COCKTAILS UND INSEKTENSTICHE
PANAMÁ
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Gestern Cuba, heute Jamaica, morgen Panamá. Was es da zu sehen gibt, wissen wir auch nicht, nur vom Panama-Kanal haben wir was läuten gehört; ein Guidebook haben wir beide nicht, aber ein Hotel gebucht. Nach Panamá geht täglich eine halbleere Maschine; damit der Flieger die Reise nicht ganz ohne Passagiere bewältigen muss, übernimmt die COPA (COmpañía Panameña Aérea) freundlicherweise die Kosten für die ersten zwei Übernachtungen ihrer Fluggäste in Panamá City in einem gediegenen Hotel ihrer Wahl. Bueno, dann lassen wir uns mal von Panamá überraschen.
"Panama-Hüte gibt's da noch", fällt der Ka im Flugzeug ein, als wir uns verzweifelt unserer Schulkenntnisse über Panamá zu entsinnen versuchen. Der Isthmus von Panamá und ein pockennarbiger Drogenpatron namens Noriega, den die Amis aus dem Präsidentensessel gekippt und irgendwo eingelocht haben, mehr fällt uns beim besten Willen nicht ein. Wir wissen nicht mal, wie die Landeswährung heißt, ob da früher mal Azteken, Sioux oder Eskimos gewohnt haben und ob Pa'City auf der karibischen oder pazifischen Seite liegt. So greenhornig sind wir noch in kein Land reingeschneit, das steht fest.
Gähnende Leere im Airport. Die Burschen vom Zoll sind so gelangweilt, dass sie zum Zeitvertreib unser Gepäck ausleeren und frustriert wieder einpacken, weil sie nichts Interessantes gefunden haben. Schließlich haben wir alles, was wir an Drogen, Dynamit, Juwelen und Kanonen auf Reisen stets mit uns zu führen pflegen, in Jamaica gelassen. Frustration auch in der Airport-Bank: Ratlos wendet der Mensch unsere DM-Scheine hin und her, solche Lappen hat er noch nie gesehen, eine Kurstabelle hat er auch nicht, Geldwechsel ist Fehlanzeige. Wie kann nur ein Mensch so dämlich sein und ohne Dollars durch die Weltgeschichte reisen? -- sagt sein beredter Blick. Und ich kann es kaum glauben, dass auf der Neckermann-Landkarte noch weiße Flecken sind, ein Land, in dem die DM zu den unbekannten Währungen zählt! Na gut, wir haben noch ein paar Dollars übrig von Cuba, wenn wir sparsam leben, reicht's bis Montag, und das Hotel ist ja gratis. Ich frage einen der dösigen Airport-Wächter, wie man am besten in die Stadt kommt.
"Mit dem Taxi", sagt der Saftkopf. Wer hätte das gedacht? Bevor ich unfreundlich werde, fügt er noch hinzu, dass es bis in die City 25 km sind, wegen Staus stundenlang dauern kann und die Geheimnisse des Busverkehrs für Ausländer undurchschaubar sind, kurzum, die 25 $ für das Taxi sind einfach unumgänglich. Der Patzer von MoBay, wo wir unsere mühsam erwirtschaftete Barschaft gleich bei der Ankunft einem Taxi-Hai in den Rachen geschmissen haben, unterläuft mir nur einmal. Ich weiß mir einen besseren Rat. Wir marschieren runter in die Abflughalle und fragen da noch mal, denn erfahrungsgemäß stehen nur die Leute in der Ankunftshalle mit der Taxi-Mafia im Bunde. In der Tat erhalte ich sehr zuvorkommend und ausführlich Auskunft, in welchem Stadtteil sich unser Hotel befindet, wie man da hinkommt, dass die Bushaltestelle draußen in Sichtweite ist und die Fahrt 40 Cents kostet. So gefallen mir Panamá und die Panameños schon besser. Wir sehen die Bushaltestelle schon von weitem, von dem menschenleeren Vorplatz aus, und auch, dass da gerade ein leerer Bus ankommt und hält. Der Fahrer des "Diablo rojo", des "roten Teufels", wie man hier die in poppig bemalten und üppig aufgemotzten Busse nennt, winkt uns zu und wartet seelenruhig, bis wir angeschnauft kommen; schon wieder ein freundlicher Zeitgenosse, ein rundlich-jovialer Latino mit listigen Äuglein und mächtigem Schnauzer, der mit krachend einrastendem Schaltgestänge sein rollendes Graffiti-Gefährt in den Wochenendmulk von Panamá-City hineinsteuert. Die Information vom Flughafen war präzise; wir steigen am richtigen Ort aus, geben dem guten Chauffeur, der uns 25 Taxidollars erspart hat, einen ganzen Dollar und wissen, als wir wenig später im Hotel einchecken, bereits, dass die panamenische Währung Balboa heißt, aber nur folkloristische Bedeutung in Form vereinzelt kursierender Münzen hat. Das Papiergeld ist ausschließlich der US-$, denn lange genug haben die Amerikaner mit der Kanalzone halb Panamá in ihrem Besitz gehabt.
