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OGASAWARA
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Der Weg bis zum Strand Miyagahama an der Nordküste ist wiederum nur in Metern zu messen und mit unzähligen Maimai übersät, die sich heute über den wolkigen Himmel freuen. Und siehe da, kaum sind die ersten Morgenschwimmer trocken geworden, da rumpelpumpelt es schon hinter den Bergen, und nicht lange dauert es, bis der Himmel wahrmacht, was seine grauschwarze Färbung verhieß. Eine Stunde später ist die Sintflut jedoch vorüber, und nur die milchkaffeebraune Brühe, die an den Rändern der Bucht das tiefblaue Meer verunfärbt, zeugt noch vom abziehenden Tropengewitter. Dass es aber auch weiterhin bewölkt bleibt, zum Missfallen der sechs oder sieben Badenden in der ganzen weiten Bucht, dafür ist unsere noch großstädtisch weißblasse Haut dankbar.

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Miyagahama, nicht gerade übervölkert

Schräg gegenüber am Ausgang der Bucht ist eine kleine Insel sichtbar, die jetzt tatendurstig angeschwommen wird und dem kühnen Betreter das ungewohnte Gefühl verleiht, als einziger Mensch auf einem unbewohnten Eiland zu weilen, wie einstmals Genosse Robinson. Hoffentlich hatte dieser Sandalen dabei gehabt, denn bei jedem Schritt und Tritt piekst dich spitziger Fels und scharfkantiges Gemuschel, ganz zu schweigen von den scherbigen Splittern und anderen rostigen Spuren unserer Zivilisation, die auch unbewohnte Gestade nicht verschonen. Gleich hinter dem Inselchen ragen schon die Steilufer der Bruder-Insel Anijima auf, in durchaus erreichbarer Entfernung, aber infolge der Gezeiten gurgelt das Meer zwischen den beiden Inseln mit sichtlich reißender Strömung, die an Skylla und Charybdis erinnert, und was einem da widerfahren kann, hat Frank in der Odyssee gelesen, weshalb er lieber wieder zum Ausgangsstrand zurückplantscht.

Am Abend, auf dem Rückweg zu dem Hostelschiff, werden wir von einer Bande junger Säufer und -innen eingefangen, die auf ausgebreiteten Plastikplanen auf der Hafenmole hocken und Whiskybotteln und Kartoffelchips kreisen lassen. Schon angeheitert, lassen sie keinen vorübergehen, ohne ihn zum Mittun einzuladen, und auf mich, den einzigen Ausländer auf dem gesamten Archipel, sind sie besonders neugierig. Sie feiern ihre Abschiedsparty, denn morgen wollen sie mit der Fähre nach Tokyo zurückschaukeln, und nun lassen sie sich zum letzten Mal volllaufen. Auch den Kojima, der gerade herangestreunt kam, holen sie herzu, und weil es auf dem Schiff nicht weniger lärmend und alkoholselig zugeht, lassen wir halt hier die Pullen kreisen. Für uns heißt das aber, dass wir uns ab morgen ein anderes Quartier suchen müssen, wenn das angenehm klimatisierte Hostelschiff mit der gesamten Rasselbande an Bord in See sticht.

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Schon reichlich angeschickert

Obwohl es hier sicher heißer ist als in Tokyo, empfindet man die Hitze nach einer kurzen Eingewöhnungszeit als erträglich. Immer weht eine sachte Brise vom Meer herüber, und Dschungelgrün bietet luschigen Schatten. Nur die Haut, die sollte man gut schützen, sonst sieht man schnell aus wie die Brathähnchen vom Wienerwaldgrill.
Der Mikrobus, der zweimal täglich die 15 km lange asphaltierte Chaussee rund um die Insel abgrast, ist nur unwesentlich billiger als ein Taxi in Tokyos Innenstadt. Noch teurer sind nur die Mietfahrräder, weshalb wir doch den Bus nach Kominato nehmen. Jetzt glaubst du, ich hätte dir eine verborgene Stadt verschwiegen, aber rate mal, was es in Kominato gibt...

