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Sankt Grottius' Rache

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Von da aus fuhren sie nach Itabashi, wo man weder Kollegen noch Kommilitonen antrifft.
"Meine Tante wohnt hier, deshalb kenne ich mich hier gut aus."
"Was wird die für ein Gesicht machen, wenn sie grad einkaufen geht und dich erwischt, wie du dich so an einen Ausländer schlingst?"
"Wär ganz lustig, was? Aber die hat auch meinen früheren Partner gekannt und geschwiegen wie ein Grab. Die würde mich nie in die Pfanne hauen oder an die Eltern verpetzen, die ist ein toller Kumpel."


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Und dann erzählte sie ungefragt von ihrem früheren Freund.
"Ich war damals noch in der Schule, 17 Jahre alt. Der Mann, den ich zufällig kennen gelernt hatte, war ganz sympathisch. 27 Jahre, unverheiratet, hatte aber ein Kind zu versorgen. Er hat mich gefragt, ob ich mit ihm gehen will, und ich war einverstanden."
Jordy war beinahe sicher, dass das auch ein Lehrer war.
"17 Jahre du, 27 Jahre er. 37 Jahre Sumirés Freund, und ich bin 47 Jahre. Ihr habt es alle mit der Sieben und mit Lehrern. Ist die Sieben deine Glückszahl?"
"Ich weiß nicht, alles Zufall, wirklich. Zumindest die 47 scheint mir aber Glück zu bringen."
"Hast du ihn denn so sehr gemocht?" --- "Von heut aus gesehen...." --- "Nicht von heute aus. Damals."
"Damals? Ja, ich glaube schon. Ich fand ihn gut. Es hat mir Spaß gemacht. Und er hat mir viel beigebracht. Kurz vor dem Abschied hat er mir ein Pessar besorgt, das trage ich seit kurzem wieder."
Ganz schön abgebrüht, die Kleine mit ihren inzwischen 21 Jahren! Wenn das ihr Papi wüsste! Der war übrigens auch Lehrer.
"Und warum habt ihr euch getrennt?" --- "Das hat sich so ergeben, als ich an die Uni kam."
"Warst du nicht traurig?"
"Ich weiß nicht so recht. Aber bald danach habe ich dich ja kennen gelernt. Schon beim ersten Unterricht war ich weg. Als du in die Klasse reingekommen bist und irgendwie hinreißend auf Deutsch 'Na, ihr Leute, guten Tag!' gesagt hast. Und hinterher dann 'tschüs, bis zum nächsten Mal!' Da hab ich sofort gedacht, wie gut, dass ich Deutsch als zweite Fremdsprache gewählt habe und nicht Französisch."
Wirklich witzig, diese Kids. Was gab sich Jordy für Mühe, denen die Grammatik einzutrichtern, und die interessieren sich nur für seine "langen Beine" oder warten auf den Augenblick, wenn er "tschüs" sagte. Und dann freuen die sich noch, Deutsch genommen zu haben und nicht Französisch! Er fragte sich unwillkürlich, wofür ihn das japanische Kultusministerium eigentlich bezahlte. Allerdings hatte ihm der Dekan zu Anfang mit Nachdruck eingeschärft, die Studenten mit allen Mitteln zu motivieren, das sei das Wichtigste. Nichts anderes tat er ja, das tröstete ihn, obwohl er nicht sicher war, ob wirklich alle Mittel gemeint waren.
"Du brauchst jedenfalls bei mir keine Angst zu haben vor irgendwelchen Malheurs, wenn wir zusammen in ein Hotel gehen. Ich will dich immer, so perfekt ich kann, glücklich machen. Nur heute muss ich mich schon mal entschuldigen, es tut mir schrecklich leid, aber meine Periode hat früher eingesetzt als erwartet..."
"Unser Treffen kürzlich hat sicher deine Hormone stimuliert."
"So? Dann bist du also selbst dran schuld", lachte sie, "aber ich will dich trotzdem zufrieden stellen, du wirst schon sehen."
Heute zog Jordy sie aus, und dafür seifte Seryna ihn ein. Wohl aus eigenem Interesse, denn kurze Zeit später bearbeitete sie ihn ausgiebig und zungenfertig, bis ihr die Puste ausging. Sein Strolchi war aber auch kurz vorm Platzen, da konnte man schon dran ersticken, wenn man sich nicht vorsah, und außerdem wird er anders geblasen als eine Klarinette. Sie breitete ein Handtuch unter sich aus, und ehe Jordy sich's versah, steckte er schon drin, Periode hin, Tage her. Sie schien ihn förmlich anzusaugen. Sein Vorgänger hatte sie ausgezeichnet zugeritten; wie konnte er ein so wonniges Girl nur sausen lassen?
"Ich glaube, wir sollten das noch öfter üben."
"Eine gute Idee, wie Deutsch und Klarinette, üben, üben üben. Ich übe alles gern, aber das hier am liebsten. Weil ich's mit dir zusammen üben kann."
Immer sagte sie ihm was Nettes.


