M A D A G A S I K A R A 

August 1992

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logobaobab


Es dauerte freilich keine Viertelstunde, bis ich wieder in die Bremsen stieg; noch ein Volksauflauf nahe der Straße, wo freilich keine Wohnhütten, sondern aus Lehm gemauerte, aber fensterlose Häuser standen. Mir schwante schon, was da passieren würde, ich hatte den Reiseführer gut gelesen. Die Merina bauen für ihre Verstorbenen nämlich luxuriöse Paläste, um die sie die Lebenden nur beneiden können. Einmal alle fünf oder sechs Jahre feiern sie eine Famadihana, das Totenfest. Da werden die Leichen aus den Gräbern geholt und während eines mehrtägigen Festes im Familienkreis willkommen geheißen. Man glaubt, wie auch in anderen Religionen, dass die Ahnen irgendwie weiterleben. Die Vorstellung, dass mit dem Tod alles aus sein sollte, ist den Menschen in allen Erdteilen gleichermaßen unerträglich. Wenn man also glaubt, dass die Toten nicht tot sind, muss man sie auch über die familiären Ereignisse auf dem Laufenden halten; wer wen geheiratet hat, wie viele neue Ururururenkel inzwischen zur Weltbevölkerungsexplosion beitragen, wie viele Bäume neu abgehackt wurden und wie viele Zebus man der Nachbarsippe erfolgreich geklaut hat.

Als wir hinzukamen, erklomm just der Ombiasy (Medizinmann) ein Grabhaus, über dessen zugemauerten Eingang das heutige Datum, 22 Août 1992, frisch aufgepinselt war, und hielt eine rumreiche Ansprache, zu der ein beschwipster Alter aus der Menge, wohl der allseits respektierte Dorfschulze, ausführlich Gegenrede und Antwort stand. Wir glaubten schon, das werde ein endloses Palaver, aber weil den Rednern der Sprit auszugehen und ein rumloses Ende der Zeremonie drohte, purzelte der Ombiasy flugs vom Dachl und gab das Zeichen zum Beginn der Arbeiten. Die Erdgräber der letzten Jahre wurden aufgebuddelt und das Mausoleum geöffnet. Darin liegen die älteren Ahnen, etwa dreißig in weiße, vom Zahn der Motten freilich graubraun genagte Stoffbahnen gewickelte Mumien, die nach und nach herausgeholt wurden.

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Leiche auf Urlaub vor dem Umtopfen


Die Frauen jeder Familie hockten sich um die Leiche auf Urlaub, wiegten und streichelten das längliche Totenpäckchen, schluchzten, heulten und stimmten eine Art Wiegenlied an, bevor die männlichen Angehörigen den Grufti auspackten und in frische Tücher wickelten. Währenddessen sind auch die Erdgräber offen, und aus den schlichten Särgen kamen ähnliche, frischere, wenngleich etwas angefaulte Leichenbündel zum Vorschein, die man ohne weiteres als Vogelscheuchen verwenden könnte. Auch die wurden umgetopft, frisch verpackt und von den Klageweibern bewimmert und befingert, während die Männer mit Eifer dafür sorgten, dass wenigstens der Rum in den Leibern der Lebenden begraben werde.

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Klageweiber wiegen singend die Ahnen


Trotz des Heulens und Zähneknirschens der Frauen, das dem jüngsten Gericht alle Ehre machen würde, ist diese Auferstehung der Toten keineswegs eine friedhofspietätvolle Angelegenheit. Gleich nebenan schrummt und fiedelt schon wieder ein Jazz-Trio, Teenies hopsen und rumvolle Würdenträger lallen im Afro-Rhythmus derart enthusiastisch mit, dass zu befürchten steht, die Toten wachen ob des Getöses unsanft auf.
Bei diesem Fest standen wir ausnahmsweise nicht im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses; was da aus den Gräbern herausgepuhlt wurde, hatte für die Mehrzahl der Malagasy größeren Reiz als wir Vazaha, weil wir weder verwest noch skelettiert waren wie die geliebten Vorfahren. Da wir dies auch vorerst nicht vorhaben, verließen wir die Schädelstätte, als sich der Totenzug zum Leichenschmaus auf das Dorf zu in Bewegung setzte.

So eine Famadihana mitzuerleben, die ohnehin nur alle Jubeljahre veranstaltet wird, vorwiegend in entlegenen Dörfern und ohne Vorankündigung, ist ein seltener Glücksfall und Höhepunkt einer Madagaskar-Reise. Es gibt in diesem Land weder Burgen noch Schlösser, keine Tempel und Ruinen; das Interesse des Besuchers gilt daher vorwiegend der Natur und dem Brauchtum, dessen Nonplusultra eben eine Famadihana ist. Wir verdanken diesen Zufallstreffer unserer Eingebung, uns vorübergehend, trotz der wahrhaft afrikanischen Straßenlage, motorisiert zu haben. Sonst wären wir vermutlich im proppevollen Karacho-Bus mit langen Gesichtern an all den Fêten vorbeigedonnert.