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Es gibt nicht nur Maimais

Nichts, niente, nothing, nada, nitschewo. Keine Stadt, kein Dorf, keine Hütte, noch nicht mal ein Telegrafenmast oder Getränkeautomat. Nur ein träges Flüsschen, das die trägen Tropfen der Niederschläge in den Bergen einsammelt und durch die grüne Au am Rand eines Sandstrandes ins Meer befördert, das hier unvorstellbar klar und türkisfarben ist. Keine Abfälle am Strand, keine Ölpest-Rückstände. Du musst wissen, dass im vulkanischen Nippon fast alle Strände grauschwarzen Sand aufweisen; so weißer Muschelsplitt wie hier ist auch für Japaner ein exotischer Urlaubstraum. Allerdings ist hier erstaunlich viel los: Auf den ca. 300 Metern Strand tummelt sich beinahe ein Dutzend Leute!

Angesichts dieser Menschenmassen-Hektik folgen wir dem verheißungsvollen Pfad, der in die Botanik führt, aber anschließend steil ansteigt. Die hübschen dunkelblauen Blüten sind angesichts der Ströme von Schweiß, die den Boden tränken, kein Trost für die verschmähten Badefreuden, und erst der Wind, der uns auf dem Rücken des Berges empfängt, bringt Linderung der Leiden eines teutonischen Wandersmannes. Von hier aus ist fast die gesamte Insel zu überblicken: Im Norden, in der Futami-Bucht, ankert noch die Hostelfähre, zu Füßen breitet sich die Kominato-Bucht aus, und ein Stück weiter die Kopepe-Bucht, genauso lang, genauso weiß, aber vollkommen menschenleer. Nach Süden schweift der Blick über geröllige, unwirtliche Küsten zu den Inseln, die südlich von Chichijima liegen, allesamt wilde, zerklüftete Felsgebilde, und mittenmang breit hingestreckt, steil und schroff, die gerühmte Insel Minamijima (Südinsel), zu der tagtäglich Ausflüge angeboten werden. Was für geheime Schätze enthält dieses Highlight der Ogasawara-Touristik?


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Klettern können hier auch Amateure

Wir verlassen den Nakayama-Berg, kraxeln wieder runter nach Kominato und finden tatsächlich einen Pfad, der ebenso steil und ein gutes Stück länger, nämlich knapp 900 Meter, bis zum Kopepe-Strand führt. Als wir uns endlich an diesem menschenleeren Juwel von Badestrand in die Fluten stürzen, hätten sich weniger Verrückte wahrscheinlich in Kominato schon längst einen Sonnenbrand geholt, anstatt in der Mittagshitze über steile Saumpfade zu stolpern, aber Frank ist kein Strandhocker; dem schmeckt das Baden erst dann, wenn er sich vorher so richtig die Knochen gestaucht hat und von oben bis unten nach Männerschweiß stinkt. Und zum Angeben reichen die heute bewältigten allenfalls 2 Kilometer Fußweg wahrhaftig nicht. Aber der Kopepe-Strand, der ist durchaus dazu geeignet, den Rest des Nachmittags faul im Schatten zu liegen und ab und zu ein bisschen zwischen den Korallen und buntigen Fischen herumzuschnorcheln.

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Was bedeutet eigentlich "Kopepe"?


Am Nachmittag hören wir das Keuchen und Schnaufen von Neuankömmlingen, die wie braungebrannte Waldschrate den steilen Saumpfad zur Kopepe-Bucht herabgestiegen kommen und es kaum fassen können, dass außer ihnen noch andere Leute im Urlaub solche Strapazen auf sich nehmen mögen.

"Seid ihr etwa auch von da oben her....?"
Ja sind wir, gebe ich zu, denn schließlich parkt keine weiße Yacht neben unserem Liegeplatz. Die beiden Waldschrate sind aber noch sportlicher gewesen und von Omura aus bis hierher getrottet.

Der letzte Bus fährt um 16 Uhr. Aber was sollten wir so früh schon in Omura tun? Wir lassen uns nur ein Stück näher an das Kaff spedieren, zu dem Strand Sakaiura, von dem man bis Omura auch laufen kann. Die Attraktion von Sakaiura ist das große Schiff, das mitten in der Bucht ankert, und zwar schon seit einer geraumen Weile, genauer gesagt, seit dem 2.Weltkrieg. Wie ein verendeter Saurier steckt es im Sand fest und wird vom Zahn der Zeit zernagt. Ich versuche, hinzuschwimmen und das Wrack zu besteigen, aber von Nahem sehen die Rostlöcher der Planken dermaßen brüchig aus, dass ich mich von dem Museumsstück doch lieber fern halte.

