COCKTAILS UND INSEKTENSTICHE


JAMAICA

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pukpuk

Die Krokodile im Black River sind ganz lieb und fotogen. Es heißt, dass sie sich mit Volldampf davonmachen, wenn versehentlich ein Tourist ins Wasser plumpst, denn sie fressen lieber rohen Fisch oder Jerk Chicken als zähe Gruftis; außerdem haben sie mit ungekochten Zweibeinern schlechte Erfahrungen gemacht, denn die sind ihnen in der Vergangenheit schwer ans Krokoleder gegangen. Die heute präsenten rund 300 Exemplare sind die letzten Überlebenden einer einst bedeutenden Population, die nicht nur von Jägern, sondern auch von Industrie und Landwirtschaft dezimiert worden ist. Heute sind sie geschützt, denn die Jamaicaner haben gerade rechtzeitig entdeckt, dass Touristen auf Fotosafari und Ganja-Felder im Morast des Flussdeltas mehr Dollars ins Land schleusen als schießwütige Handtaschenproduzenten. So dümpeln die Alligatoren im Schatten der Mangroven oder tanken Sonnenwärme auf einem toten Baumstumpf und tun so, als seien ihnen die Motorboote voller Paparazzi völlig schnurz.

Nicht weit davon erwartet uns Treasure Beach, ein Geheimtip für Naturfreaks, denn da kann man ungestört meilenweit den Sandstrand entlangzockeln, ohne eine Menschenseele zu erblicken, oder textilfrei im warmen Ozean trudeln und sich die schwarzen Nachmittagsgewitterwolken von unten angucken, wie sie sich türmen und ballen und so tun, als wollten sie ein Inferno auslösen. Doch es rumpelt und pumpelt nur hinter den grünen Hügeln, und ein paar Meilen weiter, im Treasure Beach-Dorf, herrscht eitel Sonnenschein und Off-Season-Stille.

* * *

Über eine lange Bambusallee führt die Piste in die Berge zu den YS Falls (sprich: Wai-Ess), den heftigsten Kaskaden auf Jamaica. Und das will was heißen, denn all das Gewitterwasser, das Tag für Tag über den Bergen niedergeht, will wieder ins Meer zurück und strömt und quillt an allen Ecken und Enden hervor. Ihren ulkigen Namen verdanken die Wasserfälle den Herren Yates und Scott, die 1655 in der Gegend Zucker anbauten und zu Werbezwecken den Kaskaden ihren Firmennamen Y&S verpassten. Auch heute sind die Fälle Bestandteil der riesigen Farm eines weißen Landlords, der zwar einerseits einen Eintrittspreis von 10 US $ p.P. verlangt, dafür andrerseits aber die Attraktion auch zu einem vorbildlich gepflegten Naturpark mit Orchideen, Rastplätzen, Spazierwegen, Spielwiesen, Baumhäusern und Papierkörben ausgebaut hat und fest entschlossen ist, die Schönheit des Fleckens zu wahren und zu mehren. Es steht dem Besucher frei, sich an jeder beliebigen Stelle in die tosenden Strudel zu stürzen, damit sich die fest angestellten einheimischen Lifeguards nicht langweilen. Der drallen Jamaicanerin in ihrem roten Lebensretter-Badeanzug, die durch die Strudel quirlt wie ein Korken auf dem Champagner, macht es sichtlich Spaß, einen prustenden Briten der Vorkriegsgeneration, der, vom Sog angezogen, samt den Kaskaden koppheister zu gehen droht, im letzten Moment rauszuangeln und ihn, an ihrem mächtigen Busen sicher verstaut, ins Trockene zu hieven. Eine andere der resoluten Helferinnen schnappt sich ein kleines Mädchen mit Schleifchen in den schwarzen Rasta-Zöpfen, nimmt es huckepack und springt dann einen gut 10 Meter hohen Wasserfall runter.

tante

TANTE, NOCHMAL RUNTERHOPPEN!!

Das Kind kiekst vor Vergnügen, die Oma schmunzelt, und die Lifeguard-Tante kraxelt zum fünften Mal die Stromschnellen rauf, um mit dem Mädchen auf dem Buckel wieder und wieder runterzuhoppen. Trotz des hohen Preises und der abseitigen Lage fallen im 20-Minuten-Rhythmus immer neue Busladungen sonnenbrandiger Fremdlinge in den Kurpark ein, weshalb wir uns auf die Reifen machen und nach dem nächsten Roaring River Ausschau halten.