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Vom Dach des Grabes hält der Ombiasy seine Ansprache

Zunehmende Verkehrsdichte, vermehrte Schlagloch-Fallen und immer verschmocktere Großstadt-Lüfte: Tana, Tana, wie liebe ich dich !

Sonntagmorgen, früh um halb acht. Zwei Ladies aus Südafrika warten ebenso nervös wie wir auf den schlaftrunkenen Boy des Hotels "Au cheval blanc", der uns zum Flughafen fahren wollte. Unsere Mietkarosse sind wir wieder los, um halb neun wollen wir mit AIR MAD auf die Insel Nosy Bé düsen. Der Fahrer fährt erst die Blumenrabatte im Vorgarten zuschanden, bevor er richtig wach wird und mit fast einstündiger Verspätung doch noch den nur 8 Minuten entfernten Airport erreicht. Noch steht die Karre nicht recht, da stürzt sich schon eine Meute von Jungs auf den Kofferraum und reißt Taschen und Päcke an sich. Ein schriller Schrei des Schreckens, im Duett von den beiden Tanten ausgestoßen, lässt die "Räuber" erstarren.
"Wir tragen unsere Sachen selbst!"
Gibt's das auch in Südafrika? Nun, die beiden Damen sind erst vor wenigen Jahren aus Frankreich zugewandert und haben noch europäische Koordinaten im Kopf. Andrerseits brauchen wir wahrhaftig keine Träger für die 9 Meter bis zum Eingangsportal und von da die 14 Meter zum Check-In. Und auch die Eile war unnötig, der Flug hat mehr als 2 Stunden Verspätung.

Nosy Bé (Große Insel) im Nordwesten von Madagaskar ist das größte der Eilande, die Madagaskar an dieser Ecke belagern. Und das rumreichste und teuerste obendrein. Schon die Fahrt vom Flughafen bis nach Ambatoloaka kostet stolze 7500 FMg pro Haupt, denn der Airport ist sinnigerweise am fernsten Ende der Insel gelegen, um das Hauptdorf Hellville nicht aus seinem behäbigen Tropen-Dösen aufzustören. Nach Ambatoloaka fuhren wir nur, um den beiden ganz patenten südafrikanischen Französinnen beim Mittagsmahl Gesellschaft zu leisten. Als wir den Preis vernahmen, den ihr Strandhotel zu verlangen wagt, machten wir kehrt: Das Siebenfache dessen, was das "Weiße Rössl" am Airport zu Tana dem Gast abknöpft. Freilich steht Nosy Bé im Ruf, die Costa Brava von Madagaskar zu sein, drängen sich doch bis zu sieben Strungalotels (Strand-Bungalow-Hotels), sämtlich auf gehobene Ansprüche und gespickte Geldtaschen zugeschnitten, an den Gestaden, und das färbt auf die Preise spürbar ab.

Aus dem kostspieligen Bungalow-Dorf will uns jedes vorbeifahrende Vehikel fortschaffen, das Taxi-Schild griffbereit unter dem Fahrersitz, und scharf auf alle Vazaha-Devisen. Dabei gibt es außer diesen Raffgeiern auch demokratischere Transportmittel. Das Sammeltaxi, das wir erwischten, trieb die Demokratie freilich ins Extrem. Wie viele Leute passen in einen R4? Wir haben es am eigenen Leib ausprobieren dürfen: 15 Personen und ein Baby, das Gepäck nicht mitgezählt, quollen aus dem geplagten Rostmobil; Kazuko lag quergestapelt über einem Knäuel Leuten auf der Hinterbank, und ich hing zu drei Vierteln hinten aus der Heckklappe raus, die glücklicherweise hielt, obwohl sie noch drei anderen zahlenden Passagieren als einziger Halt diente. Trotzdem rumpelte der Behelfsbus mit gut 80 Sachen durch die Schlaglöcher, und dass unterwegs nur einer der antiken Reifen schlapp machte, wundert mich bis heute. Hellville erreicht mit Müh und Not, aber für nur 1000 FMg, und das war der Sinn der Übung.

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Charme der décadence - einstige Kolonialvillen mit Blick aufs Meer, Hellville


Deutschen Gemütern suggeriert der Name des Hauptortes Licht und Sonne; britische Ohren denken wohl mehr an Orkus und Schwefel. Recht haben alle beide: Tatsächlich verströmt hier auch im tiefsten Winter die gleißende Sonne höllische Hitze, und für infernalische Rüchlein sorgen die müffelnden Abfallberge rund um den Markt und in den Gärten der einstigen Strandvillen aus der Kolonialzeit, die jetzt von vermehrungsfreudigen Malagasy behaust sind, in jedem Zimmer eine Großfamilie. Sonst aber geht es eigentlich ganz friedlich zu. Wenn man vornehm über den Müll, Rost und Verfall der Jahrzehnte hinwegsieht, wirkt der Ort beinahe nobel; die lang gestreckte Haupt-Avenue, die zum Hafen hinunterführt, erinnert mit ihren schattenspendenden Alleebäumen an die Pracht vergangener Zeiten. Es gibt sogar eine ruinöse, stellenweise auch als Erdrutsch strandabwärts gegangene Uferpromenade mit halb zugewachsenem Blick aufs Meer, und hinter dem grünbunten Vorhang von Unkraut und Unrat bröseln die Reste der ehemaligen Prunkpaläste vor sich hin, zernagt von der Karies der Zeitläufte. Unbekümmert prachtvoll ranken sich nur die üppigen Bougainvillea um die Ruinen, und wenn sie duften könnten wie Rosen oder Orchideen, würden sie vielleicht sogar den Drittweltruch von Müll, Urin und Dieselruß gnädig parfümieren.