Pa'City ist eine ordentliche, ansehnliche Stadt, eine Weltstadt im Vergleich zu Kingston; nicht so prachtvoll wie La Habana, dafür aber auch nicht so zerfallen. Die Stadt verfügt über drei Stadtkerne: die Uralt-Stadt, Ruinen aus präkolumbianischer Zeit, die Altstadt, eine Halbinsel mit engen Gassen und alten Häusern im Kolonialstil, die sich um Kathedrale und Präsidentenpalast gruppieren, und die moderne City um das Kap Punta Paitilla herum mit einer beeindruckenden Skyline von Banken- und Hoteltürmen.
IN ZWEI JAHREN WIRD DER TRAUMBLICK AUF PA'CITY ZUGEWACHSEN SEIN
Zwischen den beiden letztgenannten Polen erstrecken sich gut 5 km Wohn-, Markt- und Einkaufsviertel mit einer stattlichen Palmenpromenade an der Bahía entlang; was immer man in Pa'City sucht oder braucht, es findet sich irgendwo in diesem Stadtteil Calidonia, den wir aus dem Swimmingpool auf dem Hoteldach gut überblicken können. Hier häufen sich Märkte, Restaurants und kleine Geschäfte, die fast alle von Chinesen betrieben werden. Wenn offiziell um 19 Uhr Ladenschluss ist und alle Geschäfte die Gitter und Rollos runterlassen, tun die Chinesen so, als müssten sie den Laden stundenlang schrubben und lassen dabei noch Kundschaft ein: Scha-feng, scha-feng, Hois-leng bao-eng.....
Erinnerungen an Südamerika werden wach, wenn wir die Indiogesichter erblicken, die durch das Stadtgetümmel perlen; tatsächlich ist die Grenze zu Colombia von hier aus näher als der nächste mittalamerikanische Nachbarstaat im Westen, Costa Rica. Ähnlich vereinzelt wie die Indios erblickt man Schwarze oder Asiaten, 80% der Panameños sind Mestizen. Auch die Märkte und Imbissbuden verstärken den Eindruck, näher an Südamerika zu sein als an der Karibik. Ceviche und Lomo asado kann man futtern, Chicha trinken und Pacayes kauen, billige Rambutan zum Nachtisch schlemmen, und kaum jemand kommt und will dir mit "amigo"-Schleim an die Brieftasche. Die Leute in der Stadt sind mit sich selbst beschäftigt, jeder geht seinen eigenen Angelegenheiten nach und schert sich nicht groß um uns Gringos, was uns äußerst angenehm ist. Allenfalls ein Zeitungsleser auf einer Bank, neben den wir uns hocken und Rambutans futtern, fragt mal kurz, woher wir kommen und was uns nach Panamá verschlagen habe, und kann nicht kapieren, was an Panamá so interessant sein könnte, dass Leute eigens aus Fernost als Touristen angereist kommen. Ehrlich gesagt, wir wissen es selbst nicht, aber das brauchen wir ihm ja nicht zu verraten.
KOLONIALSTIL IN PANAMA-ALTSTADT
Ein angesäuselter Clochard heftet sich uns an die Fersen und verfolgt uns quer durch Chinatown bis zur Plaza Mayor vor der Kathedrale, kriegt aber nur ein Päckchen Papiertüchel und vergisst vollends, dass er eigentlich Dollars wollte, als ich ihn frage, ob er mit "sí" oder mit "no" stimmen werde. Panamá befindet sich nämlich unübersehbar im Wahlkampf, die Regierung stellt eine Verfassungsänderung zur Abstimmung, und in einer Woche ist Referendum.
