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Goethes Campingfreund
grunewelt

  

Im 8.Semester wurde Seryna zusehends schwermütiger.
"Noch ein paar Monate, dann ist mein Studium zu Ende. Wenn ich dran denke, dass ich dich dann nicht mehr regelmäßig sehen kann, wird mir schwarz vor Augen. Ich muss die Aufnahmeprüfung zum Magisterkurs bestehen, das ist eine Überlebensfrage für mich!"
In den Magisterkurs werden nur die Besten des Abschlussjahrgangs aufgenommen. Schließlich erwirbt man damit die Berechtigung, Hochschullehrer zu werden. Jordy schätzte Serynas Chancen nicht allzu hoch ein. Als Klarinettistin schien sie zwar recht tüchtig zu sein, denn mehrfach war sie von Dirigenten auswärtiger Orchester, die sie spielen gehört hatten, zu Gastspielen angeheuert worden. Aber den Zugang zum Magisterkurs erschwert auch noch eine Fremdsprachen-Prüfung, bei der Seryna wagemutig das Fach Deutsch gewählt hatte. Auf die Prüfung konnte und wollte Jordy keinen Einfluss nehmen, das lag in alleiniger Kompetenz der japanischen Kollegen. Als Seryna ihn nach der schriftlichen Prüfung fragte, was eigentlich Campingfreunde in einem musikhistorischen Text zu bedeuten hätten, verstand er nicht, was sie meinte.
"Da kam im Zusammenhang mit Goethe und Schubert das Wort Zelter vor. Im Wörterbuch hab ich nur Zelt, Zeltlager und Zeltstangen gefunden. Da hab ich mir gedacht, das muss wohl ein Camper sein."
Jordy schwante Entsetzliches.
"Von Goethes Freund, dem Komponisten Carl Friedrich Zelter, hast du wirklich noch nie was gehört?"
Sie guckte Jordy verblüfft an und wusste nicht, ob sie lachen sollte oder weinen. Dann obsiegte die Enttäuschung, und mit Tränen in den Augen sagte sie nur traurig:
"Na ja, ich hab jedenfalls mein Bestes gegeben. Ich habe bei der Prüfung immer nur gedacht, ich muss, ich muss, ich muss es schaffen. Ich habe mich wahnsinnig angestrengt und konzentriert. Damit ich bei dir bleiben kann. Und dann so ein blöder Schnitzer.... Das war's wohl, Magisterkurs ade."
Sie war so niedergeschlagen, dass sie ihm zutiefst leid tat. Er war sehr lieb zu ihr, um sie aufzuheitern, und Seryna fand im Hotelzimmer auch langsam ihre Fassung wieder. Schließlich konnte sie sogar darüber lachen.
"Das Gesicht des Profs, wenn der meine Übersetzung liest, möchte ich sehen", scherzte sie, als sie aneinander geschmiegt von den Leibesübungen ausruhten. Der dämliche Zelter spukte ihr aber weiterhin durch den Kopf und riss sie immer wieder unversehens in Abgründe von Traurigkeit. 


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Zehn Tage später aber war alles vergessen. Ihr Name stand auf der Liste derjenigen, die das Examen bestanden hatten. Sie konnte es nicht fassen. Jordy auch nicht. Aber als er später von seinem japanischen Kollegen hörte, dass bei anderen Prüflingen sogar Gustav Mahler zu einem Kollegen von Picasso mutiert war und Serynas Camper zu den eher harmlosen Streichen gehörte, wunderte es ihn nicht mehr. In ihrem Hauptfach Klarinette hatte sie immerhin die zweitbeste Prüfung hingelegt.
"Dir zuliebe, und ein bisschen auch für meine Klarinette ....", schwärmte sie überglücklich. "Wie froh bin ich, meiner Mutter bewiesen zu haben, dass mein Studium, vor allem im Fach Deutsch, tatsächlich Erfolge bringt! Was würde ich sonst womöglich alles zu hören bekommen! Jetzt hab ich zu Hause einen Super-Stand, und wir beide können jedenfalls noch zwei Jahre länger zusammen bleiben!"
Jordy wusste nicht, ob er sich darüber freuen sollte. In stillen Stunden überkam ihn bisweilen ein Seufzer, ohne dass er wusste, weshalb. Und wenn er darüber nachdachte, merkte er, dass Sumiko ihn wieder einmal im Herzen zwickte. Wie glücklich hätte er eigentlich sein müssen mit einer so einmaligen Liebe, wie Seryna sie ihm angedeihen ließ! Und trotzdem war er im Grunde immer noch unglücklich verliebt in ein ganz anderes Mädchen. Gut, dass Seryna davon nichts wusste. Ihre Seligkeit wäre ihr sonst wohl vergällt gewesen. Aber Jordy musste sich eingestehen, dass er ohne Seryna noch viel untröstlicher gewesen wäre.

