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ETOSHA und MOUNT ETJO

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Als Frank sich anschickte, Swakopmund zu verlassen, herrschte wieder Westwind, und Wetter wie Temperatur erinnerten stark an Pasewalk im Februar. Nur dass es nicht schneite. Dankbar zog Ka sich ihren swakopmundischen Pulli über, bis sie so tief im Inland war, dass hier ein Wort für "Nebel" unbekannt ist und die Mittagssonne wieder für zwei Stunden T-Shirt-Klima sorgte.

Zu dieser Zeit besichtigte Frank eine Firma. Schließlich war er geschäftlich unterwegs. Wie es der Zufall wollte, handelte es sich bei dieser Firma um die Kristallmanufaktur, wo freilich weder Lüster noch Weihnachtsbaumkugeln hergestellt werden. Der Name ist vielmehr eine Camouflage für die Teufelskrallen-Kellerei. Klingt nach Dracula, ganz recht, denn dort wird keine Traube gekeltert, sondern jede Menge teufelskralliger Schnaps solcher Sorten gebrannt, die man andernorts auch
svarti ðauði (der schwarze Tod) nennt. 

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Zwei liebliche Blüten mit zwei Nachkommen, den wüsten Spinnen

Die Teufelskralle ist eine stachelhaltige Wüstenpflanze, deren zweiter Taufname 'Wüstenspinne' auch nicht vertrauenerweckender klingt. Es ist ratsam, nicht barfuß darauf zu treten, weil die holzigen Früchte teuflisch krallige Widerhaken besitzen, aber falls du trotzdem so eine Stachelspinne im Fuß stecken hast, koch das Ding aus und nimm den Tee zu dir, das Zeug soll schmerzlindernde und appetitanregende Wirkung besitzen und wird für esoterische Naturmedizinfreunde massenhaft nach Europa exportiert.
Jetzt denk bloß nicht, dass sie daraus auch den Schnaps brennen. Nein, das mit der teuflischen Kralle ist nur der appetitanregende Markenname der Produkte der Kristallmanufaktur. Ob sich das 'Kristall' auf die gläsernen Behältnisse bezieht oder auf die glasigen Blicke derjenigen, die zu viel davon gekostet haben, ist Frank nicht ganz klar.
"Nein", sagt ein Zeitgenosse mit mehr Durchblick, "das hängt mit den Bergwerken der weiteren Umgebung zusammen."
Frank wird dadurch keine Spur klüger. Wird der Spiritus im Bergwerk gebrannt? Es handelte sich vermutlich um ein namibisches Geheimnis, das der clevere Frank allerdings noch am selben Tag lüften konnte.

Nachdem mit einer Schlachtplatte die Basis im Magen bereitet war, musste Frank an die Arbeit: Produktverkostung.
Gin, Schnaps, Liqueur und Rum, eins nach dem andern in eierbechergroßen, nicht kristallinen Gefäßen, und als die Grappa kam, hielt er vier Gläser in den Händen, denn Ka hatte klugerweise schon nach der vierten Sorte aufgegeben, weil sich der lauschige Garten allmählich zu drehen begann wie ein Zahnrad, dessen Gebiss nichts zu greifen hat. Franks kristallene Pappgläser in seinen vier Händen tanzten vor seinen Augen einen eleganten Tango, aber als er den Fahrersitz des Busses erklimmen wollte, zog ihn der gottlob nüchtern gebliebene Lukas am Ärmel.
"Ihr Sitz ist weiter hinten....", sagte der Gute höflich, woraufhin Frank eine namibische Redensart zitierte.
"After f-five strong d-drinks, in Na-namibia YOU are the d-d-driver."
Seltsam, bei dem Bafelskipper haben alle gelacht, aber wenn Frank sowas von sich gibt, lacht niemand...


