Debüt auf der Opernbühne

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Geschäftlich schlafen

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Jordy hatte in seinem Leben schon ziemlich viele Nachrichten von Leuten erhalten, die nach "allerletzter Mail" klangen. Man denke nur an das besonders eindrucksvolle Beispiel der Kyonghi.
Am letzten Augusttag, als die Zikaden bis zum späten Abend die bullige Hitze von 32 Grad mit ihrem Kettensägenton erfüllten und Jordy von einem Bad im arktischen Meer zwischen Eisbergen träumte, stand auf einmal vor seinen Augen auf dem Screen eine Mail, die nur aus wenigen Worten bestand.
"Hast du zur Zeit eine Freundin ?"
'Wer will denn das von mir wissen ?' staunte der Rentner Jordy. Es war Kyonghi, sie war wieder da, als hätte es nie einen Zwist zwischen ihnen gegeben. Und die mail war nicht im SPAM-Mülleimer gelandet, weil sie sie von ihrem Handy aus geschickt hatte.


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"Wozu willst du das denn wissen, geht dich einen feuchten Kehricht an", bollerte Jordy zurück. Kyonghi ließ nicht nicht entmutigen.
"Ich bin seit der Trennung von Murat allein. Ich arbeite jetzt bei einer Zeitarbeitsfirma, so einem Menschenverleiher, und wohne in einer firmeneigenen Wohnung in Tokyo. Und singe nebenbei in einer kleinen Operngesellschaft. Da kann ich aber kein Geld damit verdienen, im Gegenteil, ich muss sogar meine Kostüme selbst bezahlen. Ich brauche jedenfalls Geld. Die Jobberei bringt mir gerade so die Wohnungsmiete ein. Wenn du mir ein akzeptables Taschengeld dafür bezahlst, gehe ich mit dir ins Hotel."
"Wieso gerade mit so einem alten Schnarchsack ?"
"Besser als mit unbekannten Männern. Ich will keine Nutte werden, brauche aber Geld. Wenn ich's mit dir mache, fühle ich mich gut dabei, wir kennen uns schließlich. Wir haben uns getrennt, da brauchen wir uns nicht mehr zu belügen, dass wir es aus Liebe täten, aber geschäftlich mit dir zu schlafen, das fände ich in Ordnung. Ich brauch Geld und du hast welches. Wahrscheinlich bist du noch scharf auf Mädchen, oder ?"
'Geschäftlich mit mir zu schlafen', staunte Jordy. 'Hat man sowas schon mal gehört ? Die Girls in Tokyo haben echt Fantasie !'
"Ich fühle mich durchschaut. Gut, dann treffen wir uns nächste Woche, da ist ein Feiertag."
"Ja, Feiertag ist gut. An Werktagen muss ich nämlich arbeiten."
'An sowas sollte sich die Namiko ein Beispiel nehmen', dachte Jordy, 'so hätte sie mich auch längst gekriegt. Kyonghi hat ohne Umschweife gesagt, was sie will und so ganz nebenbei den Kern des Problems angeschnitten. ...uns nicht mehr zu belügen, dass wir es aus Liebe täten..., das ist die Ware Liebe...'


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Kyonghi war mittlerweile ebenfalls über dreißig, gerade mal ein Jahr jünger als Namiko, und sah ein wenig erwachsener aus als früher. Außerdem achtete sie stärker auf ihr Äußeres, schminkte sich sorgfältig und sah dadurch auch besser aus. Und als Jordy ihr zum ersten Mal seit langer Zeit mal wieder unter den Rock griff, hatte er nicht den Eindruck, dass sie es nur widerwillig, der Geldscheine wegen erduldete. Sie strahlte ihn an und sagte auf Deutsch, mit türkischem Akzent:
"Und jetzt wollen wir mal wieder richtig schön ficken ..."  
Das letzte Wort des Satzes schien ihr besonders gut zu gefallen, denn es kehrte auch nach dem Ende des Stelldicheins in ihren Mails häufig wieder.
Es war sicherlich ein Mitbringsel von ihrem verflossenen Türken.
So kam es, dass Jordy seinen längst eingemotteten Zauberstab wieder flottmachen und noch im Rentenalter einem Mädchen den Wunsch erfüllte, "mal wieder richtig schön gefickt" zu werden. Allen Befürchtungen zum Trotz stellten sich weder Herzinfarkt noch Hüftschmerzen ein, der einzige Nebeneffekt war ein kleines bisschen Muskelkater, aber das passiert ja auch in anderen Sportarten, wenn man sie eine Weile vernachlässigt hat.