Es heißt ja, dass jede noch so heiße Verliebtheit nach spätestens vier Jahren abklinge. Das gab Jordy doppelte Zuversicht. Zum einen würde dann auch Sumiko sein Herz nicht mehr so fest im Schwitzkasten halten wie jetzt, und zum andern dürfte auch Serynas Glut inzwischen ihre Halbzeit erreicht haben. In zwei Jahren, wenn sie endgültig als Klarinettenmagisterin die Akademie absolvierte, würde die Trennung dann undramatisch vonstatten gehen. Schließlich würde sie ihre Talente nicht nur auf ihn vergeuden, sondern auch anderswo auf Franzschau gehen wollen. Ihr Schwesterlein Sumiré war ihr mit gutem Beispiel vorangegangen. Genau vier Jahre lang hatte sie mit ihrem Hiroshi die Matratzen geplagt, während Seryna Jordy getreu über jede ihrer Capricen auf dem Laufenden gehalten hatte; kein Sumiré-Orgasmus war ihm entgangen, und wenn Hiroshi mal Ladehemmung hatte, war Jordy der erste, der die Neuigkeit erfuhr.
"Nun ja, die sind auch schon beinahe ein altes Ehepaar, da ist das normal", kommentierte er es in dem Bewusstsein, dass Seryna seine Auffassung stracks an Sumiré weiterreichen würde.
"Die sind aber auch praktisch Tag und Nacht zusammen gewesen. Richtig neidisch konnte man da werden!"
Bei Jordy kamen keine Neidgefühle auf, wenn er daran dachte, wie strapaziös bereits ein zweistündiges Zusammensein mit Seryna in aller Regel war.
Jedenfalls hatte Sumiré urplötzlich die Lust an ihrem Gefährten verloren. Die genauere Ursache war offenbar ein cooler Typ aus Osaka, der ihr irgendwie zugelaufen war und den sie jetzt schwärmerisch anhimmelte. Und wuppdich hatte sie ihrem langjährigen Bettgenossen den Laufpass erteilt. Der Gute verstand die Welt nicht mehr. Er hatte sich auf ewig mit Sumiré verbandelt gewähnt, und sie war einfach umgestiegen, und zwar in den Superexpress nach Osaka, mit dem sie Wochenende für Wochenende zu ihrer neuen Errungenschaft ins Bett rauschte und der Eisenbahngesellschaft zu satten Einnahmen verhalf. Allerdings musste ihr neuer Herzbube gegenwärtig einen Lehrgang absolvieren, bei dem er keinen Damenbesuch empfangen konnte. Zwei Monate lang musste er wie ein Mönch leben und büffeln. So lud Jordy sie an einem Abend, an dem er frei hatte, zusammen mit Seryna zum Essen ein, um sie ein wenig aufzuheitern.
Sumiré war niedlicher als auf den Fotos, sehr jung und zierlich, aber ebenso vollbusig, mit langen, hellbraun gefärbten Haaren. Ein Girl, wie man es in den Discos in Shibuya antrifft, aber nicht an staatlichen Akademien. Seryna nahm sich neben ihr beinahe erwachsen und ziemlich mollig aus. Und gab mächtig an mit Jordy, um ihre Grufti-Manie vor ihrer kleinen Schwester, die sich mit Männern weidlich auskannte, zu rechtfertigen.

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".... und sein Profil, hinreißend, findest du nicht? Und die Haare, so kuschelweich, das gibt's bei japanischen Männern nicht, fass mal an!"
Sumiré fummelte ihm, mit Serynas Erlaubnis, --- Jordy wurde nicht gefragt ---vor allen Leuten im Lokal durchs Haar, als sei er ein Koala-Bär.
"Die Haare sind echt flauschig, aber ..... Potchis Haar ist weicher."
Kritik an Jordy duldete Seryna nicht.
"Du ahnst ja gar nicht, wie toll sich sowas anfühlt. Nicht mit der Hand, meine ich."
Seryna redete sich in Rage.
"Auf der Haut, da kriegst du fast einen Orgasmus, wenn er dir mit dem Haar über den Po oder Bauchnabel streicht......"