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Nach jedem Probeschluck spürst die die Bedeutung von 'Devil's claw' stärker

Kristallin angeheitert traf Frank in der Tat bald auf weiteres Kristall, aber diesmal nicht trinkbar. Die Männer des nahen Ortes arbeiten in den Minen der Bergkette am Horizont und schürfen Bergkristall, Turmalin, Onyx, Rosenquarz, Amethyst, Lapislazuli und Achat aus der Unterwelt, und die Frauen haben einen Supermarkt der geschliffenen, aber ungenießbaren Gesteine an der Landstraße eröffnet und verdienen sich damit Haushaltsgeld und Anerkennung ihrer Ehemänner. Obwohl oder vielmehr weil Frank unterdessen aus Teufels Krallen befreit und wieder halbwegs bei Sinnen war, nutzte er dort nur die Toilette, um hochprozentigen Treibstoff abzulassen wie ein Düsenclipper vor der Notlandung. Man soll zwar als Tourist sein Geld den Einheimischen möglichst direkt zugute kommen lassen, aber Frank wusste trotz intensiven Nachdenkens nicht, was er in seinem Alter mit einer Halskette aus Malachit, einem Armband aus Jaspis und anderen Steinereien anfangen sollte. Chique Hüte für Ka, notfalls auch aus Kuduleder, findet man in den Kristallminen leider nicht, und da Franks Jahresbedarf an Obsidian bereits gedeckt war, fuhr er kristalllos weiter in Richtung Otjiwarongo und Outjo.

In Outjo wurde Frank mal wieder auf Deutsch begrüßt, denn die gemütliche Gartenschänke "The Farmhouse Restaurant" in der Kronkel Road, wo er seinen Cappuccino schlürfte, hat es, wie eine an der Außenmauer aufgemalte Schweizer Fahne und die deutschsprachige Inschrift "Tagesmenü Eisbein mit Kraut" bezeugen, auf irgendwelchen schicksalhaften Wegen von den Almen zu den Palmen verschlagen; sie lockt nun im namibischen Busch mit Sauerkraut, Biergarten und zig Sorten von hausgemachtem Kuchen blonde Touristen an. Sogar die pechschwarze, rundlich-joviale Kellnerin lächelt dich mit "Grüezi, wo besch gsi, wos häsch gmocht?" an. Haha, Afrika für Anfänger!


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Auch in Outjo brauchst du nicht auf Schweizwälder Kirschtorte zu verzichten

Hier gibt es noch mindestens eine Tankstelle, einen gut sortierten Souvenir-Supermarkt direkt am Busbahnhof, einen großen Markt, auf der Straße tanzende Gogo Girls, die riesige Outjo Bakkery (die Schreibweise ist Afrikaans!) samt Café, eine Klinik, einen lokalen Airport und einen Bankautomaten, der gegen Kreditkarte mit namibischen Dollars um sich wirft. Und die Kreditkarte auch wieder rausrückt. Kurzum, eine ganz ordentliche, gepflegte Kleinstadt mit Wasser und Eukalyptusbäumen, die um die Kreuzung zweier großer Landstraßen herum gewachsen ist.

Frank ist jedoch nur auf Durchreise in den viel fruchtbareren Norden, wo das flache Ovambo-Land am dichtesten besiedelt ist und hohes, zu Heuballen mähbares Gras die Farmer erfreut. Die Region weist sogar, wo die Farmer die Savanne nicht entbuscht haben, richtige Wälder auf. Nicht dass jetzt vor deinem geistigen Auge der Urwald von Gabon oder Borneo auftaucht; der namibische Wald hat eher Ähnlichkeit mit dem Fichtenwald im Harz, von dem wegen Klimawandels, Waldbränden und Hexentänzen nur noch vertrocknete Knorzen übrig sind. In Namibia sind die struppigen Strünke allerdings bei genauerem Hinsehen hier und da noch mit von hungrigen Giraffen verschonten Blättchen ausgestattet, und mancher Busch hat irgendwelche Früchtchen, Blüten oder Samen, die einer überwältigenden Schar von Vögeln als Nahrung und Biotop dienen. Dazwischen wieseln Wiesel und streifen zebrastreifige Zebras.