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Beim zweiten Treffen zwischen den Kissen fummelte Kyonghi an ihrem brandneuen Smartphone herum und zeigte Jordy während einer Verschnaufpause ein Foto, zusammen mit einer Freundin, beide im Sommerkimono. Jordy traute seinen Augen nicht.
"Die kenne ich, eine frühere Studentin von mir, die Orie Yazaki. Wie kommst du denn mit dem Mädchen zusammen ?"
"Sie ist seit ihrem Abschluss an deiner Hochschule in der selben Operngesellschaft gelandet wie ich, wir sind gut befreundet. Ich dachte mir, dass du sie kennen könntest."
"Ja, in der Tat. In die Orie war ich als Prof schon ganz vernarrt, ein ganz liebes Mädel, findest du nicht ? Sag ihr mal einen schönen Gruß von mir !"
"Bist du denn wahnsinnig ? Dann fragt sie mich, woher ich dich kenne und wo wir uns getroffen hätten..."
"Um Ausreden bist du doch selten verlegen. Schließlich habt ihr beide, wenn auch an verschiedenen Musikhochschulen, denselben Deklamationslehrer gehabt."
"Nee, das ist mir zu gefährlich. Vor der Orie erwähne ich dich mit keiner Silbe. Wenn es da um uns Gerüchte geben sollte, bin ich als Sängerin geliefert..."
"Ist Orie noch mit ihrem Kensuke zusammen ?"
"Kensuke ?"
"Der Kontertenor, mit dem sie in ihrer Studentenzeit gegangen ist."
"Ach der. Nein, die haben sich getrennt. Der war ihr zu brav, er hat sich nie getraut, sie auch mal oral zu stimulieren. Ich glaube, jetzt hat Orie keinen Freund."
"Dann erzähl ihr mal, wie gut ich auf diesem Gebiet bin. Ich würde Orie ziemlich happy machen, meinst du nicht auch ?"
Kyonghi war von dieser Wendung des Gesprächs nicht sehr amüsiert. Dass Jordy Orie kannte, damit hatte sie gerechnet, aber nicht damit, dass Jordy diese schlanke Mezzosopranistin mit dem verlangend-entsagenden Blick in ihren schönen Augen schon seit ihrer Studienzeit ziemlich attraktiv fand und auch bei ihr auf einige Sympathie gestoßen war.


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Kyonghi bildete sich offenkundig nur ein, mit Jordy "geschäftlich" zu schlafen, in Wirklichkeit war sie schon wieder genauso eifersüchtig wie vorher.
"Wenn du dich an die Orie ranmachst, war das heute unser letztes Treffen !" zischte sie erbost.