Am späten Nachmittag tapern wir durch den Slumgürtel am Rand des Hafens, denn da legen angeblich zu dieser Stunde Pirogen ab zu den Nachbarinseln. Wir wollen auf das kreisrunde Vulkaninselchen Nosy Ambariovato, für Touristen und andere Fremdlinge einprägsamer auf Nosy Komba getauft, auf dem es nur zwei kleinste Dörflein gibt. Diese straßen- und autolose Insel ist ein Reservat für Lemuren, denen wir noch einmal auf den Pelz rücken möchten.

"Pirogen?? Die fahren morgens um sieben!", gibt lässig ein Mensch vor einer der grauschwarzen Wellblech-Hütten Auskunft. Nicht zu glauben. Die Reiseführer beharren einstimmig auf ihrer Version, dass abends die Leute vom Hellville-Markt mit ihren Einbäumen zu den Nachbarinseln lospirogieren und die zwei Meilen entfernte, just gegenüber sichtbare Insel Nosy Komba gerne ansteuern, wenn weiße Geldbringer mitzufahren wünschen. Aber auch andernorts ward mir die gleiche negative Auskunft, und in der Tat sah das mit Gerümpel übersäte Meeresufer nicht allzu pirogenträchtig aus. Sollten wir schon wieder, wie vor Nosy Boraha, die Flinte ins Zuckerrohr werfen müssen?
Eingedenk der hiesigen Hotelpreise soll das Glück auf Biegen und Brechen herbeigezwungen werden und nichts unversucht bleiben, um trotzdem unsere einsame Traum-Insel zu erreichen. Noch heute. Auf geht's, in den Hafen! Dort aber, oh weh, dümpeln in der Abendsonne nur wenige rostrote Seelenverkäufer vor sich hin, die nicht so aussehen, als würden sie je wieder in See stechen. Eine flotte Segelyacht kommt gerade von einem Törn zurück; auch das ist kaum das Richtige für uns. Verflixt nochmal, da schiebt sich eine Piroge in unser Blickfeld, von links, wo wir zuvor nach Booten gefragt hatten, die offene See anstrebend! Sogar mit Segel versehen, reitet das Ding flott über die Wellen in Richtung Nosy Komba. Wo kommt die denn her? Wir winken und brüllen und hüpfen wie Lambada-Tänzer im Koksrausch. Trotz der Entfernung werden die Pirogisten auf uns aufmerksam. Sie winken und brüllen zurück, machen aber keine Anstalten, umzukehren und noch zwei Paxe an Bord zu hieven. Das war's wohl für heute. Adieu, Nosy Komba, Einsamkeit, Wildnis und Lemuren....

Südländische Leser sind mit dem, was nun folgt, kaum zu beeindrucken; japanischen Fleißlingen hingegen sei ein dickes Lob des
Dolce farniente  hinters Ohr gerieben. Wie nutzbringend auch mal ein faules Herumlungern sein kann, zeigte sich im Verlauf der restlichen Stunde bis zum Sonnenuntergang, den wir nämlich doch noch auf Nosy Ambariovato erlebten.
Und das ging so: Wir blieben einfach faul da. Ist es nicht auch ganz romantisch, wie Otis Redding
on the dock of the bay zu hocken und in die rotgüldenen Abendwellen zu blinzeln, die eine immer kleiner werdende Segelpiroge durchfurcht? Schließlich sind wir zum Urlaubmachen hier und nicht zum stressig-manischen Organisierhetzhastrennen. Lieber schlagen wir unser Taschenhotel auf dem Anlegesteg auf als jetzt nochmal in Panik in die müllduftige Oberstadt zu hecheln, Transfer, Quartier, Menü, Tickets und wasweißich zu besorgen, nach Banken, Ämtern, Büros, Information, Restauration, Gastronomie, Hotellerie und Taxisten zu suchen und überall ein lappriges Scherflein zu spenden. Schluss damit heute, es reicht uns einfach, jetzt machen wir moramora!

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Hafen von Hellville im Abendrot, im Hintergrund Nosy Ambariovato


Und siehe da, es brümmelt was von der See her, und nicht lange, da rumst eine Art Badewanne mit Außenbordmotor an die Mole und entlädt ihre Fracht von acht Globetrottern toskanischen Mutterlautes, die auf meine Frage hin kund taten, soeben von der Lemureninsel gekommen zu sein. Und der junge Schiffer war willig, für uns heute Abend noch eine Extra-Tour zu fahren, für 10 000 FMg. Und schon zischte und gischtete die Yamaha-getriebene Bütte über die Wellenkämme, überholte besagten Segel-Einbaum und knirschte knapp 20 Minuten später in den Sandstrand von Nosy Ambariovato. Ha, da waren wir also!