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Mitten in diesen Trockenhain gepflanzt steht die Hütte, von der aus Frank und Ka in den nächsten Tagen auf Game Drive gehen werden.
Ach was, keine Nintendo Games auf deinem iPhone! Dein Englisch ist anscheinend einer gründlichen Politur bedürftig! Das Wort "game" hat, wie das deutsche Wort "Absatz", mehrere Bedeutungen und bezeichnet unter anderem auch wildlebende Vierbeiner.
"Und warum sagst du nicht einfach 'Safari', Frank?"
Weil das Swahili ist und schlicht "Reise" bedeutet; auf Reise befindet sich Frank seit 1969, ohne je zum Ziel gelangt zu sein, und Swahili ist eine ostafrikanische Sprache, die den Bantuvölkern im Süden und Südwesten des Kontinents nicht geläufig ist. Hat es jetzt bei dir geklickt?

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Giraffe auf der Suche nach Zebrastreifen


Nein, das kommt nicht von dem gefallenen Groschen, sondern aus den Bantusprachen. Die haben, genau wie das Deutsche, Klick- und Schnalzlaute, aber nicht nur das klickende K und das schnalzende T, sondern noch vier weitere, von denen weißer Mann nicht weiß, wie er sie schreiben, geschweige denn aussprechen soll. In seiner Not greift er auf Krakel zurück, die nur Eingeweihte verstehen, aber noch lange nicht lautlich hinkriegen. Die Einheimischen nennen beispielsweise die nach dem ersten deutschen Landräuber Adolf Lüderitz getaufte Stadt in 
Damara-Nama, ihrer eigenen Sprache, !Naminûs, was so viel wie "Umarmung" bedeuten soll, und die Region, in der die Stadt liegt, IIKharas, aber frag mich nicht, wie das aus kundigem Mund tönt. Das ist der Vorteil eines schriftlichen Reiseberichts - ich brauche es dir nicht vorzulesen.
Umarmungen, wenn auch nicht gerade mit Wladimir Putin, findet Frank generell sympathischer als den verblichenen Bremer Kolonisatoren, der in Südwest auf Kosten der Einwohner steinreich wurde. In Deutschland wurden und werden alle Lüderitzstraßen neuerdings umbenannt, nachdem das "Adolf" zuvor schon diskret entsorgt worden war; nur im namibischen Lüderitz wehren sich die Bewohner aller Hautfarben gegen die Umbenennung ihrer Stadt, weshalb nur der Wahlkreis, nicht aber die Stadt selbst, gegenwärtig den für unsereins zungenbrecherischen Namen trägt.

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Klicken und Schnalzen ist doch kinderleicht!


Aber Frank hält sich ja aus der Politik heraus und beschränkt seinen aktiven Wortschatz der Sprache Khoekhoegowab auf die Worte "kai aiós", denn sie enthalten keine Gaumenbrecher und Zungenknoten, klingen altgriechisch, sind fast landesweit bekannt und bewirken stets ein überraschtes, freundliches Lächeln, denn sie bedeuten "vielen Dank". Das ist eine Redewendung, die Frank in jeder Sprache aller Länder, die er jemals besucht hat, beherrscht (und anschließend meist wieder vergisst), und die genauso wichtig ist wie der Reisepass.

Weißt du, was Milipap ist? Bevor du den Meister Gugel belästigst, der dir gleich erklärt, dass es korrekt Mielie Pap heißt, erzähle ich es dir. Das ist nämlich wie mit der Begrüßung in Deutschland. Da sagt der Hamburger "Moin", der Leipziger "Morsche", der Frankfurter "Ei Guude", und der besserwisserische Herr Gugel belehrt dich, dass es korrekt "guten Morgen" heißen soll. Hab ich noch nie gehört, außer in den Nachrichten, wo die Sprecher für rechtschaffenes Deutsch bezahlt werden. So ist das auch mit dem namibischen Milipap. Mielie Pap, so viel Bantu kannst du sicher auch, bedeutet "mehliger Kleister", haha, und wenn er essbar ist, nennt man ihn bei uns "Brei". Es handelt sich um das afrikanische Grundnahrungsmittel, traditionell aus Hirse zusammengerührt. Aber im Süden hat sich, seit die sonnenbrandigen Fremden den Mais importiert und angepflanzt haben, der Pap aus Maismehl etabliert und wird im Süden Milipap, im Osten, auf Swahili, Ugali, in England Porridge und in Italien Polenta genannt.