Der roart deshalb so, weil er sein Bett durch den Muschelkalk gebohrt hat und zwischen kalkigen Schluchten und hohlen Klüften im Stereo-Sound samt Echo-Effekt tost. Schon auf dem Parkplatz baut sich ein Typ vor uns auf und verkündet, er sei unser offizieller Guide. Als er anfängt, uns Bananenstauden und Hibiskusblüten zu erläutern, als seien wir soeben vom Mars gekommen, verklare ich ihm, dass wir den Weg auch ohne Guide finden, aber das hat nur eine Änderung der Hackordnung zur Folge. Jetzt gehen wir vorneweg und er watschelt hinterdrein, vorher war's umgekehrt. An jeder Abzweigung, an der wir das Guidebook konsultieren, kichert er, als wollte er sagen, das habt ihr davon, dass ihr den Führer verschmäht, und auch vom einsetzenden Regen lässt er sich nicht verdrießen, sondern folgt uns sogar in die Hütte, die ein Red-Stripe-Fähnchen aushängen hat und offensichtlich als Bar fungiert. Drinnen hockt schon eine Bande von Italienern; zwei der mediterranen Mädels sitzen je einem Jamaicaner auf dem Schoß, nuckeln Bier und suckeln Ganja. Die neben mir sitzende Signorina reicht mir wohlgelaunt den Joint, während sich schwarze Hände mit ihrem Ausschnitt befassen, aber ich muss schon wieder bedauern: Wir sind noch immer Nichtraucher.

“So ein tumber Blödian", sagt ihr spöttischer Blick, der letzte, dessen sie mich würdigt, und dann drückt sie ihrem Büsten-Halter ein Küsschen ins unrasierte Gesicht und giggelt nur kokett, als der sich mit der anderen Hand in der Gegend ihres Rocksaums zu schaffen macht.

Nach dem Ende des Schauers roart der River vermutlich besonders kräftig, doch es war uns nicht vergönnt, den Sound zu hören, denn den Zugang zu den Caves bildet ein verschlossenes Gitter: Um 15 Uhr macht der River Feierabend. Wir wenden uns zum Gehen: Da steht “unser" Guide und hält die Pfote auf.

“600 J$ please."

Ich bin ja kein Unmensch und durchaus bereit, treue Gefolgsleute zu honorieren, aber mehr als 100 J$ ist mir seine Anhänglichkeit nicht wert. Bis zum Parkplatz zetert er über meinen Geiz und versucht es mit einem letzten, verzweifelten Trick.

“300 J$ pro Person ist der offizielle Preis. Hier steht es angeschrieben", sagt er und deutet auf die Preisliste am Parkplatz. Ach, das habe ich schon auf dem Hinweg längst gesehen; es sind die Eintrittspreise zu den vergitterten River Caves.

“100 $, das reicht nicht mal für ein Bier!" mosert er. Ein Policeman kostet 60 $, mein Lieber, ich bin doch nicht blöd! Ich mopse ihm den 100-$-Schein aus der Hand.

“Wenn du die 100 $ nicht willst, nehm ich sie wieder mit. Bye-bye!"

Jetzt steht ihm Panik ins Gesicht geschrieben. Er schnappt sich den Lappen und trollt sich. Neben dem Auto steht schon der nächste, einen Ganja-Joint in der Visage, und hält die Hand auf.

“Ich hab euer Auto bewacht", sagt der Schluri und macht ein Gesicht, als habe er sein Leben riskiert, um ganze Banden von Automardern in die Flucht zu schlagen. Dabei ist der Parkplatz umzäunt und durch Schilderhaus und Schranke gesichert. Die Typen hier sind echt hyperdreist. Naturlich kriegt der Trollo was gehustet, wir sind doch keine Entwicklungshelfer für Cannabis-Züchter!

* * *

Negril am Westzipfel der Insel ist das Rimini von Jamaica. Die Küstenstraße ist weithin gesäumt von Hotels Chalets Lodges Restaurants Souvenirs Lounges Pools Bars und wie sich all der Chichi nennt, auf den die devisenträchtigen Besucher stehen. So eine Ansammlung von Dollars lockt natürlich sämtliche Gauner der Insel herbei, denn hier können sie wie auf einer Mops-und-Klau-Olympiade zeigen, was sie drauf haben. Unser Stoffhotel pflanzen wir deshalb vorsichtshalber auf eine entlegene Wiese voller Kröten, kriegen aber trotzdem in der Nacht Besuch. Furzend, schnaufend und schmatzend trampeln Rindviecher bei Mondschein um unser kleines Häusel, und damit sie uns keinen dicken Haufen vor die Tür scheißen, niese ich kräftig, woraufhin sie hoppladiholter davongaloppieren, diese Riesenfeiglinge. Da lob ich mir den Mut der Kröten, die sich seelenruhig plattfahren lassen, wenn man nicht aussteigt und eine jede höflich um Wegfreigabe bittet oder sie notfalls eigenhändig umplatziert, als handle es sich um Demonstranten vor Mutlangen.