Wer auf diesem Inselchen geduldig den Strand entlang watschelt, kommt nach spätestens drei Stunden wieder da an, wo er losmarschiert ist. Da passt also nur ein Dorf drauf, und noch eins oben am Krater des eingeschlafenen Vulkans, dem das Eiland sein Dasein verdankt. Fremde Besucher müssen dennoch keineswegs auf ein Robinson-Crusoe-Leben gefasst sein, denn gleich zwei Etablissements halten Gäste-Bungalows im Stil der örtlichen Architektur für reisende Lemuren-Fans parat. Dort logierten wir, wie die Einheimischen, in Holz- und Grashütten, die wir in der Nacht mit Heimchen teilten, die uns die Ohren vollzirpten, und mit anderem Geziefer, als da wären Heerscharen von Schnecken und Schnaken, welche die weit klaffenden Spalte zwischen den Lattenwänden wohl als Einladung missverstanden. Obwohl angeblich ein (derzeit abwesender) Allemand, das einzige auf der Insel ansässige Bleichgesicht, den Laden managen soll, war von preußischer Perfektion nichts zu spüren; das originell durchlöcherte Moskitonetz bot jedenfalls keinen Schutz vor nächtlichen Luftangriffen der blutrünstigen Flug-Draculas, so dass wir uns vom harzigen Qualm japanischer Moskito-Coils umschmaucht der unfreiwilligen Blutspende entzogen.

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Lemuren-Eiland Nosy Ambariovato


Einen Abort hat die tierliebe Villa ebenso wenig wie elektrische Leitungen; dafür beginnt der Busch gleich hinter der Rückwand. Es ist jedoch ratsam, auf Austritte während der Nacht zu verzichten, weil die Vormieter mit ihren Notdurftmarken den Vorgarten des Palastes geziert haben. Immerhin rinnt Quellwasser aus einer hölzernen Pipeline, die im Dusch-Erker endet, und Dutzende von Fröschen, denen man beim Kerzenschein beinahe auf die Pfoten tappt, duschen freudig jauchzend gleich mit.
Plumps, sagt es, und, kaum in den Schlaf gezirpt, erwacht der Stadtmensch, weil ihm ein Frosch im Eifer der nächtlichen Grillenjagd auf den Wanst gehoppt ist. Dreht sich der Vazaha um und drückt die Augen zu, um noch eine Mütze Schlaf zu fassen, kräht der erste Hahn los und gibt das Kommando für sämtliche Gickel der umliegenden Hütten, in einem Bremer-Nachtmusikanten-Wettbewerb loszukeckern. Kein Wunder, dass sich auf dieser naturnahen Insel auch Lemuren wohl fühlen!

Die kommen in den Vormittagsstunden aus dem Busch geflitzt, sausen durch Blattwerk und Gebälk, greifen sich Gemüseabfälle und vegetarische Reste des Abendmahles, kiebitzen und stibitzen, um dann das Geknatter der Boote voller Touristen zu erwarten, die in Gruppenexkursionen von den feinen Strungalotels hier Tag für Tag einfallen, den Dorfleuten alle faulen und schimmeligen Bananen abkaufen und an die pelzigen Akrobaten verfüttern. Wenn die Boote sich verspäten, fläzen sich die Tierchen zwischen die Latten baufälliger Hütten und äugen missmutig auf die Dorfkinder, die mit Bananenschalen wedeln und die langschwänzigen Urviecher zu locken und zu foppen suchen.


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Rat der Lemuren


"Maki, Maki !", flöten kleine Mädchen in den süßesten Locktönen, aber die ulkigen Lemuren mit ihren großen, ernsten Augen und weißen Backenbärten seilen sich nur unwillig an der Regenrinne ab, denn sie ahnen schon, dass die Kiddies ihnen wieder nur leere Schalen andrehen wollen, um sie dann garantiert an ihrem Stolz, den buschigen, langen Schwänzen, zu zoppeln.

Den ganzen Tag stromern wir den Hauptpfad der Insel zum Berggipfel rauf; oben bräuselt ein angenehm frischer Luftzug durch Kaffee- und Ananas-Plantagen. Die Kaffeebäume stehen in voller Blüte und duften weder nach Muckefuck noch gar nach Eduscho, sondern, wer hätte das gedacht, nach Jasmin. Ein Chamäleon entging, obwohl es sich dem graugesprenkelten Ast angepasst und perfekt getarnt zu haben vermeinte, durchaus nicht unserer Aufmerksamkeit und ergriff schleunigst die Flucht, als ihm der bärtige Fremde mit der Kamera nachzustellen begann. Baobab-Bäume wachsen in dieser Gegend selten, dafür aber andere Scherzartikel aus der Humorkiste der Natur: Kein Ylang-Ylang-Baum schafft es offenbar, ohne fünf Knoten und zig Verrenkungen in Stamm und Geäst einfach nur nach oben zu wachsen. Dafür riechen die unscheinbaren Blüten dieser Ulkhölzer nach Chanel, oder besser gesagt, das Chanel-Parfum duftet nach Ylang-Ylang, denn aus den Blüten dieses Baumes wird der Grundstoff der französischen Parfum-Industrie gewonnen.