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Mit Braten und einer ordentlichen Zwiebelratatouille macht sich der Pap hervorragend

Aber jetzt glaub bloß nicht, dass ganz Afrika italienische Polenta mit sugo di pomodoro löffelt. Von Milipap gibt es so viele Sorten wie beim Edeka in Aurich Brötchen, beim Rewe in Königs Wusterhausen Schrippen und beim Lidl in Unterhaching Semmeln. Am Morgen kriegst du dein Milipap quarkig weich serviert und kannst es wahlweise mit Honig und Nutella, mit Paprika und Matjeshering oder mit Petroleum und Natriumhydrogencarbonat verspeisen, denn es ist geschmacksneutral.
Na ja, Nutella und Matjeshering bekommst du am Rand des Etosha-Nationalparks eher selten, aber beim reichhaltigen Frühstücksbuffet des Hüttendorfs, in dem Frank logiert, ist selbst das nicht ausgeschlossen. Auch Maschinenöl und Backsoda als Dressing ist Geschmackssache, aber wer weiß, welche Speisemoden sich in zwanzig Jahren unter eingefleischten, pardon, eingesalateten Veganern und michelinsternsüchtigen Gourmets etablieren. War ja auch nur ein Beispiel.
Weitere Stadien der Papkunst reichen von viertel-, halb- über dreiviertelfest bis hin zu käsekuchenfester Konsistenz, und dazu kannst du essen, was immer dein Herz begehrt und das Buffet hergibt. Sei kein Frosch und probier einfach mal, was afrikanische Mamas ihren Kleinen Tag für Tag ins Mäulchen streichen. Schmeckt nach nichts, wenn du nichts drantust, ist aber gesund, vegan, halal und nahrhaft.

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Afrikanische Mama rührt das pappige Püree an


Am fernen Horizont steigt ein graues Rauchwölkchen von der endlosen Savanne auf in den ewig sonnigen Himmel. Industrie gibt es hier nicht, kriegerische oder vulkanische Aktivitäten derzeit auch nicht. Hoffentlich kein Buschfeuer. Das ganze Land ist strohknochentrocken.

Du kannst noch so viel Pap im Bauch haben, am frühen Morgen ist es fröstelkalt. In Pullis und Daunenanoraks gehüllt, mit Decken auf den Knien und wollenen Ponchos über den Schultern gehen Frank und Ka im offenen Savannencabriolet auf Großwildjagd, die hier Game Drive genannt wird. Geschossen werden aber nur Fotos, keine Löwen. Du weißt ja, dass die Nationalparks auf Sonnenuhr und Mondkalender hören, weshalb der uniformierte Krieger, der die teuer bezahlten Lizenzen der Besucher eingehend studiert, die Eingangsschranke erst um 7:13 Uhr hochzieht. Eine Kavalkade von Safarimobilen und Touristenbussen ergießt sich über die friedlich äsenden Springboks, vertreibt die misstrauischen Paviane und die wiederkäuenden Giraffen, die im Passgang elegant davontänzeln. Nur die Elefantenfamilie trabt in aller Seelenruhe über die Chaussee. Erstens haben im NP die Tiere, auch ohne Zebrastreifen, generell den Vortritt, und zweitens geht eine handgreifliche, genauer gesagt, fuß- oder rüsselgreifliche Auseinandersetzung zwischen Automobilist und pachydermem Großwild nur in seltenen Ausnahmefällen zugunsten des Automobilisten aus. Respekt vor der Kreatur ist also auch im eigenen Interesse geboten.