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In der Bahn auf der Heimfahrt ließ sie alle Zurückhaltung fallen. So eng schmiegte sie sich an, dass die Leute guckten. Es war Jordy fast peinlich, aber zum Glück sah er nicht aus, als wäre er ihr Vater, obwohl er das passende Alter dafür gehabt hätte. Aber ihr war das vollkommen schnurz.
"Na und?", hatte sie gekichert, als sie sein Alter erfuhr, das war alles.
"Schön, dass ich von dir beides bekommen habe, Herz und Körper. Du bist wunderbar", sagte Jordy, denn er wollte ihr auch mal ein Kompliment machen.
"Und was ist dir davon lieber?"
"Das Herz natürlich", log er, "aber Herz allein oder Körper allein sind auf Dauer unbefriedigend. Beides gehört zusammen, wie ein gutes Menü und ein guter Wein."
Sie lutschte ihm zustimmend die Amalgam-Ruinen aus. Zugleich küssen und Reden halten, das ist auch so eine Kunst.
"Ich gebe dir beides, und ich bin sehr glücklich, dass dir meine Liebe so wertvoll ist. Du ahnst nicht mal, wie tief ich dich liebe."
Doch, doch, er ahnte es schon. Und er musste höllisch aufpassen, dass sie nicht ausflippte. Verliebte sind unberechenbar. Er würde ihr unmissverständlich verklickern müssen, dass sie ihn los sei, wenn auch nur das leiseste Gerücht aufkeimt. Und er fürchtete, dass ihm ihr Herz, dessen Hingabe ihn immerhin rührte, letztlich recht gleichgültig werden könnte, wenn sie weiterhin so klettenhaft an ihm klebte, und er würde dann nur noch darauf aus sein, dieses stramme Mädchen zu punzeln. Aber wer sich verliebt, der ist von vornherein stets der Dumme und zieht meist den Kürzeren, das hatte er leidvoll bei Sumiko gelernt. Geliebt zu werden ist viel bequemer, wenngleich körperlich recht anstrengend. Das, so wollte es Jordy scheinen, war Serynas Lektion. Nur das Herz ist in jedem Fall gelackmeiert: Kaum war sein Kummer halbwegs geheilt, drohte ihm nun der Infarkt.