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Kein Ylang-Baum schafft es, kerzengerade zu wachsen

Uuiiiuuiiihh! Schon wieder ein Schreckensschrei aus japanischem Munde, kann ja nur ein Ringelvieh die Ursache sein. Nein, zweie! Mitten im Paarungsakt begriffen. Die schlanke Dame verdrückte sich schleunigst ins diskretere Unterholz, ihren verdatterten Gemahl, der sich nicht von ihr lösen mochte, holterdipolter hinterdrein schleifend, obwohl er sich dabei fast verknotete und mehrfach überschlug, wobei ihm ziemlich schwindelig geworden sein dürfte. Kazuko steht währenddessen starr wie eine Notrufsäule, abgewandt und von Entsetzen gelähmt.
Eine Wegbiegung weiter grunzt und knarzt es aus dem Dickicht, dann raspelt und paspelt was in den Laubkronen: Lauter neugierige Lemurengesichter glotzen auf uns herab, und wir von unten zu jenen hinauf. Nicht lange, und das gegenseitige Anglotzen langweilt die Lemuren; sie setzen ihre Wipfelkonferenz fort, turnen durch das Ur-Laub und palavern und kollern noch eine Weile weiter, bis sie wie auf Kommando plötzlich alle die Raffel halten und mucksmäuschen still sind. Der einzige Laut, der die Stille jäh zerreißt, ist ein erneutes uuiiiuuiiihh, aus gleicher Kehle und Ursache ausgestoßen wie zuvor. Auf diesem Inselchen wimmelt es wahrhaftig vor Schlangen.

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Natur-Ikebana am Gipfel des Vulkans Ambariovato


Auch auf diesem Eiland kickt die fußballversessene Dorfjugend allabendlich auf dem Sandstrand vor einem Blockhaus, auf dessen Veranda allmählich die wundersamsten Vazaha-Typen eintröpfeln. Es hat sich bis zu den Yachten, die weit draußen vor der Küste dümpeln, herumgesprochen, dass hier eines der Top-Restaurants von Madagaskar zu finden ist. Anders als im schwyzerischen Récif verzichtet der germanische Chef nämlich auf das Selbst-Kochen, und jedermann ist ihm dankbar dafür. Stattdessen werkeln vier oder fünf einheimische Frauen um die Feuerstelle hinter dem Haus, hantieren mit gewaltigen Kesseln und Kellen, rühren, köcheln, brutzeln, palavern und zaubern wahre Wunderwerke von Delikatessen aus frischem Meeresziefer vor die staunenden Gäste. Die Maîtresse de cuisine ist eine Seele von Frau, mit Armen wie Nudelhölzern und einer Figur, die an einen ausgewachsenen Baobab erinnert. Ich lobe sie aufrichtig für ihr Dreisterne-Menü; da strahlt ihr ebenholzfarbig glänzendes Gesicht verlegen. Am nächsten Tag kommt sie auf mich zu und fragt, ob ich für das Abendessen einen besonderen Wunsch hätte.
"Hm.... Ich habe schon lange keinen Oktopus mehr gegessen."
Am Abend balanciert sie, extra für mich, einen Teller mit Oktopus à la malagasy herbei, einen Traum von Köstlichkeit, zusätzlich zum sonstigen Menü und kostenlos, als Dank für meine lobenden Worte. Hoch soll sie leben! So etwas Liebes entschädigt für manchen Ärger...

Um halb acht, so hatte der Kapitän der Yamaha-Wanne versprochen, werde er uns am Tag unsrer Abreise von Nosy Ambariovato wieder abholen. Auf dem ganzen Inselchen existiert kein motorgetriebenes Fahrzeug, weder für Land noch für Wasser, und wer seine Rückreise nicht vor der Hinfahrt organisiert, kann so lange vor Madagaskar liegen, bis er die Pest an Bord kriegt oder ein zufällig anlandendes Boot erwischt. Um halb acht kam niemand herbeigetuckert, um halb neun auch nicht, und um halb zehn warteten wir noch immer auf Godot. Als die komische Blechbüchse um kurz nach zehn endlich auf den Sandstrand rauschte, waren wir sauer und fest entschlossen, die Jungs Pünktlichkeit zu lehren. Im Hafen von Hellville zählte er mit Erstaunen nur 15 000 FMg und erhob Protest:
"Wir hatten doch 20 000 FMg vereinbart? Da fehlen ja 5000!"
"Ja, wir hatten auch halb acht vereinbart. Da fehlen auch ein paar Stunden."
Er sah wohl ein, dass der Weg zum Reichtum mit diversen Tugenden gepflastert ist, und trollte sich maulend.