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An Land, da wär ein Wal verkehrt; das Meer bleibt dem Schakal verwehrt


Zum Glück wird es allmählich wärmer; die Mittagspause, im T-Shirt an einer künstlich angelegten Wasserstelle, bietet Aussicht auf saufende Oryxe, badende Springböcke und streunende Schakale, bis sich am Horizont die langsam näherkommende Silhouette des einsamen Elefantenbullen Tembo abzeichnet. Dass Elefanten durchaus ungnädig reagieren können, wenn jemand ihr Mittagsbad stört, wissen die anderen Tiere und weichen dem grauen, faltigen Urviech, das in aller Ruhe einen Plattfuß nach dem andern in den See setzt, sich mit seinem nasalen Wasserwerfer nur den Unterleib duscht und die langen Zähne sorgsam putzt, allerdings ohne Blendax. Bis die Elekatzenwäsche beendet und der Durst gestillt ist, vergeht eine gute Dreiviertelstunde. Danach steigt Tembo wieder aus der Wanne und trottet, vermutlich hungrig, in Richtung Busch davon.

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Bulle Tembo belässt es bei einer, nun ja, Katzenwäsche


Am Ausgang des Nationalparks, am Brunnen vor dem Tore, lagert eine Sippe der Himba, halbnomadische Viehhirten, deren Frauen sich mit einem Gemisch aus Ocker und Fett einreiben und ihren intimsten Bereich, nämlich die Fußknöchel, mit Schmuckgamaschen vor anzüglichen männlichen Blicken verbergen. Barfüßige Kinder und hübsch frisierte, schmuckbehängte und barbusige Damen versuchen, bei den fremdländischen Safaristen handgeschnitzte und -gewerkte Afrika-Souvenirs in Dollars umzurubeln, aber größeren Erfolg haben die Kiddies, die um die Fahrzeuge scharwenzeln, halbvolle oder, wie der Pessimist sagen würde, halbleere Lunchboxes ergattern und sich mit white man food wie fettigen Potatoe Chips und klebrigem Süßzeug Zähne und Gesundheit ruinieren und auf diese Art niemals das Handwerk eines ordentlichen Viehhirten erlernen.


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Sogar die Frau Mama nascht lieber Müsliriegel als Milipap


Das Rauchwölkchen von gestern ist zu einer dunklen Wolkenwand angewachsen und kommt allem Anschein nach mit beachtlichem Tempo näher.

Das Camp präsentiert abends nicht nur ein gewaltiges Buffet, sondern auch Barbecue mit Musik. Eine fest angestellte Combo delektiert die Gäste aus aller Welt mit Evergreens aus aller Welt, von Amazing Grace bis La Bamba, und die Dundun bearbeitet dazu - - - Busfahrer Lukas!
Na gut, ich kann verstehen, dass ein Afrikaner im Prinzip nicht dafür geboren ist, täglich einen Kleinbus zu putzen; er muss auch mal seinen Spaß haben und einer afrikanischen Trommel Saures geben, zumal der Mann am Schifferklavier sein Schwager ist, wie Lukas später erzählte.


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Busdompteur Lukas am Schlagzeug


Afrika für Anfänger...? Das eingangs erwähnte geflügelte Wort des Expat-Nachfahren aus Swakopmund geht Frank durch den Sinn, während er mit Ka einem Hiking Trail folgt, an dessen Beginn ein Schild davor warnt, sich ohne Guide in den afrikanischen Busch zu trauen. Ka kichert. In Madagaskar ist sie mit Frank fünf Tage lang ohne Guide durchs menschenleere und weglose Isalo-Gebirge getrekkt und hat alle Attraktionen erreicht, ohne sich auch nur einmal zu verlaufen. Der Pfad hier, mit Randsteinen wie im Kurpark von Baden-Baden selbst für Blinde deutlich sichtbar markiert, der jede auch nur leichte Steigung und Anstrengung zu vermeiden sucht und es dem Afrika-Anfänger mit handschriftlicher Beschilderung an jeder Abzweigung so einfach wie möglich macht, entlockt ihr nur ein mildes Lächeln, zumal er schon nach nur dreißig Minuten auf dem benachbarten Campingplatz endet. Außer einem Rudel eilig davonflitzender Mungos musste sie keinen tödlichen Gefahren ins eiskalte Auge sehen, weder Drachen bezwingen noch mit Löwen kämpfen oder eine schwarze Mamba bändigen. Afrika für Anfänger...!