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Die "Hinko Maru" hat sicher bessere Zeiten erlebt

Da auch hier bei Sonnenuntergang die Mosquitos aktiv werden, machen wir uns allmählich auf die müden Socken, um die 3000 Meter bis Omura zu bewältigen, aber ein mitleidiger Kleinlastwagen liest uns auf und karrt uns postwendend in den Ort.

Wie ausgestorben ist das Dorf. Kaum eine Menschenseele zu sehen. Tsunami-Alarm? What is then here loose? Das gibt's doch nicht! Mir bleibt die Spucke weg, als ich erfahre, dass bis auf eine verschwindende Minderheit alle Besucher in der Regel mit derselben Fähre wieder nach Tokyo zurückreisen, nach nur zwei Tagen Aufenthalt. Aber es ist wirklich so: Alle jungen Leute sind verschwunden, nur verschrumpelte Omas und ein paar Fischer stapfen noch durch das Dorf. Weg sind auch die beiden Synchron-Striptease-Mädchen; wahrscheinlich legen sie sich jetzt wieder im Gleichtakt Rock und Strümpfe an, und übermorgen sitzen sie wieder im Büro.


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...übermorgen sitzen sie wieder im Büro

Bueno, gehn wir mal gut essen. Nach Abfahrt der Fähre sind alle Restaurants höchst dankbar für jeden zahlenden Gast und mühen sich, dir das Beste vom Besten aufzutischen. Rohes Wal-Fleisch - ausgezeichnet. Geräucherter Wal-Speck - passabel. Gedünstete Suppenschildkröte im Eintopf - nicht mein Geschmack, denn was da drin ist, das sind nur bittere, lapprige Innereien der Schildkröten. Vielleicht schmeckt der Panzer ja besser, aber mein Zahnarzt hat mir davon abgeraten. Ab nächstem Jahr gibt's kein Walfleisch mehr, die Schützer haben gewonnen. Wer den Wal hat, hat die Qual, sagt der Volksmund. Für die Schildkröten gibt es keine Restriktionen, aber die kommen auch nicht aus freier Wildbahn, sondern werden hier für die Gastronomie gezüchtet. Über die frei lebenden Exemplare wacht die maritime Forschungsstation, aber davon an anderer Stelle mehr.

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Erinnert an einen Samurai beim Kotau


Unter einer Straßenlaterne auf dem Abendspaziergang zum Strand findet eine Krötenkonferenz statt, an der etwa 14 beleibte, ernst und würdevoll dreinblickende Kröten in Samurai-Haltung teilnehmen. Ausländern gegenüber scheinen sie jedoch misstrauisch zu sein, denn bei meinem Anblick huppen sie wie der Blitz ins nahe Gesträuch. Heute ist Omura so still, dass die Kröten die Ruhe für ihr Vereinsleben nutzen können; die lärmenden Kids sind weg, die meisten Kneipen zu, jetzt kommen nicht nur die Kröten, sondern auch die anderen Einwohner hervor, gehen mit ihren Kindern zum Strand und lassen Feuerwerk aufsteigen. Gelassen ziehen die Maimais schleimige Spuren, und riesige Nachtfalter, eine andere Plage von Ogasawara, umschwirren jede Lichtquelle, drängen sich durch jeden Spalt in die Häuser und werden nicht weniger, obwohl ihnen die Geckos, die Kröten, die Autofahrer und etliche Lichtfallen zusetzen. Dezimieren lassen sich allenfalls die Kröten, obwohl sie nützlich und beliebt sind. Aber sie finden es unter ihrer Würde, unter den Straßenlaternen den Autos aus dem Weg zu hoppen, und lassen sich lieber seelenruhig plattfahren, weshalb sie im Volksmund auch Pizzakröten heißen.

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Geckos kleben an allen Decken und Wänden


Am Strand sieht man noch ein anderes Feuerwerk. Fern, fern am Ende des Horizonts, wo sich Himmel und Meer berühren, flackert der Himmel: Ein unhörbares Gewitter, und die stumm zuckenden Blitze lassen für Sekundenbruchteile mächtige Wolkengebirge aufleuchten und tauchen den Horizont in ein unheimlich fahlgelbes Licht. Über uns funkeln ungerührt die Sterne, zum Greifen nah am klaren Himmel. Eine Sternschnuppe zischt quer durch die Milchstraße und scheint ins Meer zu stürzen.