Sumiré machte ein ungläubiges Gesicht. "Das kitzelt doch höchstens."
"Überhaupt nicht, im Gegenteil, es ist ein echt geiles Gefühl. Du solltest es mal probieren."
"Danke sehr, aber dem Tomo will ich treu sein. Ich hab's ihm versprochen. Einmal im Leben wenigstens will ich mich zusammenreißen. Danke fürs Angebot."
Jordy saß dabei und grinste sich eins. Wie Seryna ihn anpries und feilbot, war höchst belustigend. Sie behauptete zwar, nicht eifersüchtig zu sein und nichts dagegen zu haben, falls Sumiré ihn mal für eine Nacht ausleihen wollte, aber das hatte nichts zu besagen. Schon wenn sie nur den Namen Sumiko hörte, war es mit ihrer kühlen Contenance vorbei. Sumiré erzählte, dass Seryna nach dem ersten Seminar, als sie erfahren hatte, dass Jordy in ein anderes Mädchen verliebt sei, nächtelang durchgeheult habe. Von wegen und nicht eifersüchtig....

Die Sommerferien verbrachte Jordy in Deutschland. Seryna drohte zwar, sie werde vor Kummer und Sehnsucht garantiert sterben, aber als er sie nach der Trennung wiedersah, schien sie ihm lebendiger als je zuvor. Sie hatte in der Zwischenzeit ihren Führerschein gemacht.
"Ich hab 96 von 100 Punkten gekriegt bei der Prüfung. Der Fahrlehrer hat mich zum Essen eingeladen, weil ihm mehr als 90 Punkte erst einmal im Leben vorgekommen sind."
Sie strahlte und schwenkte ihre Lizenz. Jordy wusste es ja, dass sie ein Multitalent war. Spielte Orchesterpartituren direkt vom Blatt, turnte im Bett wie eine Ballerina und würde demnächst vermutlich mit Papas Auto vor Jordys Wohnung aufkreuzen. Warum hatten die Musen ihr nur Fremdsprachen-Talente missgönnt?
Nicht nur mit dem Fahrlehrer war Seryna ausgegangen während Jordys Abwesenheit. Mit einem anderen verheirateten Mann, einem japanischen Kollegen am Konservatorium, hatte sie sogar eine Reise in ein Thermalbad unternommen. Dass Profs mit Studentinnen zu zweit zur Kur fahren, ist nicht nur in Deutschland unüblich.
"Du nimmst mich ja nicht mit auf Reisen. Wie viel lieber würde ich mal mit dir fahren!"
In japanischen Herbergen schlafen Leute, die zusammen einchecken, grundsätzlich im selben Zimmer. Es gibt eh keine Betten, die Futon-Matratzen werden auf den Boden gebreitet. Jordy wollte gar nicht wissen, was da in der Nacht vorgegangen war, schließlich war er nicht mit Seryna verheiratet.
"Nichts ist gewesen. Der hat sich benommen. Ich hätte mir auch jede Annäherung verbeten!"
Dass Seryna sich männliche Annäherungen verbittet, konnte sich Jordy nicht vorstellen, und dass sie eine Weltmeisterin im Flunkern und ziemlich stolz darauf war, das war ihm ebenfalls bekannt. Wer weiß, was sie ihren Eltern vor der Reise erzählt hatte. Jordy war jedenfalls längst auf alles gefasst, und da er sie sich ohnehin nur als Frust-Therapeutin hielt, weil sie so anschmiegsam, jung und kopulierfreudig war, ließen ihn ihre Aventüren eigentlich recht kalt. Sie hätte ihm ruhig erzählen können, mit wem sie wann, wo und wie ihre Nächte verbrachte.
Owohl sie sich trotz aller Dementis wohl solcherart anderweitig Abwechslung verschaffte, spielte sie Jordy noch immer, wenn auch mit abnehmender Überzeugungskraft, ihre Komödie der großen, einmaligen Verliebtheit vor. Überdies kaufte sie sich jetzt wieder öfter, Sumirés Vorbild folgend, neue Sets von Reizwäsche, um ihm --- oder wem sonst auch immer --- Abwechslung zu bieten. Jordy dankte es ihr mit konstanten Leistungen zwischen den Kissen, die ihm leicht fielen, weil er mit Seryna nicht allzu oft zu Bett-Aerobics antrat, und nach jeder Begegnung hatte er wieder ein paar Tage Regenerationsfrist.