Um auch von Nosy Bé noch was zu sehen, logiert man zwangsläufig in der "Villa Blanche", dem billigsten unter den teuren Strungalotels. Die einzige Alternative wäre die verkommene, schmuddelige China-Herberge im Stadtzentrum von Hellville.
Um nicht aus dem Urlaub heimzukehren, ohne wenigstens einmal im Indischen Ozean gebadet zu haben, hopsen wir auch mal in die seichte, pipiwarme und sandtrübe Brühe, aber nach dieser touristischen Pflichtübung zieht es uns schon wieder zu neuen Abenteuern ins Landesinnere.
Die lassen auf Madagaskar niemals lange auf sich warten. Um tunlichst allzu hitziges Schwitzen zu vermeiden, wollten wir uns die gut 2 km bis zur Abzweigung zu unserem Wanderziel im preiswerten Taxi Bé transportieren lassen, denn für eine so kurze Strecke lässt sich auch die demokratischste Enge notfalls ertragen. Ein Grüppchen Malagasy wartet ebenfalls am Straßenrand. Und dann beginnt ein amüsantes Spielchen. Jedes leere Privattaxi, auch aus der Gegenrichtung, von weitem schon hellhäutige Fremdkörper unter den wartenden Malagasy erspähend, hält unaufgefordert an, mit herrischer Handbewegung die Weißen zu sich winkend, die doch nur aus Versehen mitten unter den Einheimischen auf den Massentransporter warten können. Wir lachen uns halb tot ob der Zielstrebigkeit, mit der die Schlitzohren am Volant der Droschken sich die Ausländer aus der Menge picken. Mancher steigt gar aus und möchte fassungslos wissen, weshalb wir seine teure Dienstleistung verschmähen, als sei es Ausländern gesetzlich verboten, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Dem 11. staunenden Taxisten erzähle ich, ein Freund käme gleich vorbeigefahren, um uns abzuholen, und als ich diesen Bären etwa dem 17. Menschen aufzubinden im Begriff stand, rollte tatsächlich der Freund heran und lud uns in sein nicht mal überfülltes Taxi Bé.

Durch Zuckerrohrplantagen, die weite Teile der Insel bedecken, führt ein breiter Weg zu einem Dorf mit Namen Androandroatra. Ich hatte seit gestern Abend den Namen geübt und auswendig zu lernen versucht, um nach dem Weg fragen zu können, falls wir uns verlaufen sollten, aber das war nicht nötig: Die Piste führte nach einigen Kilometern geradewegs in das Dorf mit dem eleganten Namen hinein. Dann aber begingen wir den Fehler, nach dem Weg zu den Kaskaden zu fragen, als sich die Straße vielfach gabelte. Im Nu stand die gesamte Dorfjugend bereit, uns als Führer zu beguiden, und fortan sannen wir nur noch angestrengt nach Methoden, die Eskorte anhänglicher Fans elegant abzuhängen. Wer am Ende einer Prozession latscht und sich abseilen will, kann sich ohne Aufhebens in eine Kneipe oder Seitengasse verdrücken. Aber Baldachin, Pfarrer und das Allerheiligste müssten schon gerissene Künstler sein, wenn sie sich unbemerkt verkrümeln wollten. Und bei der gegenwärtigen Buschprozession spielten wir leider die Rollen von Baldachin, Pfarrer und Heiligtum zugleich.
Kurz hinter dem Ortsausgang hielt ich an, rief der Menge unmissverständlich und gezwungen lächelnd "adieu!" zu und gab den nächststehenden Jungfrauen die Hand zum Abschied. Das reduzierte lediglich den Altersdurchschnitt unseres Anhanges geringfügig, dessen Zahl aber nur unwesentlich. Scharf forciertes Gehtempo brachte ebensowenig Erfolg wie übertriebenes Trödeln. Eine Rast und eine mit Stentorstimme gehaltene Ansprache des Dankes für die geleistete Gesellschaft, unüberhörbar der Hinweis eingeflochten, dass Mama und Papa, Oma und Opa gewiss zu Hause warten, amüsierte die Androandroatresen sehr, aber meine rhetorischen Finessen wussten sie nicht zu goutieren, weil sie kaum Französisch verstanden.
Ein paar hundert Meter weiter endlich die Rettung dank einer zündenden Idee: Der Weg teilte sich erneut, und als die Vorhut unserer Begleitmannschaft nach rechts abbog, nahmen wir den Weg nach links.

Es erhob sich ein vielstimmiger Chor: "Là-bas, là-bas!", und ein wildes Rufen und Gestikulieren, weil die dummen Ausländer, trotz wohlwollender Guides, den total falschen Weg nahmen, aber wir winkten nur freundlich zurück und schlugen uns nach der nächsten Wegbiegung fix in die Büsche, bevor sich die Kiddies aus ihrer staunenden Starre lösten, drangen querfeldein durch Strupp und Strauch einen Hügel hinan, von dem aus zu sehen war, wie der Jugendpulk unten ratlos hin- und herwogte. Einige, die uns anscheinend suchend hinterhergelaufen waren, kamen soeben unverrichteter Dinge zurück. Schließlich trottete die androandroatresische Jugend in Richtung Dorf heimwärts.

Gerade wollten wir uns den Hang zum nunmehr richtigen Weg runterkämpfen, da tönte von fern das eben erst verstummte Hallihallo aufs Neue; uns zu Füßen tapsten vier kurzbehoste Vazaha, ebenfalls auf dem Weg zu besagten Kaskaden, und jeder hatte seine zehn kleinen Afrikanerlein im Gefolge. Die Prozession verschwand unterhalb unseres Feldherrenhügels in einem grünen Dickicht, von dem aus eine halbe Stunde lang Johlen und Schreien heraufklang; da unten lag also das Ziel!