Alle Hotels und Pensionen stehen weitgehend leer. Wir suchen uns das freundlichste Haus aus und treffen dort die tüchtigen Wanderer von der Kopepe-Bucht wieder. Auch sie wollen so lange bleiben wie wir --- offensichtlich sind sie aus der Art geschlagen, dass sie einen längeren Jahresurlaub als die üblichen fünf Tage genommen haben!
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Könnte auf einer Opernbühne wirkungsvoll sein


Eigentlich wollten wir mal nachsehen, was es zu sehen gibt auf der gerühmten Insel Minamijima, aber ein Blick auf den grauwolkigen Morgenhimmel veranlasste uns, den Plan zu ändern und wieder mal den Bus zu besteigen. Diesmal fahren wir in der Gegenrichtung, wo sich die Straße in die Berge hinaufringelt, und unter fortgesetztem Knacksen zerdätschter Riesenschnecken kurvt der Minibus an kühnen Schluchten vorüber, bis die Aussicht immer grandioser wird. Unter uns Omura und Okumura, drüben die Felswände von Anijima, im Osten der weite Ozean ... die einzige Aussicht, die wir vermissen, ist die auf besseres Wetter. Nach 20 Minuten Fahrt hält der Bus an, und der Fahrer erklärt uns, seinen einzigen Fahrgästen, wir seien am Ziel, obwohl es hier außer Wildnis nichts zu sehen gibt. Er zeigt uns einen Saumpfad, der im Busch verschwindet, und da steht tatsächlich ein Wegweiser zum Strand von Hatsune. Und dann fragt der Mensch mit seiner Dienstmütze und weißen Handschuhen, wann er uns wieder abholen soll. Mannomann, das nenne ich einen Service! Sobald die Fähre weg ist, geht es zwischen den 1600 Einheimischen und den 30 übrig gebliebenen Gästen offenbar recht familiär zu.

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Hatsune-Strand bei besserem Wetter

20 Minuten bis zum Hatsune-Strand, und wohlgemut stiefeln wir durch die Botanik bergab, während ein leichter Nieselregen einsetzt. Die letzten Meter sind steil und glitschig, weil der Regen ein paar Knoten zugelegt hat, und außerdem dauert es nicht 20, sondern mehr als 40 Minuten, bis wir, von nassem Laub und Kletterschweiß durchnässt, den nassen Sand der Hatsune-Bucht betreten. Jetzt suchen wir keinen Schatten, sondern ein Dach, wo wir unsere Taschen trocken abstellen können, aber so weit geht der Nationalpark-Service denn doch wieder nicht. Am Ende der Bucht ragen steile Felsen auf, wo wir ein trockenes Plätzchen finden, und dann purzeln wir in den warmen Pazifik, denn wenn ich ohnehin vom Regen nass werde, dann geh ich doch lieber gleich baden und wasche den salzigen Schweiß mit salzigem Meerwasser ab.

Kalt ist es auch bei Nieselregen keineswegs, nur langweilig. Wenn du aus dem Wasser kommst, kannst du eigentlich nur dauerduschend belämmert dastehen. Diese Bucht, dieser menschenleere Strand sollte eigentlich eine Einladung für romantische, junge Honeymoon-Pärchen sein, wie der Name Hatsune (erster Schlaf) sozusagen augenzwinkernd andeutet, und die einzigen Zuschauer sind die neugierigen Krabben, die wie gedopte Spinnen hochbeinig über den unberührten Sand flitzen, oder die Einsiedlerkrebse, die sich leere, viel zu geräumige Maimai-Gehäuse übergestülpt haben und damit schnaufend durchs Gebüsch krabbeln oder sich an steilen Felsen hochhangeln. Da sie wegen ihrer Mietwohnung nicht so flink sind wie normale Krabben, ziehen sie schwuppdich ihre ganze Schönheit ins Innere des Schneckenhäusels ein, sobald sich menschliche Schritte nähern, wobei sie notgedrungen den Halt verlieren und klickerdiklack den gerade erst mühsam erklommenen Felsen wieder herabkullern.

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Mach nicht solche Stielaugen !

