Cocktail, und den holt er sich am Strand von Nilaveli, 15 km
nördlich von Trincomalee, in einem teuren, aber komfortablen
Resort, gleich neben einer Siedlung aus gleichförmigen
Häuschen. Nein, kein Neckermann-Hotel, sondern "Provisional
Homes
For Tsunami Victims 2004". Richtig, Sri Lanka hatte damals auch viel
abgekriegt. Das Resort Hotel steht aber noch, oder wieder, in
dem Frank
das letzte verfügbare Zimmerchen, das einzige
mit Blick auf die vorgelagerte Insel Pigeon Island, erhält.
Von da aus ist man in einer
halben Stunde in Trinco, wie die
Einheimischen ihr schönes Städtchen nennen. Es ist
einer der
idealsten Naturhäfen des Erdenrunds und liegt auf und um eine
Landzunge herum, die leicht gekrümmt eine weite Bucht
umschließt. Hierdurch hat Trinco auf allen Seiten Meer, und
wenn man durch die engen, indisch überfüllten
Bazargässchen
durch ist und irgendwo ein blaues Gewässer blinken sieht,
weiß man nie,
auf welcher Seite man eigentlich herausgekommen ist.
Macht aber nichts, denn
seltsamerweise mögen die Einwohner nur
ihr
Bazargetümmel, am Meer hingegen ist die Stadt leer, offen,
voller
weiter Parks und Strände, an denen nur ein paar Kinder
plantschen
und sonst keine Seele zu sehen ist. Auf einer Halbinsel, die sich wie
Gibraltar zum Meer hin steil erhebt, liegt an der höchsten
Stelle der wichtigste Hindu-Tempel der Region, der Konesvaram Kovil,
und ein lang ansteigender Pilgerweg, gesäumt von Buden voller
Tand
und Talmi, führt hinauf. Ausländische Touristen sind
auch hier nur eine
Minderheit; Hindus in indischer Tracht füllen die Gasse und
kaufen
den Dealern ihre Glasperlen und Plastiktrommeln ab.
|
Die
Ostküste Sri Lankas ist wesentlich heißer als der
Westen
und
das
Inland. Vielleicht
hatte Ka
aus diesem Grund heute ihre Shorts
angelegt. Als ihr vier Hindu-Priester entgegen kamen, meinte
sie,
deren miesepetrigen Gesichter gelten womöglich ihrer
weltlichen
Aufmachung. Dass sie so nicht in das Heiligtum reingelassen
würde,
war sonnenklar. Aber wozu schleppt Frank
denn seinen Sarong aus Indonesien mit sich rum?
Wuppdich, schlingt Ka sich das Ding um die
Hüfte, und
fertig ist der lange Sommerrock. Noch bevor sich die Schuhmafia der
Schlappen bemächtigen und ein halbes
Wocheneinkommen aus Frank und Ka herausholen kann, verstaut er die
Latschen in seiner
Schultertasche, und schon ist er drin in der flipflopfreien Zone.
Ein ganz moderner Tempel, denn in beweglicher Leuchtschrift erscheint
auf Tamil, Sinhala und Englisch über allen
Pilgerköpfen
der Satz
"Welcome to Konesvaram Kovil, may Shiva bless you", und ansonsten
kann man auch hier frei herumspazieren und
die vielköpfigen und -armigen Heiligen bewundern.
"So einen achtarmigen Helfer hätte ich gerne zum Putzen und
Abwaschen",
hört Frank
Ka hinter sich seufzen. Nein, nicht falsch verstehen,
ein japanischer Sutratext
war das nicht.
Das Häuschen hat auch einen Hinterausgang, aber wenn du
meinst,
der führt zum Garten, hast du dich getäuscht. Hier
geht's
nämlich ziemlich direkt zum Meer, das allerdings gut 150 m
unter dir
glitzert. Swami's
rock nennt sich diese Steilküste,
und
von diesem Felsen handelt auch die tamilische Version der
Madame-Butterfly-Story,
dass sich nämlich ein tamilisches Mädchen,
verliebt
in einen der
schlanken holländischen Matrosen, einst von hier aus in
die Tiefe gestürzt habe, als sie das Segelschiff mit ihrem
Schwarm
an Bord in Richtung Amsterdam in See stechen sah.
|
So ein Sprung ins kühle Nass wäre dem Frank auch ganz
willkommen
bei der Hitze, aber er hat in der Stadt noch einen wichtigen Termin.
Was, du errätst es nicht?
Ist doch logo, das hiesige General Hospital hat er noch nicht
besichtigt. Er inszeniert also wieder sein Napoleon-Stück,
aber
die tamilische Mentalität würde
auch nach
Lüdenscheid passen.
"Es ist nicht gestattet, auf dem Hospital-Gelände zu parken.
Nur für Personal."
Na schön, Frank
ist
kein Notfall, sein Arm sieht schon fast
wieder normal aus. Und vor dem Haus ist viel Platz zum Parken.
"Ihre Patientennummer?", krächzt ihn eine Art Hausmeister an.
"????" "Dann müssen Sie sich erst mal registrieren lassen."