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Unter uns wieder Vazaha mit ihren zehn kleinen Negerlein*) .....


Picknick im Schatten; noch waren wir nicht fertig, da kam die ganze Mischpoke wieder aus dem Tal hervor und stampfte zum Dorf zurück. Als alle weg waren, stiegen wir ins Tal hinunter. "Kaskaden" ist eine Übertreibung, aber dort, wo schon jahrhundertelang ein kleiner Bach etwa 30 Meter tief in die grüne Schlucht gestürzt ist, hatte sich ein wunderschöner, schattiger, tief grünblauer See gebildet, dessen Hinterwand wie bei den Wasserspielen der Villa d'Este der Wasservorhang des niederfallenden Bächleins bildet, und niemand war zu sehen außer einer Matrone, die am Rande des Teiches Wäsche wusch. Nach Herzenslust badeten, schwammen und suhlten wir uns in dem kühlen Nass, ließen uns vom Wasserfall den Kopf waschen und den Rücken massieren. Auch Ka fing bald an zu johlen wie zuvor die schwarzbraunen Bengels, aber aus anderem Grunde: Auch hier wimmelt es förmlich vor Schlangen.....

Zwei gute Stunden hatten wir uns friedlich in dem Naturbassin gelabt und mit den züngelnden Reptilien gespielt, da nahte aus der hohlen Mada-Gasse wieder trautes Getöse: Jetzt hatte die Kinderschar gleich sechs Vazaha erbeutet, die aber nur guckten und fotografierten, ohne sich ins Wasser zu begeben. Verständlich, angesichts des zahlreichen, aber nicht zahlenden Publikums.

*) bei Bedarf durch "afrikanischen Kinderlein" ersetzen

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Natürliches Schlangenbad bei Androandroatra


Wir versuchten, den Trubel der Neuankunft zu einem unauffälligen Rückzug zu nutzen; drei dörfliche Wegweiser hefteten sich dennoch unverdrossen an unsere Fersen und machten an besagtem Kreuzweg das gleiche lautstarke Theater, weil wir schon wieder die Richtung ins Dorf verschusselten und den "falschen" Weg wählten. In der Dorfchronik von Androandroatra werden wir zweifellos als die begriffsstutzigsten Besucher des Jahrzehnts Erwähnung finden.
Trotzdem gelangten wir nach einem interessanten, halbstündigen Spaziergang wieder zur Insel-Hauptstraße, leicht zu erkennen an den parallel führenden Schienen, auf denen zu unserer grenzenlosen Verblüffung gerade ein richtiger Zug angezockelt kam, im Schritttempo. Eine funktionierende Eisenbahn auf diesem Inselchen?! Es ist der Rum-Express, eine Diesellok mit 15 angerosteten Wägelchen voller Zuckerrohr, der unermüdlich die Plantagen abklappert und seine Fracht in der Rum-Destille abliefert.

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Rum-Express von Nosy Komba


Es bedarf keiner großen Überlegung, was wir uns von unserer Reise mitbringen wollen; nach dem vielen Rumlaufen folgt nun das Rumkaufen.
Nach Hellville fahren alle Vehikel auf der einzigen Chaussee. Und halten natürlich.
"Taxi, Taxi? Bis Hellville 8000 FMg!"
Man kann es auch billiger kriegen, wir sind keine Anfänger mehr.
"Ich biete 500 FMg pro Person, mehr habe ich nicht. Ich wollte eigentlich das Taxi Bé nehmen."
Da ist der Chauffeur aber beleidigt, gibt Gas und fährt davon, hält aber nur 30 Meter weiter wieder an. 1000 FMg sind immer noch besser als leer und ohne Verdienst davonzutöffeln, und im Rückspiegel zeichnet sich das nahende Taxi Bé ab. Brav, der Mann, das lob ich mir! Eine gesunde Einstellung zum Geschäft. Warum nicht gleich so?

Den Fusel zapft die freundliche Dame im Rum-Shoppe aus dem Fass. Wer keine leere Flasche mitbringt, muss den Sprit in der hohlen Hand heimtragen. Oder eine Bottel leasen. 2500 FMg kostet der Liter Zuckersaft, und 1000 FMg das kostbare Gefäß samt Korken, den die Tante mit geübter Hand kraftvoll reinpeppt, damit wir uns auf der langen Rückreise nicht auch noch mit Rum bekleckern.