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Im namibischen Wald können sich Hänsel und Gretel schwerlich verlaufen


Der Buschbrand sieht immer gefährlicher aus. Der Rauch bedeckt schon die Hälfte des Himmels, und nach Einbruch der Dunkelheit sind die Flammen und der rote Widerschein mit bloßem Auge zu sehen. Da sich der Wind gelegt hat, besteht aber Hoffnung, dass eine breite, vertrocknete Flussleiche oder das staubige Band einer Chaussee das Feuer aufhalten könnte, denn der Bewuchs des Buschlands ist weder sonderlich dicht noch tannenhoch.

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Die Buschfeuerwalze kommt in der Nacht näher


In der Tat erwachte Frank am anderen Morgen ungeröstet, und die Brände bzw. ihre Rauchsäulen sahen ausgehungert und leichenblass aus. Dennoch machte sich Frank via Helvetisch-Outjo und Kalkfeld auf zum Mt.Etjo, wo noch einige Abenteuer auf ihn warteten.
Das erste und spannendste war, dass das gecharterte Safarimobil bei der Verfolgung einiger Elefanten mitten im telegrafenlosen Outback verröchelte und keinen Spotz mehr von sich gab. Frank kam sich dank einschlägiger Erfahrungen vor wie im ICE Kassel-Hannover der deutschen Bundesbahn, aber lassen wir das mal beiseite. Aufgrund irgendeiner Nachlässigkeit oder eines Missverständnisses war der Driver offenbar mit defekter Treibstoff-Anzeige und leerem Tank losgefahren. Ka murmelte halblaut, er solle seinen Landrover in den Sperrmüll geben und sich einen Toyota anschaffen, auf den sich alle wichtigen Organisationen der ganzen Welt
verlassen, von Médecins sans frontières bis Boko Haram. Auf Voodoo verstand sich der ratlose Fahrer nicht, und ein Schamane, der den uralten palästinensischen Trick, Wasser in Wein oder Diesel zu verwandeln, beherrschte, befand sich auch nicht unter seinen Vorfahren, weshalb Frank sich im weiten Wildlife Park von Mt.Etjo ergehen konnte, bis die Löwen ihn aufspürten...


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Löwenfamilie beim Sonntagsausflug nach dem Picknick


Nein, glaub dem Frank Münchhausen nicht jeden Bafel! Nicht die Löwen fanden ihn, sondern er fand, mit afrikanischer Hilfe, tatsächlich eine Mischpoke der verspielten Afrokätzchen, die wie immer gähnend faul ihre Siesta auf einer sonnigen Lichtung hielten, bis sich in der Kälte der Nacht Hunger und Jagdtrieb wieder bemerkbar machen. Da war Frank aber dank der Begegnung mit einem anderen Safarimobil längst wieder in seiner Luxus-Suite der Mt.Etjo Safari Lodge, in der vermutlich schon Sam Nujoma oder Eduard Schewardnadse logiert hatten, und labte sich wie Löwenpapa Simba an Kudu Steak, Oryx Grill, geschnetzeltem Impala und Springbok-Gulasch, was ein rechter Löwe allerdings
medium rare und ohne Rosmarin und Kardamom bevorzugt.
Was das mit Nujomardnadse zu tun hat, willst du wissen?

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Wohnzimmer der Superluxus-Suite in Mt.Etjo


Nein, Frank hat ausnahmsweise keine abwegigen Gedankensaltos oder Kalauer wie sonst leider allzu häufig abgesondert. In ebendieser bildschön angelegten Safari Lodge für Afrika-Anfänger, mit grünem Rasen, Flamingoteich und Tausenden von Hektar Wildnis rundherum, wurden in der Tat die letzten Details des namibischen Unabhängigkeitsvertrags ausgehandelt und das Dokument unter der Schirmherrschaft sowjetischer und amerikanischer CEOs unterzeichnet. Ob es seit damals oder erst neuerdings dort Brauch ist, täglich gegen 15 Uhr im Garten einen Tisch mit Tellern, Kaffee, Tassen und einer großen hausgemachten Torte zur kostenlosen Selbstbedienung für alle Gäste aufzubauen, ist Frank unbekannt, aber er ist der (unmaßgeblichen) Ansicht, dass man das in St.Peter-Ording oder in Garmisch-Partenkirchen auch einführen sollte und dass unsere Gastronomie und Hotellerie von Afrika noch allerhand lernen könnte.