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Serynas Pläne reichten indes über die Jahrtausendwende hinaus.
"Wenn ich mit der Akademie fertig bin und nicht gleich eine gute Stelle finde, werden meine Eltern mich zum Heiraten drängen. Dann nehme ich irgend einen karrierewütigen Arbeitsmenschen, und wenn der tagsüber im Büro ist, können wir beide uns in aller Ruhe treffen, wie findest du das?"
Echt Seryna fand Jordy das. Dass sie schon plante, ihren Mann zu betrügen, bevor sie ihn überhaupt kennen lernte.
"Du träumst anscheinend davon, mir noch den Hintern abzuwischen, wenn ich 90, senil und bettlägerig bin."
"Wenn du 90 bist, bin ich 64, das passt doch gut zusammen, oder? Aber dann wird dir sicher was Jüngeres lieber sein."
"Jaja, dann dürfte deine Enkeltochter genau das richtige Alter für mich haben", grinste er. Seryna war manchmal wirklich zu drollig. Er würde ihr mal was Feministisches zu lesen geben müssen, damit sie endlich erwachsen wird. Es konnte doch nicht angehen, dass sie nur damit glücklich wird, Männern zu Diensten und zu Willen zu sein. Aber vermutlich lag ihr Matratzen-Akrobatik mehr als Denk-Akrobatik.

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Jordy hatte geglaubt, dass nur Leute in seinem Alter zäh vor sich hinlebten, während junge Leute von einem Thrill zum nächsten karriolten, so wie er es von seiner eigenen Jugendzeit her kannte. Seryna indes richtete es sich, sofern keine einschneidenden Änderungen von außen auf sie zukamen, gemütlich ein in ihrer kleinen Welt zwischen Fernseher, Notenständer, Franz und Klarinette, und mampfte Gummibärchen. Drei Jahre waren vergangen, 350 Nummern (laut Seryna-Statistik) vollbracht, längst war Jordy zum ausdauerndsten Liebhaber in ihrem jungen Leben aufgestiegen. Seine Annahme, sie nach spätestens drei Monaten an einen schnieken Nachfolger weiterreichen zu können, hatte sich als gewaltiger Irrtum entpuppt: Seryna schmiedete Pläne für ihr Zehnjahresjubiläum mit Jordy. Nun setzte er seine Hoffnungen auf den Tag, an dem sie die Akademie verlassen würde, denn sie erwog wieder ernsthaft, ihr Studium anschließend ins Ausland zu verlegen, aber schon im ersten Jahr im Magisterkurs dachte sie daran, noch ein drittes Jahr dranzuhängen; dann würde sie auch die Magisterarbeit, vor der ihr graute, noch ein wenig vor sich herschieben können.
"Schließlich bin ich keine Gelehrte, sondern Bühnenkünstlerin. Dass auch Künstler kluge Aufsätze verfassen sollen, halte ich für eine Zumutung. Es reicht doch, gut Klarinette zu spielen", entrüstete sie sich immer mehr, je näher der Zeitpunkt heranrückte, an dem sie die Bibliothek nicht nur zu Rendezvous-, sondern auch zu Studienzwecken aufsuchen müsste.
Jordy konnte ihr da nicht beipflichten. Den Magisterkurs hatte sie sich schließlich selber eingebrockt.
"Je schneller du dich dransetzt, desto eher hast du's hinter dir."
"Und dann bin ich Magisterin und dich los, nicht wahr? Und du freust dich wohl schon drauf?"
Das war gewiss nicht der Fall, aber tieftraurig würde Jordy wohl auch nicht gerade sein.
"Deine Eltern zahlen deine teuren Studiengebühren doch nicht, damit du dich so lang wie möglich mit deinem Deutschlehrer amüsieren kannst. Bald bist du 25 und noch immer Studentin, und wenn du in Canada noch weiterstudierst, wann willst du eigentlich Musikerin werden?"
Darauf angesprochen zu werden mochte Seryna nicht. Das hörte sie zu Hause vermutlich auch. Aber das hatte sie davon, dass sie sich Lehrer ins Bett holte. Die müssen halt immer erst mal dozieren, bevor sie sündigen.
Jordy ließ ab von dem Thema, das ihr die Laune verdarb. Vorerst war sie ja noch Studentin.
Peinlich genau hielt sie sich an das japanische Brauchtums-Manual: Zu Weihnachten und zu Neujahr, zum Geburtstag und zum Valentinstag bekam Jordy zuverlässig, was man so von japanischen Freundinnen bekommt, und zwischendurch ab und zu auch mal ein Liebesbriefchen, in dem aber selten etwas Neues oder Aufregendes stand. Und wenn Seryna sich was Besonderes ausdachte, bekam er wieder eine Gänsehaut: Er entfaltete das veilchenduftende Papier und fand auf DIN A 4 Format 23 rote Herzen aufgemalt, mit jedem ihrer zahlreichen Lippenstifte eines, samt Lippenstift-Fettrand. Trotz ihres langsam abkühlenden Jordy-Fiebers dachte Seryna nicht daran, ihn entwischen zu lassen, denn immer jemanden zum Kuscheln zur Hand zu haben, war ganz bequem. Sie hatte sich mit ihrer Stellung als Mätresse eines alternden Ausländers arrangiert und unternahm wenig, sich etwas Geeigneteres aufzutun. Allenfalls zwischendurch mochte sie sich mit kleinen Intermezzi Kurzweil verschaffen, achtete aber darauf, Jordy nicht zu vergrätzen, obwohl diese Vorsicht wirklich unnötig gewesen wäre. Was juckte es ihn, von wem sie sich sonst noch begatten ließ? Bedauerlich war nur, dass ihr einstiger Ideenreichtum von der Bequemlichkeit eingelullt worden war, denn ihre Bettkapriolen waren durchaus spannend und amüsant gewesen. Nur im Bad war noch keine Routine eingekehrt; manchmal hatte Jordy sogar den Verdacht, dass sie nur noch mit ihm ins Bett stieg, um hinterher ein neues Badegewürz auszuprobieren. 