"Dann musst du dich nach einer anderen Geldquelle umsehen, was ?"
Das war ihr schwächster Punkt. Es ist wirklich kaum zu fassen, wie ungalant Jordy mit Mädchen umging, die gerade eben noch mit ihm geschlafen hatten. Aber wenn sie dafür bezahlt werden wollen, meinte er, müssten sie auch seine Bosheiten in Kauf nehmen.
"Ich bin noch nicht so alt und unansehnlich, dass ich um männliche Zuwendung betteln müsste", gab sie schnippisch zurück. Jordy musste ihr insgeheim beipflichten, Kyonghi sah wirklich besser aus als vor einigen Jahren, als sie noch ziemlich kindisch wirkte. Lange würde es sicher nicht dauern, bis sie sich von einem neuen Verehrer entkleiden ließe, aber noch vor einer halben Stunde, im Café, hatte sie Jordy beklommen dargelegt, dass sie eigentlich mit 27 heiraten wollte, es dann aber mit Murat nicht geklappt hat, und danach zwei weitere Versuche mit koreanischen Partnern ebenfalls schiefgelaufen seien. Im Moment gebe es in ihrer Umgebung kaum noch ledige Jungs, und wenn sie nicht innerhalb der nächsten zwei Jahre unter die Haube käme, wäre sie langsam zu alt, um gesunden Nachwuchs in die Welt zu setzen.
"Meine goldene Jugend habe ich an dich verschwendet, und jetzt gierst du nach der Orie, weil die gerade 25 ist."
"Nö, weil die es für mich aus Sympathie und gratis machen würde. Aber keine Angst, ich habe von Orie weder die Handynummer noch die Mail-Adresse, denn wie du weißt, vergreife ich mich grundsätzlich nicht an meinen Studentinnen."
"Höhöhö, dass ich nicht lache. Mich hast du ja auch rumgekriegt und flachgelegt."
"Jetzt verdreh mal nicht die Tatsachen. Schließlich hast du mich verführt, nach allen Regeln der Kunst, und deine goldene Jugend musste ich mir mit fünf anderen Männern teilen..."
"Nicht fünf, sondern vierzehn. Ich finde nämlich Leute, die nur Händchen halten und einander tief in die Augen gucken, echt bescheuert. Wozu gibt es denn unterschiedliche Geschlechter ? Doch dass man sich miteinander vergnügt und gute Orgasmen erlebt. Wer das verpasst, ist selber dran schuld."
"Na, dann stell dich mal nicht so an. Wenn du beim nächsten Mal Orie mitbringst, wird es doppelt so vergnüglich und du bekommst ein ansehnliches Vermittlungsgeld..."
Aber davon wollte Kyonghi nichts wissen. Jordy ließ das Thema auf sich beruhen, aber die schlanke Orie wäre wirklich eine süße Verlockung gewesen und hätte wahrscheinlich auch nichts gegen ein Abenteuer mit Jordy. Allerdings würde sie ihrem Deklamationsprof solche Sachen nicht zutrauen und aus allen Wolken fallen, wenn sie erführe, dass Jordy ihre neue Freundin Kyonghi alle paar Wochen in Stundenhotels mitnimmt.

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Wie es das seltsame Schicksal fügte, traf Jordy wenige Tage später Orie auf einem der Wege in dem frühherbstlichen Park, der sich zwischen der Musikhochschule und der nur wenige hundert Meter entfernten Operngesellschaft erstreckt. Jordy hätte größte Lust gehabt, ihr auf der Stelle zu erzählen, dass er ihr mündlich sehr viel himmlischere Freuden bereiten könnte als ihr früherer Boyfriend, aber sie würde ihm wohl kaum abnehmen, dass er Hellseher sei und ihre intimsten Sorgen alleine aus ihrem Gesicht ablesen könne. So unterließ er es, Kyonghi zu kompromittieren.
"Du bist immer noch so charmant wie früher und siehst sogar noch besser aus", säuselte er, was Orie mit einem überrascht gegiggelten "huffuffuffu" quittierte. Sie wusste nicht recht, was man seinem einstigen Prof auf so eine blöde Anmache erwidert.
"Was machst du denn jetzt so, lebst du noch in der Nähe der Hochschule ?"
"Ich bin jetzt in einer kleinen Operngesellschaft ganz in der Nähe und nehme Stunden bei Professor Kano."
Jordy ließ sich nicht anmerken, dass er das alles längst wusste, sondern tat erstaunt und ermunterte sie:
"Dann sieh zu, dass du eine gute Opernsängerin wirst und viel Spaß dabei hast. Besuch mich mal an der Hochschule, wenn du Zeit hast !"
"Jaja", stammelte sie verwirrt, und Jordy ließ sie laufen, um sie nicht noch verlegener zu machen.