"Natürlich mit 'sí', unser Presidente ist doch ein fähiger Mann...", beginnt ein endloser politischer Vortrag. Der Bursche redet sich richtig in Stimmung und wirbt so feurig für seinen Presidente, als würde er dafür bezahlt, und wenn wir Stimmrecht hätten, würden wir zweifellos auch mit "sí" stimmen, ohne zu wissen, worum es eigentlich geht. Aber Regierungen, die sogar von den Stadtstreichern gepriesen werden, sind auf diesem Globus wahrlich rare Ausnahmen.
Auch in der Innenstadt machen die "sí"-Partei und die "no"-Anhänger Rabatz; an jeder Ecke Kundgebungen, lange Autokorsos mit wehenden Fahnen, Hupkonzerte, um die Gegner wenigstens akustisch zu besiegen, aber dank der US-Präsenz im Lande werden die Wahlen nicht mit Handgranaten und MGs entschieden, wie es sonst in Mittelamerika nicht selten vorkommt, sondern es geht gesittet und demokratisch zu; kein zweiter Noriega würde es wagen, hier colombianische Verhältnisse aufkommen zu lassen. Alle die McHendlbraters und Hot Burgers an wirklich jeder Kreuzung führen den Latinos hier deutlich vor Augen, dass ihr Land trotz formaler Unabhängigkeit eine verkappte amerikanische Kolonie ist, in welcher der Dollar regiert, und zwar, anders als in Cuba, mit allen ökonomisch-politischen Konsequenzen. Man braucht nur an der Plaza Concordia ins Rey zu gehen, ins größte Kaufhaus Panamás, nein, der gesamten Karibik: Eiscreme in 20-Liter-Fässern, Säcke voller Cornflakes und Potato Chips, Sirup in gigantischen Plastikeimern, ein perfektes Abbild amerikanischer Shopping-Gewohnheiten. Auch manche Restaurants sind offenbar auf US-amerikanische Kundschaft eingestellt.
Das schönste Gartenrestaurant an der Bahía, "La Cascada" gegenüber dem Fischmarkt, hat die Tische in blühenden Bougainvillea-Lauben arrangiert, mit bunten Glühlämpchen beleuchtet und von artifiziellen Bächen, Teichen und Wasserfällen umgeben. Das Lokal ist auf Mariscos spezialisiert und spottbillig. Seafood nach Herzenslust, und die Sangría dazu kommt eimerweise. Riesenteller, bepackt mit einem Berg von fritierten Krabben, Muscheln und Sepia-Ringen (laut Speisekarte werden ein bis anderthalb Pfund Meeresziefer pro Menü garantiert!), dazu Fritten, Salate, Kartoffeln und Brot, während die Ka von zwei goldgelb gebratenen, karpfengroßen Corvinas angeglotzt wird, eine Menge, von der sie sich üblicherweise gut vierzehn Tage lang ernähren würde. Hier sind vermutlich Sumo-Ringer und ähnliche Fressgetüme Stammkunden. Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich in gesunder Verfassung und mit normalem Appetit eine Mahlzeit für umgerechnet 13 Mark nicht packe. Pa'City, so unser erster Eindruck, hat durchaus seine Attraktionen. Dass hierzu freilich auch eine beträchtliche Portion Lateinamerika gehört, merke ich am Montagmorgen. Am Flughafen, im Hotel und bei jedem Reisebüro liegen Prospekte aus, die das englischsprachige Guidebook "Getting to know Panama - the complete guide" preisen, "erhältlich in jedem Buchladen". Wunderbar, sowas fehlt uns gerade. Alles, was wir über Panamá bisher erfahren haben, stammt nämlich aus der Inflight-Broschüre der COPA, die wir aus dem Flugzeug geklaut haben, weil sie ein paar brauchbare Informationen und einen Stadtplan enthält.
Der gutsortierte Buchladen nahe unserem Hotel kennt das Guidebook nicht. Na ja, da schmeiß ich doch nicht gleich die Flinte ins Korn! Ich hopse in den nächstbesten Bus, um zur Plaza Concordia zu gelangen, ins panamenische Business-Zentrum, hopse aber gleich wieder raus, weil der blöde Bus schon an der nächsten Kreuzung abbiegt und der City den öligen Rücken zeigt. Nun bin ich an der Uni gelandet, just vor einem Bookshop, wunderbar!
"Guidebook? Profane Bücher führen wir nicht."
Profane Bücher? Es ist, ich sehe es erst jetzt, ein christlicher Laden voller Heiligenbibeljesuskatechismus-Literatur, kein einziges brauchbares Buch im ganzen Haus. Ich latsche grummelnd zur City zurück, erwische diesmal den richtigen Bus und stehe bald im Literatur-Supermarkt von Pa'City. Krimis, Comics, Pornos, was immer geduldiges Papier aushält, ist hier zu finden, nur besagter Reiseführer nicht.