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Manchmal plantschte sie in einer öligen Brühe --- "gut für die Haut!" ---, dann streute sie ein Pulver rein, das aufquabbelte, das Badewasser in eine Art Sagosuppe verwandelte und exzellent für die Haut sein sollte. Beim nächsten Mal packte sie eine Flasche Beaujolais aus, um das Bad pink zu färben, denn in irgend einer Zeitschrift hatte gestanden, dass auch Rotwein gut für die Haut sei.
"Wenn ich nach Hause komme, kriege ich gesagt, ich stinke nach Alkohol", wehrte Jordy ab, als sie ihn ins Weinbad ziehen wollte, aber sie hatte das Gegenmittel schon parat.
"Hinterher schlafen wir doch nochmal miteinander", schmeichelte sie siegessicher, " und danach gehen wir dann noch einmal ins Bad. Dafür habe ich noch ein anderes Badeöl mitgebracht." Sie packte drei Plastikpinguine aus.
"Die sind aus Canada. Und lösen sich in heißem Wasser auf. Ist ganz prima für die Haut."
Jordy überlegte, ob er ihr erzählen solle, wie gut die deutsche Grammatik für die Haut sei. Aber dann behielt er das Geheimnis doch für sich.
Die erwähnten Gummibärchen hatte er ihr übrigens aus Deutschland mitgebracht, mehrere Pfund. Sie wollte nichts anderes. Und Haribo-Goldbärchen mussten es sein, andere Produkte verschmähte sie. Sie war so gummisüchtig, dass sie sich für jedes einzelne Bärchen willig flachlegte.
"Ich überlege ernsthaft, ob ich mich nach dem Studium nicht in Deutschland bei der Firma Haribo bewerben soll. Das wäre mein Ideal."
Man sah Seryna die Schleckereien allmählich an. Erstaunlicherweise war jedoch ihre Taille noch immer perfekt. Die Gummibärchen lagerten sich überwiegend an den Oberschenkeln ab. Wenn sie in gut taillierten Minikleidchen einhergestöckelt kam, drehten sich etliche Männer zwar noch um nach ihr, aber als zierliche Japanerin konnte man sie schwerlich bezeichnen. Wenn sie nackt vor dem Spiegel stand und Jordy ihr rundes Hinterteil zudrehte, musste er an Rubens denken, und dass sie ihre langen Haare, die das breite Gesicht etwas schmaler gemacht hatten, nun kurz geschnitten hatte, wirkte sich auch nicht unbedingt nur vorteilhaft aus.

