COCKTAILS UND INSEKTENSTICHE


JAMAICA

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Frisch gebadet in der stillen Morgendünung, umkurvt der Tourist die Schlaglöcher auf der Chaussee, die ihn zu neuen Aventüren bringen soll. In der Ferne wandert ein Mensch mitten auf der Fahrbahn. Bremsen wir mal lieber ab. Es ist eine Frau, die uns entgegenkommt und nur unwillig ausweicht. Splitternackt, nicht mal Schuhe hat sie an. Geht aufrecht und stolz, als sei das Evaskostüm ein Ausgehkleid. Lacht, als wir an ihr vorbeibrummeln. Die Irre von Chaillot auf Sightseeing in Jamaica? Soll das jetzt ein Abenteuer gewesen sein? Wenn man das wüsste. Fragen über Fragen, rätselhafte Karibik.
Bei den Dunn-River-Kaskaden wähnt man sich endlich am Ziel, denn kann ein Tag in Jamaica noch Abenteuerlicheres bringen als diese kühlen Flussfälle im luschigen Tann, in denen man sich nach Herzenslust suhlen und poolen kann? Ein touristisches Highlight ist es sicherlich; es hat den Nachteil, dass man sich die Erfrischung per Ticket erkaufen und mit Unmengen von Whiteys teilen muss, die, einander an den Händen haltend, in langen Pilgerzügen einem schwarzen Guide folgend den Wasserfall gegen die Strömung hochplitschern.

wassermarsch

ALS OB ES DA OBEN FREIBIER GÄBE

Weniger überlaufen und billiger ist die Villa Shaw oberhalb der Stadt Ocho Rios, wo sich ein Bauxitkönig einst einen tropischen Traumgarten mit Wasserfall und Kolibris angelegt hat, oder die Farnschlucht, durch die sich in einem früheren Flussbett die Landstraße nach Kingston windet, von 150 Arten von Farn umgrünt.
Die Krönung des Tages ist jedoch zweifellos der Besuch von Skip's Place, einem einheimischen Restaurant, in das wir nur deshalb geraten, weil wir eine falsche Straße erwischt haben. Auf einer Verbreiterung der Nebenstraße ausgerollt, um die Karte zu konsultieren und eventuell wenden zu können, kommen wir just vor dem Eingang des Lokals zum Stehen. Nichts deutet daraufhin, dass es sich um ein Restaurant handelt, kein Schild, kein Name. Aber Skip kommt mit ausgebreiteten Armen freudestrahlend auf uns zugesegelt.
"Wer hat euch von meinem Restaurant erzählt, wo habt ihr das erfahren? Ich weiß schon, man redet davon, überall! Ja, ich habe meinen Stolz, ich verzichte auf Werbung, hier sollen nur Genießer herkommen und mich weiterempfehlen. Toll finde ich das, dass jetzt auch schon Besucher aus dem Ausland kommen..."
Kann man so einem Menschen die Freude rauben? Wenn er erfährt, warum wir hier gehalten haben, wird ihm eine Welt zusammenbrechen. Wir haben ohnehin Hunger und Lust auf Abenteuer und auf was Knackiges. Also gut, machen wir bei seinem Theater mit, yah mon.
Es ist halb drei, wir sind die einzigen Gäste. Skip beginnt seine Performance. Er weist uns den größten Tisch zu, rückt einen Extrastuhl herbei für unsere Taschen, dreht das Radio an, bringt Eiswasser, öffnet ein weiteres Fenster, lässt die Jalousien halb runter, kramt Papierservietten aus, die er mit dem Aperitif, einem Fruchtpunch aus Papaya und Ingwer, austeilt, und dann verschwindet er ein paar Minuten. Wir trauen unseren Augen nicht, als er wieder auftaucht: Er hat sich umgezogen!! Schwarze Hose, weißes Hemd. Bravo! Der Koch stürmt aus der Küche, läuft in den Garten, steigt auf den Limonenbaum und pflückt, mit weißer Schürze, die Zutaten. Grandios! Derweil hört man Skip im Klo rumoren - er ist anscheinend dabei, es für die exotischen Klienten zu schrubben. Super!
Das Essen ist ausgezeichnet und nicht teuer, der Fisch frisch, die Limonen erst recht, Suppe und Nachtisch serviert uns der dankbare Skip gratis und schenkt uns zum Abschied noch eine Handvoll Passionsfrüchte und 2 Bonbons. Bravissimo! Und wenn Skip nicht stur darauf beharren würde, seine Bude nur persönlichen Fans zu öffnen, könnte er steinreich werden, denn ein Brief an den führenden japanischen Guidebook-Verlag würde ihm Busladungen voller Fischliebhaber aus dem Reich des aufgehenden Yen bescheren.