Nachdem wir auf Nosy Komba kulinarisch exzeptionell verwöhnt worden waren, will uns die schale Kost der "Villa blanche" nicht sonderlich munden. Glücklicherweise sind es nur wenige hundert Meter bis zum benachbarten, eine Nummer teureren Strungalotel; zwar lässt sich auch da, wie in jedem Terrassen-Restaurant auf Madagaskar, zur Mahlzeit neben dem Tisch ein Köter nieder und guckt dem Gast fast das Steak von der Gabel, Scharen von Muschis samt Nachkommen maunzen "donnez-moi einen Fischkopf", Papageien krächzen "donnez-moi ein Stück Melone", und Schildkröten jappen nach Tomatensalat, aber sonst lässt es sich zu dezenter Barockmusik ganz ordentlich dînieren, denn die Gäste der "Villa blanche" sind zum Abendessen fast vollzählig hier versammelt; drüben hingegen speist man anscheinend nur einmal.
Einen zusätzlichen Service dieses Lokals entdecke ich, als ich an der Kasse das "vergessene" Wechselgeld reklamiere: Vom Bar-Tresen löst sich ein junger Mann mit einer kurzberockten, drallen Dame im Gefolge, und möchte dem vermeintlich einzelreisenden Vazaha gerne "seine Schwester" vorstellen, die er ebenso glaubhaft auch als seine Mutter hätte ausgeben können. Und mit Kennerblick befand
er -nicht sie-, dass ich ihr auf Anhieb ungemein sympathisch sei. Von einem so charmanten Herrn werde sie sich gern auf einen Drink in sein Hotelzimmer einladen lassen....
Am Ende der Reise noch ein Flirt mit Mademoiselle Sida oder Miss Syphilia? Ich bin schon froh, wenn ich mir hier keine Malaria oder Bilharziose einhandele, und außerdem, aber das kann er ja nicht ahnen, ist meine Ka Herausforderung genug.

Die Taxifahrt zum Airport kostet 7500 FMg. An der Tankstelle in Hellville, vor der Abfahrt, quetscht sich noch eine Quasseltante mit rein, labert auf dem ganzen Weg lautstark mit dem Driver und springt am Flughafen hurtig raus, offenbar in stillem Einvernehmen mit dem Chauffeur. Mir aber reicht die dreiste Verarscherei; der Taxifritze kriegt nur 5000 FMg, denn ich bin weder ein grüner Neuankömmling noch eine doofe Weihnachtsgans, die sich nach Belieben ausnehmen lässt. Ich würde es niemandem abschlagen, der höflich anfragt, ob er vielleicht das von uns gemietete Fahrzeug mitbenutzen dürfe, das er selbst nicht berappen kann, denn wir haben ja wirklich mehr Moos als die Leute hier. Aber vergackeiern lasse ich mich nicht mehr.
Sein Zeter-und Mordio-Geschrei nützt dem Taxisten nichts, die restlichen 2500 FMg soll er sich von der Labertante holen, und wenn es für die gratis gewesen sein sollte, zahlen wir auch nichts, danke sehr für den freundlichen Service.



In Tana treffen wir wieder die Französinnen vom Kap, und weil wir zu viert sind mit Gepäck, lassen wir uns auch hier mit dem Taxi ins "Weiße Rössl" befördern. Der Taxi-Gauner, der am Airport für 2000 FMg zu fahren versprochen hatte, verlangte beim Aussteigen dreist 3500 FMg. Schon zückten die Damen das Portemonnaie zum Nachzahlen, da schob ich sie zur Rezeption und blies dem Burschen dann gewaltig den Marsch. Heute habe ich einen montierten Kopf gegen diese Räuberbande und bedaure sehr, dass wir jetzt wieder weg müssen, wo ich gerade so richtig heiß darauf bin, den Touristen-Beduppern manchen Streich heimzuzahlen.

Vom Nachbartisch im Restaurant, direkt hinter meinem Rücken, tönt es vernehmlich auf Deutsch. Sechs blutjunge Neuankömmlinge kämpfen sich lautstark durch die französische Speisekarte.
"Zebu-Steak, was isn das?" - "Wohl irgendso ein Büffel?" - "Nein, das ist sicher Zebrafleisch!"
Aber die Lachnummer geht noch weiter:
"Du, guck mal im Wörterbuch, was cheval ist. Die haben hier Steack à cheval *)!"

(* Steack à cheval ist französisch für Hackbraten / Frikadelle )

"Scheint Pferdefleisch zu sein."
"Oh nee, also sowas ess ich doch nicht...!"
Wir mussten gehörig an uns halten, um uns nicht zu verschlucken oder pferdehaft loszuwiehern vor Lachkrampf. Und so was landet frech auf Madagaskar, anstatt erst mal im Elsass zu üben!
Mir schwant, dass alle zaghaften Versuche, die Bettel-Kids und Service-Haie zu erziehen, total vergebliche Mühe bleiben. Wenn in den Ferienmonaten Tag für Tag solche Trampeltiere auf der Lemureninsel einfallen, lacht sich die Nepp-Mafia ins Fäustchen, reißen sich die Bettel-Profis erwartungsvoll malerische Löcher in die Hemden und freuen sich alle großen und kleinen Gauner auf so einfältige, fette Beute, aus deutschen Landen frisch auf den Seziertisch. Und wenn die Opfer dann, beduppt, behumst und für dumm verkauft, nach ihrer unfreiwilligen Entwicklungshilfe wieder in den heimatlichen Mief zurückdüsen, können sie hoffentlich, ebenso wie wir, geläutert und um etliche Erfahrungen reicher, dem eingangs erwähnten frankfurter Weimarer nur beipflichten in der bedeutsamen, zeitlos-gültigen Erkenntnis:

Reisen bildet.


 ENDE
 

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