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Gratiskuchen für alle Bedürftigen, aber nicht im Café Tomaselli in Salzburg


Da Frank schon so manche defekte Treibstoffanzeige und leere Tanks, zum Glück nicht im Fluzeug, unbeschadet überlebt hat, scheucht er bei seinem unerschrockenen nächsten Versuch erfolgreicher die Tiere und wohnt einer lautstark trompetend zelebrierten Begegnung zweier befreundeter Elefantenherden bei.


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Buschfeuerqualm am Himmel und Trompetenorchester auf Erden


Danach nahm das zweite Abenteuer, die Begegnung mit einem eiligen Velociraptor, seinen Lauf. Das Urtier hatte es freilich so eilig, dass es seinen Vortritt im Nationalpark äußerst zeitig in Anspruch nahm und Franks Weg schon vor 80 Millionen Jahren kreuzte. Nur den Weg, denn Frank hatte seinerzeit woanders zu tun. Nur dreizehige Spuren und einen Haufen Steine, die Frank kenntnisreich als versteinerte excrementa velociraptoris deutete, hinterließ der schnelle Veloci, eine unmissverständliche Botschaft an die Nachwelt.

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Veloci, der dreizehige Flinke, eilte vor 80 Millionen Jahren hier entlang


Frank war versucht, diesem Exempel nachzueifern, aber die Evolution hatte ihn bereits unwiederbringlich zu einem dekadenten, ebenso zweibeinigen, aber fünfzehigen Lebewesen des 3.Jahrtausends im mittleren Anthropozän geformt, weshalb er sich mit einer Giraffe namens Twiga beschäftigte, die just vor der untergehenden Abendsonne posierte und ihn um ein Portrait ersuchte.
Voilà.

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Twigas Selfie mit Abendsonne


Der Toyota-Dompteur  --er war heute tatsächlich auf ein japanisches Vehikel umgestiegen--  legte schon krachend den Gang ein, um rechtzeitig zum Dinner Buffet am Grill zu sitzen, da schoben sich die Schatten von Abenteuer Nummer drei ins Blickfeld. Träge und sorglos walzten drei tonnenschwere Nashörner durch die Prärie und kamen mampfend auf Franks Cabriolet zu, als ob sie noch nie etwas von Wilderern, chinesischer Medizin und begehrten Potenzmitteln gehört oder gelesen hätten. Kein Wunder, dass sie vom Aussterben bedroht sind. Da siehst du mal wieder, wie nützlich es sein kann, sein Abitur gemacht zu haben.
Stolz reckten die drei schwergewichtigen Gesellen ihre vollständige Nasenzier in den Abendhimmel und schnauften weiter in die namibische Finsternis hinein.

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Breitmaulnashörner stampfen und mampfen auch nachts
 

Frank hingegen schnaufte anderntags wieder auf Windhoek zu, mit vor Trockenheit wunden Lippen und rissigen Händen. An Ortschaften mit für Nama und Herero unaussprechlichen Namen wie "Teufelsbach im Erholungsgebiet Groß Barmen", an der "Teufelsschlucht" und dem Weiler "Elisenheim" vorbei ging die Fahrt, die jedoch weder im Schwarzwald noch im Knattergebirge von Magdeburg endete, sondern in Windhoek. Aber in Richtung Schwarzwald spedierte ihn der Flieger noch am selbigen Abend, ohne dass ihn zuvor noch der Namensgeber der Teufelsschlucht geholt hätte, denn sonst wären diese namibischen Memoiren für die Nachwelt verloren gegangen. Na ja, das mit dem Teufel, das ist möglicherweise nur aufgeschoben, bis der alte Demiurg beschließt, dass Franks Seele in ihrer gegenwärtigen Inkarnation genügend ignoranten Klatsch von sich gegeben hat.
Aber du verstehst mich schon, falls ich etwas sage, das es wert ist, verstanden zu werden.
Namibi-Amen.


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