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Nach dem Ende der Regenzeit siedet die Betonwüste von Tokyo und Umgebung in wolkenlosem Sonnenglast. Tropenschwüle, Smogsuppe, Ozon-Alarm. Jordy holte seinen Wagen vom TÜV ab, kostet in Japan die Kleinigkeit von 900 Euro Grundgebühr, umgerechnet. Er musste die getüvte Kiste erst mal testen, denn die Jungs, die an fremden Autos rumschrauben, vergessen allzu leicht mal ein paar Radmuttern. Heute tuckerte die Karre aber wie geschmiert, durch Baustellen und Staus bis nach Ichikawa, wo Seryna zu Hause war, nur gut 11 km von Jordys Wohnung. In dem Großstadtbrei um Tokyo ein kleines Wunder.
Ein paar Runden durch das Viertel, dann fand er ihr Elternhaus, ein kleines, echt japanisches Eckhaus, nur durch vielfach gewundene schmale Gässchen erreichbar, in denen man zwischen Blumentöpfen und abgestellten Kinderwagen Slalom fahren muss und inständig darum betet, dass kein Auto entgegen kommt. Serynas Fahrrad stand da, sie war noch zu Hause.
Aber bald würde sie ausgehen, denn um 12 hatte sie ein Rendezvous mit ihrem neusten Schwarm. In jedem anderen Land der Welt könnte man unauffällig in der Nähe parken und warten, bis sie aus dem Haus kommt, aber in Japans Gassen steckt ein Auto wie der Korken in der Champagnerflasche. Die nächste Möglichkeit anzuhalten, ohne ein Chaos zu verursachen, lag außer Sichtweite des Hauses, und da Jordy nicht wusste, in welche Richtung Seryna losradeln würde, hatte es keinen Zweck zu warten, er verpasste sie garantiert. Also ab ging's, eine Wettfahrt bis zum vereinbarten Treffpunkt. Mit dem Auto hat man in Japan schlechte Karten. Seryna fährt mit dem Rad zehn Minuten bis zum Bahnhof, wartet zwei Minuten auf den Zug und steigt weitere zehn Minuten später am Treffpunkt aus. Jordy hatte also eine dreiviertel Stunde Zeit, aber eine einzige Baustelle mit Engpass auf der Schnellstraße brachte seinen Zeitplan aus dem Lot: Für die 7 km Stau brauchte er eine Stunde und fünf Minuten, macht 20 Minuten Verspätung. Ob sie noch wartete?
Tatsächlich. Da stand sie nahe der Sperre und guckte mit ihren großen Augen auf die Leute, die aus den Zügen quollen. Dass Jordy von der Straßenseite käme, ahnte sie nicht. Er hielt einen Moment inne. Sah wirklich gut aus, lange Haare, superknapper Minirock, hübsche Beine, gute Figur. Und wartete schwitzend auf ihn, schon bald eine halbe Stunde.


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"Hallo, Seryna, entschuldige bitte! War keine Absicht!"
"Ah, wie gut, dass du noch gekommen bist! Ich war schon ganz verzweifelt."
"Du, ich dachte, in der Mittagshitze hier rumzulaufen und nach Hotels zu suchen, das schlaucht zu sehr. Man kann ja schlecht ein altes Mütterchen nach dem nächsten Stundenhotel fragen. Deshalb bin ich mit dem Auto gekommen, aber wenn man im Stau steckt..."
"Macht nichts, ich bin so froh, dass du da bist."
Sie sprinteten zum Wagen, und die Klimaanlage blies sie trocken. Die Insassen der Wagen hinter, vor und neben ihnen täten besser daran, auf den Straßenverkehr zu achten als auf Serynas waghalsig hochgerutschten Rocksaum, ging es Jordy durch den Sinn, während Seryna ihm über Brust, Bauch und Schoß floss, so gut die Gurte es zuließen. Er fuhr einfach drauf los, immer da entlang, wo die Verkehrssuppe am dünnsten war, und dann rauschten sie zur Tiefgarage des nächstbesten einschlägigen Hotels am Wegesrand rein. Hinter der Zimmertür wartete japanischer Kitsch: Ein Bett wie ein Schrein, über ein rundes Brückchen aus Bambus zugänglich, dekoriert mit erotischen Bildern im altjapanischen Stil. Auf dem Bett lagen zwei Sommerkimonos bereit. Sogar das Klo war antik. Zum Glück waren wenigstens Klimaanlage und Dusche nicht prähistorisch.
Seryna war grenzenlos happy. Ob im Bett oder unter der Dusche, immer klebte sie Jordy am Leib, und wenn sie nicht so geschamig gewesen wäre, dann wäre sie ihm womöglich noch aufs Klo gefolgt. Abgebrüht wie sie war, verstand er nicht, warum sie immer alle Leuchter runterdrehte, wenn es zur Sache ging, obwohl sie wirklich alles mit sich machen ließ und auch heute mit Leidenschaft und Ausdauer ihrem Hobby nachging und seinen Strolchi ablutschte, als wär's ein Lolli.
"Ich kann dir auch ein bisschen Marmelade drantun, oder Senf, falls dir die Geschmacksrichtung lieber ist."
" ..... mit Essig und Öl, mit Milch und Zucker ....", parodierte sie, keuchend Atem holend, den Konversationsunterricht. Sie war wirklich eine Virtuosin. Der reinste Jungbrunnen, diese Seryna. Jordys ausdauerndes Trimmdich machte ihr offenbar Sorgen.
"Wenn du jetzt an Herzversagen tot umfällst, was mach ich da nur? Was wird mir der Dekan für Vorwürfe machen!"
"Du kannst ja sagen, du hättest hier als Zimmermädchen gejobbt und mich zufällig verblichen vorgefunden."
"Wunderbar. Und deine unbekannte Partnerin ist ausgerissen, nicht wahr?"
"Ja nun, wie das Leben so spielt. Ich muss mir ja auch was einfallen lassen, wenn du bei deinen Schleckereien ersticken solltest."