Auf dem sonst jungfräulichen Sand finden sich an einer Stelle Spuren, die an das Profil von Schwerlastwagenreifen erinnern. Wie das, wo doch keine Piste zum Strand führt? James Bond? Nordkoreanischer Invasionsversuch? Aliens? Bei den letzten Tropfen des allmählich abziehenden Regens kommt uns die Erleuchtung: Meeresschildkröten! Wir verfolgen eine frische Spur, die vom Meer her quer über den Strand verläuft, an den Rand des Dickichts in eine Sandkuhle und von da wieder zum Meer zurückführt. In den Monaten Mai bis Juli kommen die Meeresschildkröten zu Paarung und Eiablage aus allen Ozeanen genau zu dem Strand zurück, an dem sie zur Welt gekommen sind. Das Gelege verbuddeln sie im Sand und kehren dann wieder in ihr nasses Element zurück. Auf Chichijima ist die Hatsune-Bucht eine der Stellen, den die Schildkröten zur Eiablage aufsuchen, und die Ogasawara-Inseln sind in Japan der einzige Ort, der von den Schildkröten angesteuert wird. Die hier heimische Spezies zählt zu den größten bekannten Seeschildkröten und endet leider oft, bevor ihre weit über hundertjährige Lebenserwartung vollendet ist, als Suppenschildkröte in Konservenbüchsen der Feinschmeckerias.

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Suppenschildkröte in salziger Bouillon


Der Rest des Tages bleibt sonnig; bis auf eine kleine Yacht, die draußen in der Bucht ankert und eine Handvoll Leute für eine halbe Stunde schnorcheln von Bord lässt, sehen wir den lieben langen Tag keine Menschenseele, so dass auch der Po und andere sonst der Sonne vorenthaltenen Körperteile tomatenrot werden. Und wie vereinbart wartet um halb fünf an der Chaussee der Bus auf uns, als wir wieder verschwitzt aus dem Busch gestiefelt kommen, so kundenfreundlich können öffentliche Verkehrsmittel sein, schöne Grüße an die deutsche Bundesbahn!

Es ist nicht länger zu übersehen, dass ein Taifun im Anzug ist, wir hätten den Wetterberichten ein wenig früher Aufmerksamkeit schenken sollen. Auch heute wird nichts aus Minamijima oder sonstigen weißen Sandstränden, aber ein bisschen Abwechslung muss man schon haben im Urlaub. Noch regnet es nicht, es ballen sich nur gewaltige Wolkengebirge über uns zusammen. Wir mieten in dem menschenleeren Dorf Fahrräder und radeln bis nach Sakaiura, zu jenem Strand, der durch das riesige Wrack vor dem Seegang geschützt ist, aber auch hier branden die Brecher schon so gischtig an, dass man ihnen nicht trauen mag. Zum Baden taugt das Wetter heute ohnehin nicht. Als es anfängt zu tröpfeln, steuern wir das Institut für Wasserkunde am Rand von Omura an.

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Sieht nach Taifun aus

Unter Wasserkunde versteht der Asiate gemeinhin all das, was im Meere schwimmt und genießbar ist: Hier werden Speisefische, Langusten, Muscheln und Schildkröten zu gastronomischen Zwecken gezüchtet und dürfen von den Besuchern mit Weißkraut, der Lieblingsnahrung der Riesenschildkröten, gefüttert werden. Sollten diese Zuchtviecher aus Versehen einmal tatsächlich ins weite Meer geraten, dürften sie lange Gesichter machen, weil da nur wenig Weißkohl gedeiht.

Du wirst es mir kaum glauben, aber in Omura gibt es auch kulturelle Events! Kein Opernhaus, kein Theater, keine Philharmonie, keine Kunstausstellung, kein Musikfestival, aber O sole mio! Und das, während anstatt sole mio die ersten Sturzbäche des Taifuns an die Scheiben der Mittelschule hämmern. Du hast es sicher schon geahnt, aber mein Gesangsstudent Kojima gibt im Musikzimmer der Mittelschule ein Konzert und singt japanische Volkslieder und ein bisschen was Italienisches. Natürlich improvisiert, zu Klavierbegleitung seines Freundes, des Musiklehrers. In Shorts und Strandlatschen steht er vor den sieben oder acht Schulkindern samt deren Mamis und Papis und singt sich einen ab, stell dir vor, ein Bariton, der O sole mio krächzt, natürlich eine Oktave tiefer als ein Tenor, und alle sind enttäuscht, dass es nach fünf oder sechs Liedern schon zu Ende ist, aber zu mehr reicht das gemeinsame Repertoire der beiden Musiker nicht aus.