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Ein einsamer Schwimmer nahe dem Ort Oracabessa platschert aufs offene Meer hinaus, um eine Weile von dem bayerischen Gebafel verschont zu bleiben, das zwischen den Sonnenschirmen am Strand anscheinend obligatorisch ist. Ein Fischerboot nähert sich unauffällig.
"Sssst, ssst, hey mon", sucht der Bootmensch den Wellengang übertönend die Aufmerksamkeit des ausländischen Touristen zu erregen. Da ich momentan wenig Gefahr laufe, um Dollars erleichtert zu werden, weil ich nur eine Badehose am Leib trage, drehe ich mich um. Das ist kein Fischer, sondern ein rastalockiger Jüngling, der sofort loslegt: "Unser Hummer-Restaurant da drüben auf der Halbinsel macht dir einen Sonderpreis, wenn du mal rüberkommst. Wir organisieren auch Ausflüge zu den Dunn-River-Kaskaden oder in die Blue Mountains, alles viel billiger als in deinem Hotel."
Ich tauche kurz unter und puste dann eine salzige Fontäne hoch. Besser als laut loszulachen. Der Typ glaubt ehrlich, ich würde in dem Hotel wohnen, an dessen Strand wir uns am späten Nachmittag gemogelt haben. Selbst beim Schwimmen auf hoher See lauern Kerle, die ihre Angel nach deinen Dollars auswerfen. Aber es kommt noch besser. Während ich mir den Anschein gebe, als sinne ich über sein Anerbieten wohlwollend nach, was nicht einfach ist beim Schwimmen auf hoher See, senkt er verschwörerisch die Stimme und fügt dann geheimnisvoll hinzu:
"Und unsere Ganja-Plantage kannst du auch besichtigen, und nicht nur das..."
Ganja ist Cannabis, was hier, wenngleich offiziell verboten, offen gedealt, gepafft und jedem Fremden allerorts offeriert wird, sogar solchen Gruftis wie uns. Was haben die Burschen doch für ein Pech, dass wir Nichtraucher sind!

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Weg von der Hauptstraße mal ins Inland abzubiegen hat auch Abenteuerqualität. Keine der beiden Straßenkarten verzeichnet Nebenstraßen, kein Dorf hat ein Ortsschild. Manchmal steht an an der Kirche oder Dorfschule ein Name angeschrieben. Pflatsch, sagt es, und eine weichgefaulte Zitrone plumpst auf die Windschutzscheibe. Man kann von Glück reden, dass wir nicht unter Kokospalmen durchgefahren sind, sondern unter Zitrusbäumen. Dichtes Grün, Bambus, Bananen, Mangos. Wir lesen uns einen guten Vorrat Fallobst zusammen, denn Mangos schmecken fantastisch. Ein libellenartiges Sirren: Zwei Kolibris stehen wie Helikopter über uns und suchen nach Blüten, aber hier ist alles nur grün. Der reinste botanische Garten, mit einer schmalen Gasse zwischen all dem Geschling. Und gemeckert wird pausenlos, in Jamaica scheint es so viele Ziegen zu geben wie im Teutonenland Hunde. Mit Bananenstauden auf dem Gepäckträger radeln zwei Jüngelchen durchs Gebirge, ein Mungo kreuzt seelenruhig die Fahrbahn. Am Wegrand verkaufen Bauern Kokosnüsse, Ananas, Ginneps, Guavas, Bananen, Mangos oder Ackee, und wir fragen uns, wer ihnen das Zeug abkauft, das hier doch überall wächst und jeder anbaut. Ginneps sind lycheeähnliche Früchtchen mit einem dicken Kern und wenig Fruchtfleisch, enthalten aber einen köstlichen Saft, während Ackee aus roten, birnengroßen Früchten quillt, die es nur in Jamaica gibt; das Fruchtfleisch schmeckt, gekocht oder gebraten, ziemlich genau wie Omelett und kommt daher auch zu Reis und Fisch auf den Teller, meist zum Frühstück: Ackee and saltfish ist das jamaicanische Nationalgericht.