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Sie alberten eine Weile weiter, bis sie sagte, sie habe ihm ein Geständnis zu machen.
"Kennst du den Prof Okada?"
Ein junger Dozent, der aushilfsweise einmal pro Woche an der Akademie Musikgeschichte lehrte. Jordy hatte ihm mal geholfen beim Verständnis einiger Videos, auf denen sich alpine Eingeborene auf Oberbayrisch verständigten.
"Den fand ich eine Zeit lang auch ganz gut und hab ihm am Valentinstag Schokolade gegeben. Aber dann hast du gewonnen. Ich hab mich einfach mehr auf die Stunden gefreut, in denen du unterrichtest. Da hab ich's dann bleiben lassen mit dem. Weiter war nichts, das ist alles."
Na, welch ein Geständnis! Oder war doch mehr dran, dass sie ihn vorsichtshalber lieber schonend einweihte? Zum Valentinstag existiert der Brauch, dass Mädchen demjenigen, den sie ins Herz geschlossen haben, Schokolade schenken. Jordy malte sich die Szene aus. Der Okada dürfte nicht schlecht gestaunt haben. In der Tat hatte er Jordy, als er ihn im Sekretariat zufällig traf, gefragt, ob die Seryna Murakami auch in seinen Klassen sei. Jordy hatte sich nur gewundert, weshalb ihn der Okada nach dieser aufgekratzten Liesel fragte.
"Ist doch eine auffällige Studentin, nicht wahr?", hatte Okada leichthin geantwortet, und damit hatte er zweifellos Recht, und Jordy hatte sich nichts weiter dabei gedacht. Wahrscheinlich hatte der Kollege in Wahrheit klüger reagiert als Jordy und ihr die Flausen unmissverständlich ausgetrieben. 'Hätte ich auch tun sollen', dachte Jordy einen Augenblick, aber wenn er bedachte, was ihm dann soeben entgangen wäre, war er doch zufrieden, vorerst das Rennen gemacht zu haben. Er würde es ausnutzen müssen, bevor Seryna den Dekan verführte und Jordy zum Teufel jagte.
"Der Valentinstag liegt doch mitten in den Ferien. Wie hast du ihm denn da Schokolade geben können?"
"Ehrlich gesagt, ich hab mich mit ihm getroffen. Ich hab ihm ein Rendezvous vorgeschlagen, und er ist gekommen. Er ist 31 und noch ledig, das ging ganz leicht."
"Und wieso hat's dann nicht weiter geklappt?"
"Nachdem ich ihm die Schokolade gegeben hatte, haben wir uns ein bisschen unterhalten und sind dann essen gegangen. Aber ich hab gleich gemerkt, dass das ein Schuss ins Ofenrohr war. Der würde nie daran denken, mich gleich irgendwohin mitzunehmen, sondern der doziert sogar noch beim Rendezvous. Da hab ich dann gedacht, Mist, das war ein Fehler mit dem Treffen und der Schokolade, und seitdem interessiert er mich nicht mehr."
'Die geht ja ganz schön forsch ran! Wer weiß, wen unter meinen Kollegen sie sonst noch angebohrt hat!', staunte Jordy. Er war nicht sicher, ob der Okada wirklich bei ihr durchgefallen war und jetzt ihren kurzen Röckchen nachtrauerte, die ihm durch die Lappen gegangen sind. Er hatte wohl vielmehr eine Heiratsfalle gewittert, und es war fraglich, ob die triviale Seryna wirklich seine Traumfrau gewesen wäre. Solche Sorgen hatte Jordy nicht, denn Heiratsfalle, das war bei ihm ohnehin zwecklos, da ist man als Ehemann fein raus. Ihm reichte es vollkommen, wenn ihre Verliebtheit wenigstens bis zum Herbst anhielte. Er wollte nehmen, was er kriegen konnte, und wenn sie sich den Nächsten anlachte, na schön, ihm sollte es recht sein. Schließlich waren sie wahrhaftig nicht füreinander geschaffen, und es war nur eine Frage der Zeit, bis ihr der Alte zum Hals raushängen würde, den sie sich gerade geangelt hatte.