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Am Abend schickte er Kyonghi eine Mail und erzählte, dass er Orie zufällig getroffen habe.
"Und da hast du ihr gleich von mir erzählt, was ?" antwortete Kyonghi auf der Stelle.
"Natürlich. Ich habe ihr erzählt, dass wir dauernd ficken, und sie zu einem Trio eingeladen."
Bevor Kyonghi explodieren und ihm einen Vulkanausbruch aufs Display hämmern konnte, schickte er aber schnell hinterher:
"War nur ein Scherz, Kyonghi. Ich würde dich doch nicht in die Pfanne hauen ! Orie ist genauso ahnungslos wie vorher !"
"Das will ich dir auch schwer geraten haben", knurrte sie ihn an. "Orie ist heute von Professor Kano zusammengestaucht worden und hat sich gerade bei mir ausgeheult."
Ja, das konnte Jordy sich gut vorstellen. Orie war ein Sensibelchen, ihr hübsches Gesicht sah wirklich nach Weinerlichkeit aus. Bei dieser Vorstellung stieg in Jordy aber eine dumpfe Wut auf.
"Wenn ich dem Kano begegne, werde ich ihm die Leviten lesen, das steht fest. Arme kleine Mädchen zum Weinen zu bringen, was ist das denn für eine Art !"
"Die Orie heult immer. Alle paar Tage muss sie sich ausheulen. Der Kano ist gar nicht so übel, finde ich. Es ist doch in Ordnung, dass er uns die Meinung sagt, wenn was einfach nicht klappen will. Mich würde das gar nicht jucken, aber die Orie ist halt eine Heulsuse."
"Also, wer sich an Orie vergreift, der kriegt's mit mir zu tun. Der Kano ist auch ein früherer Schüler von mir, der soll keine kleinen Mädchen ärgern !"
"Du bist anscheinend richtig verknallt in die Orie, pass bloß auf, ich warne dich. Lass die Finger von dem Girl ! Wenn du so weitermachst, kriege ich noch eine Wut auf die Orie, dann heult sie aber jeden Tag, das garantiere ich dir !"
"Was denn, du weißt doch, dass ich keinen Kontakt zu Orie habe. Weder Handynummer noch Mail-Adresse. Aber wenn du sie auch noch piesakst, dann marschiere ich direkt in eure Operngesellschaft und tröste das Kind. Wenn jemand auf die Idee käme, dich zu quälen, würde er es auch mit mir zu tun bekommen, ist doch logo !"
"Ach, welche rührende Fürsorge für deine früheren Studentinnen !"

Jordy musste anerkennen, dass Kyonghi sich, im Gegensatz zu früher, ziemlich gemäßigt verhielt. Vor acht Jahren, als sie sich zum ersten Mal miteinander vergnügten, hatte sie bei weit geringfügigeren Anlässen gleich wild getobt und Jordy tage- und wochenlang ignoriert. War es ihr Bedarf an finanzieller Unterstützung oder die Erkenntnis, dass ihr alle potentiellen Heiratskandidaten spätestens nach der zweiten oder dritten Eruption davonliefen ?  

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Allmählich steigerte Kyonghi sich in einen Schlussverkaufswahn hinein. Wenn sie nicht bald einen richtigen Heiratskandidaten auftäte, würde sie für ihr Lebtag ledig bleiben, fürchtete sie.
"Dabei bin ich doch wirklich gut, findest du nicht ? Ich bin garantiert das hübscheste Mädchen, mit dem du je gepennt hast, und dass ich im Bett keine Wünsche offen lasse, kannst du mir sicher bestätigen."
"Soll ich dir ein Zeugnis ausstellen ?"
Das fand Kyonghi lustig.
"Das wäre ein Gag, was ? Und zur Hochzeit lade i
ch alle meine Expartner mit ein und lasse sie am Ehrentisch sitzen", juxte sie.
"Und wenn dein Bräutigam auch alle seine Verflossenen mitbringt, wird die Hochzeit wegen der vielen Gäste unbezahlbar."
Kyonghi lachte sich halbtot. Aber am Abend kam eine ernste Mail.
"Ich muss wirklich schnell heiraten und Kinder kriegen, sonst ist es bald zu spät. Aber es taucht einfach kein Kandidat auf..."

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