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Von unvergänglichem Wert waren also nur Serynas Talente. Nachdem ihre erotischen Fertigkeiten schon gebührend gewürdigt worden sind, gestatten wir uns einen Blick auf ihr künstlerisches Können. Zu ihren Konzerten bekam Jordy stets eine Freikarte. Und wenn sie was Modernes spielte, kaufte sich Jordys Frau auch ein Ticket und kam mit, denn ihr hing ebenso wie ihm das ewige Beethovenmozartschubert-Allerlei, auf halbreifem Studiker-Niveau dargeboten, schwer zum Hals raus. Aber wenn Zoff auf der Bühne war, wenn es da zirpte, rattelte, gongte und quietschte, konnte die klassische Musik, die andernfalls von drittklassigen Konzertanten vollends zu Tode geleiert würde, auch richtig Spaß machen.
Jordys Frau ahnte natürlich nichts von seinen außerschulischen Verstrickungen mit der Virtuosin, die ihm die heutige Konzertkarte verehrt hatte. Das Ehepaar strebte dem Saal zu, der sich, wie so oft in Tokyo, im 8.Stock eines Geschäftshauses befand, stieg zusammen mit anderen Leuten in den Fahrstuhl und ---- Jordy stockte der Atem: Auge in Auge mit ihm, die Nasenspitzen berührten sich fast in der Enge des Lifts, stand da Sumiré plötzlich vor ihm, Serynas kleine Schwester, die er erst vor zwei Wochen zum Essen ausgeführt hatte. Und dicht eingezwängt stand direkt neben ihm seine Frau. Eine Hitzewelle jagte ihm durch den Kopf, PANIK, PANIK! Er könnte sagen, das sei eine Studentin von ihm, wenn Sumiré ihn anspräche, aber was tun, wenn sie sagte "schönen Dank auch für die Einladung zum Essen mit Seryna, es war ein netter Abend..."? Kein einziges noch so leise gewispertes Wörtlein würde seiner Frau entgehen.
Sumiré verzog keine Miene. Sie guckte durch Jordy hindurch, als sei er Luft. Sie zuckte nicht mal mit den Augenwinkeln. Jordy zweifelte einen Augenblick sogar daran, ob sie es wirklich war.
Der Konzertsaal war klein, und Sumiré saß nur wenige Reihen vor ihm. In der Pause, als seine Frau mal kurz rausging, drehte Sumiré sich um, zwinkerte Jordy zu und grinste. Er war gerettet. Das Konzert war ein Erfolg und machte Spaß.