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Nebenbei erfuhr Jordy auch noch, dass ihr 27jähriger Freund durchaus nicht ihr erster Liebhaber gewesen ist; die ersten Erfahrungen hatte sie schon mit einem Klassenkameraden am Gymnasium gemacht.
"Und dein wievielter Bettgenosse bin ich?"
"Willst du das unbedingt wissen?"
"Du scheinst sie gar nicht alle zählen zu können."
"Kein Kommentar."
Jordy war ziemlich sicher, dass Seryna was auf dem Kerbholz hatte. Es gibt in Japan für Schulmädchen jede Menge Versuchungen, sich auf bequeme Weise das Taschengeld aufzubessern. Sogenannte Date-Clubs vermitteln Schulmädchen gegen Gebühr an betuchte Herren, natürlich nur zum Plaudern in ein Café. Und was sie danach machen, das ist Privatsache der Beteiligten. Mag sein, dass Jordy sich bei Seryna täuschte, aber ihre Geheimnistuerei um ihr Vorleben, ihr Pessar und ihre mündliche Virtuosität, all das passte wenig zu einer normalen 21jährigen Studentin der staatlichen Musik-Akademie, so abgebrüht war die heutige Jugend denn doch wieder nicht. Seryna spazierte erhobenen Kopfes hinter Jordy ins Love Hotel, fragte nach vollendetem Treiben, ob er mit ihr zufrieden sei, hatte eine Vorliebe für ältere Herren und vermied peinlichst, Geld für ihren Service zu nehmen, als wollte sie sich bei demjenigen, in den sie verliebt war, von professionellen Gepflogenheiten distanzieren. Da konnte Jordy nur hoffen, dass sie kein Aids-Virus im Leibe hatte.
Vorerst konnte er sie freilich nicht weiter studieren, denn für einige Wochen nahm sie an einem Sommerkurs an der Musikhochschule Stuttgart teil. Ihre Verliebtheit war noch so frisch, dass sie in Deutschland keine bessere Wahl fand, sondern Jordy eine Briefkarte nach der anderen, auf denen es vorgedruckt vor ICH LIEBE DICHs nur so wimmelte, ins Haus schickte. Nun ja, wie sollen sich die Kids im amerikanisierten Nippon auch guten Geschmack aneignen ?