ackee

SONDERANGEBOT DER WOCHE: FRISCHE ACKEE


Erst wird die Straße holprig, dann endet sie beinahe ganz in gigantischen Kratern, und zuletzt fängt es an zu regnen. Wir sind schließlich in die Berge geraten, in denen sich nachmittags die Gewitter zusammenbrauen. Nichts wie runter ans Meer! In einem recht großen Ort kommen wir raus, aber keine Ahnung, wie der heißt. An der Schule steht nur FELLOWSHIP PRIMARY SCHOOL. Wir wählen die breiteste Straße, enden aber wieder im Abseits: Neuer Regen, eine gruselige Schotterpiste und eine rostige Brücke, an der ein verwitterter Wegweiser den Namen "Alligator Church Bridge" preisgibt. Das sollte laut Karte eigentlich ganz woanders liegen, aber was soll's. Und dann fällt der Blick auf den Ortsnamen Fellowship. Wow mon, dann war die Fellowship Primary School also keine Genossenschaftliche Grundschule, sondern die Penne von Fellowship! Wie kann ein Kaff nur so einen Namen tragen! Und von Fellowship ist es, in der Gegenrichtung, nicht mehr weit bis zum sonnigen Hafen Port Antonio. So schnell werde ich die breite Chaussee nicht mehr verlassen, schwöre ich mir bei jedem neuen bombentrichtertiefen Schlagloch.

Boston Bay ist wohl der schönste öffentlich zugängliche Volksstrand von Jamaica. Durch ein schmales Felsentor brandet der Ozean in eine kleine Bucht, türkisblau das Wasser, das sich zu surfgerechten großen Wellen auftürmt, und weißgelb der bildschöne Sandstrand, aber nur viele schwarze wuselköpfige Kinder baden; die Erwachsenen hocken alle im Schatten und futtern. Das tun wir bald auch, denn entlang der Straße reihen sich meilenweit Buden an Buden, die alle nur brutzeln: Boston Bay ist die Jerk-Kapitale von Jamaica. Da werden Dutzende von Hinkeln stündlich zu Jerk Chicken vergrillt, und auf den heißen Blechen im Open-Air-Backofen bräunen Pellkartoffeln und frische Brotfladen. Und weil auch Red stripe und Cola preisgünstig zur Hand sind, schlagen sich Besucher aus allen Teilen der Insel hier genüßlich den Wanst voll.

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Auf der Suche nach Abkühlung in Jamaicas Sommerhitze. Blue Lagoon ist eine Möglichkeit. Irgendwelche kalten Bergquellen münden in die Bucht ein. Das Wasser ist nur leicht gesalzen, glasklar und blaugrün. Weiß der Geier, warum es nur an der Oberfläche eiskalt ist, die Füße aber in lauer Karibik-Brühe zappeln.

bluelagoon

EINE BADEWANNE NAMENS BLUE LAGOON


Eine andere Möglichkeit ist der Reach River, der ebenso wie der Dunn River in eiligen Kaskaden dem Ozean zustrebt, aber etwas abgelegener und daher weniger touristisch überlaufen ist. Ein paar Einheimische plantschen in der Riesenbadewanne unter dem Wasservorhang, der uns irgendwie bekannt vorkommt:
Jedes zweite Jamaica-Plakat in Reisebüros bildet diesen fotogenen Ort ab.
Die dritte Möglichkeit: Bei Vollmondschein das Zelt am Strand von Long Beach aufschlagen, das romantisch mondsüchtige Liebespaar mit nächtlichem Grillen vergraulen und dann, von zahlreichen Policeman-Dosen angeheitert, johlend in den nachtschwarzen Wellengang springen. Wahrscheinlich meint Fortuna, wir seien noch nicht genügend abgekühlt; um zwei Uhr morgens kriegen wir eine kalte Extradusche geschickt, mit Blitz und Donner garniert, und flüchten, anstatt dankbar zu sein, aus dem Wasserbett im Zelt stracks in die Autoliegesitze und pennen dort ungerührt weiter, obwohl uns der harmlos aussehende Baum, unter dem wir das Automobil getarnt haben, in dem Unwetter pfundweise irgendwelche exotischen Nüsse aufs Dach bollert. Es scheint also auch Gebiete zu geben, in denen das täglich um Punkt 15:42 Uhr fertiggebraute Gewitter sich nicht strikt auf das bergige Inland beschränkt, sondern müllerhafte Wanderlust zeigt. Meist reicht es ja, ein paar Meilen weiterzufahren, aber man weiß nie, in welche Richtung diese feuchten Knallbonbons zu ziehen belieben. Vorerst haben wir jedenfalls genug Abkühlung, es darf jetzt auch mal heiß sein.