"Was es alles gibt!", staunt die Verkäuferin, als ich ihr den Prospekt vor die Nase halte. "Nee, nie gesehen, nie was davon gehört. Könnte ich aber bestellen, falls es nicht vergriffen ist. In zwei bis drei Wochen werden wir Nachricht erhalten."
In zwei bis drei Wochen bin ich in Tokyo und brauche kein Panamá-Buch mehr, danke für die Freundlichkeit. Wir brauchen das Ding in einer Stunde, falls uns die Mietwagenfirma wie telefonisch verabredet ihr Vehikel ins Hotel bringt. Und außerdem brauche ich Dollars. Die erste Bank wechselt kein Geld, die zweite auch nicht. Was sind das denn für Banken, die kein Geld wollen?
"Wo ist der Cambio-Schalter?", frage ich in der Banco de Panamá. Wenn die anderen Klitschen keine Moneten wechseln, in so einem gediegenen Institut klappt es sicherlich.
"Banken tauschen grundsätzlich kein Bargeld um."
Unglaublich. Was machen wir ohne Cash? Unser Auto kriegen wir auf Kreditkarte, aber das Obst auf dem Markt und die Kokosnuss am Straßenrand nicht. Da gibt es eine private Wechselstube in der Nähe. Ich finde den beschriebenen Laden, da steht auch CAMBIO dran, aber außerdem auch
Filatelia, estampillas y monedas
Briefmarken und Münzen für Sammler. Zwei graue Männlein zwischen Bergen von vergilbtem Papier, alte Kataloge, Einsteck-Alben, Zeitschriften, Lupen und Pinzetten.
"Geldwechseln? DM?" Der Mensch scheint sich zu freuen, die Augen blitzen.
"Für 100 DM gebe ich 50 Dollar." Er reibt sich tatsächlich die Hände, der Opa. Monopolist, Halsabschneider, Wucherer! Der offizielle Kurs steht bei 62,50 $. Es hilft kein Schmeicheln, kein Betteln, kein Nörgeln. Er weiß nur zu gut, dass man nirgends sonst Bargeld gewechselt kriegt in diesem dämlichen Land.
"Einen Nachlass kann ich nicht geben. Wenn Ihnen der Kurs nicht zusagt, können Sie ja auf den Umtausch verzichten."
Da fällt mein Blick auf eine Karte, die aus seiner Brusttasche hervorlugt, bedruckt mit hebräischen Schriftzeichen. Ist das denn die Möglichkeit? Alle Vorurteile gegen jüdische Geschäftemacher werden dermaßen perfekt bestätigt, dass mir richtig graust. Ich gebe dem Knicker 600 Mark, nehme meine 300 $ und mache mich stumm und betroffen davon.
Nur 3 Minuten nach 11 ist ein junger Mensch mit einem flotten Mietwagen zur Stelle, wenigstens das hat geklappt! In der City gibt es jetzt nichts mehr zu erledigen, die kostenlosen Übernachtungen haben wir ausgenutzt, auf geht's in die Prärie! Das erste Ziel ist natürlich der Panamá-Kanal, was denn sonst? Bis Jimmy Carter 1977 den Vertrag unterzeichnete, der den Panamá-Kanal an Panamá zurückgab, war das Land durch einen 10 km breiten Streifen USA-Territorium längs des Kanals, der Canal Zone, mittenmang zerschnipselt; um von einem Landesteil in den anderen zu gelangen, existierte nur eine einzige Transitstrecke, die Panamericana, jene Straße, die angeblich von Alaska bis nach Feuerland führt. Deshalb hat sich Pa'City, dessen Altstadt auf die pazifische Kanaleinfahrt herabblickt, vom Kanal fortentwickelt. Das brandneue Kanalmuseum nahe der Kathedrale, das sonntags mit freiem Eintritt lockt, und ein Blick von der Promenade an der französischen Botschaft auf die westliche Einfahrt, vor der zahllose Pötte dümpeln, das ist alles, was in Pa'City vom nahen Kanal zu sehen ist. Da wir jetzt aber motorisiert sind, töffeln wir mal hin, quer durch amerikanische Housing Areas mit ihren Churches und Baseball-Plätzen, es sieht aus wie in den Nachkriegsjahren in Frankfurt, nur dass die Straßenkreuzer der Besatzer hier nicht unter Linden und Kastanien, sondern unter Mangobäumen parken.