Da es in und um Negril von Touristen nur so wimmelt, hoffen wir, in der Post auf Personal zu stoßen, das mit Postkartenportosätzen vertraut ist. Wir begeben uns auf den Weg zum Postamt, um unsere Karten zu frankieren und an all diejenigen zu spedieren, die um unser Leben bangen. Wir kommen gerade rechtzeitig, um Zeugen der feierlichen Amtseröffnung zu werden. Ob die jeden Morgen auf die gleiche Art zelebriert wird, vermag ich nicht zu sagen. Eine der drei Postdamen polkt jedenfalls mit einem rostigen Scheibenwischerarm aus der Mülltonne zwischen den Fensterritzen und löst geschickt den innen vorgelegten Riegel. Das rostige Gitter vor dem Fenster der außerordentlich baufälligen Hütte läßt sich mit vereinten Kräften so weit aufbiegen, dass die mutigste der Damen versucht, sich durch den Spalt ins Innre zu zwängen. Ihr weiblich gerundeter Unterleib erweist sich jedoch als unüberwindliches Hemmnis, und nun hängt sie mit dem Oberkörper im Postamt, während ihr dralles Hinterteil in der Morgensonne zur Straßenseite herausquillt und mit den Beinen um Hilfe strampelt. Wir bekommen die Beamtin heil wieder heraus, denn allmählich vergrößert sich die Schar der wartenden Postkunden und staunenden Helfer. Eine junge Lady in der schnieken Uniform einer Bankangestellten äußert laut und vernehmlich die Ansicht, das gesamte Postamt gehöre auf den Sperrmüll.

architektur

 NICHT DAS POSTAMT VON NEGRIL, ABER VERMUTLICH EIN MEISTERWERK DES GLEICHEN ARCHITEKTEN

Irgendein Mensch hat von der Tankstelle nebenan ein grobes Brecheisen organisiert; mit dem wird die splitternde Hintertür so sachte aus den Angeln gestemmt wie ein fauler Backenzahn von einem geschickten Dentisten, und zwischen Türmen von Postbündeln, die bis zur Decke reichen und schon recht vergilbt aussehen, schieben sich die drei Beamtinnen hinter die Schalter und beginnen Briefmarken zu verkaufen. Man hat uns nach der Rückkehr versichert, dass die Mehrzahl der in Negril aufgegebenen Karten wundersamerweise ihre Adressaten erreicht habe.

Nun besteht Negril nicht nur aus Kuhkrötenwiesen und einbruchssicheren Postämtern. Die Hauptattraktion sind die malerischen, palmengesäumten, weißen Sandstrände, an denen sich glasglar die azurnen Wogen des karibischen Meeres brechen - so schwafeln jedenfalls die Reisebürokataloge. Aber wo sind sie nur, die glasklaren Palmen und der azurne Sand ? Wir sehen nur Zäune, Gitter und Warnschilder:

Nur für Hotelgäste    
  PRIVAT!  
    Unbefugten ist der Zutritt STRENG verboten
Eintrittspreis für zwei Stunden Strandbenutzung:

25 US $ pro Person.

Hier fühlt man sich was von willkommen!

Wenn der Besitzer des Seafood-Restaurants Cosmo das Herz nicht auf dem rechten Fleck hätte, wären wir weitergefahren, ohne in Negril gebadet zu haben. Doch im Cosmo ist der ganze weite Strand für nur 30 J$ auf unbegrenzte Zeit zugänglich, und in dem Scherflein ist die Benutzung der Umkleideräume und der sehr sauberen sanitären Anlagen enthalten. Wir vertrödeln viel Zeit unter einem schattigen Baum und beschauen die obligatorischen Beachaktivitäten auf den benachbarten Hotelstränden, wo die Weißen unter sich sind und ungestört ihre Langeweile mit Wasserski, Parasailing, Bananaboat Riding und Beach Volleyball totschlagen. Bei uns hat sich unter dem selben dicken Baum noch eine jamaikanische Mischpoke niedergelassen, von der Urgroßmutter bis zur quäksenden 4.Generation, und dann plantschen sie allesamt mit Getöse ins Wasser - na und, stört uns das? Sollen wir deshalb in ein Club-Ghetto flüchten?

Kein einziger Regentag hat uns die Rundfahrt um Jamaica verdorben; wer Regen liebt, muss ihn aufsuchen, nachmittags in den Bergen. An den Küsten ist es immer gleich heiß, solange sich nicht gerade eines der Berggewitter verirrt und ein paar Tropfen um sich wirft. Aber die nasse Bescherung ist meist nach einer halben Stunde wieder vorbei.

Nicht dass das alles wäre, was uns als Bilanz der Jamaica-Reise einfällt, während wir in Reading auf der offenen Terrasse beim Dinner sitzen und drüben auf der anderen Seite der Bucht im Purpur der Dämmerung die Lichter von Montego Bay flimmern sehen. Aber für ein Schlusswort ist es noch zu früh, denn morgen verlassen wir zwar diese komische Yah-mon-Insel, kommen aber noch ein paarmal zurück, bevor wir uns endgültig aus der Karibik verabschieden. Wir haben verdammte Lust, noch ein paar Winkel dieser Gegend zu inspizieren und herauszufinden, ob man überall so flapsig und dollargierig ist wie auf Jamaica.

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