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Wer das Ostkap Jamaicas erreicht hat und die Südseite der Insel abzuklappern gedenkt, der sollte wissen, dass es hier zwar weniger Schlaglöcher, dafür aber auch keine weißen Sandstrände und Riverkaskaden mehr gibt. Der Sand ist grau und nur in kleinen Nischen zwischen Geröll und Industriemüll vorhanden, und die beiden Seen bei Yallahs sind seichte, algenstinkig braune, pisswarme Tümpel voller Salzlake mit Schaumkronen am schlammigen Ufer. Frustriert gelangt man nach Kingston, zur einzigen richtigen Stadt in Jamaica. Das Downtown-Zentrum besteht aus dem Grant-William-Park, umringt von einem wuselig-bunten Markt, und den Kontrast zu dieser Drittwelt-Idylle bildet New Kingston, das Banken-, McDonald- und Holiday-Inn-Viertel der Whiteys. Wer von Stau, Abgasen, Bettlern und teuren Stadtpreisen die Nase voll hat, der fährt raus auf die schmale Halbinsel, die Kingston vorgelagert ist und lange Sandbeaches, rostige Wracks, einen modernen Airport, mexicanische (?) Riesenkakteen und das verschlafene Seeräubernest Port Royal enthalt. Von all den Seeräubern sind freilich nur noch eine halbe Festung und einige rostige Kanonen übrig, den Rest, neun Zehntel des Ortes samt Glockenturm und Piratenschätzen, verschlang ein gewaltiges Seebeben Anno 1692.

cactus

IGELBÄUME

In der Gegenrichtung drillt sich die Chaussee wie ein Korkenzieher in die blauen Berge hinein. Jedem Kaffeekenner gilt der Name Blue Mountains als Synonym für den besten Kaffee der Welt, in allen Kaiserskaffee-Boutiquen oder Eduschotchibo-Tempeln die mit Abstand teuerste Sorte. Laut Guidebook sind die Plantagen aber weitgehend in japanischer Hand, und gegen eine größere Summe von Yenchen habe die Regierung von Jamaica beschlossen, den prestige- und devisenträchtigen Namen Blue Mountain Coffee nur auf Säcken zuzulassen, die in den vier staatlich (und japanisch) kontrollierten Kaffeefabriken abgepackt werden. Alle Farmer müssen ihre Bohnen dort abliefern, und um eine wenig schwankende Durchschnittsqualität gleichbleibend halten zu können, wie es die japanischen Abnehmer wünschen, werden da alle Produkte, ob von hoher oder mieser Qualität, zu einem Blue-Mountain-Blend zusammengeschüttet. Ein einsamer Astérix widersetzt sich jedoch seit Jahren der Panscherei, ein sturer Brite, Alex Twyman, der irgendwo tief im Gebirge haust und den angeblich allerbesten Blue-Mountain-Kaffee anbaut. Er hortet seine Bohnen, anstatt sie verramschen zu lassen, und führt seinen ungleichen Kampf gegen die Administration, bis ihm dereinst gestattet werden möge, auch sein Produkt unter dem verkaufsfördernden Label BLUE MOUNTAIN COFFEE zu vermarkten. Vor wenigen Jahren wurde entdeckt, dass ungeröstete Kaffeebohnen, die ein paar Jahre gealtert sind wie guter Whiskey, ungleich köstlicher munden als frisch geerntet geröstete, und so sitzt Alex vermutlich auf dem weltweit wertvollsten Kaffeeschatz und wird ein Multimillionär, falls die Regierung dem Dickschädel endlich nachgibt und ihm seine Lizenz erteilt. So weit das Guidebook.