OZEANRIESEN IM WALD...... KANN NUR DER PANAMA-KANAL SEIN
"Visitors welcome" steht da an einem Tor mit Wachmann und Schranke, das muss ja gleich mal getestet werden. Nicht zu viel versprochen: Der Wachmann dreht nur die Schranke hoch, ohne uns einer Leibesvisitation zu unterziehen, und wir gelangen an die Esclusas de Miraflores, eine Schleusenanlage, wo die Ozeanriesen die Berge hochgepumpt werden. Leider ist gerade kein Ozeanriese in Sicht, aber in der nächsten Schleuse, nur ein paar Kilometer weiter und von der Landstraße aus gut einzusehen, zwängt sich gerade ein Containerfrachter aus Bari in die engen Schleusenkammern. Man sieht gleich, der Kanal wurde zu einer Zeit gebohrt, als noch keine Öltanker im Dinosaurierformat durch die Meere pflügten; allenfalls mittelgroße Pötte passen durch den Kanal mit seiner kaffeebraunen Brühe.
SCHLEUSE VON MIRAFLORES
Ka ist ganz
begeistert, dass die Straße in Richtung Colón durch
bilderbuchartigen Dschungel führt.
"Ich
hatte mir Panamá als ein Wüstenland voller Kakteen
vorgestellt...!" Hier säuft jeder Kaktus garantiert ab,
denn das Wetter erinnert stark an deutsche Sommer, nur dass die
zahlreichen Regenschauer bei Temperaturen um die 30 Grad so
niederprasseln, dass der heiße Asphalt dampft. In Panamá nennt
sich das "Winter", obwohl man sich durchaus auf der
Nordhalbkugel befindet und noch immer August ist. Weil es aber
ohnehin stets gleich heiß ist, verstehen die Panameños unter
"Winter" das regenreiche Halbjahr, während die
Trockenzeit um den Jahreswechsel hier ohne weiteres als
"Sommer" durchgeht. Und mit dem einsamen Dschungel ist
es sehr bald zu Ende, als die Chaussee in die Hauptstraße
einmündet und wir zu unserer Verblüffung in einem handfesten
Dauerstau steckenbleiben, als befänden wir uns auf der Autobahn
München-Salzburg zu Beginn der Sommerferien. Angesichts der kaum
je unterbrochenen Werbetafeln beidseits der Straße, die den
Blick auf das Dschungelgrün durch Sony, Toshiba, Old Parr,
Chanel und Marlboro ersetzen, fällt mir ein, dass ich in dem
gemopsten Inflight-Heftchen, unserem Guidebook-Ersatz, etwas von
der zollfreien Handelszone im Freihafen von Colón gelesen habe.
Ganz Panamá fährt also nach Colón zum Einkaufen, auch wenn das
eine Fahrt vom Pazifik bis zum Atlantik bedeutet. Gottlob
beträgt diese Strecke in Panamá nur 76 km, so wenig wie
nirgends sonst auf dieser Welt. Kurz vor Colón verlassen wir die
verkehrsreichste Straße Mittelamerikas und biegen nach Osten ab,
denn weder diese Marlboro-Stadt noch der weiter westlich gelegene
Golfo de los mosquitos verlocken uns unwiderstehlich. Laut Karte
führt die Straße am Meerufer entlang bis in die Provinz San
Blas, aber hinter Portobelo ist der Asphalt zu Ende und die
Straße geht in einen rötlichen Schlammbrei über, der nur für
Kettenfahrzeuge befahrbar ist. Portobelo freilich macht seinem
Namen alle Ehre, wenngleich es seine große Zeit als
Hafenstädtchen längst hinter sich hat. Ein verrottendes Fort
aus spanischer Zeit bewacht mit seinen schweren Kanonen aber noch
immer die malerische Bucht und die wenigen Segelyachten reicher
Anlieger. Für Angler, Liebespaare und einsame Camper aus Fernost
ist die Wiese ringsherum höchst attraktiv, zumal sie von klaren
Bächlein durchgluckert wird. Und diese Bächlein bekommen
während der Nacht reichlich Zulauf, denn zweimal scheuchen uns
unbestellte Duschen aus dem Zelt ins Auto. Und dass nur im Golfo
de los mosquitos diese vermaledeiten
Flugdraculas heimisch seien, hofften wir leider vergebens.
FORT PORTOBELO, VOR DIENSTBEGINN DER MOSQUITOS