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"Ist ja logisch, wir sind doch Schwestern!", prahlte Seryna, als Jordy beim nächsten Treffen Sumirés Kaltblütigkeit pries. Aber das war wirklich Extraklasse gewesen, er konnte ihre Geistesgegenwart nur aufrichtig bewundern.
"Die wollte eigentlich von zu Hause ausziehen und mit ihrem Freund in Osaka zusammenleben. Aber letzte Woche kam er zu uns und hat sich meinen Eltern vorgestellt. Nun wird anscheinend doch nichts draus."
"Haben deine Eltern was gegen ihn?"
"Eigentlich nicht, aber der hat nie genau gesagt, was sein Vater eigentlich macht; jetzt musste er aber damit rausrücken. Sein Alter ist bei den Yakuza, der japanischen Mafia, und Tomo selber auch, als Azubi."
'Wo bin ich da nur hineingeraten?', fragte sich Jordy schon wieder.
"Sumiré war schockiert und will es sich nochmal überlegen. Auch die Eltern haben konsterniert aus der Wäsche geguckt. Die Mutter ist strikt dagegen, aber der Vater meint, naja, wenn es denn wahre Liebe ist.... Aber da kann man bei Sumiré nie so sicher sein."
Vielleicht war es ja doch wahre Liebe. Tomo versprach, sich von den Yakuza loszukaufen, und Sumirés Ersparnisse wanderten zu diesem Zweck samt und sonders in die Kassen der Mafia, und darüber hinaus hatte Tomo noch einen gewaltigen Kredit aufnehmen müssen, den er mit ehrbarer Arbeit abzutragen gedachte. Kurze Zeit später heiratete sie ihn und zog zu ihm nach Osaka. Seryna erbte Sumirés Zimmer, ihre Pornos und, weil Sumiré nunmehr Hausfrau und Mutter werden wollte, auch die gewagtesten Stücke aus ihrer Reizwäsche-Kollektion. Und als Zugabe auch noch Sumirés Handy. Jetzt hatte Jordy kaum noch Kommunikationsprobleme. Zumindest konnte er sie auch in den Ferien immer erreichen, wenn er mal freie Zeit und Lust auf ihre Rundungen hatte. Dann erzählte sie ihrer Mama was, setzte sich in Papas Limousine, brummelte zu ihm, packte ihn in den Fond und lieferte ihn im nächsten Stundenhotel ab. Dort präsentierte sie ihre Hotstrings und andere Lingerie, und wenn der sportliche Teil des Wiedersehens vorüber war, konnte sich Jordy auf neue Gags rund um die Badewanne gefasst machen. Zur Abwechslung spielte sie dann zum Beispiel Soapland-Hostess und wusch ihm den Rücken, wobei sie anstelle des Schwammes zum Einseifen ihr Mushi-Haar und statt des Waschlappens zum Abrubbeln ihre saftigen Brüste zum Einsatz brachte, vor Wonne dabei unablässig kichernd.
"Was die japanischen Studentinnen alles für ihre Profs tun! In Deutschland ist solch ein Service auch bei sehr dankbaren Studentinnen nur selten üblich."
"Ich tu noch viel mehr für dich", nuschelte sie mit vollem Mund, denn schon war sie damit beschäftigt, auch den Franz zungenfertig zu polieren. In einem altjapanischen Kompendium der Erotik wird diese Methode zur Vorbeugung vor Geschlechtskrankheiten ausdrücklich empfohlen, aber diese Belesenheit sah man Seryna nun wirklich nicht an.

 

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Im Bett kuschelte sie sich in Jordys Arme und erzählte ihm den allerneusten Tratsch aus der Schule.
"Der Suzuki, der Kontrabass-Prof, ist doch schon bald sechzig, und die Kleine, die er sich momentan hält, ist genauso alt wie ich. Und alle wissen, dass er mit seiner Studentin schläft, und niemand regt sich groß auf. Und dass die Sopranistin Mieko den Kompositionsprof Higashi, der demnächst pensioniert wird, wegen ihrer Examensarbeit über Richard Strauss intensiv konsultiert hat und anschließend mit ihm zusammen nach Griechenland gereist ist, lässt sich nicht allein damit erklären, dass Strauss die "Elektra" vertont hat. Der Frau Higashi würde diese Begründung vermutlich kaum einleuchten, wenn sie erführe, dass ihr Alter seine Bildungsreisen in Begleitung einer 23jährigen Sängerin unternimmt. Du hast sicher auch schon gehört, dass der Prof Muto, dieses hässliche alte Ekel, hinter der Hidemi, der einzigen Studentin im Männerfach Dirigieren, her ist wie ein Stalker, sie sogar abends von der Disco abholt und nach Hause fährt, gelb vor Eifersucht, wenn sie da mit flotten Jungs getanzt hat. Und ihre Eltern müssen sich mit der albernen Beziehung ihrer Tochter zu dem geilen Brillenzwerg abfinden, denn ohne den wäre die Hidemi mit ihrem kläglichen Talent nie in die Akademie reingekommen, und ins Fach Dirigieren erst recht nicht. Die kann ja kaum Noten lesen! Und den Muto kann sie garantiert genauso wenig ausstehen wie wir alle, aber jetzt hat sie ihn am Hals und mit Sicherheit auch im Bett, so lange ihr Studium andauert und sein verfettetes Cholesterin-Herz mitmacht. Dagegen ist unsere Liebe doch super, und angesichts der Bräuche in der Musikfakultät auch alles andere als außergewöhnlich. Immerhin habe ich mir den besten Prof ausgesucht, meinst du nicht? Und von unserer Liaison ahnt wirklich kein Mensch was...."
Na ja, wie lange noch? Jordy murmelte nur immer ja, ja, bis ihr die Augen zufielen. Und hinterher jammerte sie, dass die Zeit des Treffens so schnell vorübergegangen sei.

 
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