Wir sind weit davon entfernt, Kaffeekenner zu sein. Wir trinken fast nur Tee und kriegen Herzflimmern und schlaflose Nächte nach jeder Tasse Muckefuck. Höchstens mal in die Berge töffeln, Mangos fressen, frische Luft schnappen nach Kingstons Großstadtdüften und auf irgend einer Kaffeefarm ein paar Pfund billig einkaufen, um den japanischen Freunden und Verwandten mit dem Mitbringsel Freudenjauchzer zu entlocken, dafür nehmen wir die Serpentinen auf uns. Hätten wir geahnt, wie die Pisten in Jamaicas blauen Bergen sind, hatten wir unseren Kaffee im Supermarkt gekauft. Mehrfach bedauere ich, keinen Allrad-Landrover gemietet zu haben, als es angesichts einer steilen Marslandschaft, von Berggewittergießbächen tief zerklüftet, kein Vor und kaum noch ein Zurück gibt. Gottseidank ist es ein Mietwagen und kein hochpoliertes Eigentum, was uns über Fels und Wurzel transportiert. Mit bloßen Händen schaffen wir die gröbsten Meteoriten aus dem Weg, schütten schaurige Abgründe zu und räumen Baumskelette beiseite, bis wir nach stundenlanger Knochenarbeit von Content Gap via St. Peters und Silver Hill bei Section endlich die asphaltierte Transinsular-Chaussee erreichen, ohne nach all dieser ehrenamtlichen Entwicklungshilfe im Dienst der jamaicanischen Infrastruktur auch nur eine einzige Kaffeebohne gesichtet zu haben. Dutzende Male ist unsre kurzbeinige Limousine mit dem Blechboden krachend auf scharfkantiges Geröll geknallt; gut, dass Autovermieter nach der Rückgabe des Vehikels nur die lackierte Oberfläche nach Kratzern absuchen und der malträtierten Tante nicht unter den Rock lugen ! Von dieser Transjamaica-Rallye tun mir alle Muskeln und Knochen weh, wir müssen eine Pause einlegen an der Wegkreuzung. Da weht ein leichter Kaffeeduft herüber, der scheint aus einem der vier Häuser dort zu kommen. Wir nähern uns neugierig dem Gehäuse, da quillt eine Kinderschar daraus hervor und führt uns wie selbstverständlich über ein paar lehmige Stufen zum Hintereingang direkt in eine Art Küche, wo der braune Sud brodelt und etliche Plastiktüten, pfundweise abgepackt in gemahlenen oder ungemahlenen Bohnenkaffee, zum Verkauf bereitliegen. Wieso haben die nicht mal ein Hinweisschild außen dran?

“Wir bauen den Kaffee an und sind gehalten, alle Erträge an die Monopolfabriken zu verkaufen. Im Prinzip ist Straßenverkauf illegal und muss deshalb konspirativ erfolgen. Umso billiger können wir aber anbieten, naturlich alles nur Blue Mountain, eigene Produktion, selbst geröstet."

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GEBRANNTE MANDELN ?  

Dass die Bohnen hier geröstet werden, haben wir beim Eintreten gesehen: In einer Blechschüssel überm Holzkohlefeuer rührt ein Alter Kaffeebohnen um, als seien es gebrannte Mandeln auf dem Rummelplatz, flankiert von all den Kids und einer Meute Hunden. Nach dem Probeschluck kaufen wir ein paar Beutel, denn eigens dafür haben wir ja unseren armen Nissan halb totgequält, und außerdem steht nicht zu erwarten, dass Blue-Mountain-Kaffeebohnen irgendwo auf der weiten Welt authentischer und preisgünstiger zu haben sind als in diesem Lehmhaus zwischen kaffeebepflanzten Plantagenhügeln. Der Kaffee kommt uns wie gerufen, denn wir haben noch nichts gegessen seit dem Frühstück. Auf dem sonnigen Mäuerchen am Straßenrand mit Blick weit über Jamaicas Berglandschaft futtern wir unsere Vesper und schlürfen dazu Blue-Mountain-Kaffee aus dem Plastikbecher, und weil hier nicht Germanien ist, schütten die Jungs uns ohne Umstände noch einen Becher voll, als der erste geleert ist, ohne dass wir noch mehr Kilos kaufen müssten.

 

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