Den Rest das Tages packt uns der Musiklehrer zusammen mit Kojima in seinen Wagen zu einer Tour rund um die Insel und zeigt uns alles, was im Regen sehenswert sein könnte, und am Abend völlern wir lukullisch mit Wal- und Schildkröten-Sushi, Hummer, Langusten und Krebs-Pastete, na ja, wenn es draußen stürmt und schüttet, muss der Urlaubsgenuss eben auf andere Art beschafft werden.

Nach dem Essen fahren wir mit dem Musiklehrer-Wagen nochmal in die Pampa, obwohl es stockfinster ist. Auf dieser Fahrt durch die Dunkelheit, die mindestens drei Kröten und 400 Maimais das Leben kostet, gibt es noch eine Attraktion zu bewundern. In einer Regenpause hält der Pianist an und macht die Scheinwerfer aus. Der Sternenhimmel, von den Taifun-Wolken vollständig verhüllt, scheint auf den Erdboden gefallen zu sein: Wie reglose Glühwürmchen glitzert es zu unseren Füßen, grünlich phosphoreszierende Pünkte im Gras, ja wat is dat denn? Es sind die "Green Pepe" genannten Phosphorpilze, die nach jedem Regenguss nachts kräftig leuchten! Diesen Anblick können nur die wenigsten Besucher der Insel genießen, hoch leben die Musik und ihre Lehrer dieser Welt!

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Green Pepes nach dem Regen

Die Phosphorpilz-Regenpause war leider für eine geraume Zeit die letzte. Obwohl der Taifun Nr.7 in der Nacht gewaltig an den Läden unsrer Herberge rüttelt und das Dach mit hörbarem Eifer abzudecken versucht, lächeln die Einheimischen müde über so einen Schwächling. Immerhin präsentieren die Ogasawara-Inseln sich am Morgen blitzblank gewaschen wie frisch aus der Waschanlage gekommen.

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Taifun über Omura


Noch drippelt's und tröpfelt's, und heulend zerrt der Wind an den Dachrinnen, so dass es noch immer nicht nach Bad Sonnenstrand aussieht auf diesem Archipel. Kein Fischerkahn traut sich aus der Hafenbucht, weshalb wir auch heute vom Besuch anderer Inseln absehen müssen. Genau wie wir langweilen sich auch die beiden Wanderer von Kopepe, die die Bude neben uns bewohnen, und da kommt auch schon Kojima mit dem Wagen seines Musiklehrer-Freundes angerauscht und erzählt, dass dieser wegen bürokratischer Obliegenheiten heute in der Schule unabkömmlich sei. Berufstätige Japaner fürchten nichts so sehr wie Ferien oder Urlaub. So tun wir uns alle zusammen, besteigen die wasserdichte Rostmühle und starten zu einer neuerlichen Rallye rund um die Insel Chichijima, auf der es nur diese einzige Rundumdieinselstraße gibt.

Am botanischen Zentrum lässt der Regen nach, so dass wir eine Weile um die dort gezüchteten und gehegten Hibiskus-, Orchideen- und andere Tropenflorasorten streichen, die Frösche auf den Seerosenblättern ärgern und den eiligen Landkrebsen einen Schrecken einjagen, bis sie drohend ihre Scheren aufrichten und uns mit ihren Stielaugen böse angucken.


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Eine neue Geheimwaffe der US-Armee ?


Am Nachmittag stehen wir auf einer Aussichtsplattform der lokalen Wetterstation und halten Ausschau nach der Ogasawara Maru, die heute wieder mit neuen Bleichgesichtern an Bord eintreffen soll, aber mehrere Stunden Verspätung hat. Als sie durch den Dunst angeschaukelt kommt, eilen wir mit leichter Schadenfreude zum Landungssteg, um zu sehen, mit welch grauen Gesichtern die jungen Urlauber das wankende Deck verlassen, denn mag der Taifun inzwischen auch abgezogen sein und blauer Himmel zaghaft durch die abziehenden Wolkenfetzen lugen, die See ist noch immer ziemlich aufgewühlt.

Zu unserem Entsetzen quellen aus dem Dampfer aber mehr als 500 quietschmuntere Jungs und Mädels, das wird eine Gaudi geben, nachdem uns schon die nur 350 Kids der vorigen Fähre auf diesem stillen Eiland recht zahlreich vorgekommen waren. Nein, nicht missverstehen, bitte! Natürlich habe ich nichts einzuwenden gegen die frischen Bikini-Schönheiten, die nur zwei Stunden später schon am Dorfstrand plantschen.


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"Zum Anbeißen !" sagte der Haifisch

 

susumu modoru mokuji

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