In dem Empfangssaal staut sich eine beträchtliche Anzahl
potenzieller Kundschaft. Frank
hockt sich dazu. Die beiden
Weißkittel, die in Zeitlupentempo mit dem Registrieren
beschäftigt sind, nehmen keine Notiz von ihm. Die ersten zehn
Minuten vergehen, und noch immer ist die Registratur der Leute, die
schon da standen, als Frank
hereinkam, zu keinem Ende gekommen, falls sie überhaupt schon
begonnen hat.
Ein schneidiger junger Arzt durchquert eilig die Halle. Auf einmal
bleibt sein Blick an Frank
hängen. Er legt eine Kehre hin, die einem Slalomspezialisten
Respekt abnötigte, und
fragt
nach Franks
Begehr; der zeigt ihm seinen tollen Impfpass.
Wahrscheinlich hat der junge Spund hier was zu melden. Er
zieht Frank
am
ärmellosen Ärmel zu den Registrierspezis, schnarrt
sie auf
Tamilisch an, reicht ihnen Franks
Impfpass, und Sekunden
später
hält selbiger ein daumennagelgroßes Stück
Pappendeckel
in der
Hand, aus irgendeiner Verpackung ausgeschnitten; auf der
weißen
Rückseite steht, handbedruckt aus dem Druckkasten:
"5652/430838". Vorzugsbehandlung für old white man auch in Sri Lanka, aber als Selbstzahler ist Frank ja sozusagen Privatpatient, hahaha.
"Das ist Ihre Patientennummer. Nicht verlieren, immer mitbringen, wenn
Sie hier zur Behandlung kommen", wird Frank
streng belehrt. Wer
weiß, ob und wann er hier je wieder zur Behandlung kommt.
Danach geht es aber wie geschmiert. Frank
wird in einen weiten, fast
menschenleeren Saal geführt. Eine freundliche ältere
Dame
hört sich geduldig an, was es mit ihm auf sich hat, und
geleitet ihn persönlich zu der Spezialistin mit den
Spritzen. Auch diese Ärztin
ist
sehr liebenswürdig und piekst ihm sanft und vorsichtig das
Zeug in
den Arm.
"Nein, das ist kostenlos für Sie", wehrt sie am Ende ab,
wünscht ihm gute Genesung und eine schöne Reise.
Allmählich dämmert es Frank, dass er die
Auffrischungsspritzen in Polonnaruwa wohl schon mitbezahlt hat.
|
Als Frank ins Auto steigt, löst sich eine dunkle Figur aus dem
Schatten
eines Baumes in der Nähe und fuchtelt mit den Händen.
"Parking
fee....!", hört Frank im Losfahren, aber dann verhüllt
die durch seinen Kavalierstart aufgewirbelte Staubwolke den dreisten Trollo. Wenn
hier die Tollwut-Impfung kostenlos ist, denkt old white man Frank doch nicht daran,
fürs Bewachen seiner Latschen oder des antiken Toyotas Almosen
zu
verteilen. Außerdem will ihm nicht einleuchten, dass das
Parken
auf öffentlicher Fläche nur für
Ausländer
kostenpflichtig sein sollte. Diese Schluris glauben einfach einen Dreh
gefunden zu haben, mit dem sie sich von tölpelhaften Touristen ein paar
Rupien fürs Nichtstun ergaunern können.
Von solchen Spitzbuben abgesehen macht Trinco einen angenehmen
Eindruck. Eine hübsche, ruhige Stadt am Meer. Nur ein wenig zu
heiß tagsüber. Auf der Innenseite der Bucht, kurz
vor dem
Ende der langen Strandpromenade, die in eine Garnison der lankesischen
Marine mündet, steht ein modern, sauber und
großstädtisch aussehendes Restaurant und wartet
vergebens
auf Kundschaft. Es
nennt sich Dutch Bank Café.
Nein, keine Filiale der Deutschen Bank. Das Ding ist
mit viel Glas
und
Design
in die
Originalruine der alten niederländischen Bank eingearbeitet, chic, aber wer verirrt sich wohl
hierher ans Ende der Welt?
Da Frank zum vielversprechend aussehenden Dîner Bier ordert,
bittet ihn der Chef des Etablissements diskret, hinter einer dicken
Säule
Platz zu nehmen, es hätten auch moslemische Gäste
reserviert.
Die kamen aber erst, als Frank schon fertig war, sonst hätte er
ihnen zum Zuprosten eine Runde Freibier spendiert.
Anschließend die Rückfahrt nach Nilaveli, durch
totale
Finsternis auf unbeleuchteten Straßen, zwischen gackernden
Hühnern, wuselnden Kötern, lichtlosen Radfahrern und
bepackten Handkarren, mitten auf der Chaussee wiederkäuenden
Rindviechern und mit Aufblendlicht entgegenkommenden Busraketen, das
war ein Abenteuer der Sorte, die Frank nicht sonderlich schätzt. Dass er
trotz des Liters Bier im Bauch am Ende der Fahrt in seinem
schönen Resort in Nilaveli ankam und nicht noch einmal im General
Hospital von seiner neuen Patientennummer Gebrauch machen
musste, verdankte er zweifellos den täglichen Besuchen in buddhistischen und
hinduistischen Heiligtümern; Heerscharen von Bodhisattvas und
Ganeshas sind zu Franks Schutz abgestellt, eine andere
Erklärung
ist nicht denkbar.
Nie mehr nachts in Sri Lanka autofahren, schwört er sich. |
![]() |
![]() |