 plumage


Ihr Vater hatte keine Zeit, Seryna bei ihrer Rückkehr aus Deutschland am Flughafen abzuholen, aber sie wusste sich zu helfen: Sie beauftragte damit ihren Deutschlehrer, der soeben Strohwitwer geworden war. Und ihren Eltern war sie sogar dankbar, dass sie nicht zum Airport gekommen waren. Wie durch ein Wunder gelangte Jordy unfallfrei nach Hause, obwohl die nach langen, unbemannten Wochen frustrierte Seryna eher ungehalten darüber war, dass er unentwegt am Lenkrad hantierte und nicht an ihr. Er wollte sie aber schleunigst nach Hause spedieren,
zu sich nach Hause, versteht sich, direkt in sein Bett. Schon stand sie unter der Dusche, während er ihre Mitbringsel auspackte: Typisch Seryna, was er da zum Auspacken bekam: Ein Set Damen-Dessous, BH und Slip aus schwarzem Stretch.
"Das ist wirklich für dich, samt Füllung", kicherte sie, indem sie sich darin ganz allerliebst präsentierte, und er bedankte sich für ihre Aufmerksamkeit mit heftigen Leibesübungen. Ihre Mama machte sich mittlerweile wahrscheinlich ernstliche Sorgen, wo denn ihr Töchterlein abgeblieben sei, aber Seryna bestand darauf, auch noch ihr lang entbehrtes Lollipop-Spielchen zu zelebrieren, gekonnter und länger denn je. Langsam begriff Jordy, warum sie Klarinette gelernt hatte und nicht Cello oder Cembalo.


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Er musste sie regelrecht rausschmeißen; wenn ihre Eltern aber wegen ihrer allzu innigen Wiedersehensfeier gleich heute schon Verdacht geschöpft hätten, weil Seryna vom Flugplatz bis nach Hause über vier Stunden benötigte, wäre es schade gewesen. Die kommenden zwei Monate wollten doch auch genutzt werden!
Dieser Meinung war Seryna auch. Am Donnerstag in Japan gelandet, landete sie schon am Samstag wieder in Jordys Bett und blieb über Nacht. Ihre Eltern waren zur Kur gefahren.
"Leider nur übers Wochenende. Die sollten ruhig länger bleiben, meinst du nicht auch?"
Das könnte tödliche Folgen für Jordy haben. Seryna war unersättlich. Sie beanspruchte alle seine Energien. Am Sonntagmittag, nachdem er sie die elfeinhalb Kilometer zu ihrer Wohnung zurückspediert hatte, spürte er jeden einzelnen Muskel, als hätte er am Samstag Kohlen geschaufelt und in der Nacht Stapel von Brennholz gehackt. In der U-Bahn nach Shinjuku setzte sich eine atemberaubende Schönheit neben ihn, und trotzdem fielen ihm vor Müdigkeit beinahe die Augen zu. Mit Erstaunen gewahrte er, dass die herrlichsten Mädchen ihn kalt ließen, und wenn ihn die Schöne vom Nebensitz angesprochen hätte, dann hätte er womöglich die Flucht ergriffen. Sein Unterleib war lasch und leer, tote Hose nach 24 Stunden Seryna.

Wo würde das wohl enden mit dieser Seryna? Vor wenigen Wochen hatte sie noch im Unterricht vor Jordy gehockt, brav und fleißig, mit Schleifchen im Haar wie die anderen Studentinnen auch, und nun gab sie ihm Privatstunden in allen erdenklichen Variationen des Sex. Bei jeder Nummer dachte sie sich wahrscheinlich schon die nächste Variation aus, es erinnerte ihn an ihre fantasiereiche Strategie zur Eroberung ihres Deutschlehrers. In Jordy wuchs der Verdacht, dass der Grottengott im Park doch wach, männlichen Geschlechts und durchaus eifersüchtig gewesen sein könnte, aber viel gerissener als Jordy es gedacht hätte. So schlicht, ihm wegen seines Frevels einen Felsbrocken überzuziehen, sind die Götter auch in Japan nicht. Sankt Grottius rächte sich auf andere Art: Seryna laugte Jordy aus wie eine Spinne ihre Beute, alle erotischen Träume und Fantasien wurden wahr, und zwar in einem solchen Übermaß, dass Jordy seine Altersringe deutlich spürte und nach zwölf Stunden Seryna reif war für eine vierzehntägige Kur im Sanatorium. Er sollte sich offenkundig regelrecht zu Tode rammeln. Wenn sie nicht, um bei ihren Eltern keinen Argwohn zu erregen, bloß zwei- bis dreimal die Woche zu ihm gekommen wäre, sondern Tag für Tag, dann wäre er in kürzester Zeit so groggy gewesen, dass ihm für den Rest seines Lebens ein Dasein im Trappisten-Kloster verlockender erschienen wäre als alle lüsternen Serynas dieser Welt.

  
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